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cotopaxi

 
Mal was Neues: Ich habe keine Ahnung.

In den Schulbüchern gibt es "Arbeitsaufträge". Die Schüler lesen, rechnen, zeichnen. Diskutieren, schreiben, simulieren.
In meinen Schüler-Aufzeichnungen gibt es die Rubrik "Mitarbeit". Sie bestimmt ganz wesentlich, welche Note später ins Zeugnis kommt.
In Österreich schreiben Schüler hunderte "Schularbeiten".

Aber ist Lernen wirklich Arbeit?

Ein schreibender Kollege hat vorwurfsvoll in der Presse behauptet: "Die Lehrer bestehen immer noch darauf, dass Lernen etwas Unangenehmes sein muss. Also Leistung und Arbeit." Geht es ohne auch?

Ich erinnere mich zurück. Ich musste Baladen auswendig lernen. Ich musste tausende Beispiele rechnen. Ich musste täglich Vokabel wiederholen. Ich musste Hausübungen schreiben. Heute spreche ich ein paar Fremdsprachen, kann Statistiken fälschen und zwischen Nullleiter und Erdung unterscheiden. Ich finde Jakarta auf der Landkarte, zitiere französische Philosophen und verstehe mehr als den Sportteil der Tageszeitung. Ich habe es arbeitend gelernt.

Kann man auch rein spielend/spielerisch lernen. Sprachen. Mathematik. Naturwissenschaften. Ich gestehe - ich zweifle. Aber ich würde mich tierisch freuen, wenn es funktionierte.

Was glaubt ihr? Müssen Kinder in der Schule und zuhause arbeiten, um zu lernen. Ist das dann Kinderarbeit?
Adira (Gast) meinte am 3. Nov, 17:10:
Wann
Wann Fängt das Lernen an Arbeit zu werden? Das würde ich mich eher fragen.

Meine vierjährige lernt wie irre, wiederholt Dinge tausendmal, bis sie sie so kann, wie sie sie haben will - aber nicht alles, was altersgemäß wäre - auf einigen Gebieten hat sie Stärken, auf anderen Schwächen.

Und ich fürchte fast, in der (insbesondere Sekundarstufe) kommen wir zu sehr mit dem gleichmacher-Kamm - nun wird gelernt, was dran ist - hilft, alle lernen das gleiche - aber nicht mehr mit der gleichen Hingabe und intrinsischen Motivation wie vierjährige, die sich auf einzelnen Gebieten einen Lernstand erarbeiten, der über das erwartbare hinaus geht, und auf anderen hinter selbem zurück bleiben.


Auflösen kann ich das Probelm nicht, aber mir macht es derzeit viel Spaß zu sehen, wie sich meine Kleine aktiv weiter bildet, auch wenn ich nicht weiß, wie man ein solch differenziertes Lernen für 25 Kinder im Alter von 8-16 ermöglichen kann und dabei sicher stellen, dass die wichtigsten Gebiete abgedeckt sind.


Seht mir meine Rechtschreibung nach, mit iPad tippen ist mühsam. 
teacher antwortete am 3. Nov, 17:38:
Dieses kindliche Lernen sollten wir aufrecht erhalten können. Geht es von alleine verloren oder treibt die Schule es aus? Jedenfalls fehlt es bei den meisten im Gymnasium schon sehr früh, aber das wundert mich nicht bei den Fächern, die wir anbieten (müssen). 
o. klein (Gast) antwortete am 10. Nov, 00:39:
Arbeit und Spass ist kein Widerspruch
Ich finde, Arbeit und Spass ist kein Widerspruch.

Vielleicht krankt die $chule ja daran, dass die Schüler zu viel herumsitzen und sich langweilen.

Mir persönlich fällt da immer der Turnunterricht ein, wo ich herumstand und nicht wusste, was ich zu tun hatte... oder der Labor-Unterricht in Physik und Chemie...

Vielleicht fehlt es den Schülern deshalb an Spass, weil sie zu wenig "Aufmerksamkeits-Anteile" bekommen.

Den Kindern in meinem Umfeld macht es meistens Spass, sich intentiv mit einer intellektuellen Tätigkeit auseinanderzusetzen. Auch unter Druck. Aber der Druck muss positiv sein = man muss ihnen viel Aufmerksamkeit widmen. Kurz gesagt: wenn ihnen jemand beim Denken zuschaut, dann denken die meisten eigentlich ganz gerne. Oder wenn sie im lockeren Gespräch Sachen erfahren können, die ihnen unglaublich, unwahrscheinlich, unmöglich scheinen.

Ich glaube, das Problem ist, dass man die Lernsituation oft von der Kommunikation entkoppelt.

Ein Instrument üben ist das beste Beispiel dafür: ich spiele - für die Wand: natürlich macht das keinen Spass! Oder beim Sprachen lernen: Ich spreche - mit mir selber - ist doch idiotisch!!! 
teacher antwortete am 10. Nov, 21:40:
Langeweile ist sicherlich ein Jugendproblem - aber mehr in den Ferien als in der Schulzeit. 
Herr Rau (Gast) meinte am 3. Nov, 17:31:
Also erst mal sollte Arbeit und Leistung nichts Unangenehmes sein. Im Idealfall ist das, was in der Schule vom Schüler verlangt wird, Arbeit, deren Sinn er einsieht, die er aber, inneren Schweinehunds wegen, ohne Anstoß nicht erledigen würde. In dem Sinn ist das natürlich Arbeit und es geht nicht ohne.

Man könnte mit Tom Sawyer sagen: was unmittelbar Spaß macht, ist keine Arbeit. Dann geht Schule nicht ohne Arbeit - das kann nicht alles immer Spaß machen. Die Frage ist: kann man eventuell ganz auf die Schule verzichten, weil man das dann später nachholt, wenn einem das Lernen mehr Spaß macht? (Nö, kann man nicht.)

Kinderarbeit... am End wollen die Schüler dann auch noch bezahlt werden? 
teacher antwortete am 3. Nov, 17:36:
... ja, an manchen Problemschulen werden SchülerInnen auch schon bezahlt, wenn sie in die Schule kommen. 
Stefan (Gast) antwortete am 3. Nov, 17:38:
Da würden mich jetzt Details interessieren ... womit bezahlt? 
teacher antwortete am 3. Nov, 17:41:
Mit Geld. Fürs Erscheinen und Bleiben. 
Rejistania (Gast) antwortete am 8. Nov, 19:16:
WTF Wie/wo das denn Ich werde das bis zu einer GUTEN Quellenangabe als Luege ansehen. Und vielleicht nachher auch noch weil sonst meine letzten Gehirnzellen Selbstmord begehen.

PS: Bitte nicht hauen fuer die fehlenden Umlaute und Sonderzeichen, ich bin hier an einem Rechner der nicht so gekoniguriert ist wie ich gerne haette und habe kein Interesse erst gegen das System zu kaempfen. 
teacher antwortete am 8. Nov, 21:43:
Vielleicht kennt jemand dieses Modell besser als ich und kann mit einem link aushelfen.

Vorerst ein link zum SPIEGEL: http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,603783,00.html 
tina (Gast) meinte am 3. Nov, 18:29:
Ja, natürlich ist Lernen "Arbeit". Nur ist die Wahrnehmung von "Arbeit" = "etwas, das man nicht tun will" total falsch. Redet mal mit Arbeitslosen, die meisten vermissen es, etwas zu tun zu haben, fühlen sich nutzlos. Arbeit gibt einem Sinn und man sollte im Idealfall stolz auf sich sein können, daß man etwas geleistet hat. Ich finde es auch irgendwie schräg, daß heutzutage alle immer krampfhaft Lernen zu einem Spiel machen wollen. Man sehe sich doch mal an, welches Ansehen das Spielen heute hat - unnützer Kram mit dem Kinder ihre Zeit verplempern. Darauf kann man als Kind dann nur schwer stolz sein, wenn alles das als per definitionem "leicht" und "lustig" ansehen. ICH (und auch die meisten meiner Mitschüler) wollte in dem Alter immer *ernstgenommen* werden. Das geht aber nicht, wenn Lernen zu "ist eh nur Spielen" degradiert wird. Das ist mMn der falsche Weg.

Ich empfehle auch diesen Essay: http://www.paulgraham.com/nerds.html
Fängt zwar erst mit dem Mobbing von Nerds an, zeigt aber dann einige sehr interessante Ideen zum Schulunterricht auf - nämlich, daß Schule eher mehr in Richtung "richtige Arbeit" gehen sollte. 
teacher antwortete am 3. Nov, 18:34:
Das sind zwei wichtige Aspekte:
1. Arbeit gibt dem Leben Sinn, und es gibt kaum sinnvollere Arbeit als Lernen.
2. Wenn schulische Arbeit ernst genommen wird, dann werden auch die Arbeiter der Schule ernst genommen.

Danke, das gefällt mir und gibt mir Mut zur Arbeit. 
Daniela (Gast) meinte am 3. Nov, 19:30:
Natürlich ist es Arbeit
Woher kommt der Glaube, dass Arbeit keinen Spaß machen muss?
Meine 2,5jährige Tochter lernt den ganzen Tag. Das ist harte Arbeit. Darum benötigt sie auch Erholungsphasen (Schlaf) und Energiezufuhr (Essen).
Natürlich müssen Kinder arbeiten! Woher sollen Sie denn lernen, dass auch das spätere Leben damit verbunden ist zu 'arbeiten' - um die Wohnung in Schuss zu halten, etwas zu Essen zubereiten, die eigenen Kinder versorgen, den Lebensunterhalt verdienen, ...
Es hat aber keiner gesagt, dass diese Arbeit nicht auch Spaß machen darf. Ich gehe auch den ganzen Tag arbeiten. Nun, mir macht meine Arbeit nicht immer Spaß, aber oft - und sie verschafft mir eine gewisse Befriedigung.
Auch das Herumtollen mit meiner Tochter ist Arbeit! Ich merke hinterher Muskeln, die ich vorher nie kennengelernt hatte. Natürlich macht das auch Spaß (meistens). Manchmal würde ich Sonntags trotzdem lieber im Bett liegen bleiben als zu 'arbeiten'.

Nicht der Ansatz, dass Lernen Arbeit ist, ist falsch sondern der Ansatz, dass Arbeit niemals Spaß machen darf und sich lohnen soll. 
teacher antwortete am 5. Nov, 11:41:
Natürlich lernen wir ständig, auch beim Fernsehen.
Ich spreche hier von aktiver Lernarbeit, die jeder kennt, der an einem Schreibtisch gesessen ist und Mathe-Übungen gelöst hat. Das ist mit dem Herumtollen eines Kleinkindes nicht vergleichbar, weil bei dieser Lernarbeit auf Freizeitaktivität verzichtet werden muss und auch dann weiter gemacht wird, wenn die Lust vergangen ist. 
steppenhund meinte am 4. Nov, 07:52:
Über das Thema könnte ich ein Essay schreiben. Aber die Vorposter haben bereits einige meiner wesentlichen Antworten vorweg genommen. Die Antworten finde ich richtig und angebracht, vor allem die mit der 2,5-jährigen Tochter.

Daher antworte ich nur mit einem Satz, den mein Vater immer wieder als Scherz gebracht hat:
"Arbeit macht Spass und Spass kann ich nicht vertragen." 
teacher antwortete am 5. Nov, 11:42:
Ich stelle mir ständig die Frage, wie viel Spaß in der Klasse zulässig ist, ohne dass die Arbeitshaltung verloren geht. Geht recht schnell, merke ich. 
steppenhund antwortete am 5. Nov, 14:56:
Arbeitshaltung!? Uj, was für ein fürchterliches Wort und ein noch fürchterlicheres Konzept.
Ich glaube, Du meinst eher Disziplin.
-
Ich möchte bei der Gelegenheit auf eine Serie von Büchern hinweisen, die in der Informatik zum Besten gehören, was man sich vorstellen kann. Die Reihe heißt "Von Kopf bis Fuss" und eine der ursprünglichen, führenden Mitautorinnen war Kathy Sierra.
Diese Bücher sind zum Selbststudium hervorragend geeignet, könnten aber auch zum normalen Unterricht herangezogen werden. Schreibstil, Übungen, Denkaufgaben, Graphiken unterstützen den Lernprozess hinsichtlich der Gehirnleistung.
Ich selbst habe Bücher gelesen, deren Stoff ich eigentlich kannte und habe von der zusätzlichen Vertiefung gelernt, obwohl die Bücher meistens für Anfänger gedacht sind.
http://www.oreilly.de/catalog/hfdesignpatger/
Ein Beispiel für die Reihe. Das erste Buch war über die Programmiersprache Java, aber mittlerweile gibt es da schon eine ganze Reihe... 
teacher antwortete am 7. Nov, 09:10:
Das Wort Disziplin wurde aus der Pädagogik verbannt, Arbeitshaltung darf es ersetzen. 
PrincipalSkinner (Gast) meinte am 4. Nov, 08:36:
Wer definiert...
Arbeit und Leistung per se als unangenehm? über diese Gruppe lasse ich mich jetzt nicht aus. Ich lasse gegenüber Schüler und besonders Eltern keinerlei Zweifel aufkommen, dass Arbeit und Leistung ein normaler Bestandteil des Lebens sind, sofern ein gewisser Standard und Selbstzufriedenheit erreicht werden soll. 
teacher antwortete am 5. Nov, 11:43:
Das gefällt mir: Lernen ist eine Investition in die Zukunft und damit das Gegenteil von (Lust)Konsum in der Gegenwart. 
bonanzaMARGOT meinte am 4. Nov, 13:53:
man muss zwischen den verschiedenen formen der arbeit unterscheiden: physikalische arbeit, erwerbsarbeit, (zwangsarbeit), andere formen von arbeit ...
die arbeit, welche schüler für ihr weiterkommen leisten, zähle ich unter "andere formen von arbeit". es ist eine arbeit, die schulisch notwendig ist, um eine gewisse qualifikation zu erlangen.
auch das spielerische lernen bedeutet arbeit. aber durch spielerische elemente versucht man, die arbeit zu erleichtern. manche schüler mögen darauf positiv ansprechen, andere nicht - die besser konventionell lernen.
auch arbeitslose arbeiten jeden tag - nämlich im haushalt, beim einkauf, oder wenn sie bewerbungen schreiben, ihren hobbys nachgehen ...; sie leisten eben nur keine erwerbsarbeit (hausfrauen arbeiten tagtäglich für die familie).
lernen ist keine erwerbsarbeit und somit auch keine "kinderarbeit".
lernen bedeutet selbstverständlich arbeit, weil es nicht genügt, das schulbuch unters kopfkissen zu legen, - man muss sich anstrengen, bemühen, konzentrieren ...
allgemein heißt also arbeit: anstrengung, bemühung, konzentration, bewegung ...
je nach den rahmenbedingungen wird arbeit eher positiv oder negativ empfunden. 
teacher antwortete am 5. Nov, 11:47:
Da definierst du Lernarbeit wie viele Lehrer - aber viele Kinder kommen heute mit anderen Vorstellungen in die Klasse.

Z.B. hat eine neue Schülerin (10 Jahre) mitten in der Bio-Stunde aufgezeigt und undgeduldig gefragt: "Wann machen wir was Lustiges?". Sie ist noch immer richtig enttäuscht von ihrer neuen Schule, dass wir hier arbeiten. Das ist sie offensichtlich von der Volksschule nicht gewohnt. 
bonanzaMARGOT antwortete am 5. Nov, 14:45:
einem 10 jährigen kind kann man seine vorstellungen nicht zum vorwurf machen. 
steppenhund antwortete am 5. Nov, 14:50:
Ich würde die Frage aber auch stellen.
-
Ich erinnere mich noch, dass ich ganz sehnsüchtig auf die dritte Klasse gewartet habe. Wann lesen wir endlich Cäsar? 
bonanzaMARGOT antwortete am 5. Nov, 14:59:
ich glaube auch, dass man lustig sowie mit lust arbeiten kann, solange noch sinn für das wesentliche vorhanden ist.
nicht wenigen lehrern kann man den vorwurf machen, dass sie ihren unterricht und den lernstoff sehr trocken und unlustig gestalten. ein wenig sollte man dabei schon kindgerecht vorgehen, oder nicht? 
Ketzerkatze (Gast) antwortete am 5. Nov, 19:01:
Zeiten und Orte trennen
Das kenn ich - ich hab in der 1. Klasse nach ein paar Wochen die Bücher zur Lehrerin gebracht und hab freudig "frische" erwartet ... und war doch arg enttäuscht, dass wir mit dem Kram jetzt ein ganzes Jahr weiter machen sollten ;-).

Aber das "Lustige" in teachers Beispiel geht imho wohl eher in Richtung "Spielen" oder "Spaß haben" - weswegen ich das "spielerische" Lernen auch für einen großen Unsinn halte.

Es erfordert einfach zwei unterschiedliche Haltungen, die beide ihre Berechtigung haben - aber entweder es wird "gespielt" - mit dem Anspruch auf Spannung, Lustiges, Spaßhaben, oder man "lernt" - mit dem gleichen Anspruch des Denkens, Leistens, Tüftelns und Anstrengens.

In unseren Grundschulen - und mittlerweile auch teilweise den ersten Klassen der weiterführenden Schulen - wird meiner Meinung nach deutlich zu viel "gespielt" unter Vernachlässigung des "Lernens".

Schule ist kein Freizeitpark und kein Spielplatz. Die gibt es anderswo - mit gleicher Berechtigung wie Schule, aber eben an anderem Ort zu anderer Zeit. 
teacher antwortete am 6. Nov, 20:08:
Dem 10-jährigen Kind mache ich keine Vorwürfe, es erwartet von der Schule Unterhaltung und Spaß. Schließlich hat es oft gehört, was in Medien und selbst von vielen Politikern - unverantwortlicherweise - populistisch gefordert wird: "Schule muss Spaß machen". Wir können hier die Erwartungen nur enttäuschen, weil aktives, schulisches Lernen anstrengend ist. Wie Training an allen anderen Orten. 
steppenhund antwortete am 6. Nov, 20:46:
fazit spielen und @Ketzerkatze
http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/706158/Mythos-Begabung?_vl_backlink=%2Fhome%2Fspectrum%2Findex.do

Das ist ein sehr interessanter Artikel: meine Lieblingszitate:
"Alle können alles lernen." Das sehe ich auch so. Die Frage ist immer die Motivation für den Einsatz.
"Dummheit ist auch lernbar".
Und letztlich "Intelligenz ist nicht genetisch bedingt". Das ist vielleicht hinterfragbar, doch gibt es eben genug Beispiele, die den Satz bestätigen.
-
Fazit: es gibt keine Ausrede, etwas nicht zu können. Es ist einfach ein "nicht wollen".

Ich habe mich heute mit Frau Steppenhund über das Thema unterhalten. Wenn ich zurückblicke, gehen meine mathematischen Fähigkeiten auf das Spielen mit Matador seit meinem 4. Lebensjahr zurück. Da war unheimlich viel Rechnen verpackt, wenn ich etwas zusammen gebaut habe. Und natürlich hat auch die Darstellende Geometrie davon profitiert. Viele andere Fähigkeiten sind einfach vom Lesen ableitbar. Vorstellungsvermögen, Interesse, allgemeine Phantasie.
Ich denke schon, dass man das auch in der Schule nachholen bzw. praktizieren kann. Ich sehe das ja auch an den Studenten, die wesentlich lieber an Projekten arbeiten und dann die wesentlichen Fragen stellen. Als ich einmal knapp vor einer Lehrtätigkeit für ein Fernstudium stand, machte ich einige Seminare über Projekt basiertes Lernen mit. Ich war sehr skeptisch am Anfang. Doch ich habe mich überzeugen lassen. Dabei rede ich sowieso so gerne und bin prädestiniert für Frontalunterricht:(
Ich stimme zu, dass Schule kein Freizeitpark und kein Spielplatz ist. Das Lernen kann aber trotzdem spielerisch erlebt werden, behaupte ich. In der Waldorfschule wird zum Beispiel die Mathematik sehr stark mit körperlicher Rhythmik und Übungen verbunden. Das macht absolut Sinn. Das körperliche Erleben von Zahlen (wie es dann auch in der Musik wichtig ist) kann sehr viel an Selbstverständnis bewirken.
Ich persönlich glaube (und das muss natürlich nicht stimmen), dass viel wichtiger ist, in den Kindern die Neugier zu wecken und die Methoden des Lernens beizubringen. Und dann den Stoff, der aufbauend in weiteren Jahren gebraucht wird. Das sind Sprachen und Mathematik, eigentlich Rechnen. Alles andere sollte darüber vermittelt werden, dass man die Kinder dazu bringt, Fragen zu stellen, indem man ganz merkwürdige Geschehnisse berichtet und dann fragt, wie das sein kann. Dann soll sich jedes Kind eigene Gedanken machen. "Warum sind die Wiesen in der Früh nass." lässt sich in vielen Gebieten verwenden.
Oder man liest Marco Wehr: "Welche Farbe hat die Zeit". Da kann man draufkommen, was Kinder bewegt und wie sie ihre eigenen Fragen formulieren. Davon kann der Lehrer viel lernen.
Zum Abschluss ein Beispiel aus der Mathematik: "Heinz und Karin verlassen das Elternhaus jeden Tag gemeinsam, um in die Schule zu fahren. Ihre Schulen sind aber verschieden. Heinz fährt mit dem Autobus in die eine Richtung, Karin in die andere. Heinz muss immer 8 Minuten warten, während Karin ihren Bus gerade noch erwischt. Ist doch langweilig, allein auf den Bus zu warten. Manchmal versäumt Karin ihren Bus. Sie unterhält sich noch ein bisschen. Sie muss aber danach nur 2 Minuten warten, wenn Heinz abgefahren ist. Ist das nicht ungerecht?"
- Warum muss das so sein? 
Philipp (Gast) antwortete am 6. Nov, 22:14:
Ich muss - zu meiner Schande - gestehen, dass ich schon bei "Alle können alles lernen." aufgehört habe zu lesen, denn das stimmt schlicht und einfach nicht.
Natürlich, jeder Mensch kann - propotionär zu seiner Begabung - durch viel lernen in jedem Gebiet besser(/schlechter) werden, teilweise sogar sehr viel besser. Aber es gibt nunmal bestimmte Grenzen die einem jeden gegeben sind.
So könnte ein Jugendlicher der fast am Hauptschulabschluss scheitert auch trotz jahrzehntelangem Lernen die spezielle Relativitätstheorie nicht verstehen, genausowenig wie irgendjemandem mit weniger Talent als Michelangelo auch mit viel mehr Übung kein Werk wie die Sixtinische Kapelle vollbringen könnte. 
steppenhund antwortete am 6. Nov, 23:39:
@Philipp
Das Weiterlesen hätte sich gelohnt. Denn genau das wird erklärt. Es ist nicht so, dass den "Begabten" soviel leichter fällt. Es ist die Beharrlichkeit. Vielleicht auch die Frustrationstoleranz, zu scheitern und immer wieder zu probieren. Ein Kind ist ein hervorragendes Beispiel, denn es versucht so oft aufzustehen, bis es dann auch stehen bleibt. Genauso ist es mit dem Gehen.
Ich selbst will ja niemanden mehr bekehren, obwohl es vernünftig wäre, wenn die Menschen ein bisschen mündiger hinsichtlich ihrer Intelligenz und Bildung wären. Sie müssten sich dann nicht mehr so viel von den Politikern gefallen lassen.
Über das Künstlertum lasse ich mich nicht aus, da gibt es Grenzen, die von anderen Umständen abhängen. Aber die Relativitätstheorie erkläre ich jedem Hauptschüler, wenn er das will. Es dauert ein bisschen, aber nicht das ganze Leben, aber vielleicht einen Monat, um bestimmte physikalische Grundlagen vorher einzurichten.
-
Zu sagen "das stimmt einfach nicht" ist ein sehr schwaches Argument. Und der Jugendliche, der den Hauptschulabschluss fast nicht schafft, scheitert nicht an mangelnder Intelligenz sondern daran, dass er nicht "dort abgeholt" wurde, wo er noch alles verstanden hat, und dass man ihm schlicht das Interesse ausgetrieben hat.
Wenn DUMME Leute soviel ihr Hirn trainierten, wie sie für einen Marathonlauf üben, schaffent sie mehr, als sie selbst glauben würden.
-
Was stimmt sind die bestimmten Grenzen, die jedem gegeben sind. Aber die liegen ungefähr bei Hochschulabschlussniveau. Bewiesen wird das dadurch, was für Trotteln einen akademischen Grad erreichen können. 
teacher antwortete am 7. Nov, 08:47:
10.000 Stunden
Ich LIEBE diesen Artikel. Alle können alles lernen, das stimmt - unter zwei Voraussetzungen:
1. Die Kinder müssen von Geburt an sehr gut betreut werden, sodass alle Anlagen (und die sind mal unterschiedlich vorhanden) ausgebildet werden. Mit drei Jahren ist es dann schon zu spät!
2. Die Kinder müssen 10.000 Stunden üben. Statt fernsehen.

P.S.: Sie können noch ein Star werden, in welchem Fach auch immer. 10.000 Stunden Übung voraussgesetzt. 
steppenhund antwortete am 7. Nov, 11:46:
@teacher
Und das stimmt tatsächlich. In der Musik muss man ein Stück zwar nur 1000 mal spielen, bis man es beherrscht, aber da gehen schon ein paar Stündchen drauf. 
Bene (Gast) meinte am 6. Nov, 14:35:
Lieber teacher,
Lieber teacher,

Ihr Blog ist nun bald schon 8 Jahre online (laut Statistik an der Seite) -Respekt! Ich selber lese auch bereits einige Jahre mit und habe den Wandel vom motivierten, optimistischen Pädagogen hin zum ausgebrannten Zyniker erlebt. Inzwischen, so finde ich jedenfalls, klingen Sie bereits wieder viel, viel besser, als noch vor einem oder zwei Jahren.
Ich weiß nicht, was Sie machen - aber machen Sie es weiter. Es tut Ihrem Blog gut (und das ist ja alles, was wir an Ihnen haben) und dementsprechend wohl auch Ihnen.

Danke für Ihre Arbeit, sowohl am Blog, als auch mit den Schülern. Ich bin zwar weder Österreicher noch Lehramtsstudent, aber ich freue mich jedes Mal sehr, wenn ich etwas von Ihnen und Ihrem Bemühen um die Schüler lese. (Auch wenn wir durchaus nicht immer einer Meinung sind :-)

Viele Grüße 
teacher antwortete am 6. Nov, 20:03:
Danke für die Rückmeldung.
Ich sehe selbst auch diese Auf- und Abbewegungen, die SchülerInnen spüren - hoffentlich - nichts davon, weil ich ja meinen Frust hier (und nicht auf ihrem Rücken) abladen kann. Das Blog hilft mir also, es macht mir Freude, auch wenn ich manchmal harte Kritik einstecken muss. Das ist eben die Realität, mit der ein ehrlicher, offener Lehrer leben muss.

P.S.: Ja, es sind 8 Jahre ... und ich war mehrmals am Aufgeben. Ich kann nicht. :-)) 
BIA (Gast) meinte am 6. Nov, 21:53:
Hm, ist das nicht überall ähnlich? Ich nehme mal ein Nähprojekt her. Am Anfang ist man (da man's ja freiwillig anpackt) hoch motiviert, Stoffe kaufen macht Spaß, den Schnitt aussuchen auch, das Leben ist schön usw. usf. Dann kommen Schritte, die nicht so wahnsinnig lustig sind, Schnitt abnehmen, 1000 Teile schlupferln und heften z. B. Dann kommt mal wieder ein netter Teil: das Nähen, juhu! Und schließlich noch der letzte Schliff, der je nach Typ und Projekt kurz und freudvoll oder lang und tragisch sein kann (mein letztes Projekt hängt seit 3 Monaten am Schrank rum, weil ich mich nicht aufraffen kann, Knopflöcher zu nähen). Und am Schluß ist der Mensch im Idealfall glücklich, weil er ein schönes neues Kleidungsstück genäht hat. Und er hat einen Haufen Arbeit und Mühe investiert - wenn er nur "Spaß" hätte haben wollen, hätte er jetzt kein Kleidungsstück.
Lernen ist ähnlich - der Einstieg ist vielleicht spannend, aber irgendwann gibt's mühsame Momente: Formeln lernen, üben, üben, üben. Das macht vielleicht keinen Spaß, aber dafür kann man sich dann im Urlaub auf Spanisch unterhalten. Voilá.
Ein Unterschied ist natürlich, dass ich mich dafür entscheide, ein Nähprojekt anzufangen, und deshalb motiviert bin, den Prozess überblicke und bereit bin, auch mich auch in mühsamen Phasen durchzubeißen. Ein Schüler, der lernen "muss", was man ihm vorsetzt, hat diesen Luxus meist nicht. 
teacher antwortete am 7. Nov, 08:53:
Resilienz
Das neue Schlagwort in der Pädagogik heißt Resilienz. Wir müssen den Kindern das Ertragen und Meistern von Frustrationen zuzmuten - aber da spielt das verherrlichte Konzept "Schule = Spaß" nicht mit. 
BIA (Gast) antwortete am 7. Nov, 22:06:
Ja, das ist aber schon witzig. Jede Werbung zielt darauf, dass Wünsche von sofort auf gleich befriedigt werden müssen, ja, dass es ein gutes Recht eines jeden ist, alle seine Wünsche in Sekundenschnelle erfüllt zu bekommen (vorausgesetzt, er hat das Kleingeld, aber das wird in der Werbung nicht so erwähnt) - und der Mensch sieht Werbebotschaften noch und nöcher. Und dann kommen wir und wollen "Frustration Meistern" üben? Lol. 
teacher antwortete am 8. Nov, 21:27:
Das macht unseren Job nicht leichter, tja. 
Udo (Gast) meinte am 8. Nov, 09:41:
Eine Frage
Warum assoziierst du den Begriff "Arbeit" eigentlich gleich negativ? Kann Arbeit nicht auch Spaß machen, wenn man es richtig angeht? 
teacher antwortete am 8. Nov, 21:26:
Das liegt an meiner Definition von Arbeit: Es ist eine unfreiwillige Tätigkeit, die ich für andere gegen Geld zu leisten habe.

Ich tu es nicht für mich und nicht freiwillig. Sonst wäre es Spaß. 
steppenhund antwortete am 10. Nov, 12:11:
Jetzt würde mich nur interessieren: hat Kienspan seinen Eintrag zurückgezogen oder hast Du ihn gelöscht? 
teacher antwortete am 10. Nov, 21:30:
Da müssen wir jetzt tapfer sein. 
SirToby (Gast) meinte am 11. Nov, 10:53:
Was ist Arbeit?
Platon sah für seine „bewusste schöpferische Auseinandersetzung mit der Natur und der Gesellschaft“ die Muße als Grundbedingung. Von der Antike bis ins Mittelalter galt: Nur wer sich alltäglichen Mühen und Arbeitszwängen entzieht, hat Zeit, seinen Bedürfnissen zu frönen, und den Kopf frei für neue Erkenntnisse und kreatives Handeln.

Ist das nicht zuvorderst der Sinn des Lernens? Wie kann man das mit Arbeit verbinden bzw. Arbeit dazu sagen und es auch so verstehen? Arbeit ist im betriebswirtschaftlichem Sinne Brotwerb. Im Volkswirtschaftlichen ist es ein Produktionsfaktor, wie auch im betriebswirtschaftlichen. Also Arbeit kommt zwingend, ist definitorisch erst nach dem Lernen möglich.

Marx hat dazu ausgeführt: „Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit“.

Dieses nun auf die Schule runterzubrechen halte ich für wenig, bis gar nicht Zielführend. Schule kann und darf keine "Arbeit" sein. Nur, was ist sie dann? Insoweit verweise ich wieder auf Platon... 
teacher antwortete am 11. Nov, 16:12:
Platon ist gut ... aber tot und vergessen. Muße in der Schule? Unbekannt.

Ich sehe SchülerInnen und StudentInnen - und sie sehen sich in einem Beruf, in dem das Lernen ihre Arbeit ist. So sehe ich den Alltag, wenn ich einmal jegliche pädagogische Verklärung weglasse. 
 

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