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cotopaxi

 
Nach einer verhauten Prüfung frage ich Hussein, was ihn eigentlich interessiere.
Antwort: "Das weiß ich nicht."

Hussein muss das Gymnasium verlassen, weil er zu wenig - aber eines sicher - weiß: Schule interessiert ihn nicht. Er wird in eine Hauptschule wechseln, obwohl ich ihn zu den Hochbegabten zähle. Er weiß das, seine Mutter auch. Sie setzt sich verzweifelt täglich mit Hussein hin, um Latein, Mathematik und Englisch zu pauken. Hussein erträgt es geduldig wie ein Insasse das Gefängnis - noch zwei Jahre Pflichtschule, dann wird er frei sein.

Ich mag Hussein, er ist lustig, kreativ und freundlich. Aber völlig lernresistent. Ich spreche mit dem Klassenvorstand und wir sind uns einig: "Er will nicht lernen, da können wir nichts machen."

Am Abend lese ich in der Zeitung:

"Und wesentlich in diesem Zusammenhang ist aber der Wille zum Lernen. Dieser Wille aber ist in Amerika und Europa leider vielfach abhandengekommen."

R. J. Neuwirth, Professor an Universitäten in Macau und Indien, spricht gar nicht von Schulen, sondern von Unternehmen und Gesellschaften. Während Asiaten neugierig unsere Produkte und unser Know-how übernehmen, "übt man sich in arroganter Ignoranz".

Nein, nicht nur Kinder verweigern das Lernen, unsere Gesellschaft ist lernunwillig geworden. Sagt er.
Hugelgupf (Gast) meinte am 15. Jun, 21:45:
Fordere ihn da, wo er seine Stärken hat. Fordern, nicht fördern! Musik, Sport, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Psychologie - was auch immer es ist, fordere ihn! Man muss ihm eine Aufgabe stellen, die ihn interessiert, an der er so lange knobelt, bis er die Antwort hat. Man muss das Potential erkennen und es "nutzen". Aber nein, er wird auf eine Hauptschule geschickt. R.I.P. Potential, es muss ein Wunder geschehen. Amen.

An der Hauptschule wird er zugrunde gehen. Bitte nicht! Das wird der reinste Horror für ihn. 
Hugelgupf (Gast) antwortete am 15. Jun, 21:47:
Korrigiere: Also, fördern auch, aber man muss ihn erstmal fordern, damit er aus seiner Faulheit - also eigentlich LANGEWEILE - herauskommt. 
Johanna (Gast) antwortete am 16. Jun, 10:43:
Glaub nicht dass der Teacher Ferndiagnosen und Ratschläge braucht. Und denke dass hier viel zu wenig Kontext geliefert wurde, als dass irgendeine auch nur annähernd zutreffende Beurteilung der Situation möglich wäre.
Drittens hat jeder Mensch seine eigene Geschichte, und gerade die Katastrophen im Leben eines Menschen erweisen sich im Nachhinein oft als wichtiger, fördernder Wendepunkt.
Wenn die Hauptschule so ein Horror ist für ihn merkt er vielleicht was er sich antut. 
teacher antwortete am 16. Jun, 11:48:
Ich hab gar nix gegen Tipps und Ratschläge, im Gegenteil, ich lerne gerne dazu.
Bei Hussein vermute ich, dass er eines Tages durchstartet. Seine Zeit ist noch nicht gekommen, er braucht Geduld. Ich denke, dass er in der Hauptschule neue Motivation finden kann - so schlimm ist sie auch nicht (am Land!). 
deprifrei-leben antwortete am 16. Jun, 16:47:
Ich finde deinen Kommentar "Seine Zeit ist noch nicht gekommen" unglaublich, weil du die Verantwortung als Lehrer für diesen Schüler einfach auf die Zukunft abwälzt.
Aber nur in der Gegenwart ist die Zukunft beeinflussbar. 
teacher antwortete am 16. Jun, 19:20:
Entwicklung braucht auch Geduld. 
BIA (Gast) antwortete am 16. Jun, 19:49:
Und Ferndiagnosen helfen hier weiter? 
BIA (Gast) antwortete am 16. Jun, 19:52:
Sorry , das war für hugelgupf.

@deprifrei-leben: so ist es aber. Zu negieren, dass jemand Zeit brauchen kann, um zu wissen, wo er hin will oder soweit zu sein, dass er dort hinfindet, hieße jegliche Entwicklungsprozesse zu negieren.
Ein Dreijähriger kann auch nicht Autofahren, obwohl wir das vielleicht parktisch finden würden. Manchmal kann ein Teenager noch nicht den Tiger aus dem Tank lassen, den er eigentlich brauchen würde, auch wenn uns das viel lieber wäre. 
Hugelgupf (Gast) antwortete am 17. Jun, 23:12:
Das ist keine Diagnose, das ist das gleiche, was mir passieren würde, wenn ich auf eine Hauptschule geschickt würde.

Vielleicht hab ich das etwas doof formuliert - das war nicht direkt an teacher gerichtet; ich hab mich beim Schreiben etwas aufgeregt. Man ersetze alle 2. Personen durch "man".

Und: Ein hochbegabter Minderleister wird sich auch auf der Hauptschule nicht auf seine vier Buchstaben setzen. Ich glaube nicht, dass er jemals wirklich lernen wird - aber vielleicht bekommt er durch irgendetwas, durch irgendeinen unbewussten Auslöser, Spaß an der Schule. Dann braucht er nicht mehr zu lernen.
(So ging's meiner Mutter. In der 8./9. fing die Schule an, Spaß zu machen. Ende der 9. war sie Klassenbeste, wenn ich mich nicht täusche. Auf jeden Fall ziemlich gut.) 
tobi (Gast) meinte am 15. Jun, 21:55:
Heute
So etwas habe ich heute bei der Mittagspause von einer Kollegin gehört. Bei der Aufzählung der amerikanischen Staaten meinte sie, dass das in den Zeiten von google überholt sei.
Man kann ja alles abrufen. Man braucht ja selber nichts mehr zu wissen. Leider geht damit auch Meinungsbildung den Bach runter, wenn man von Geographie, Geschichte, Wirtschaft und Politik keine Ahnung mehr hat. (Es tut mir leid, ich werde dabei immer ziemlich fatalistisch). 
nönö (Gast) antwortete am 15. Jun, 22:04:
Geographie bedeutet nicht, die Bundesstaaten der USA auswendig herunterleiern zu können. Sage ich, ein Geographielehrer. Noch weniger dient das Wissen um die Namen dieser Staaten eine Meinungsbildung. 
Jogurtbecher antwortete am 15. Jun, 22:10:
Die Zeiten ändern sich
Das Wissen steigt stetig an. Es ist heutzutage halt wirklich wichtiger zu wissen wo ich etwas finde als das ich es aus den Gedächtnis abrufen kann. Was nicht heißen soll das man nun verzichten kann Wissen auswendig zu lernen.

Viel wichtiger sind andere Kompetenzen geworden. Wissenssuche und Wissensbeurteilung. Wo finde ich wirklich Informationen und wie beurteile ich deren seriösistät? Wie kann ich Wissen vernetzen und praktisch anwenden.

Was hat das eigentlich mit Meinungsbildung zu tun, Tobi? Meinungen kann ich mir erst bilden wenn ich Ahnung von einen Thema habe, ob ich diese vorher auswendig gelernt habe oder mir frisch erarbeite ist doch dabei egal. Nur Meinungen die ohne Wissen hinausposaunt werden sind doch schlecht. 
tobi (Gast) antwortete am 17. Jun, 13:17:
Die Staaten zu wissen ist unwichtig, das habe ich auch nie behauptet. Aber bis wohin kann ich gehen zu sagen, dass dies oder jenes nicht mehr wichtig zu wissen wäre, da man es ja abrufen könne. Wenn ich mein Wissen immer mehr verringere, weil ich immer mehr irgendwann von einem Internetzugang aus abrufen könne, dann laufe ich Gefahr nicht mehr schnell entscheiden zu können.
Wie will ich denn zu irgendeinem Thema mich zu einer Seite entscheiden oder zu einer Meinung durchringen, wenn ich jedesmal erstmal im Internet eine Recherche staten müsste. 
PeZwo meinte am 15. Jun, 22:22:
Ich will jetzt keine Ferndiagnosen stellen... ich sage nur, dass mich diese Story über diesen Schüler an mich selbst erinnert.

"Er könnte - wenn er wollte - der beste Schüler der Klasse sein"... der Standardsatz, den meine Eltern von den meisten Lehrern all die Jahre zu hören bekamen. Ich rutschte in der Hauptschule jedes Jahr gerade mal so mit einem leicht unterdurchschnittlichen Zeugnis irgendwie durch. Grund: Lernverweigerung. Die Ursache der Lernverweigerung war mir damals nicht klar, ich wollte halt nicht. Heute jedoch weiß ich dass diese Verweigerungshaltung meine Reaktion auf den Druck war, der damals permanent auf mich ausgeübt wurde "du musst was lernen, dass mal was wird aus dir".

Später im Job, als der elterliche Druck weg war, änderte sich alles und ich holte ein paar Jahre später in der Abendschule sogar noch die Matura nach.

Bei jungen Menschen kann sich noch sehr viel ändern. 
teacher antwortete am 16. Jun, 11:57:
Ja, Geduld und Gelassenheit. Man muss auch Entwicklungen abwarten können ... 
freilerner (Gast) meinte am 15. Jun, 22:43:
"Er will nicht lernen, da können wir nichts machen"

Jeder Mensch lernt von seiner Geburt (sogar noch davor) bis zu seinem Tod ständig! Auch im Schlaf? Es gibt keinen lernresistenten Menschen, außer er liegt im Koma. (Vielleicht findet sogar dabei Lernen statt.)
Und wenn Hussein nur lernt, das Schulgefängnis auszuhalten. Er will nicht das tun, was ihr ihm anbietet. Vielleicht weil es ihn nicht interessiert, vielleicht aber auch, weil er sich nicht vorschreiben lassen will, womit er sich beschäftigt.

Gerade neu erschienene Bücher:
"Bildung in Freiheit" von John Holt und Patrick Farenga
sowie
"Verdummt nochmal - Dumbing us down; Der unsichtbare Lehrplan oder was Kinder in der Schule wirklich lernen" von John Taylor Gatto 
teacher antwortete am 16. Jun, 11:59:
Ja, den Lernbegriff kann man auch extrem weit auslegen - ich spreche hier vom schulischen Lernen. Das lehnt Hussein momentan zu 100 % ab. 
1000Sunny (Gast) antwortete am 16. Jun, 12:05:
Schule=Lernen??
Unsere Gesellschaft ist nicht Lernfaul geworden. Freilerner gibt hier wirklich zwei gute Bücher an, die viele Lehrer sich wenigstens ein mal anschauen sollten - sonst müssen sie sich in ein paar Jahren den Vorwurf gefallen lassen: "Unsere Lehrer sind lernfaul"

Hussein ist sehr intelligent - deswegen lehnt er die Schule ab. Vielleicht wäre es nur fair von Ihnen, wenn sie ihn wenigstens mit der Möglichkeit von Unschooling und freiem Lernen konfrontieren, bevor er von der Schulmühle an die Baumarktsäge verfördert wurde.

Intelligente Schüler kann man nicht zur Schule motivieren, das haben meine Lehrer damals auch schon versucht. Leider war ich zu dumm und zu dankbar, um komplett auszusteigen. 
teacher antwortete am 16. Jun, 12:17:
Viele Lehrer halte ich tatsächlich für lernfaul!
Ich habe schon viele intelligente Schüler begleitet und motiviert, aber es funktioniert nicht bei allen. 
Van Houten (Gast) meinte am 16. Jun, 06:34:
verhauten
Nach einer "verhauten" Prüfung ?

Nenn mich kleinlich, aber müsste es nicht
nach einer "verhauenen" Prüfung heissen ?

Aber was weiss ich schon, hab ja auch nur Hauptschulabschluss.. 
Scabbers (Gast) antwortete am 16. Jun, 09:50:
verhaut = österreichisches Deutsch 
Stefan (Gast) meinte am 16. Jun, 08:41:
Vom Gym zur Haupt?!
Ähm, wieso wechselt er vom Gym auf die Haupt, habt ihr bei euch kein (mindestens) dreigliedriges Schulsystem? Wieso nicht auf den "Zwischenschritt" Realschule, warum will er so radikal seine schulische Laufbahn über den Haufen werfen (ohne nun was gegen die Hauptschule zu sagen, aber wenn er doch eigentlich das Potential für mehr hätte...)? 
teacher antwortete am 16. Jun, 12:00:
Realschule (Zwischenschritt) gibt es in Österreich nicht. 
Josef (Gast) meinte am 16. Jun, 11:35:
Vielleicht ist es die Methode?
Ich habe auch so meine Probleme mit dem typischen "lernen".
Ich habe kein Problem, mir Sachen anzueignen wenn ich die für etwas benötige.
Aber wirklich hinsetzen und etwas auswendiglernen, das kann ich nicht.
Ich habe auf meine Matura (entspricht dem deutschen Abitur) nicht mehr als 15 Stunden gelernt, und zum Glück mit viel Glück einen guten Erfolg erreicht.
Im Studium habe ich jetzt auch massive Probleme.
Ich schaffe es zwar mit einem Schnitt von C, aber in den "Lernfächern" hab ich einfach Probleme.
Ich sehe auch nicht ein, warum ich in der heutigen Zeit mit Internet fast überall verfügbar wirklich etwas auswendiglernen muss.
In ein paar Monaten oder spätestens Jahren hab ich das alles wieder vergessen.
Ich VERSTEHE die Dinge aber, und wenn ich das mal wieder brauche muss ich es mir nur kurz anschauen.
Ich denke das Bildungssystem ist einfach noch nicht in der heutigen Zeit angekommen.


P.S.: Dieses Posting entstand während einer Mathematikvorlesung (Finite-Elemente-Methode) 
teacher antwortete am 16. Jun, 12:02:
Wir sind uns nicht sicher (und nicht einig), was wir in der heutigen Zeit lernen und können sollen, schon gar nicht, was wir für die Zukunft vorbereiten können. Daher machen wir halt einfach mal das Alte weiter ...
Dein P.S. wundert mich nicht, ich sitze ja auch immer wieder in diversen Hörsälen. 
deprifrei-leben meinte am 16. Jun, 14:56:
Im Prinzip ist es doch mittlerweile bekannt, dass Hochbegabte aus dem Gymnasium fliegen, weil sie unterfordert sind und die Lernmethoden nicht an ihrem Interllekt angepasst sind. Statt Menschen nach unten in eine Sonder- oder Hauptschule zu befördern, sollte nach Alternativen gesucht werden.
Ich habe von einigen Schulen und Internaten in der Republik gehört, die sich auf Hochbegabte spezialisiert haben.
Es darf keiner verloren gehen!
Aber leider leistet sich diesen Luxus diese Gesellschaft immer noch, obwohl dies zu großen Mehrkosten in der Zukunft führt.
Aussenseiter wie ich es war werden eher depressiv und arbeitsunfähig. 
Lektor (Gast) meinte am 16. Jun, 15:07:
"Meine Welt beginnt in der Schule... Ich bin cleverer als die meisten anderen Kids. Der ganze Müll, den man uns beibringt, langweilt mich...
Es ist immer das gleiche mit den verdammten Schlaubergern...

Ich bin in der Junior High oder High School. Ich habe den Lehrern zugehört, die mir zum fünfzehnten mal erklärt haben, wie man einen Bruch kürzt. Ich hab's verstanden. 'Nein Ms. Smith, ich habe den Lösungsweg nicht aufgeschrieben. Ich hab's im Kopf gerechnet'
Immer das gleiche mit den verdammten Schülern...
bestimmt hat er's abgeschrieben...
[...]
Ja, da kannst du deinen Arsch darauf verwetten, dass es immer das gleich mit uns ist!
Wir wurden mit Babynahrung gefüttert, während wir nach Steak hungerten. Die Stückchen Fleisch, die heruntergebröselt sind, waren vorgekaut und geschmacklos. Wir wurden dominiert von Sadisten oder von Phlegmatikern ignoriert. Die Wenigen, die uns etwas beibringen konnten, fanden uns willig, aber das war wie ein Wassertropfen auf einer glühenden Herdplatte." 
deprifrei-leben antwortete am 16. Jun, 15:11:
Es wird in der Schule/Bildungspolitik zuviel auf den Mainstream geguckt und die Orchideen wie die Hochbegabten gehen in der sauren Bildungserde kaputt, da sie viel mehr Aufmerksamkeit und Liebe bräuchten, als der Mainstream. 
Name (Gast) antwortete am 16. Jun, 19:04:
Was ich mich hin und wieder bei solcherlei Diskussion frage, warum so ein Heckmeck um den einen Hochbegabten gemachtg wird? Oder und die, die das genaue Gegenteil darstellen. Ich bin mit meinem 1,4 Abi sicher im oberen Mittelfeld des Leistungsniveaus - aber dahingeholfen hat mir keiner. Warum? Weil sich alle um den Primus scherten oder aber um die, die nicht konnten oder wollten.
Der Hochbegabte will nicht lernen? Wie kann man bei dieser Einstellung von Hochbegabung reden? Ich würde sagen, er ist dumm. Beweis: er wird auf der Hauptschule landen und zieht aus dieser drohenden Konsequenz seiner Lernverweigerung keine Konsequenzen. Ich wiederhole: dann ist er dumm. Neben ihm gibt es vermutlich gut 1-2 Dutzend mittelmäßige Schüler in seinem Klasse / in seinem Kurs. Keiner schert sich um sie, da sie weder gut genug noch faul oder unfähig genug sind, als dass sie Aufmerksamkeit erhalten würden.
Wer aber bildet das Rückrad der (in meinem Falle deutschen) Wirtschaft? Die paar Hochbegabten? Die Faulen? Die Unfähigen? Oder das alleingelassene Mittelmaß? 
teacher antwortete am 16. Jun, 19:15:
Dumm ist er nicht:
Wenn ich neuen Stoff erarbeite, kapiert er sofort und gibt schnell richtige Antworten. Wenn ich aber Gelerntes wiederhole, dann weiß er kaum etwas - er hat einfach nichts vorbereitet, keine Übungen gemacht ... das führt im Endeffekt zu negativen Prüfungen. Dann ist es egal, ob er hochbegabt oder faul ist, er hat die Ziele nicht erreicht und muss deswegen repetieren oder die Schule verlassen. Er könnte im Folgejahr nicht mehr mitkommen, weil er sich die Basis nicht angeeignet hat.

Zum Mittelmaß: Meist wirft man der Schule vor, sich nur um die Mitte zu kümmern und die obere und untere Spitze zu vernachlässigen - das halte ich auch für wahrscheinlicher. 
Tan Xiaolian (Gast) antwortete am 16. Jun, 22:03:
So sicher bin ich mir da aber nicht - an einigen Gymnasien erhält nur die obere Spitze Förderung und Forderung. Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass diejenigen, die keine auffällig überdurchschnittlichen Leistungen (in mehreren Fächern) erbringen, auch keine pädagogische Aufmerksamkeit erhalten. Schlimmer wird es, wenn der schulische Schwerpunkt den Schülerinteressen diamentral gegenübersteht. Wen interessiert es, wenn ein Schüler an einem naturwissenschaftlichen Gymnasium ein Faible für Sprache(n) hat, oder umgekehrt? Wenn der Betreffende keinen überaus starken Lernhunger hat, wird er, mangels Bestärkung (auch von Seiten der Eltern, die ihn zu stärkerer Konzentration auf den schulischen Schwerpunkt drängen) aufgeben. Dies ist einmal ein anderes Beispiel.

Zu beachten ist auch, dass Begabung nicht notwendigerweise ausschlaggebend ist. Manche brauchen zum Erlernen einer Sache fünf Minuten, manche zwei Stunden. Die Frage ist, ob man sich dafür interessiert und dann weitermacht. Übung macht schließlich den Meister, aber dazu muss man auch bereit sein. Wer sich keine Ziele stecken kann, ist nicht "dumm", aber sich auch nicht intelligent. 
Roman (Gast) antwortete am 16. Jun, 22:34:
Teacher ich habe irgendwie das Gefühl, als ob du alles recht bürokratisch kalt siehst.
Er hat seine Ziele nicht erreicht und basta, dann muss er weg.
Ich frage mich wie sehr du dich als Lehrer um diesen Menschen bemüht hast. 
steppenhund antwortete am 16. Jun, 23:35:
Also das ist ja wohl äußerst unfair und komplett am Tatbestand vorbei. Allein, dass teacher dieses Problem hier behandelt, zeigt schon, dass ihn der Schüler nicht kalt läßt.
-
In unserer Firma haben wir einen ohne Schulabschluß aufgenommen. Der entspricht von der Beschreibung her ganz gut. Ist sehr vif und begreift schnell.
Was Kinder allerdings schwer einsehen können, ist der Nutzen von formalen Vorgehensweisen.. Dann muss man nämlich nicht alles neu erfinden. 
teacher antwortete am 17. Jun, 10:47:
@Tan X: Noch schlimmer ist, dass sich Schule überhaupt nicht um Schülerfähigkeiten kümmert, die nicht unterrichtsrelevant sind. Mir fällt das auf, wenn z.B. jemand gerne und gut kocht oder ausgefallene Hobbys hat. Schule kann nicht alles machen, das muss klar sein.

@Roman: Wir sind am Schulschluss und müssen per Note entscheiden, wer aufsteigen darf und wer nicht - das sind kühl-rationale Überlegungen. Aber ich habe mich über Monate mit Hussein beschäftigt ... und ich vergesse ih nicht einmal in meiner Freizeit (hier z.B.). 
Matthias (Gast) meinte am 17. Jun, 09:11:
Richtig
Das stimmt, die westliche Gesellschaft, vor allem Europa hat verlernt, zu lernen. Vor allem aus Fehlern.
Jede Zivilisation geht irgendwann zugrunde, wenn Dekadenz und Arroganz überhand nehmen. Ich fürchte, das ist auch mit unserer der Fall. 
teacher antwortete am 17. Jun, 10:48:
Wir müssen nicht gleich zugrunde gehen, aber ohne größeren Lernwillen werden wir gegenüber aufstrebenden Kulturen (s.Asien) zurückfallen. 
Matthias (Gast) antwortete am 17. Jun, 16:24:
Wenn es doch nur der (schulische) Lernwille wäre.
Wir sind doch garnicht mehr bereit, für irgendetwas einzustehen. Außer vielleicht für den Klimaschutz. Unsere Werte? Freiheiten? Beliebig. Toleranz ist der Wort des Jahrhunderts, und zwar erst recht der Intoleranz gegenüber. Das geht jetzt schon nicht gut. 
Roman (Gast) antwortete am 17. Jun, 20:03:
Ich denke die Lehrer haben verlernt Lernen zu vermitteln.
Die Schüler sind eben nicht Gänse, die man mit Wissen vollfüttert.
In meiner Schulzeit hat fast keiner der Lehrer den Spass am Lernen vermittelt.
Die meisten Lehrer machen ihre Aufgabe, weil es ihre Aufgabe ist und setzen sich für schwache,hochbegabte oder andersseinige Schüler kaum ein.
Oder hat ein Lehrer mich je getröstet?
Schule ist mehr als eine Lernfabrik, sie muss auch soziale Kompetenzen trainieren.
Aber hat das ein Lehrer begriffen? 
teacher antwortete am 17. Jun, 20:21:
Deswegen ist die ganze westliche Gesellschaft lernunwillig?
Sind die Lehrer in Asien so viel motivierender? 
BIA (Gast) antwortete am 17. Jun, 23:48:
@Roman
"Die Lehrer haben verlernt, Lernen zu vermitteln."
Das stimmt nach allem, was ich weiß, einfach gar nicht.
Lehrer haben nie so viel Zeit und Überlegung darauf verwendet, ansprechende Lern- und Lernmethoden zu verwenden.

Müssen sie ja auch, denn das klassische dankbar-anspruchslose Publikum, das liebend gerne zur Schule geht, weil es da warm und trocken ist und ungemein erholsam im Vergleich zum Rest des Tages...gibt es schon lange nicht mehr. 
teacher antwortete am 18. Jun, 08:31:
Muss ich unterstreichen: Noch nie haben Lehrer so abwechslungsreichen Unterricht gemacht wie jetzt, hic et nunc. Medien, Methoden, Formen ...
Und trotzdem waren sie noch nie so stark im Kreuzfeuer der Kritik wie jetzt. 
 

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