Ayse ist verstummt. Seit sechs Wochen spricht sie nicht mehr. Kein Wort.
Nein, nein, ihre Stimme ist in Ordnung. Sie kann laut lesen, sie geht einkaufen, sie verständigt sich mit ihren MitschülerInnen.
Nicht mit uns.
Ayse ist ein schwaches, blasses, gutes Mädchen. Irgendein Problem drückt ihr die Kehle zu. Wir erfahren es nicht. Sie schweigt. Wir laden ihre Eltern vor, wir schicken sie zum Psychologen - sie schweigt. Ihre Eltern auch, Ehrensache?
So entstehen Gerüchte:
"Ich glaube, es geht um das Verschleiern. Ihr Vater dürfte ein sehr gläubiger Muslim sein und sie sollte längst das Kopftuch tragen."
Ihr Vater macht einen vernünftigen Eindruck und versichert uns, das Mädchen nicht zu zwingen.
"Oder es hat etwas mit der Aufenthaltsgenehmigung zu tun."
Man liest ja in den Zeitungen, dass in Österreich Kinder aus den Klassen gerissen werden, um sie in ihre angebliche Heimat abzuschieben.
"Ich habe gehört, dass sie verheiratet werden soll."
Gerüchte und Betroffenheit. Ehrliche Antworten erhalten wir von niemanden. Wir sollen alles richtig machen und alles gut, aber weder Eltern noch Behörden oder Ärzte geben uns brauchbare Anhaltspunkte.
Ayse trägt die ganze Last eines Flüchtlingskindes aus dem Balkankrieg: Armut, Gewalt, Traditionen, Religion, Fremdheit, Einsamkeit, Sprach- und Integrationsmängel. Ein ernstes, muslimisches Mädchen in einer libertinen Spaßgesellschaft.
Die Klassenkameraden haben sich an ihre Anwesenheit gewöhnt. Sie wird übersehen. Jetzt auch nicht mehr gehört.
Letzte Stunde bleibt sie bei mir stehen. Ich sehe in ihre wässrigen Augen. Ich spüre, dass sie etwas sagen will, aber kein Ton entkommt ihrem Mund. Angewurzelt bleibt sie stehen, schaut mich an. Ich rede, sie nicht.
"Wie sollen wir mit ihr umgehen?", fragen wir einander Achsel zuckend.
"Ich lasse ihr noch Zeit, sie braucht jetzt Schonzeit, keine Schule", verteidige ich meine Strategie, keine Mitarbeit und keine Wiederholung von ihr einzufordern. Ich setze darauf, dass sie zu ihren guten Leistungen zurückfinden wird.
"Ich nicht", erläutert eine Kollegin ihr gegenteiliges Vorgehen. "Mir ist es gelungen, sie aus ihrer Lethargie herauszureissen. Ich hole sie regelmäßig in die Realität zurück. Ich fordere sie auf, ich binde sie ein, ich lass' nicht nach. Es funktioniert."
Was ist richtig, was ist gut?
Auch die Schulpsychologin findet keine klare Antwort.
Zwei Monate später: Ayse spricht wieder. Lacht wieder. Arbeitet wieder. Von einem Tag auf den anderen. "Das war eine private Sache," erklärt sie.
Offenbar ist ihre Strategie des stummen Widerstandes aufgegangen. Vermute ich.
Nein, nein, ihre Stimme ist in Ordnung. Sie kann laut lesen, sie geht einkaufen, sie verständigt sich mit ihren MitschülerInnen.
Nicht mit uns.
Ayse ist ein schwaches, blasses, gutes Mädchen. Irgendein Problem drückt ihr die Kehle zu. Wir erfahren es nicht. Sie schweigt. Wir laden ihre Eltern vor, wir schicken sie zum Psychologen - sie schweigt. Ihre Eltern auch, Ehrensache?
So entstehen Gerüchte:
"Ich glaube, es geht um das Verschleiern. Ihr Vater dürfte ein sehr gläubiger Muslim sein und sie sollte längst das Kopftuch tragen."
Ihr Vater macht einen vernünftigen Eindruck und versichert uns, das Mädchen nicht zu zwingen.
"Oder es hat etwas mit der Aufenthaltsgenehmigung zu tun."
Man liest ja in den Zeitungen, dass in Österreich Kinder aus den Klassen gerissen werden, um sie in ihre angebliche Heimat abzuschieben.
"Ich habe gehört, dass sie verheiratet werden soll."
Gerüchte und Betroffenheit. Ehrliche Antworten erhalten wir von niemanden. Wir sollen alles richtig machen und alles gut, aber weder Eltern noch Behörden oder Ärzte geben uns brauchbare Anhaltspunkte.
Ayse trägt die ganze Last eines Flüchtlingskindes aus dem Balkankrieg: Armut, Gewalt, Traditionen, Religion, Fremdheit, Einsamkeit, Sprach- und Integrationsmängel. Ein ernstes, muslimisches Mädchen in einer libertinen Spaßgesellschaft.
Die Klassenkameraden haben sich an ihre Anwesenheit gewöhnt. Sie wird übersehen. Jetzt auch nicht mehr gehört.
Letzte Stunde bleibt sie bei mir stehen. Ich sehe in ihre wässrigen Augen. Ich spüre, dass sie etwas sagen will, aber kein Ton entkommt ihrem Mund. Angewurzelt bleibt sie stehen, schaut mich an. Ich rede, sie nicht.
"Wie sollen wir mit ihr umgehen?", fragen wir einander Achsel zuckend.
"Ich lasse ihr noch Zeit, sie braucht jetzt Schonzeit, keine Schule", verteidige ich meine Strategie, keine Mitarbeit und keine Wiederholung von ihr einzufordern. Ich setze darauf, dass sie zu ihren guten Leistungen zurückfinden wird.
"Ich nicht", erläutert eine Kollegin ihr gegenteiliges Vorgehen. "Mir ist es gelungen, sie aus ihrer Lethargie herauszureissen. Ich hole sie regelmäßig in die Realität zurück. Ich fordere sie auf, ich binde sie ein, ich lass' nicht nach. Es funktioniert."
Was ist richtig, was ist gut?
Auch die Schulpsychologin findet keine klare Antwort.
Zwei Monate später: Ayse spricht wieder. Lacht wieder. Arbeitet wieder. Von einem Tag auf den anderen. "Das war eine private Sache," erklärt sie.
Offenbar ist ihre Strategie des stummen Widerstandes aufgegangen. Vermute ich.
teacher - am Sonntag, 30. Januar 2011, 17:05
charlotte sometimes (Gast) meinte am 30. Jan, 17:19:
Da muss nicht unbedingt was vorgefallen sein, was "kulturell" bedingt ist, sondern es kann sich auch um dinge wie depression handeln. oder liebeskummer, oder oder oder.Und meisstens macht man solche dinge am liebsten mit sich selbst aus. ob das die richtige strategie ist oder nicht.
hans1962 meinte am 30. Jan, 21:21:
Sollte diese Geschichte frei erfunden sein, ist sie eindrucksvoller Beleg für Inkompetenz. Sollte an dieser Geschichte auch nur im entferntesten etwas dran sein, sind Sie reif für die strafrechtliche Ausforschung.
Moonwish (Gast) antwortete am 30. Jan, 21:34:
Mit welcher Brgündung sollte man hier Strafrechtlich Vorgehen, wenn die Frage denn erlaubt ist...
BIA (Gast) antwortete am 30. Jan, 23:27:
Wofür denn dieses?
sbeedy (Gast) antwortete am 30. Jan, 23:42:
??????Dieser Kommentar ist ein Affront - und in der vorliegenden Form völlig sinnfrei.
Teacher hat zwei Formen der Reaktion beschrieben. Und das vorläufige Ende der Geschichte gibt keinerlei Hinweise darauf, dass eine der beiden Reaktionen indiskutabel wären. Im Gegenteil.
romeomikezulu antwortete am 31. Jan, 08:09:
Wo kann man Kommentare als "bedenklich" melden?
teacher antwortete am 31. Jan, 08:18:
Jemand hat Sie mal einen Troll genannt. Arbeiten Sie gerade an der Beweisführung dazu oder wollen Sie uns Ihr so geschätztes Fachurteil kundtun?
Budenzauberin antwortete am 31. Jan, 08:24:
Der Kommentar von Herrn Bübchen macht mich etwas agressiv. Im ersten Moment.Im zweiten denke ich, sein Provokationsversuch liegt in seiner eigenen Sprachlosigkeit, seinen eigenen Tränen begründet.
derbaron antwortete am 31. Jan, 12:05:
Hans1962: Hatten Sie uns nicht unlängst versprochen, sich von diesem Blog zurückzuziehen? Ich finde den hier oft stattfindenden kontroversiellen Meinungsaustausch hochinteressant, aber ihre völlig überzeichneten und destruktiven Beleidigungen sind höchst verzichtbar.
stichi antwortete am 31. Jan, 16:29:
Das hat er schon mehrmals versprochen bzw. aus seiner Sicht "angedroht", war aber immer gelogen!
Nirfin (Gast) antwortete am 31. Jan, 16:49:
Hans1962 hat ja schon in vielen älteren Beiträgen auf sich aufmerksam gemacht. Meistens durch völlig aus der Luft gegriffenen und überwiegend provozierenden Kommentaren. In Internetbegriffe gefasst ist er ein Troll der übelsten Sorte. Jemand der nur flamen, anstacheln, provozieren will. Eine echte Diskussion ist eh nicht möglich. Daher: Don't feed the Troll. Solche Leute muss man einfach nur ingnorieren.
hans1962 antwortete am 31. Jan, 18:38:
Hier herrscht offensichtlich eklatanter Informationsmangel. Das Stichwort lautet: Amtsverschwiegenheit.
Diese hat in Österreich übrigens Verfassungsrang.
Die wichtigsten Informationsquellen sind:
- Art. 20 (3) B-VG
- §46 (1) BDG
- §33 (1) LDG
- §5 VBG
- §310 StGB
teacher antwortete am 31. Jan, 19:44:
Zur Erinnerung: Hier ist alles anonymisiert. Mit Grund. Natürlich ist auch der Name verändert worden.
hans1962 antwortete am 31. Jan, 19:54:
Zur Aufklärung:
Nicht nur Namen sind durch die Verschwiegenheitspflicht geschützt, sondern die Vorgänge an sich. (für dermaßen dumm halte ich Sie nicht, dass Sie hier die realen Namen verwenden würden. Ich fasse Ihre "Erinnerung" als einen gezielten, persönlichen Beleidigungsversuch auf : )
teacher antwortete am 31. Jan, 20:37:
Wer ist der Geschädigte? Und wem soll ich das ausrichten?
hans1962 antwortete am 31. Jan, 20:55:
Mit DER Argumentation laufen Sie auch bei Rot über die Straße, wenn gerade niemand in Sicht ist, nicht wahr? Niemand wurde geschädigt, meinen Sie, und trotzdem erhalten Sie ein Strafmandat, da eine Fußstreife der Polizei Ihre Verwaltungsübertretung beobachtet hat. Es geht dabei um staatliches Rechtsinteresse, das Sie mit Ihrem Verhalten verletzen und weswegen Sie letztendlich, falls Sie dabei erwischt werden, bestraft werden. Diskutieren Sie die Angelegenheit vielleicht einmal in einer ruhigen Stunde mit Ihrem Schulleiter, oder meinethalben auch mit der Dienstaufsicht - muss ja nicht gleich der Staatsanwalt sein. Aber Halt! Vor Ihrer Kollegenschaft halten Sie dieses Blog ja geheim...
btw: Förderung des Rechtsverständnisses findet lehrplanmäßig in keiner einzigen Schulstufe statt. Theoretisch hat das eine weitreichende politische Dimension. Praktisch bedeutet es lediglich, dass die meisten von uns nicht den blassesten Schimmer davon haben, was Rechtsordnung ist, geschweige denn, wie sie funktioniert. Für Verstöße haben wir, wenigstens die allermeisten von uns, aber gerade zu stehen. Ich denke, dass Sie, teacher, zu "uns" gehören.
hans1962 antwortete am 31. Jan, 21:14:
Gesammelte Replik:
Ihre StellungnahmenFrau Budenzauberin,
Herr Baron,
Herr Romeo,
Frau Stichi,
konnten mich weder einschüchtern, noch im Geringsten beeindrucken.
Das sind Kategorien, in welchen ich nicht zu Hause bin.
teacher antwortete am 1. Feb, 08:16:
Zur Klarstellung
Ich möchte in diesem Blog keine Beteiligten in ihren Rechten schmälern oder irgendwie verletzen. Deswegen werden alle Personen, Handlungen und Umstände soweit verändert, dass niemand zu Schaden kommen kann - auch ich nicht - und deswegen muss dieses Blog anonym bleiben.Gleichzeitig möchte ich die heutige Schulrealität so deutlich aufzeigen, dass besseres Verständnis und Verbesserungsansätze möglich werden. Dazu gehören auch Fallbeispiele wie sie im übrigen in jedem Rechtsstudium aufgearbeitet werden, ohne Persönlichkeitsrechte zu beschneiden.
So nebenbei wird hier auch die zunehmende Tendenz sichtbar, Schule und Lehrer mit Drohungen einzuschüchtern, was ich hiermit gerne offenlegen will.
BIA (Gast) antwortete am 1. Feb, 09:54:
Wenn jeglicher "Vorgang" der Amtsverschwiegenheit unterliegt, ist Kommunikation über Schule nicht mehr möglich. Schule besteht nicht aus einem unpersönlichen System, sondern in erster Linie aus "Vorgängen", die hunderttausende Schüler, Lehrer und Eltern betreffen. Wie problematisch das "System" läuft, zeigen u. a. diese "Vorgänge". NB: Amtsverschwiegenheit gilt nicht für "Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen".
Ich halte "Teenagermädel ist ein paar Wochen lang unleidlich und besorgniserregend still" nicht für einen dramatischen, geheimzuhaltenden Einzelfall.
derbaron antwortete am 1. Feb, 10:23:
Haha ;-)
Da hat jemand die Grundsätze der Amtsverschiegenheit nicht verstanden. ;-)Wie wäre es denn im Fall der ärztlichen Schweigepflicht? Wie könnte denn ein Erfahrungsaustausch über bestimmte Krankheiten (auch in der Öffentlichkeit) stattfinden, wenn man nicht - anonymisiert - über bestimmte Krankheitsverläufe sprechen dürfte? ;-)
Teacher, ich würde solche Trolle einfach löschen und sperren.
hans1962 antwortete am 1. Feb, 21:05:
@BIA
"Muslimischer Teenager wird wegen Verhaltensauffälligkeit dem Schulpsychologen vorgestellt und die Eltern vorgeladen."Das sind eben k e i n e offenkundigen, schulbehördlich veranlasste Vorgänge und unterliegen deshalb selbstverständlich der Amtsverschwiegenheit - das kann nicht in ernstzunehmender Weise in Frage gestellt werden.
Weiter oben wies ich auf das allgemein vorherrschende, mangelhafte, weil nicht einmal ansatzweise ausgebildete Rechtsverständnis hin. Dem füge ich noch hinzu, dass nicht nur Rechtsvorschriften das Handeln einer Lehrperson bestimmen sollten, sondern auch so etwas wie "Berufsethik". Damit möchte ich meine Einlassungen zu dem Thema beenden.
PS: zu den einschlägigen ministeriellen Erlässen haben Sie, BIA, vermutlich wesentlich besseren Zugang, als ich.
BIA (Gast) antwortete am 1. Feb, 22:42:
@hans
"Schüler/in hat Termin bei Schulpsychologen u. Eltern werden eingeladen" ist an jeder Schule eine Standardprozedur. Kann mir nicht vorstellen, dass das in irgendeiner Weise NICHT "Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen" sind. Wir wurden an meiner Schule darüber belehrt, dass wir keine Schulinterna bei sogenannten "Tengelmannkonferenzen" ausplaudern sollen, also beim örtlichen Lebensmittelladen vor örtlichen Kunden über unsere Schüler, Lehrer etc. etc. sprechen sollen. Das ist für mich nachvollziehbar, da Rückschlüsse auf die Person möglich sind.
Aber hier? Anyonymisiert? In jede erdenkliche Richtung anonymisiert? Ist ja nicht so, dass diese Schülerin ein Einzelfall im Land wäre und darum klar, um wen es sich handelt.
hans1962 antwortete am 1. Feb, 23:14:
@BIA
Auf diese Argumentationslinie nahm ich weiter oben schon Bezug ("rote Ampel").
BIA (Gast) antwortete am 2. Feb, 12:05:
@Hans
Nein, so sehe ich das nicht- es geht nicht darum, dass hier in diesem anonymen Raum Amtsgeheimnisse gebrochen werden dürfen - sondern dass es kein Amtsgeheimnis sein kann, über einen Vorgang zu berichten, der ein normaler, alltäglicher schulischer Vorgang ist - eine "offenkundige Tatsache", wenn wir so wollen: problematische Einzelfälle werden an den Schulpsychologen verwiesen. Ich weiß nicht, wie das in Ö. läuft, aber bei uns beschäftigt der Dienstgeber Juristen, die geben sicherlich Auskunft.
fedor (Gast) meinte am 31. Jan, 08:23:
Ist der Typ schon wieder da? Der merkt wohl nicht,daß er unerwünscht ist.Bei Mädchen in der Pubertät hat man oft als Mann "keinen Zutritt".Eine verständnisvolle Kollegin kann helfen,aber auch das nützt manchmal nichts.Manchmal kommt man an die Grenzen des Machbaren.
fedor (Gast) antwortete am 31. Jan, 11:16:
Ich wollte dazu noch anmerken,daß ein Freiraum oder eine Auszeit manchmal Wunder wirken können.Und das haben Sie ja wunderbar hingekriegt.Wenn dieser Zeitraum allerdings zu lange andauert,sollte man vielleicht professionelle Hilfe andenken!
teacher antwortete am 31. Jan, 14:45:
Sie hat auch psycholog. Hilfe abgelehnt. Sie hat geschwiegen.
Budenzauberin meinte am 31. Jan, 08:26:
Was auch immer die Ursache des Schweigens war, wichtig ist m.E., daß Sie und auch die Kollegin scheinbar alles versucht haben. Und das halte ich für enorm verantwortungsbewußt. Sowohl bezüglich Ihres pädagogischen Berufes als auch im Allgemeinen.
teacher antwortete am 31. Jan, 08:46:
Danke, wir haben wirklich alles Mögliche ausgeschöpft, aber wir waren lange ratlos.
Budenzauberin antwortete am 31. Jan, 09:04:
Das kann ich gut nachvollziehen, nicht nur aufgrund einer ähnlichen persönlichen Situation.Wobei einen die Ratlosigkeit ja auch noch eine (lange) Weile begleitet, selbst wenn das vermeintliche Problem gelöst zu sein scheint.
teacher antwortete am 31. Jan, 14:44:
Die Symptome sind weg, ob das Problem gelöst ist, das wissen wir nicht.
bonanzaMARGOT meinte am 31. Jan, 13:23:
wie alt ist ayse? ist sie teenager? vielleicht hatte sie einfach "nur" liebeskummer?
bonanzaMARGOT antwortete am 31. Jan, 15:45:
ich meine, bei einem deutschen mädel hätte man sofort an ganz andere ursachen gedacht. ist das nicht schon ein zeichen dafür, wie vorurteilbelastet wir gegenüber migrantenfamilien sind?
stichi antwortete am 31. Jan, 16:27:
An was hätten wir denn gedacht? Sexueller Missbrauch? Ist das weniger schlimm als an Zwangsehe zu denken? Man kann halt bei einem deutschen oder österreichischen Mädchen kaum auf Verschleierungszwang, Zwangsehe oder drohende Ausweisung denken. Was ist jetzt daran vorurteilsbehaftet??
bonanzaMARGOT antwortete am 31. Jan, 16:36:
ein vorurteil ist, wenn man gleich an sowas denkt, ohne erst mal vielleicht naheliegenderes abzuklopfen, was halt so in teenagern vorgeht.ebenso wäre es ein vorurteil, wenn man ein mädel mit problemen aus "asozialem milieu" gleich mit mißbrauch oder gewalt in zusammenhang brächte.
genausogut funktioniert es andersherum, wenn wir es z.b. bei einer arzttochter nicht vermuten.
stichi antwortete am 31. Jan, 17:04:
Wenn ein Kind verstummt, dann wird man ja wohl ein ernstes Problem vermuten müsse, was ist da "naheliegend"?
bonanzaMARGOT antwortete am 31. Jan, 17:15:
Was ist naheliegend wenn Mädchen zu Frauen und Jungs zu Männern werden? Die Pubertät ist ein schwieriges Alter. Da mag jeder mal an seine Jugend zurück denken. Natürlich gibt es auch junge Menschen, die diese Phase relativ problemlos überwinden ...Ich wehre mich nur dagegen, wenn wir bei Migranten immer gleich an die Geschichten denken, die Schlagzeilen machen. In erster Linie ist doch die junge Frau eine ganz normale Teenagerin.
teacher antwortete am 31. Jan, 17:16:
Für uns war es so schlimm, von keiner Seite seriöse Auskünfte bekommen zu haben. Wie sollen LehrerInnen helfen, wenn sie weder Auskünfte noch Unterstützung bekommen?
stichi antwortete am 31. Jan, 17:25:
Also alles was Recht ist, aber ein komplettes Verstummen als "normal" im Teenageralter abzutun, halte ich für absolut unverantwortlich und zwar völlig egal ob das Kind oder der Teenager einen Migrationshintergrund hat oder nicht!! Und bei der Suche nach Ursachen muss man ja alle Möglichkeiten bedenken und wie ich oben schon geschrieben habe, ist Verschleierungszwang oder Ausweisung bei einem deutschen Mädchen halt kein naheliegendes Problem. Ich finde es ziemlich daneben, den Leuten, die sich Gedanken gemacht und sich gesorgt haben auch noch vorzuwerfen, sie hätten Vorurteile!
bonanzaMARGOT antwortete am 31. Jan, 17:36:
Das verstehe ich, Teacher. Man stößt da unter Umständen an seine Grenzen - fühlt sich hilflos. Es bleibt dann nichts weiter, als genau hinzuschauen und immer mal wieder z.B. im Freundeskreis nachzufragen. Gott sei Dank löste sich - wie auch immer - bei dem Mädchen der Knoten. Es wäre vielleicht nicht unwichtig, trotzdem die Gründe für ihr Verstummen heraus zu finden, um vorbeugend und unterstützend zu agieren. Die Probleme gibt es ja womöglich noch.
bonanzaMARGOT antwortete am 31. Jan, 17:42:
Meine Kritik kann sich nicht auf den konkreten Fall beziehen, stichi. Ich antwortete auf die Darstellung von Teacher.
Denn ich glaube, dass wir durch unsere Vorurteile gern mal Naheliegendes übersehen. (Da will ich mich gar nicht ausnehmen.)
Ketzerkatze (Gast) antwortete am 2. Feb, 07:45:
Möglicherweise ...
Das völlige Verstummen kann eine zeitweilige Variante von Widerstand sein.In nicht so wenigen muslimischen Familien verstummt die Tochter als Protest, wenn sie mit jemandem verheiratet werden soll, der ihr nicht zusagt. Wenn offene Rebellion nicht möglich ist, wählen nicht wenige Mädchen dann die Möglichkeit passiven Widerstands - das Verstummen. Auf der Handlungsebene "kooperieren" sie - gehen zur Schule, erledigen famliäre Pflichten etc. - aber eben stumm, quasi "seelenlos", völlig zurückgezogen.
Verständige Väter pflegen dann die Verlobung oder das Versprechen zu lösen - auch traditionelle. Es handelt sich um eine gerade im arabischen Raum durchaus ehrbare Tradition weiblichen Widerstands.
Vielleicht wars ja sowas? Darüber würde ein traditionell muslimisches Mädchen allerdings nienicht mit Nichtmuslimen reden.
lbd (Gast) meinte am 1. Feb, 14:52:
verstummen oder hinausposaunen?
Ayse ist verstummt. Ich entnehme den Kommentaren, dass es Menschen - Lehrer - gibt, die sich darüber Gedanken machen. Auch wenn jeder eine andere Strategie hat, dem Schweigen zu begegnen - offenbar hat niemand sie gedrängt. Es ist oft schwer für uns auszuhalten, dass wir nicht wissen, was los ist, warum dieser oder jener Schüler sich gerade so oder so verhält und so rat- und hilflos zu sein. Aber umgekehrt wird es Ayse danken, dass man sie nicht bedrängt hat, ihre offensichtliche Not nicht noch vergrößert hat. Vielleicht lässt die diese Erfahrung Vertrauen fassen und ein andermal - wenn Pädagogen oder andere ihr vielleicht eher helfen können - sich Hilfe holen.Verschwiegenheit was die Angelegenheiten unserer Schützlinge betrifft ist wichtig, korrekt, wesentlich. Viel zu oft werden private Details an die "Öffentlichkeit" getragen und kommen auf unangenehmen Wegen zu den betroffenen Personen "zurück". Daher ist es - denke ich - wichtig, sich dessen bewußt zu sein und die Anonymität der Betroffenen zu wahren. Aber ich schließe mich ganz der Meinung an, dass das Studium von Fallbeispielen und die Diskussion darüber wichtig ist, um auch die eigene Lehrerpersönlichkeit weiterzubilden und so stetig besser zu werden - (das wollen doch schließlich auch alle von den Lehrern, oder?!)
Susi-q (Gast) antwortete am 1. Feb, 18:07:
Dem kann ich mich nur anschließen....
Letzte Woche war ich ziemlich schlecht drauf wegen einer privaten Sache...mein Chemielehrer merkte das sofort und versuchte herauszufinden, was mich so belastet. Ich blockte ab. Ich musste das selbst erstmal verarbeiten und darüber nachdenken. Klar das ich da in seinem Unterricht nicht richtig folgen konnte. Er verfolgte dieselbe Strategie wie teacher: er ließ mich in Ruhe. Und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Das Problem hatte sich dann relativ schnell erledigt.
...
Aber vor einem Jahr hatte ich mit einem anderen Problem zu kämpfen. Und zwar 3 Monate lang. Es war eine schwere Zeit für mich. Aber ich bloggte ab. Undi ch schwieg, wie Ayse. Auch damals ließ mir mein Chemielehrer Freiraum. Er machte sich ebenfalls Sorgen um mich und versuchte damals über Freunde etwas herauszubekommen. Aber ich war ihm unheimlich dankbar, und bin es auch jetzt noch, für die Ruhe. Es hat mir geholfen und ich habe mich nach den drei Monaten auch wieder gefangen (auch leistungsmäßig).
Mit der Zeit hat sich da echt ein großes Vertrauen entwickelt.
Wäre ich heute nochmal in der damaligen Situation, ich glaube, ich würde mich ihm anvertrauen.
Also teacher, ich bin für deine Strategie. Mit ein bisschen Zeit und Ruhe löst sich so manches Problem.
Nimmt dich so eine Situation sehr mit? Machst du dir da viele Gedanken? Wie hast du dich gefühlt?
Ich versuche gerade nach zu vollziehen wie es ihm damals ging...
teacher antwortete am 1. Feb, 18:54:
Vll. erwartest Du jetzt, dass ich mitgenommen bin, dass ein guter Lehrer mit Mitgefühl reagiert. Nein, ich versuche mit dem nötigen Abstand eine möglichst exakte Diagnose zu stellen (meist über viele Gespräche) und dann eine brauchbare Therapie zu entwickeln. Ein guter Arzt darf auch nicht mitleiden, denke ich. Aber so ausgefallene Situationen begleiten mich über Tage (und Nächte), weil ich weder das eine noch das andere schaffe. Wir besprechen das stundenlang im Lehrkörper, aber wir kommen manchmal auf keinen grünen Zweig.
Susi-q (Gast) antwortete am 2. Feb, 15:56:
Ich verstehe.Nein, erwartet habe ich das nicht, denn wenn ein Lehrer so sehr mitfühlen würden und das dann noch bei 150 Kindern, würde man ja kaputt gehen.
Einanderer meinte am 2. Feb, 22:50:
Zu Hans1862
"...staatliches Rechtsinteresse..." und "Rechtsverständnis" Ihre Lieblingsworte, jedoch tatbestandslos... Mit Ihrem "Rechtsverständnis" stimmt was nicht. Der Staat sind wir und er, der Staat, hat unserem Interesse zu dienen, dazu haben wir die Politiker gewählt, daß sie demgemäße, sinnvolle Gesetze erfinden. Wenn es um Kinder geht, dann hat das "staatliche Rechtsinteresse" in Form sinnloser Gesetze, seine Grenzen. Weil, Kinder gehen uns alle an, das darf nicht an dämlichen, auch noch von Ihnen falsch interpretierten Gesetzen scheitern. Und jedes Recht, also jedes Gesetz ist interpretationsfähig, also eine Sache der Auslegung, deshalb ja die vielen Gerichtsurteile ... dafür sind ja die Juristen geschult, sonst benötigen wir solche Rechtsverdreher nicht wirklich. Das unsägliche Beispiel mit bei Rot über die Ampel, wenn weit und breit niemand zu sehen ist, zeigt zum Beispiel ein völlig überzogenes, ja perverses "Rechtsverständnis". Wenn des Nachts, auf einer Kreuzung, die seit Stunden nicht befahren wird, ein einsamer Fußgänger auf die Grünphase warten soll, um Ihrem Rechtsverständnis zu "dienen", dann ist das idiotisch und zudem eine Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen, denn die Ampel gehört ausgeschaltet. Vergibt ein zufällig vorbeikommender Polizeibeamter trotzdem einen Strafzettel, wenn der einsame Fußgänger die einsame Kreuzung bei Rot quert, dann ist das Rechtsbeugung auf der Grundlage eines völlig falschen Rechtsverständnisses. Hans1862, sie sollten sich ersteinmal ein einführendes Werk über die Jurisprudenz reinziehen, zum Beispiel "Einführung in das juristische Denken" (Kohlhammer, Stuttgart) ehe Sie hier solch einen gequirlten und anmaßenden Unsinn verzapfen.
hans1962 antwortete am 2. Feb, 23:42:
mit solcher Rede hab' ich nichts am Hut.Gute Nacht.
o.klwin (Gast) meinte am 6. Feb, 00:16:
"offenbar ist ihre Strategie des stummen Widerstandes aufgegangen"...und wenn es etwas anderes war als das Kopftuch?
Vielleicht ist ihr was passiert, was sie verstummen liess?