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cotopaxi

 
Ich will mit aller Vorsicht anfragen:
Wenn zwei Kinder, vielleicht 11 oder 12 Jahre alt, 1.40 oder 1.50 Meter hoch, sichtlich vor der Pubertät (!) eng umschlungen und schmusend auf dem Schulgang stehen, hat das was mit Liebe oder mit Exhibitionismus zu tun?

Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass sich Pärchen an allen Ecken der Schule verabreden. Dass sich Mädchen auf den Gangtisch setzen, um ihre Beine theatralisch um die Hüften der Liebhaber zu wickeln. Dass Liebende in den Garderoben verschwinden ... es kratzt uns nicht (mehr). Wir sind aufgeklärt und tolerant.

Aber es fehlt mir noch was.

Täglich erlebe ich feuchte Begrüßungsrituale, Bussi auf die Wangen, Bussi auf die gespitzten Lippen, innige Umarmungen. Ich sehe sie Händchen halten, Körper wärmen, Tränen trocknen.

Aber irgendwas fehlt mir noch.

Alle diese Bezeugungen finden zwischen Burschen und Mädchen statt, finden auch zwischen zwei Mädchen statt, aber zwischen zwei Burschen?

"Weuhhhh, grauslich!", höre ich die Liebenden schreien.

Wo bleibt hier die Gleichberechtigung?
Und wo die Grippewelle?
Fehlt noch was?
HotfridgeXXL meinte am 15. Nov, 18:55:
also wo die grippewelle liegt kann ich dir sagen. sie ist nämlich schon da. zumindest bei uns (ein bisschen nördlich von hamburg). auch da gibt es die sich innig begrüßenden schüler/innen zu hauf. tatsächlich häufen sich die (schweine)grippefälle der 8. klasse aufwärts. in der 9. gleich 7 mädchen, alle schweinegrippe, alle befreundet, sowas kommt eben von sowas.
die männliche begrüßung beschränkt sich irgendwie trotzdem auf schulerhauen oder handschlag. warum? mir ist es ein rätsel. 
ketzerkatze (Gast) antwortete am 15. Nov, 22:13:
Grauslich ists
Ich mag dieses Zurschaustellen von "Seht Alle Her! ICH Habe Eine Sexualität" nicht - egal, in welchem Alter sich die Zurschausteller befinden. Jegliches zu seiner Zeit und an seinem Ort - aber dieser Erziehungsgedanke gilt häufig als spießig-verklemmt (interessanterweise weniger bei Jugendlichen, wenn er ihnen überhaupt einmal unterkommt, als bei achsocoolen Erwachsenen, die wohl um ihre eigene jederzeitige Bedürfnisbefriedigung fürchten).

Esssen, Trinken, Kuscheln, Sex - alles jederzeit, immer und nach des heiligen EGOS Willen und Wollen scheint das Diktat der Achsomoderne zu sein.

Ich pfeif mir eines und stelle mich dagegen - manche Erkenntnis mag man einfach nicht auf dem Altar der Coolness opfern ;-) 
testsiegerin antwortete am 15. Nov, 22:29:
lieber bei abgedrehtem licht im kämmerlein?
ja, auf mich wirkt dieser erziehungsgedanke als spießig-verklemmt. es geht ja nämlich nicht darum, dass die sex in der öffentlichkeit haben, sondern sich ihre zuneigung zeigen, mit küsschen, umarmungen, vielleicht auch küssen.

ich fürchte im übrigen nicht um meine eigene jederzeitige bedürfnisbefriedigung. aber einandergernhaben halte ich nun tatsächlich nicht für egoistisch.

außerdem sehe ich es als aufgabe der jugend, zu provozierien. das sieht erik h. erikson (amerikanischer psychoanalytiker) in seinem stufenmodell der psychosozialen entwicklung auch so.

ich halte es ja für viel gefährlicher, wenn die jugendlichen einander erschießen, anstatt sich zu küssen. 
stichi antwortete am 15. Nov, 22:56:
"ich halte es ja für viel gefährlicher, wenn die jugendlichen einander erschießen, anstatt sich zu küssen."

Das ist ja auch die einzige Alternative! 
leuman (Gast) antwortete am 16. Nov, 11:36:
Das ist sicher nicht die einzige Alternative. Aber der Punkt war wohl eher: "Hi, während die am rummachen sind, machen sie keinen anderen Blödsinn!" Das ist natürlich auch ein Stück weit richtig. Aber ich denke schon, das es da nicht um das Zeigen von Zuneigung geht, sondern darum anderen zu demonstrieren, was man selbst doch für ein tolles Sexualleben hat... Wer auf dem Flur rumfummelt ist eben cool. Das steht wahrscheinlich in einer Reihe mit Markenklamotten und dem hören der "richtigen" Musik. Warum Burschen sich nicht gegenseitg abschlabbern zur Begrüßung lässt sich in einem Wort beantworten: Gay-ay-ay! Harte Männer, die sich umarmen? Die könnten ja vom anderen Ufer, also unmännlich und keine richtigen Männer sein... 
teacher antwortete am 16. Nov, 19:25:
Genau. Für Jugendliche ist männlich-schwule Zärtlichkeit völlig unmöglich. Wir verbieten es nicht und wir leben es ihnen nicht vor. Woher kommt das Tabu? 
Flash (Gast) meinte am 16. Nov, 12:16:
"längst daran gewöhnt"

Warum? Wenn es einstmals so gewöhnungsbedürftig war, muß es damit doch etwas Befremdendes aus sich haben?

Ich halte es für eine völlig unnötige, sinnlose, kontraproduktive Entwertung der körperlichen Nähe. Es paßt einfach nicht zur Reife der 11jährigen, sich so zu befummeln, und es verbaut ihnen den Zugang zu guten Erfahrungen mit Sexualität, wenn sie dann mal reif dafür sind.

Früher fiel das ganz klar in die Zuständigkeit der Eltern, diese Voreiligkeit zu sanktionieren oder erzieherisch zu bremsen. Doch die Eltern haben sich leider aus derartigen Aufgaben verabschiedet. Es bliebe also nur das Lehrerkollegium, um noch vernünftige Grundsätze und Maßstäbe bei den Kindern zu verankern. Wenn die sich aber auch schon längst dran gewöhnt haben...

Am Ende steht die sogenannte "sexuelle Verwahrlosung". Körperkontakt jeglicher Form und Selbstanpreisung sind Normalität und praktisch wertlos, weil auf dem Markt ja überall feilgeboten. Tolle Persepktiven für solcherart aufwachsende Kinder. 
teacher antwortete am 16. Nov, 19:29:
Ganz ehrlich: Ich habe nicht den Mut/Willen, diesen (Klein)Kindern meine Bedenken mitzuteilen, dafür bin ich nicht zuständig.

P.S.: Wir lassen Elfjährige rauchen, Vierzehnjährige Alkohol trinken, wir sind sooo tollll tolerant. 
stichi antwortete am 16. Nov, 20:44:
Dass das "Schlimme" an diesem Verhalten überhaupt nicht wahrgenommen wird, sieht man doch sehr schön an der Antwort von testsiegerin. "Die Kinder zeigen,dass sie sich gern haben." So blauäugig möchte ich auch noch mal sein!
Ich sehe es eher so wie flash, es ist außerordentlich bedenklich und berührt mich immer unangenehm und ich halte mich deshalb nicht für verklemmt. 
deprifrei-leben meinte am 16. Nov, 22:50:
Ich finde diese Körperlichkeit positiv, vor mehr als 10 Jahren war es noch anders.
Nähe baut auch Stress ab und die ist in der stressigen Zeit, mehr als nötig! 
fedor (Gast) meinte am 17. Nov, 08:50:
Teacher und Flash haben das Problem richtig angesprochen,doch warum sollen Lehrer regelnd eingreifen?Erstens bringt es nichts und zweitens liegt das doch im zentralen Aufgabenbereich der Eltern.
Wäre übrigens eine lohnende Betätigung für die Elternvertreter! 
Matthias (Gast) meinte am 17. Nov, 19:09:
An die Grippe musste ich auch als erstes denken :)
War auf einer französischen Schule. Da waren die Unterschiede zwischen Franzen und Deutschen sehr deutlich, im Laufe der Jahre und Klassen passten sich viele der Deutschen der Bussifraktion an. Ich frage mich, wie es jetzt auf der Schule aussieht.

Ich bin schon so alt... 
teacher antwortete am 18. Nov, 20:55:
Die Bussifraktion hat überall gewonnen - auch unter LehrerInnen! 
tonja (Gast) meinte am 17. Nov, 22:06:
du sprichst mir aus der seele. wie oft hab ich mir schon gedacht:

verdammt, bin ich froh, ein mädl zu sein....
egal, in welcher beziehung ich nun lebe - keine davon ist ein großartiges problem für die gesellschaft.

mit 14 - als ich anfing, mich zu fragen, ob ich lieber mit mädels, jungs oder einfach beiden knutsche - ein junge sein? mir dieselbe frage stellen?

undenkbar.

danke für den beitrag. 
nehalennia (Gast) antwortete am 18. Nov, 00:09:
was fehlt?
die Erklärung der Nachahmung... Kinder vor der Pubertät versuchen das nachzuleben, was sie kennen, sehen... und das ist vielfach Werbung, Filme, TV...
In meiner Generation war das nicht knutschend am Gang, aber auf sog. Geburtstagsfeiern das Licht abzudrehen und zu langsamen Liedern á la "La Boum" plötzlich eng mit den bis dato verpönten Burschen zu tanzen. Und das mit 12, ich war in der 3. Klasse...
Und die Grippewelle? Ganz ehrlich... als ich 16 war, war eine headline im Profil "aids" und wieviele hatten sich tatsächlich mit Kondomen geschützt - die Mehrheit in meinem Umfeld verließ sich auf die Pille, die bekanntlich nicht gegen Aids hilft.
Ich mag das Verhalten der genannten Jugendlichen nicht beurteilen - ob gut oder schlecht. Tatsache ist, sie verhalten sich so - wie wir uns auf unsere Art verhalten haben und von der älteren Generation verpönt wurden.
Toleranz ist eine Gratwanderung - immer schon gewesen... ab wann wird die Toleranz zum Wegschauen? Ich weiß es nicht, so wie wahrscheinlich die Generation vor uns es auch nicht wußte.
Ich für mich habe entschieden, dass ich solche Gedanken - egal in welcher Rolle (Trainerin in Schulen, Tante einer 12 jährigen Nichte, frühere Stiefmutter, Freundin der Mutter eines 14 jährigen) - anspreche.. einfach nur "laut" denke und das Gespräch suche, wenn es mir wichtig ist. Und nicht nach Verantwortlichkeiten suche... 
teacher antwortete am 18. Nov, 20:43:
@tonja: Burschen haben es in vielerlei Hinsicht schwerer als Mädchen, besonders in der Pubertät. Ich hoffe, dass auch Feministinnen (und feministische Lehrerinnen) irgendwann Verständnis dafür aufbringen.
@nehalennia: Wir sprechen dieses Thema nicht mehr an, weil wir sonst in ein schiefes Licht geraten ("konservativ", "spießig", "neidisch" ... sagen alle KollegInnen, die ich dazu befragt habe). 
tonja (Gast) antwortete am 19. Nov, 23:46:
ja, ja, ja!! ;)
ein wichtiger und guter gedanke. denn feminismus wird allgemein viel zu oft als etwas gesehen, das nur frauen betrifft. oder auch: nur frauen betreiben (was ja auch unsinn ist). ich bin frauensprecherin an der uni und hadere immer wieder mit dieser bezeichnung, und immer, wenn ich gefragt werde, wenns doch um gleichberechtigung geht, warums dann keine männersprecherInnen gibt, antworte ich mit "oh, da wär ich eh stark dafür!!" - wer zu gleichberechtigung möchte, kann nicht nur bei einer seite ansetzen, "weil die allgemeinhin die ärmere is". das wird aber unter feminismus oft missverstanden.

gerade im frühen alter sollte es nicht nur beratungsstellen für junge mädchen geben - vielleicht werden sie statistisch öfter gebraucht, aber das kann auch nur gut erhoben werden, wenn es genauso anlaufstellen für junge burschen/männer geben würde.

feminismus kann auch ganz anderes denken (siehe dekonstruktion!) - wenn du also sagst, du hoffst dass feministinnen dafür verständnis aufbringen:

da gibts schon welche. nur allgemein bekannt sind nur die andren.. (die hässlichen frustrierten :P )

naa war natürlich nur a schlechter scherz.. 
sigi (Gast) meinte am 26. Nov, 23:49:
ich hab unlängst Schüler in der Straßenbahn zueinander hören sagen, dass es schwul sei, wenn ein Bursch z.B. den Beruf des Eiskunsttänzers ergreifen würde.

passt zwar jetzt nicht ganz zu dieser Geschichte, aber vielleicht ein bißchen.
Alles was irgendwie "verweiblicht" wurde, ist out unter Burschen, Männern. Und das Bussi-Bussi ist einfach eine weibliche Form; derzeit zumindest. In anderen Kulturen geben sich ja auch die Männer untereinander Bussi-Bussis z.B. zur Begrüßung oder um Anerkennung zu zollen, etc. Bei uns ist das "schwul". Naja hauptsache man hat ein Schimpfwort dafür, wenn etwas gerade out ist. 
 

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