Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
cotopaxi

 
Der "Kleine Prinz" trifft auf der Suche nach Freunden auf der Erde einen Geographen, der sein Büro nie verlässt: Er führt Buch und lässt sich berichten. Ein toller Forscher.

Ich treffe an der Uni Pädagogen, die ihren Elfenbeinturm nie verlassen: Abgehobene Forscher. Sie bilden unsere Lehrer aus und schreiben wissenschaftliche Aufsätze darüber, wie Unterricht funktionieren soll.

Niki Glattauer unterscheidet in seinem Buch zwischen Pädagogen, also LehrerInnen, die mit SchülerInnen arbeiten, und Pädagogikern, Wissenschaftern, die vieles über Pädagogik wissen ... aber nie anwenden (müssen).

Daher kommt mein vierter Vorschlag: Praktikumsschulen für die Universität.

Alle Dozenten, die in der Lehrerausbildung stehen, sollen neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universtität auch reale Erfahrungen im Unterricht machen. Und alle Lehramtsstudierenden sollen ab ihrem dritten Semester ständigen Kontakt mit Kindern in der Schule haben.

Einfacher geht es nicht. Die Studierenden sammeln richtige Erfahrungen unter Anleitung von wirklichkeitsnahen Experten. Die Kinder profitieren von neuesten Forschungserkenntnissen und jungen Praktikanten. Die Uni nähert sich der Schule, die Schule profitiert von der Wissenschaft.

Warum nicht?
Der Lehrerfreund (Gast) meinte am 30. Sep, 08:59:
Und: Die Empirie
Es hat sich ja so um den PISA-Schock herum gezeigt, dass es nicht funktioniert, wenn die Pädagogiker in ihrem Büro schlaue Aufsätze verfassen. Deshalb hat im pädagogischen Bereich empirische Bildungs- und Unterrichtsforschung in den letzten 10 Jahren einen erstaunlichen Aufschwung erlebt. Jetzt sitzen die Pädagogiker nicht mehr in den Büros und brüten, sondern schicken ihre Schergen hinaus, um Daten zu sammeln. In der hochschulischen Ausbildung von Pädagog/innen wird es zunehmend schick, die Lehramtstudierenden empirisch Arbeiten zu lassen - ein völlig sinnloses Unterfangen, da sie ja nicht Empiriker/innen werden wollen, sondern Lehrer/innen.

Was du forderst, ist genau richtig. Der Schulalltag, der Unterrichtsalltag müssen die Bezugspunkte sein. Aber das wollen natürlich die Wissenschaftler nicht - zu groß wäre der Realitätsschock, zu tief der Abstieg aus dem Elfenbeinturm in die Abgründe Kreide werfender und stinkender Prolet/innen. Das Konstrukt der Empirie ist die perfekte politische Lösung, um Praxisnähe und Praxiskenntnis vorzutäuschen. 
emu (Gast) antwortete am 30. Sep, 11:09:
Praxis ist ja eine gute Idee, aber diesen bizarren Antiszientismus in der LehrerInnenbildung habe ich nie verstanden. Wenige ÄrztInnen arbeiten in der Pathologie oder der Grundlagenforschung, aber dennoch sind Sezierkurse und naturwissenschaftliche Grundlagen ein wichtiger Bestandteil des Studiums. Ohne ein gewisses Grundverständnis der Methodik können LehrerInnen eben keine neuere Forschung rezipieren, was in letzter Konsequenz nur zu more of the same führt – da braucht man dann gar nicht studieren, nach Bauchgefühl kann jeder mehr schlecht als recht unterrichten. 
teacher antwortete am 30. Sep, 11:20:
Nein, wir sind nicht gegen wissenschaftliche Grundbildung, im Gegenteil.
Die Mediziner am AKH unterrichten, forschen und heilen - warum können Pädagogen das nicht? 
El Loco antwortete am 1. Okt, 17:19:
Keine exakte Wissenschaft
Das ist doch das Problem: Pädagogik ist keine exakte Wissenschaft - streng genommen sogar überhaupt keine Wissenschaft. Es ist eine Lehre darüber, wie man Kinder (paides) zu etwas bringen kann (agogia, sehr vorsichtig übersetzt). Pädagogische Vorschläge sind die Konsequenz aus soziologischen, psychologischen und einigen anderen Erkenntnissen, die mit Lernzielen konfrontiert wurden.
Aber: während man beim Sezieren immerhin lernen kann, wie eine Leber aussieht und wo sie sich im Körper befindet, wird man nie von einem Kind auf ein anderes schließen können. Lehren ist Erfahrungssache und hat viel mit trial and error zu tun, wobei man natürlich gut beraten ist, sich von den Erkenntnissen anderer Probierer erleuchten zu lassen.
Tragisch ist leider, daß die Autoren der wichtigen pädagogischen Bücher seit x Jahren und oft seit ihrem Abitur keine Schulklasse mehr von innen gesehen haben und auf völlig weltfremden Annahmen aufbauen. Tragisch wirkt sich auch aus, wenn zu einfache Tun-Ergebnis-Zusammenhänge vorausgesetzt werden...
Aber das Unterrichten lernt man garantiert nicht im Pädagogik-Seminar. Das lernt man nur, indem man es tut.

Die wissenschaftliche Grundbildung brauchen Lehrer dann auch eher für die Fächer, die sie unterrichten - und da würde ich mir im Sinne eines sinnvollen Unterrichts dann doch wünschen, dafür hätten sie mehr Zeit und weniger in der Pädagogik. Einen guten Mentor für die ersten Jahre bräuchten sie.
Aber nun ratet mal, was Frankreich dieses Jahr abgeschafft hat für die angehenden Lehrer (die übrigens keinerlei pädagogische Ausbildung vorweisen müssen)? Genau: die Begleitung der ersten Unterrichtsjahre durch eine Art Lehrerseminar. Kostet ja Geld. 
teacher antwortete am 1. Okt, 18:18:
Vieles kann man nicht lernen, aber einiges doch (Kommunikation, Psychologie ...).
Die beste Art zu lernen ist das eigene Tun - und das kommt an den Unis viel zu kurz. Deswegen mein Vorschlag zur Praxisschule, wo Studierende unter Anleitung und Kontrolle unterrichten (lernen). Statt Vorlesungen und Seminararbeiten. 
BIA (Gast) antwortete am 1. Okt, 22:59:
Die spinnen, die (Römer) ach nein doch nicht, die Franzosen.

Unsere Praktikant/innen fragen uns Löcher in den Bauch, weil sie eben praxisnahe Information wollen und auf der Uni relativ weit weg vom "unterrichtlichen Alltag" sind. Ein Mentor über längere Zeit wäre das Beste, was ihnen passieren könnte - neben reichlich Unterrichtspraxis, natürlich. Und die Franzosen wollen diese segensreiche Einrichtung abschaffen??? 
Ketzerkatze (Gast) antwortete am 2. Okt, 01:05:
NRW ist weiter *gg*
Das Angesprochene gibts ähnlich schon seit Jahren in NRW: die Laborschule Bielefeld. Ne Schule an der Uni, wo angehende LehrerInnen das Lehren lernen und "Schüler gucken" gehen - regelmäßig und unter wissenschaftlicher Anleitung und Kontrolle.

Komm rum, dann können wir uns das angucken ;-) 
teacher antwortete am 3. Okt, 13:11:
Die Laborschule ist auch in Österreich (bei Pädagogen) bekannt - vom Modell her nachahmenswert. Würde gerne "rumkommen" :-)) 
Julius (Gast) meinte am 30. Sep, 09:34:
mehr Praxis, weniger Wissen
@Der Lehrerfreund
Ich als zukünftiger Lehrer will auch nicht Literaturwissenschaftler oder Geologe werden, trotzdem halte ich eine umfassende Ausbildung für sinnvoll.

Und da ist genau der Haken, der mir bei dem von teacher formulierten Ansatz missfällt: Je mehr Praxis Teil der universitären Ausbildung wird, desto weniger Fachwissen erlernt man. Das ist insbesondere in Zeiten eines polyvalenten Bachelors ungünstig, mit dem man eben nicht nur Lehrer werden "muss", sondern auch Sprach-, Literatur- oder Geowissenschaftler werden kann (natürlich nur, wenn man die Kombination Sprache + Geographie studiert hat). 
teacher antwortete am 30. Sep, 11:22:
Ich will nicht, dass die Junglehrer weniger Fachausbildung bekommen, sondern die richtige! 90% des Wissens, das ich an der Uni bekommen habe (und geliebt habe!), kann ich in der Schule nicht brauchen. 
Pat (Gast) antwortete am 30. Sep, 12:09:
Das kann man doch überhaupt nicht verallgemeinern! Hier muss man zwischen unterschiedlichen Altersstufen unterscheiden.
Je länger ich unterrichte (und das sind jetzt 15 Jahre), desto öfter konnte ich irgendwann *alles* gebrauchen, vor allem in der Oberstufe. Und wenn man bestimmte Dinge zum xten Mal unterrichtet, ist man sehr froh, dass es noch Inhalte gibt, die einen daran erinnern, warum man dieses Fach einmal gewählt hat, nämlich nicht nur wegen der Schule, sondern weil es einen interessiert. Das merken Schüler ziemlich genau. 
teacher antwortete am 3. Okt, 13:14:
Es stört mich nicht, dass ich 90% des Uni-Wissens in der Schule nicht brauche, ich habe noch akademische Reserven!
Aber es stört mich, dass 90% von dem, was junge KollegInnen in der Unterrichtspraxis benötigen würden, an den Unis nicht gelehrt wird: Der Praxisschock mit heftigen Konsequenzen wird hier schon programmiert. 
Jogurtbecher (Gast) meinte am 30. Sep, 10:32:
Meine Rede
Genau diese Gedanken hatte ich auch schon. Wieso gibt es riesige Universitäten mit Mengen an Pädagogik und Lehramtsstudenten aber eine Kinderbetreuung für maximal 3 Kinder.
Warum kann es nicht ein Universitätskindergarten, eine Universitätskrippe und eine Universitätsschule geben. Das sind natürlich normale Einrichtungen die aber eben sehr eng mit der Universität zusammen arbeiten. Die Kinder können intensiv betreut werden und die Studenten/Dozenten usw. haben die möglichkeit aktiv in der Praxis zu arbeiten. Eine Win-Win Situation. 
teacher antwortete am 30. Sep, 11:22:
Genau. 
Lehramtsstudent (Gast) antwortete am 30. Sep, 15:17:
In der Uni Jena gibt es seit Kurzem ein Praxissemester für alle Lehramtsstudenten ab dem 5ten Semester.
Da haben die angehenden Lehrer die Chance Unterricht mitzuerleben, später dann selbst zu gestalten.
Die Studenten sind 5 Monate an einer Schule im Bundesland und hospitieren dort und unterrichten dann selbst in ihren Fächern.

Leider wird das Ganze von Begleitveranstaltungen verunstaltet, die total verkopft und praxisfern sind.

aber an sich ist es ganz gut. 
timanfaya meinte am 30. Sep, 10:39:
da sind wir dann aber auch schnll bei dem thema, dass lehrer [und natürlich auch politiker] mindestens mal zwei jahre in der freien wirtschaft arbeiten sollten um mal mit zu bekommen, woher der echte wind weht ... 
teacher antwortete am 30. Sep, 11:24:
Hätte ich gar nichts dagegen.
Wobei: Heute arbeiten die meisten Studenten nebenbei, auch die Lehramtsstudierenden kennen die Wirtschaft von innen. 
charlotte sometimes (Gast) meinte am 30. Sep, 11:50:
Bei uns gibt es keine Unterteilung in Lehramt und Diplom (oder Bachelor) Studium wie es das in Deutschland gibt. Nach dem Studium (wärend dessen man schon einen Kurs belegen kann indem man an einer Schule als Assistentt tig wird um zu lernen wie man das Fach was man studiert unterrichtet) wird man, um Lehrer werden zu koennen noch einen separaten Kurs belegen müssen, indem Lehr techniken etc vermittelt werden. das geht Hand in Hand mit einem Praktikum an Schulen. Also in etwas sind das 3 Tage Uni, 2 Tage Schule. Wenn man dann merkt dass das nichts ist, hat man dann immerhin noch einen brauchbaren Abschluss. 
teacher antwortete am 30. Sep, 14:24:
Wie oft und wie lange sind Lehramts-Studierende wirklich in den Klassen? In % des Gesamtstudiums? 
Kathrin (Gast) antwortete am 30. Sep, 17:53:
Das rechne ich jetzt nicht aus...
...aber ich habe das Glück an einer sehr praxisorientierten Uni zu studieren. Wir machen ab dem ersten Semester regelmäßige Praktika (die ersten 2 Semester jeden Freitag in der Schule. Dann 2 Wochen durchgängig in Schule. 6 Wochen Praktikum im 3. Semester, im Masterstudium dann 2 Fachpraktika...). Unterrichten tun wir auch ab dem ersten Semester. Zwar unter Anleitung und zunächst auch eher sporadisch, aber das häuft sich dann immer mehr. So merkt man schnell, ob man für den Beruf auch wirklich geeignet ist. Nebenbei gibt es noch Seminare, die stark Praxisorientiert sind. Individuelle Lernförderung zum Beispiel, wo man sich ein Semester lang durchgängig mit einem Schüler befasst, der Lernschwierigkeiten hat. Letztendlich auch nichts anderes als Nachhilfe, nur dass man dokumentieren muss, warum man was macht, aber immerhin...

Studien haben gezeigt, dass Leute, die an meiner Uni studiert haben, im Referendariat am besten zurecht kommen, weil sie eben schon die ganze Praxiserfahrung haben. Die Praktikas zahlen sich also auch aus und generell bin ich mit dem Studium sehr zu Frieden. Die Pädagogiker gibt es aber leider auch bei uns. Die halten vorwiegend die großen Vorlesungen Mittwoch morgens um 8. Wo man dann für die Klausur einen 100 Seiten Reader auswendig lernen muss (um 2 Stunden später alles wieder vergessen zu haben).
Hier besteht dann also doch noch Verbesserungsbedarf. Aber an Praxis hat es mir in meiner Ausbildung nicht gemangelt. Ich war insgesamt an 5 verschiedenen Schulen. Sowohl Grund-, als auch Haupt- und Realschulen. Aber wir sind was das angeht in Deutschland wohl ziemlich einzigartig.g 
teacher antwortete am 30. Sep, 18:52:
Euer Modell finde ich gut - ich kenne nur die Ausbildung an der Uni Wien, da kommt man mit einigen wenigen Tagen an den Schulen bis zur Lehramtsprüfung. Selbst gehaltene Stunden bis dahin: vielleicht 5. 
BIA (Gast) antwortete am 30. Sep, 19:09:
Oh ja, die Pädagogikvorlesungen, lol. Man lernte einen völlig esoterischen Handapparat ("Reformpädagogik seit Maria Theresia"/"Die Schule als ein Ort der Gewalt") oder sowas und kreuzerlte dann seinen Kreuzerltest an. Man verstehe mich nicht falsch, die Themen sind wahnsinnig interessant, aber nur als rein oberflächliches Prüfungsgebiet zu wenig. 
teacher antwortete am 30. Sep, 19:15:
Mehr wahnsinnig als interessant :-) 
BIA (Gast) antwortete am 30. Sep, 20:02:
Schon interessant...ist die Schule per se ein System, das auf der Gewalt der einen über die anderen basiert? Wenn ja, muss das so sein? Wenn nein, funktioniert das System deshalb nicht? Gibt es ein richtiges System im falschen? etc. etc.
Wahnsinnig schräg ist nur, wenn der Professor regelmäßig in den Ferien in die Medien geht und über die stets steigende Gefahr der "Lehrergewalt" klagt. Lässt einem nicht mehr allzuviel Interpretationsspielraum beim Test... 
charlotte sometimes (Gast) antwortete am 1. Okt, 13:44:
im Grundstudium weiss ich das nicht genau weil ich diesen Kurs nicht belegt habe, aber soweit ich weiss sind die da einmal die woche. Im |Lehrerkurs der belegt werden muss um zu unterrichten sind die von anfang an in den Schulen. Eine Freundin studiert das gerade und die ist seit Studienbeginn im einsatz in einer Klasse. 
Gambetti antwortete am 5. Okt, 01:40:
Meine Schulzeit liegt noch gar nicht lange zurück und ich kann mich sehr gut in meine damalige "Situation" hineinversetzen: Die neueste Wissenschaft interessiert den Schüler am wenigsten, er ist normalerweise auch überhaupt gar nicht fröhlich gestimmt, wenn sie an ihm ausprobiert wird. Ich habe noch genau das Geächtze der Mitschüler im Ohr, wenn die junge, spritzige Lehramtsstudentin den Unterrichtsraum betritt und Lernpuzzles, Laufdiktate oder sonstigen Schnulli mit den Leidtragenden veranstaltet.
Besonders gestraft sind die Opfer dann, wenn der Lehrkörper nicht unterrichtet, sondern unterrichten "tut" (@Kathrin). Ich wünsche mir viel lieber einen Elfenbeinturmwissenschaftler als einen Unterricht Tuenden und halte auch im Allgemeinen das, was man als Frontalunterricht bezeichnet als die effektivste und beste Methode, den Lehrstoff zu übermitteln. Das Vorgetragene wird vom Schüler in "Wichtiges" und "Nebensächliches" eingeteilt, es werden mit zunehmendem Klassenniveau Methoden zum Schaubilder skizzieren geübt und eine optimale Vorbereitung auf das Studium wird erzielt. Gruppenarbeiten und Schülerreferate sind in den meisten fällen niederträchtige Wikipediaerzeugnisse, wobei das sogenannte Internetnachschlagewerk eine viel schlimmere Schande für die heutige Gesellschaft darstellt als Lehrende, die einen verkorksten sprachlichen Ausdruck haben!
Der Einwand, dass das Interesse der Schüler durch "neue" Unterrichtsmethoden geweckt werden soll muss dadurch entkräftet werden, dass es die Aufgabe der Eltern ist, dem Kind Interesse und vor allem Disziplin und Konsequenz anzuerziehen. Das alles scheint völlig der Vergangenheit anzugehören, ebenso wie das Auftreten des Lehrers als sogenannte Respektperson, die sich eben nicht durch alberne Lernspiele sowohl vor den Schülern als auch bei den Eltern lächerlich macht und auch gesellschaftlich einen angeseheneren Rang hat, als es heute traurige Lehrer-Realität ist. 
teacher antwortete am 5. Okt, 08:45:
Was Du hier niederschreibst ist natürlich die totale Niederlage für alle modernen Didaktiker/LehrerInnen.
Aber ich kenne viele SchülerInnen, die wie Du denken ... und es wäre Zeit, auch hier einmal eine klare Sprache zu finden. Mich würde wirklich interessieren, wie viele Schulabgänger so denken wie Du. Und ob die Didaktik bereit ist, sich auf diese Vorstellungen einzulassen.

Für mich habe ich eines gelernt: Abwechslung hält munter. 
Kathrin (Gast) antwortete am 5. Okt, 12:03:
Entschuldige bitte, dass dir meine Ausdrucksweise so auf den Magen schlägt. Ich tue weiter so unterrichten, wie ich es für richtig halte, und dafür gehört, wie teacher auch sagt, die Abwechslung.

Ich bin auch noch nicht lange aus der Schule raus, und spritzige, junge Lehramtsstudentinnen, die jede Stunde eine neue Ausgeburt des handlungsorientierten Unterrichts ausprobieren, hatte ich zu Hauf. Das hat mich auch oft genervt, deswegen bin ich aber noch lange nicht dagegen. In manchen Stunden machen solche Schnullis nämlich Sinn, sonst schlafen dir gerade die jüngeren Schüler nämlich schnell mal ein.

Auch hab ich nichts gegen Frontalunterricht. Gerade in Geschichte, meinem Zweitfach, halte ich ihn für ausgesprochen sinnvoll, aber wie gesagt, die Mischung machts.

Elfenbeinturmwissenschaftler, die Schülern hauptsächlich das Zeichnen von Schaubildern beibringen und Leute wegen ihrer sprachlichen Ausdrucksweise angreifen, haben meiner Meinung nach an einer Haupt- oder Realschule nichts verloren. Die haben dann nämlich schnell mal die gesamte Klasse gegen sich, was das Unterrichten auch nicht leichter macht.

Ich bin vielleicht nicht die ideale Respektsperson, mit meinem verkorksten Ausdruck, vielleicht mache ich mich auch mal vor der Klasse lächerlich, wenn ich bei der Vorstellung des Present Progressive die passenden Bewegungen vor der gesamten Klasse vorführe. Ich persönlich glaube aber, dass man mehr erreicht, wenn man mit den Schülern zusammenarbeitet und ihnen nicht ständig das Gefühl gibt, haushoch überlegen zu sein. Eben das ist das Problem vieler Elfenbeinturmwissenschaftler. "Respektiert meine Autorität, denn ich habe studiert". Na bravo. Auch hier sollte die Mischung von fachlichem Wissen und Emphatie den Schülern gegenüber stimmen. 
Kathrin (Gast) antwortete am 5. Okt, 12:06:
und ja. Empathie schreibt man anders. 
Gambetti antwortete am 5. Okt, 15:06:
Es war ja auch kein persönlicher Angriff gegen dich, Kathrin, dazu würde ich diese Seite wirklich nicht missbrauchen! Viel mehr geht es mir hier wirklich darum, dass viele konservative Lehrmethoden gut und wichtig sind und dass eben dieses "Jugendliche", Neuwissenschaftliche im Lehrerkollegium oftmals stört - da kam mir das Beispiel mit der Lehrersprache, die sich an die Schülersprache angleicht, sehr recht.
Es stimmt natürlich, dass an einer Hauptschule kein völlig abgehobener Professor unterrichten soll, aber dort, wo ich in die Schule gegangen bin, gibt es gar keine Hauptschulen... Was für das Bundesland spricht!
Was ich in meiner Schulzeit erst kennengelernt und dann bald völlig vermisst habe, waren die Lehrer, die einen gewissen, nicht übermäßigen Druck auf die Schüler ausgeübt haben und vor denen man einfach Respekt hatte. Ein solcher Lehrer hätte auch gute Chancen an Mittelschulen. Was man eigentlich auch nicht laut aussprechen darf, was aber eine Tatsache ist: Die wenigsten dieser durchgreifenden Lehrenden sind Frauen. Wenn es die Eltern nicht hinkriegen, die Kinder zu Respekt und Vernunft zu erziehen, hilft eben nur der strenge Lehrer, der nicht so aussieht, als ob er gleich in Tränen ausbricht (dann hat er nämlich schon verloren). Da kommt das "Muntersein" der Schüler schon ganz von selbst. Empathie ist natürlich wichtig, Emotionalität bewirkt aber, dass die Schüler den Lehrer nicht ernst nehmen. Was das für den Unterricht bedeutet, ist klar... 
teacher antwortete am 6. Okt, 10:14:
Du sprichst ein Riesenproblem an: Immer mehr Schüler nehmen immer mehr Lehrer nicht ernst. Das ist das absolute Ende von Unterricht, da spielen Methoden etc. keine Rolle mehr.

Bleibt die Frage: Warum? Und: Wen betrifft es?
Ein sieht man: Die strengen, autoritären Lehrer haben dieses Problem nicht. Deswegen werden auch andere so - weil es sich bewährt.
Aber es gibt auch alternative Wege, die sind meistens anspruchsvoller. 
BIA (Gast) antwortete am 6. Okt, 18:35:
"...nehmen nicht ernst..."
Ich hab gerade eine supernette Praktikantin, die zum ersten Mal überhaupt mit Schülern zu tun hat. Als ich sie beobachtet habe, fiel mir auf, dass die Schüler innerhalb kürzester Zeit anfingen zu reden, sich fremdzubeschäftigen etc. Meine Praktikantin wird sicherlich eine gute Lehrerin - sie hat ein gutes Auftreten, mag die Kinder offensichtlich - aber im Moment ist sie einfach noch unerfahren: "zu nett", fast entschuldigend, dass sie was von den Schülern will.
In dieser Unterrichtsstunde ist mir klar geworden, wie sehr ich in meiner Unterrichtszeit an Erfahrung gewonnen habe - ich war auch mal "zu nett", hab's mir aber abtrainiert, aus der Erfahrung heraus, dass die Schülergruppe gerne einen "Leitwolf" (oder eine "Leitwölfin") hätte, der sagt, wo's langgeht. Durchaus freundlich, aber bestimmt.
Jetzt ist die Situation die, dass viele neue Lehrer direkt von der Uni zwar viele gute Ideen mitbringen, die aber einfach nicht funktionieren, weil die Lehrer (noch) "zu nett" sind oder nicht das nötige Maß an Disziplin und Kontrolle bieten können. Routinierte Lehrer haben sich vielleicht bequem mit einer Handvoll MEthoden eingerichtet, bringen aber die nötige Disziplin und Kontrolle zustande. Damit funktioniert der Unterricht. Eigentlich zeigt das wieder mal - wie in vielen Studien auch angesprochen - dass die Unterrichtsform selbst nicht so wichtig ist, solange verschiedene Methoden und Formen abgewechselt werden. Es zeigt aber auch, was für ein Reichtum an sinnvollen Methoden verloren geht, weil sie nur von einer kleinen Gruppe von Berufsanfängern angewendet wird, die aber nicht die richtige "Lernumgebung" schaffen können und es dann oft entmutigt bleiben lassen. Ich finde das schade.
Ich habe gerade eine Fortbildung mit einer sehr beeindruckenden Liane Paradies hinter mir, die sehr viele freie Arbeitsformen einsetzt, aber auch sagt, dass sie eine hohe Kontrolle im Vorfeld und während der Arbeit aufrechterhält, um qualitätsvolles Arbeiten zu ermöglichen. Das ist für mich eigentlich der Idealfall: jemand, der mit Hingabe daran arbeitet, ein Unterrichtsumfeld zu schaffen, in der die Schüler effektiv und richtig gut lernen können, dabei die Leitwolf-Funktion wahrnimmt, die die Gruppe braucht - und die Schüler trotzdem respektiert und mag. Die Frau ist um die fünfzig, schätze ich - also gut Ding braucht Weile!

@Gambetti: nach x-Jahren Schule, in der man sich als Schüler in der bequemen Position eingerichtet hat, dass da vorn schon einer steht, der die Arbeit für einen erledigt und die Infos ankarrt, kommt es natürlich als herber Schlag, wenn man sich plötzlich selbst ins Zeug legen muss. Natürlich ist der Lehrervortrag superpraktisch zur geballten Informationsvermittlung (ich hab das heute 7 Stunden lang gemacht, hat super funktioniert und war bitter nötig), allerdings möchte der Gesetzgeber von uns, dass wir nicht nur Fachwissen unters Volk streuen. Das ist auch unser Job, und dem müssen wir irgendwie gerecht werden - s. P- u. W-Seminar u dgl.. Das heißt aber nicht unbedingt, dass das lustige Kreuzworträtsel, von Schülern auszufüllen, das Nonplusultra ist - mir scheint, dass Anfänger im Lehrberuf oft Arbeitsformen verwenden, die nicht anspruchsvoll und fordernd genug sind; auch das ist aber ein Erfahrungswert.
Ich stimme zu, was die Bedeutsamkeit eines Lehrers mit Autorität und klarer Linie betrifft - meiner Erfahrung nach sind das auch sehr oft die Lehrerinnen. Gerade die älteren Lehrerinnen haben oft ein Auftreten, dass selbst der coolste Gangstaklon die Ohren anlegt. 
teacher antwortete am 6. Okt, 20:38:
Danke BIA - du sprichst mir aus der Seele. 
romeomikezulu meinte am 30. Sep, 17:46:
Der Vorschlag ist klasse, genau aus dem Grund aber unwahrscheinlich hinsichtlich einer jemaligen Umsetzung.

Was die Lehramtsstudierenden betrifft, würden wahrscheinlich
60+% dann diesen Studiengang vorzeitig abbrechen, nach Erstkontakt mit der Schülerfront.
Was so schlecht ja auch nicht wäre. 
Kathrin (Gast) antwortete am 30. Sep, 17:55:
Der Prozentsatz trifft bei uns wahrscheinlich sogar zu. Wenn ich so durch die Reihen schaue sind viele, mit denen ich angefangen habe, mittlerweile von der Bildfläche verschwunden. 
teacher antwortete am 30. Sep, 18:48:
Das wäre ein Nebeneffekt: Die Studierenden würden schnell erkennen, ob ihnen das Arbeiten in der Schule wirklich zusagt. Das erfahren sie meist erst viel zu spät (in den ersten Dienstjahren), wenn nämlich die Lebensplanung schon zu weit gediehen ist. Neues Studium mit 27 beginnen? 
micha (Gast) meinte am 1. Okt, 10:13:
bw
in baden-württemberg erlaubt man sich diesen luxus an den pädagogischen hochschulen (mit universitätsstatus). studenten belegen ab dem ersten / zweiten semester (je nach studierendenzahl) praktika! teilw. einmal pro woche, teilw. 4 wochen am stück.
geholfen hat es mir trotzdem nicht ein guter lehrer zu werden. es fehlt an vorbildern. 
Kathrin (Gast) antwortete am 1. Okt, 16:04:
Hm. Das ist schade. Bei mir waren zumindest 2 Lehrer dabei, von denen ich mir eine Scheibe abschneiden könnte, die interessanten Unterricht gemacht , die Schüler respektiert haben und gleichzeitig respektiert worden sind und nebenbei noch ihren gesunden Menschenverstand behalten haben.
Eine ganze Grundschule voller Nicht-Vorbilder war allerdings auch darunter...aber in den Fällen denke ich mir dann, wenn du NICHT so wirst, hast du auch schon ein gewisses Ziel erreicht. Man kann auch aus Leuten lernen, die ihren Beruf schlecht machen. Generell darf ich mir aber da wohl noch kein Urteil erlauben, weil ich noch kein Lehrer bin. Wer weis, wie ich mal ende...

Mir hat der große praktische Teil der Ausbildung jedenfalls enorm geholfen. Ich gehen nicht blauäugig ins Referendariat und mache mich schon mal auf das schlimmste gefasst. Wenns anders kommt, dann umso besser. 
teacher antwortete am 3. Okt, 13:18:
Ich habe sehr gute Vorbilder gehabt - aber sie würden im heutigen Alltag versagen (müssen), weil sie sehr hohe kognitive Zielsetzungen verfolgten.

Ich musste lernen, meine eigenen Stärken zu entdecken und umsetzen (und meine Schwächen akzeptieren). Das geht erst mit viel Praxiserfahrungen, die ich gerne früh (aber nicht ab dem 1.Semester) einführen würde. 
Stefan (Gast) meinte am 2. Okt, 13:56:
Reformen direkt aus dem Elfenbeimturm sind in der Tat ein heikles Problem. Hier in den Niederlanden hat das zu einem offenen Bruch zwischen Universitätspädagogik und Lehrerschaft geführt, als Ende der 90er Jahre das reformpädagogische Konzept des "studiehuis" ohne Pre-Evaluation eingeführt wurde. Schüler und Lehrer waren überfordert, rebellierten und die Reform wurde im Prinzip zurückgenommen. Verblieben ist eine sehr skeptische Haltung der Lehrer gegenüber (vielleicht auch sehr guten) Ideen aus der universitären Pädagogik.
Ich glaube, in Deutschland schaut das schon wesentlich besser aus. An meiner Universität wurde vor einigen Jahren das Lehrerausbildungskonzept komplett durchgerüttelt (verpflichtendes Vorpraktikum u.a.) und ich denke, dass das in den kommenden Jahren erste Früchte in der Praxis tragen wird. 
teacher antwortete am 3. Okt, 13:19:
Diesen Bruch zwischen Uni und Praxis sehe ich in Österreich auch - aber es wird noch nicht daran gearbeitet, ihn zu überwinden: Beide Seiten sehen sich skeptisch an, gehen aber nicht aufeinander zu. 
Meierzwo (Gast) meinte am 3. Okt, 22:01:
Lehrer, Schule und das richtige Leben
Sorry,
ich kann mir nicht vorstellen das ein Mensch welcher ein Leben lang nur die Schule kennt...Schüler->Student->Pädagoge/Pädagogiker... überhaupt weiß wie es im richtigen Leben aussieht.

Pädagogen/Pädagogiker sollen nach einer gewissen Zeit, 7 Jahren, ihren Elfenbeinturm verlassen müssen und in der freien Wirtschaft tätig werden und weitere 7 Jahre in dieser tätig sein....danach dürften sie gerne wieder in ihren Elfenbeinturm zurück um nach weiteren 7 Jahren wieder zu wechseln...usw.
...und solange keine unabhängige Leistungkontrolle, bzw. Qualitätskontrolle, von Pädagogen stattfindet...ist doch alles ganz KLAR....

WEITERMACHEN UND AUF PENSIONIERUNG WARTEN :-(

MeierZwo 
teacher antwortete am 4. Okt, 10:06:
Kluge Forderung, aber unrealistisch:
1. Wer an der Uni Karriere machen will, muss ständig am Ball bleiben.
2. Wer als Lehrer in der Wirtschaft ein Praktikum machen will oder Erfahrungen sammeln will, der wird nicht ernst genommen (weder in der Schule noch in den Betrieben) 
MeierZwo (Gast) antwortete am 4. Okt, 20:04:
oh je...

...und diese Situation ausbaden dürfen wieder die Eltern von Schülern, welche dabei ein Problem haben mit der Kooperation zwischen Schule und Elternhaus, bzw. der/die Schüler/in welche den direkten Kontakt zu dem/den Pädagogen hat/haben....

Warum habe ich als Elternteil dann immer diesen faden Beigeschmack bei jedem Gespräch mit den meisten Pädagogen?
...und muss mich sehr stark zurückhalten um meinem Kind keine persönlichen Nachteile in der Schule einzuhandeln?

MeierZwo

P.S. ...es gibt auch einige Ausnahmen bei den Pädagogen...an der Schule meines Kindes genau FÜNF Pädagogen von Sechzig, bei 1840 Schülern :-( 
teacher antwortete am 4. Okt, 20:09:
1840 Schüler und nur 60 LehrerInnen - das kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn Sie darunter nur 5 gute finden, dann müssen Sie Ihre Ansprüche überprüfen ... oder die Schule wechseln. Ich war auch mit der Schule meiner Kinder in vielen Punkten nicht zufrieden - aber ich weiß aus eigener Erfahrungen, dass die gegebenen Bedingungen nicht viel mehr zulassen. Das macht einen wirklich traurig. 
BIA (Gast) antwortete am 5. Okt, 07:25:
Ja, und im Gegenzug alle Helden der Freien Marktwirtschaft alle sieben Jahre für zwei Jahre in einen pädagogischen Beruf. :-)
Nach einigen Jahren im selben Beruf entwickelt wohl JEDER eine gewisse, nennen wir's mal betriebsbedingte Mentalität, da raus zu gehen kann keinem schaden. 
teacher antwortete am 10. Okt, 11:21:
Würde ich auch begrüßen. Nur ein paar Wochen würden schon heilsame Wirkung zeigen! 
Ora Klein (Gast) antwortete am 17. Okt, 23:05:
Osmose fördern
Ich wäre mit 22 oder 25 definitiv zu jung und zu theorie-lastig gewesen, um mir vor einer Klasse Respekt zu verschaffen.

Mit 40 und 20 Jahren ERfahrung in der "Privatwirtschaft" scheint mir das schon wesentlich realistischer.

Andererseits kann man auch nicht sagen, dass man erst ab 30 Lehrer werden soll, dann hätten die Schüler doch nur "alte Knacker" und die jungen & attraktiven Lehrer würden fehlen.

Prinzipiell fände ich aber schon, dass es eine gute Idee wäre, die Übergängen zwischen Lehramt und Privatwirtschaft beide Richtungen durchlässiger zu machen. Das "Pragmatisieren" (=zu Beamten auf Lebzeiten machen) geht da allerdings in die verkehrte Richtung. 
BIA (Gast) antwortete am 17. Okt, 23:27:
Pragmatisierung -> Ja, ich bin nicht so angetan davon - Lehramtsstudenten erzählen hier durchaus, dass die Aussicht auf Verbeamtung für eine Gruppen von Studenten die Hauptmotivation zur Berufswahl als Lehrer darstellt. Wobei meines Wissens nach in Österreich zumindest kaum mehr pragmatisiert wird.

Hier gibt es so eine Initiative "Lehrer in die Wirtschaft". Da machen sie ein Jahr lang ein Praktikum in verschiedenen Betrieben, das scheint wohl ziemlich interessant zu sein und wird auch berücksichtigt, wenn jemand in der Schulleitung Karriere machen will. 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma