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cotopaxi

 
Aufmerksam werde ich durch das Geschrei.

Eine Mutter war am vorigen Bahnhof mit ihren beiden Kindern zugestiegen und gleich beim Ausgang stehen geblieben. Ihr schreiendes Kleinkind (etwa 2-3 Jahre) begann zornig auf seine Mutter einzuschlagen. Die Passagiere schauen neugierig hin. Sie reagiert nicht. Lässt sich hauen und anschreien.

Das erinnert mich an eine ähnliche Geschichte im Park. Am Spielplatz tummeln sich zahlreiche Kinder rund um eine Rutsche. Ein älterer Junge stößt einen Kleinen zur Seite und schmeisst sich die Kurven hinunter. Der Kleine taumelt auf der Plattform und wird von seinem Vater vorm Hinunterfallen gerettet. Die anderen Eltern stehen rundherum und beobachten interessiert die Erziehungsmaßnahmen - die auf sich warten lassen. Der Täter wird nicht zur Rede gestellt.

Ich resümiere: Hinhauen und Stoßen ist erlaubt. Das lernen die Kinder dabei.

"Warum greifen die Eltern nicht ein?", frage ich mich.
Meine Vermutung: Sie scheuen sich - besonders vor Publikum - Maßnahmen zu setzen. Unsere heutige Gesellschaft akzeptiert Kinder, die stoßen und hauen mehr als Eltern, die verbieten und sanktionieren. Vor 30 Jahren war es genau umgekehrt.

Die Schule muss diese ungeliebte Rolle übernehmen. Weil wir es nicht zulassen können, dass geschrien, geschlagen und gestoßen wird. Leider ist es wesentlich schwieriger und zeitraubender, eingelernte Strukturen umzuprogrammieren als soziales Verhalten von klein auf zu prägen.

Wer sagt es den passiven Eltern? Hauen ist verboten. Erziehen ist notwendig.
Julius (Gast) meinte am 13. Mai, 22:01:
Erziehen ist unbequem.
Ich fand in diesem Zusammenhang das Buch »Warum unsere Kinder Tyrannen werden« von Michael Winterhoff sehr lesenswert:
http://monsieur-becker.de/2010/04/tyrannische-kinder/ 
teacher antwortete am 13. Mai, 23:43:
Ich habe einiges von Winterhoff gelesen, ich habe dadurch mehr Verständnis für manche Verhaltensstörungen. Aber die Betroffenen lehnen diese Gedanken ab. 
Julian Rosenberger meinte am 13. Mai, 22:36:
Unsere Gesellschaft wünscht es sogar
Es prügeln sich Molems und Christen auf Schulhöfen wegen Sarrazins Buch und der Direktor interessiert sich nur dafür, dass nichts nach außen dringt. Immer schön kuschen. 
teacher antwortete am 13. Mai, 23:47:
Das ist klassisch. Wir mögen alle lieber eine schöne heile Welt mit lauter lieben Kindern in prächtigen Schulen ... 
? (Gast) meinte am 13. Mai, 22:54:
Gewalt durch Gewalt begegnen war nicht einmal vor 30 Jahren "modern". Du bist nicht ganz auf dem Laufenden. 
teacher antwortete am 13. Mai, 23:47:
Wir sprach von Gewalt?
Ich spreche von Erziehung. 
Matthias (Gast) antwortete am 22. Mai, 09:18:
Aber aber, Erziehung IST doch Gewalt. Kinder müssen sich entfalten, brauchen ihre Freiräume, dann werden sie ganz von sich aus Engel auf Erden ;) 
oops meinte am 13. Mai, 23:09:
muss zugeben ich bin einer der unangenehmen tanten am spielplatz
keine mama
die auch den fremden kindern die meinem neffen schubsen sagen
dass das nicht ok ist
und das laut
so dass auch
falls seine mama dasein sollte
dies hört

pöbeln ist unangebracht
aber trotzdem du bist ok
wenn du was andres auch als herumpöbeln kannst

kenn aber die bösen blicke im rücken
und pfeiff drauf

aja wenn mein neffe jemanden stösst, dann wird er abgehalten bzw aufmerksam gemacht, dass das nicht ok ist 
teacher antwortete am 13. Mai, 23:49:
Nicht viele sind mutig genug. 
Ketzerkatze (Gast) antwortete am 15. Mai, 12:53:
Mut?
Ich frage mich, was das für ein "Mut" ist, fremde Klein(!)kinder zu rüffeln, wenn sie Gewalt ausüben.

Ggf. keifende "Muttis" machen sich vor ihrem Nachwuchs eh lächerlich und gelten als "peinlich" - auch im Vorschulalter.

Wenn wir beginnen, das Zurückweisen gewalttätiges Verhalten schon bei diesen Zwergen als "mutig" zu begreifen, beginnen wir zu verlieren.

"Mutig" ist m.E. dann schon eher ein entsprechender Hinweis bei Jugendlichen - da hat man ggf. schon mal ein Messer in den Rippen oder den Schädel zertrümmert. 
beiläufigkeitin meinte am 13. Mai, 23:41:
naja
will keinen Kommentar zum Thema "Hinhauen und Stoßen ist erlaubt" abgeben, aber wenn ich mich an meine Kindheit (auch schon 30 Jahre her) erinnere: da waren gar keine Eltern: es war NICHT genau umgekehrt!!!! wir waren auf uns allein gestellt und hatten das auch immer mehr oder weniger passabel unter uns ausgemacht - und ich denke, das war auch gut so! Kinder sind Kinder - und demgemäß natürlich UNFAIR - nicht gerade die schlechteste Vorbereitung auf das Leben - die Auseinadersetzung findet immerhin auf "Augenhöhe"statt" - solange kein Elternteil Partei ergreift! 
teacher antwortete am 13. Mai, 23:53:
Ja, das gab es auch.
Aber Eltern, die dabei waren, griffen ein, sonst wären sie als unfähige, asoziale Erwachsene dagestanden. Das hat sich total gedreht.
P.S.: Ich kenne Gesellschaften, wo das auch heute noch so ist. 
Julius (Gast) antwortete am 14. Mai, 08:19:
RE: naja
Vor 30 Jahren wussten aber die Kinder, dass man sich nicht prügelt, auch wenn sie es getan haben. Heute sehen sie es als legitime Möglichkeit an, ihre »gottgegebenen Vorrechte« durchzusetzen. Doch wie sie soll man in einer Gesellschaft zusammenleben, in der jeder alle Vorrechte vermeintlich für sich hat, in der jeder Respekt einfordert, aber keinen Respekt entgegenbringt? 
Budenzauberin meinte am 14. Mai, 05:45:
Kinder sind das Spiegelbild des Elternhauses. Man müßte also eigentlich erstmal damit beginnen, die Eltern zu erziehen. 
teacher antwortete am 15. Mai, 11:58:
Manchmal sagen wir genau das auch im Lehrerzimmer. 
link (Gast) meinte am 14. Mai, 09:00:
teacher, lesen sie eigentlich den quintessenzen-blog? möglicherweise als lehrer etwas zu politisch gefärbt, aber lesenswert (und zu einem ähnlichen thema am 7.5.)

http://quinecke.wordpress.com/2011/05/07/gerhard-riegler-damit-etwas-weitergeht/ 
teacher antwortete am 15. Mai, 11:52:
Jedenfalls interessant. 
Herr Schwarzmüller (Gast) meinte am 14. Mai, 10:15:
Mir fallen zwei gängige Wege ein:

1. Der Erziehung eines Kindes bedarf es eines ganzen Dorfes. D.h. jeder darf und sollte den Jungen zur Rede stellen (dürfen). Wenn es die Mutter oder der Vater nicht tut. Es bedarf manchmal einer aufmerksamen Öffentlichkeit, die korrigierend eingreift.

Das betrifft aber nur tatsächliche "Gewalt"-Taten (z.B. ein 10-jähriger, der sich mit einem 3-jährigen anlegt) oder "Unerzogenheiten" (Kind rotzt auf auf Spielgerät). Sonst sehe ich es eher so (sowohl als Elternteil des Opfers als auch des Täters):

2. Die Kinder lernen nicht Konflikte zu bewältigen, wenn sich bei der kleinsten Androhung von Missstimmung Erwachsene einmischen und den Konflikt beenden. Wenn (wie ein Kommentator weiter oben gesagt hat) Gewalt tatsächlich mittlerweile zum unhinterfragten legitimen Mittel geworden ist, dann wird es Zeit, dass die Kinder damit umzugehen lernen. Nicht indem sie zurückschlagen, sondern situationsgerechte Lösungsstrategien finden. Die finden sie aber nicht, wenn Mama oder Papa daneben steht und beim ersten lauten Wort oder Tränen dazwischen funkt.

Wer selbst Kinder hat, weiß, dass im Rahmen der täglichen Erziehungsarbeit Kindertränen kommen und gehen, egal was man als Eltern tut (Mein Kind hat auch schon geheult, weil ich ihm ein Eis geschenkt habe...). Solange nicht eingeschritten werden muss, muss ich mich als Vater auch nicht zum Retter einer harmonieerfüllten Utopie aufspielen. Es gibt eine Welt jenseits der Teletubbies... 
teacher antwortete am 15. Mai, 11:54:
Ja, es bräuchte ein ganzes Dorf. Aber in der großen Stadt findet sich oft überhaupt niemand, der erziehen will. 
ska meinte am 14. Mai, 16:22:
Ich lese hier vieles, was ich ganz genauso betrachte. Wertevermittlung unter anderem auch durch die "übrige Gesellschaft" zum Beispiel. Oder dass Kinder auch lernen müssen, Konflikte ohne die Moderation Erwachsener austragen zu können. Dazu brauchen sie aber Vorbilder, wie man Konflikte angeht, durchsteht und bewältigt. Eltern-Vorbilder, Lehrer-Vorbilder, Peergroup-Vorbilder ...

Nun kommt's ... so, wie ich Eltern schwierig finde, die von den heutigen Lehrern sprechen und dass diese ihrer Verantwortung weniger nachkämen als früher, so sehr glaube ich auch, dass Lehrer, die genau umgekehrt argumentieren, zwar ebenso recht haben, aber wie die Eltern auch sehen müssten, dass wir alle (Lehrer, Eltern, Mitmenschen im Bus etc.) Teil dieser veränderten Gesellschaft sind. Der Ort, an dem man es "zum Guten" wieder ändern kann, liegt wahrscheinlich leider zuerst einmal bei jedem von uns selbst. 
teacher antwortete am 15. Mai, 11:57:
Ja, Lehrer und Eltern machen sich gegenseitig Vorwürfe. Sonst kommunizieren wir eigentlich wenig miteinander. Wir haben soooo viel Wichtigeres zu tun. 
burnheart (Gast) meinte am 14. Mai, 16:39:
wenn wir schon beim pauschalisieren sind:
früher gabs die gsunde watschn und die kinder haben gelernt, dass man nur schlägt, wenn man in der entsprechenden machtposition ist...
aber sicher, früher war alles besser, sogar die zukunft... 
teacher antwortete am 15. Mai, 11:56:
Ich weiß nicht, was alles besser war. Ich beobachte die Gegenwart und vergleiche sie mit der Vergangenheit. 
Einanderer meinte am 17. Mai, 22:55:
Ich! ich sage es denen, allen, ich greife ein ...
... wo immer ich bin. Ich schaue nicht zu, wenn große Kinder kleine hauen, kleine Kinder große hauen und stoßen aber auch wenn Kinder Erwachsene hauen oder was auch immer, ich greife ein, im wahrsten Sinne handgreiflich und stelle die Eltern zur Rede. Ich rede die Leute und Kinder und Jugendliche an, wenn sie bei Rot über die Straße laufen. Ich schaue nicht zu, wenn eine Gruppe männlicher Jugendlicher eine Gruppe von jungen Mädchen übelst anpöbelt. Ich greife ein, wenn Kinder und Jugendliche ihre Füße in S- und U-Bahnen auf den Polstern der Sitze abstreifen. Ich spreche diese Kinder und Jugendliche an aber auch Erwachsene, wenn sie auf Bahnhöfen und ähnlichen mit Rauchverbot belegten Einrichtungen rechtswidrig rauchen, weise sie auf den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs hin, rufe notfalls die Bahn- oder die richtige Polizei. Ich verfolge Kinder und Jugendliche, wenn sie Wände mit Graffiti besprühen, Müll einfach auf den Boden werfen, egal wo sie stehen oder gehen, wenn sie randalieren in S-Bahnen, Fenster zerkratzen, Polster aufschlitzen, wenn sie strafbewährte Dinge in der "Freinacht" tun, Ich spreche Kinder und Jugendliche an, wenn sie rauchen, frage nach dem Alter. Das Gleiche, wenn ich sie Alkoholsaufend, in der Öffentlichkeit begegne. Ich mische mich ein, wenn Mütter oder Väter ihre Kinder anschreien, schlagen oder unsinnig drohen. Es ist mir völlig egal, was die Folgen sein könnten. Ich habe es satt, was derzeitig überall passiert, ich nehme es nicht mehr hin. Unsere Jugend verkommt, weil die Alten mit ihren Karrieren beschäftigt sind oder mit anderen Problemen, weil sie schlichtweg unfähig sind, Kinder aufzuziehen (ich plädiere für einen Elternführerschein!). Weil der "Zeitgeist" also der Geist der Herrschenden diese Jugend so will, schnell verwertbar, schnell verfügbar, Konsumenten für alles und letztlich ihren Körper für den Kriegsdienst schunden sollen. Weil die Leute, Wichtigtuer, Gutmenschen, endlos diskutieren, was darf man, was nicht, das interessiert den Kindern und Jugendlichen null, wie es auch mich null interessiert, sie, die Kinder und Jugendlichen wollen Grenzen gesetzt bekommen, wollen Aufmerksamkeit und wenn es nur das "Einmischen" von Erwachsenen ist, mehr is nicht. Mir reichts, das ewige Gelaber. "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!" 
teacher antwortete am 18. Mai, 18:08:
Mutig. 
Zusche (Gast) antwortete am 19. Mai, 09:10:
Spielplätze
Ich finde es auch wichtig, Kindern beizubringen, wie man Konflikte anders lösen kann als durch wegnehmen, schlagen, stauchen und Ähnliches. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang auch - zumindest in Großstädten in Deutschland - wieviele Mamas und Papas heute auf den Spielplätzen herumsitzen. Der Spielplatz als Marktplatz. Kinder sind kaum noch unter sich bzw. das Verhältnis ist 50:50 bisweilen. Wahrscheinlich ist das Bedürfnis der Eltern in dem Moment ein ganz anderes als darauf zu achten, zu regeln, dass die Kinder nicht gegenseitig mit den Sandschäufelchen aufeinander einschlagen. Aber selbst ältere Kinder sind ja oft noch von den monitoring parents umgeben, die dann aber kurioserweise nicht einschreiten, wenn sie sollten.
Alles etwas konfus. 
 

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