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cotopaxi

 
Laurenz: "Wir haben ein Recht darauf."
Julia: "Wir brauchen das."
Michael: "Das ist sogar gut für uns."

Drei von vier SchülerInnen in der Maturaklasse (17-18 Jahre alt) lernen bei eingeschaltetem Fernsehgerät. Oder schauen sie beim Lernen fern?

"Das beruhigt mich."
"Das lenkt mich von der öden Arbeit ab."
"Das motiviert doch."

Ich kann gut auf die Erkenntnisse aus dem Nachmittags-TV verzichten. Also kenne ich die Fernsehfamilien, die Talkshows, die Trickfilmserien und die ach so beliebten Sitcoms nicht. Aus der Sicht meiner Schüler stellt das eine unentschuldbare Bildungslücke dar: "Da können Sie nicht mitreden."

Ich reagiere mit meinem ganzen Vermögen an Entsetzen: "Wenn ihr diesen Medienmüll permanent hinunterschluckt, dann kommt das einer Verfettung eures Gehirns gleich. Ich sehe das Fett aus euren Ohren schwabbeln, Orangenhaut um eure Augen ..."

Sie lachen, weil sie lieben den Müll. Dauerberieselung einer Generation mit Medienmüll. Was soll da herauskommen?
schlafmuetze meinte am 29. Okt, 19:59:
Das ist eine gute Frage ... :-/
PeZwo meinte am 29. Okt, 21:42:
Ich glaube, dass wir Erwachsene das zu ernst nehmen und wir uns bei den Kindern eigentlich nicht einmischen sollte.

Ich kann auch sehr gut programmieren (eine absolute Konzentrationstätigkeit) wenn ich mit Kopfhörer überlaut Rockmusik höre... oder manchmal laufen nebenbei Hörbücher... oder auch der Fernseher mit irgendeinen Programm ... und es klappt tadellos. Ich fühle mich meistens besser dabei als wie wenn absolute Stille wäre. Jeder muss selbst wissen was er braucht. 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 29. Okt, 22:16:
Ich kann auch problemlos schreiben, während ich Musik höre - allerdings jeweils nicht in der Sprache, in der ich gerade einen Text verfasse.
Bei TV ist das aber schon wieder etwas anderes. Ich zumindest versuche zu verstehen, was da vorgeht (d.h. ich versuche es nicht, weil ich nicht einmal einen Fernseher habe).

Ich bin immer sehr skeptisch, wenn von zu hohem Medienkonsum bei Jugendlichen gewarnt wird. Allein schon, weil die Kritik häufig als Pauschalkritik geäußert wird.
Wenn ich meinen Medienkonsum (100 Blogs + 40 Youtube-Channel + 100 Twitterer abonniert; dazu Onlineangebote mehrerer Zeitungen > 3 Stunden reiner Konsum täglich) mit dem vergleiche, was in manchen gesellschaftlichen Kreisen üblich ist (>6 Std. Fernsehen etc.), dann sehe ich da kaum Überschneidungen.
Man sollte eben ein Medium als das begreifen, was es ist: Ein Mittler. Die Frage ist, was ich konsumiere und wie ich es verarbeite.

Wo nämlich tatsächlich ein Problem besteht ist bei der großen Schere zwischen Konsum und Kreation. Wenn Jugendliche tatsächlich nur noch konsumieren, aber selbst nichts mehr schaffen, dann ist das sicher nicht gut. 
hexamore antwortete am 29. Okt, 22:22:
finde ich ein absolut guter kommentar zu diesem thema :-)

ich denke auch, dass es irgendwo eine grenze gibt - für mich auf jeden fall! solange meine kids unter meinem dach wohnen, wird mit mir - naja, mehr oder weniger ;-) - abgesprochen, wann und wieviel.

"Man sollte eben ein Medium als das begreifen, was es ist: Ein Mittler. Die Frage ist, was ich konsumiere und wie ich es verarbeite"
genauso denke ich auch. was für den einen zuviel sein kann, kratzt den anderen nicht mal an seinem ohrläppchen... 
teacher antwortete am 30. Okt, 19:05:
Die Lernpsychologie ist hier eindeutig: Neben, vor und nach dem Lernen braucht das Gehirn Ruhe.

Ob das Spaß macht, das ist eine andere Frage. 
dominik (Gast) meinte am 29. Okt, 22:04:
frage am rande
Nichts für ungut - aber ist es eigentlich Voraussetzung für den Lehrberuf, daran zu glauben, dass ALLES immer SCHLIMMER wird, oder nur so eine Art Spätfolge?

LG,
Dominik 
Mathias (Gast) antwortete am 30. Okt, 12:46:
Das frag ich mich bei diesem Blog leider auch immer öfter. 
gulogulo antwortete am 30. Okt, 12:56:
das hat wohl weniger mit dem lehrerberuf als mit dem österreichersein an sich zu tun. ;-) 
teacher antwortete am 30. Okt, 19:02:
Reicht das Argument, um Kritik abzuwehren?
@gu: Als österr. Lehrer hat man es doppelt schwer :-) 
BIA (Gast) antwortete am 31. Okt, 18:54:
@dominik

Hast Du denn den Eindruck, dass alles immer besser wird? 
hexamore meinte am 29. Okt, 22:08:
ich bin auch der meinung, dass das funktionieren kann! meine bürogenossin hat mit so einer ähm.. lernmethode einen super abschluss gemacht... 
teacher antwortete am 6. Nov, 20:19:
Wie gut wäre sie erst mit einer richtigen Lernmethode? 
Henrik (Gast) meinte am 29. Okt, 22:37:
Schonmal Fahrenheit 451 gelesen? Zwar dystopisch, aber doch eine Möglichkeit... 
teacher antwortete am 30. Okt, 19:12:
Nicht gelesen, aber gesehen. Durchaus beeindruckend. Unsere Kinder machen das gerne und freiwillig ... 
Man in Metropolis (Gast) meinte am 30. Okt, 09:35:
Ich hoffe, dass daraus eine eine große Masse williger Konsumenten entsteht. Das ist gut für Konsum-Werte, die ich in meinem Portfolio habe.

Wenn sie nichts lernen und sich bildungsfern verhalten, dann sollen sie fleissig konsumieren, damit sie wenigstens eine Aufgabe in der Gesellschaft haben. 
virtualmono antwortete am 30. Okt, 19:12:
Ach wie putzig - alles geht den Bach runter und er träumt immer noch von "unbegrentzem Wachstum"... Manche lernen es eben nie. 
teacher antwortete am 30. Okt, 19:15:
Ich muss ihm recht geben: Wir erziehen eine Masse williger Konsumenten, keine kritischen Individuen. Und sie lieben das ... und wehe, jemand zeigt mit dem Finger drauf. Das ist dann ein Böser, wie sie aus den guten US-Sendungen gelernt haben. 
Isabel (Gast) meinte am 30. Okt, 14:22:
Nichts hat mich beim Lernen besser vorangebracht als Gilmore girls, Battlestar Galactica und die Harry Potter Filme (alles auf DVD und mit englischer Tonspur). Ich brauche tatsächlich Nebengeräusche, wenn ich etwas lernen muss - nichts ist schlimmer als eine ruhige Wohnung! Für die 5-Minuten-Pausen zwischendruch war es perfekt. Und den Noten hat es auch nicht geschadet! ;P
Zum Schreiben hingegen empfehle ich Filmmusiken - Popsongs etc. laden zu sehr zum Mitsingen ein und mein Gehirn kann leider nicht das eine Singen und das andere Schreiben - wirklich leider! 
teacher antwortete am 30. Okt, 19:17:
Ich habe meine Zweifel, aber ich bin bereit dazuzulernen. Vielleicht gibt es eben eine neue Generation von Lernenden, die Lernstörungen brauchen, um zu lernen. Wäre witzig. 
Hugelgupf (Gast) antwortete am 30. Okt, 19:24:
Eine völlige Stille würde ich nicht aushalten - ob beim Hausaufgaben machen, am PC sitzen (-> programmieren, Blog lesen, selber am Blog schreiben, ...) oder sonstigen Dingen. 
teacher antwortete am 31. Okt, 18:14:
Klingt schon nach Abhängigkeit. 
BIA (Gast) antwortete am 31. Okt, 18:58:
Klingt schlimm.
Aber was wundern wir uns (wir, als Lehrer, die glauben, dass alles immer schlimmer wird *lol)? Wir vernachlässigen jahrelang jede Art von Erziehung zur Stille und dann nölen wir, dass kaum einer mehr Stille erträgt oder als angenehm empfindet?
Ich beginne neuerdings meine Theaterstunden mit "3 Minuten Stille". Die Schüler suchen sich einen Platz und sind tatsächlich 3 Min. völlig still. Ich dachte mir, die finden das affig - aber in Wirklichkeit sagte mir einer, das wäre wie Kurzurlaub. Und sie sind danach mindestens 30 min hörbar leiser und bereiter,mal die eigene Klappe kurz zu halten und dem Sprecher zuzuhören. 
teacher antwortete am 1. Nov, 14:13:
Schon komisch, dass man der Wert der Stille unterrichten muss. Die Idee find ich gut. 
walküre meinte am 30. Okt, 19:27:
So seicht wie das Nachmittagsprogramm sich gestaltet, brauchen die Kids gerade mal 0,5% ihrer Gehirnleistung, um die Inhalte der Serien zu verstehen. *ätz*

Wenn der Fernseher läuft, kann ich für meinen Teil mich nicht gut konzentrieren, allerdings höre ich gerne nebenher Musik, was aber zu meiner Schulzeit ebenfalls verteufelt wurde. Hm.

Meine Tochter hat einen eigenen Fernseher, den sie allerdings fast nur mehr für die Play-Station-Spiele verwendet, weil ihr die üblichen Serien schon nach ungefähr drei Folgen zu dumm sind; dazu muss ich aber anmerken, dass sie bis zum Schuleintritt generell nicht fernsehen durfte, sondern nur (als Belohnung oder bei langen Schlechtwetterperioden) ausgesuchte Filme schauen konnte. Seltsamerweise hat sie danach trotz eines liberaleren Zugangs zum Fernsehen nie besonders viel Interesse am Fernsehprogramm entwickelt und sieht sich auch heute lieber einen Film aus unserer DVD-Sammlung als alle möglichen Serien. 
teacher antwortete am 31. Okt, 18:08:
Musik neben der Arbeit, das kann ich mir gut vorstellen - obwohl ich bei konzentrierter Arbeit auch das vermeide.
Aber den TV-Apparat im Hintergrund? Das ist aus vielen Gründen völlig verrückt. 
hajo (Gast) meinte am 31. Okt, 09:35:
Urteil?
Eines verstehe ich nicht: wenn man erklärterweise diese Sendungen (oder wie man sie auch nennen mag) nicht kennt, wie kann man sie dann be- oder gar verurteilen?
.. mal ganz davon abgesehen, dass es sicherlich Menschen gibt, die in "Müll" Kunst sehen: ist es nicht auch Kunst, derartigen Müll zu produzieren und trotzdem jeden Morgen in den Spiegel zu schauen ohne zu k...? ;-)
Aber vielleicht urteile ich auch schon zu pauschal. 
teacher antwortete am 31. Okt, 18:13:
Ist ja nicht so, dass ich NIE fernschaue. Ich kenne etliche dieser Serien und Shows, aber sie haben alle eines gemeinsam: Banaler Zeitdiebstahl.
Sie werden natürlich so gestrickt, dass naive Geister daran kleben bleiben. Eben wie McDonalds, der genau weiß, wie man Saucen mit Geschmacksverstärker kombiniert, dass daneben richtig gutes Essen fad wirken kann. 
amadea (Gast) meinte am 1. Nov, 20:24:
Die Frage ist eher: Wie soll da was hineinkommen?
Aber sie haben gelacht. Das ist gut ! 
teacher antwortete am 3. Nov, 19:57:
Ja, meine Aufregung hat sie amüsiert. Ich bin nicht so naiv zu glauben, irgendetwas daran ändern zu können. 
rosenherz meinte am 4. Nov, 00:43:
Vielleicht ist dabei ein Phänomen, das noch bisher nicht erforscht wurde.

Ich selbst komme aus der Arbeit als Lernbegleiterin und predige natürlich Ruhe, die ich selbst auch pflege, wenn ich konzentriert arbeite. Bei mir läuft gewöhnlicherweise Radio höchstens beim Bügeln nebenbei. Ich konnte nicht begreifen, wie mein Sohn neben der Geräuschkulisse des Fernsehers lernen oder Hausaufgaben schreiben kann, bis ich selbst die Erfahrung machte. So absurd es klingen mag, ich beoachtete an mir selbst, dass ich meine Konzentrationsfähigkeit dadurch vertiefte. 
teacher antwortete am 4. Nov, 20:32:
Ich halte das - entgegen aller lernpsychologischer Erkenntnisse - für möglich: Irgend etwas bleibt irgendwo hängen.
Sinnvoll ist es trotzdem nicht, weil der unselektive mediale Massenkonsum (qualitiativ fragwürdiger Produkte) der mentalen Gesundheit nicht förderlich sein kann: Permanent junk food overload ... ERROR. 
Remington meinte am 11. Nov, 23:52:
Leider kommt mein Kommentar hier etwas spät...dennoch. Ich persönlich halte Fernsehen generell für ziemlich gefährlich und diese Gefahr für sehr unterschätzt. Im Gegensatz zu Musik oder dem Lesen von Webseiten ist Fernsehen ein zweidimensionales Medium, eigentlich sogar dreidimensional, da es ein Bild, eine Bewegung und einen dazugehörigen Ton vermittelt.

Unsere Wahrnehmung und die Signalverarbeitung im Gehirn ist jedoch so eingerichtet, dass wir eindimensionale Eindrücke einstufen, bewerten und ordnen können, mehrdimensionale aber nicht. Diese werden direkt als Erfahrungen abgespeichtert und werden den tatsächlich im realen Leben gemachten Erfahrungen gleichgestellt.

In der Praxis sieht das so aus, dass, selbst wenn dem Betrachter einer Fernsehserie klar ist, dass er nur eine Fiktion und diese nur zur Zerstreuung betrachtet, es ihm nach einiger Gewöhnung nicht mehr möglich ist, Realität und Fiktion zu trennen. Bewusst wird das jeder abstreiten, unbewusst wird er aber die falschen, weil künstlichen Maßstäbe und Erfahrungen zu echten erklären, was dazu führt, dass angesichts heiler und schöner Welten im TV das eigene, im Gegensatz dazu ja trübere und langweiligere Leben geradezu als unwert angesehen wird, was über den Weg der Irritation und versuchten Anpassung wegen des natürlich eintretenden ständigen Scheiterns geradewegs in die Depression führen kann. Mit allen Auswirkungen der dann angewandten psychischen Abwehr- und Fluchtmechanismen wie Komasaufen und Drogenmißbrauch. Im weiteren führt die Reizüberflutung dazu, Feinheiten und die in einem Kommentar erwähnte Stille gar nicht mehr wahrzunehmen und abzustumpfen.

Ich erschrak gewaltig, als meine fünfzehnjährige Tochter anfing, gedankenlos Werbespots mitzusingen und Paris Hilton allen Ernstes für eine wichtige Persönlichkeit hielt.

Besagte Tochter kann übrigens heute noch nicht, mit siebzehn Jahren, eine einzige Seite ohne mindestens zwanzig Schreibfehler verfassen. Jede ernstere Frage nach Zusammenhängen politischer, wirtschaftlicher oder umwelttechnischer Art bleibt unbeantwortet, weil einfach das Interesse fehlt. Ihr Wissen, was Fernsehserien angeht, ist dagegen umfassend.

Ehrlich gesagt, ich sehe auch noch fern. Allerdings keine Privaten mehr. Ansonsten sehe ich schwarz. 
teacher antwortete am 12. Nov, 18:36:
Ich sehe das ähnlich pessimistisch, aber meine SchülerInnen ignorieren das belächelnd - sie würden "Medienentzug" für eine harte Strafe halten, ich hingegen für eine gesundheitsfördernde (und absolut notwendige) Maßnahme. 
 

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