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cotopaxi

 
Statt eines langatmigen Berichtes über die Schönheiten der „Ewigen Stadt“ kommen hier die Schülerinnen und Schüler ungeschminkt zu Wort:

„Rom ist schön.“
„Meiner Meinung nach war Rom ein toller Erfolg.“
„Die Romreise war toll, jedoch anstrengend.“
„Den ganzen Tag gehatscht.“
„Das Kolosseum, das Pantheon, die Spanische Treppe, die Engelsburg, der Trevi-Brunnen – alles super und schön anzuschauen. Doch kein Gefühl war je besser als am Petersplatz zu stehen und das zu erleben, was ich seit klein auf im Fernseher gesehen habe.“
„Dank des Wissens und der Erfahrung unserer Lehrer wurden die einzelnen Stationen in Rom interessant erzählt.“
„Bei einer Ampel ist rot nur eine Empfehlung.“
„Am besten hat mir die Spanische Treppe gefallen“
„Das Champagner-Eis war sehr gut.“
„Das Eis war das geilste.“
„80 Eissorten machen kugelrund.“
“Also das Eis beim Giolitti war einfach besser als beim … anderen.”
„Das Kolosseum war größer als ich gedacht habe.“
„Das Kolosseum ist so gigantisch groß und wunderbar, dass einem die Augen aus dem Gesicht fallen!“
„Die Piazza Venezia war wirklich atemberaubend.“
„Das Steakhouse war vorzüglich!“
„Das Essen schmeckte immens, wir konnten gar nicht genug davon bekommen.“
„Dass wir ans Meer gefahren sind war megageil … und echt cool von den Lehrern.“
„Der Nachmittag am Strand von Ostia war toll, man bekam ein absolutes Urlaubsfeeling.“
„We love Roma.“
„We hate ÖBB.“
„In Rom war einfach alles interessant, wir haben viele Sachen gesehen.“
„Störend waren die Inder, die versuchten, billigen Schrott zu verkaufen.“
„Die Spanische Treppe war ein absolutes Highlight: relaxen, shoppen, essen …“
„Ich fand es toll, dass uns die Lehrer so sehr vertraut haben.“
„Am schönsten in Rom fand ich das Pantheon. Es ist in seiner Erscheinung und Bauweise schlicht und einfach beeindruckend.“
„Duschen und gleichzeitig sein Geschäft zu machen, das hat echt Style“
„Die Karikaturen sind ziemlich amüsant, aber ihr Geld nicht wert.“
„Das Wetter war schön und die Lehrer hammer.“
„Es war urheiß, wir haben keine Wolken gesehen. Der Sonnenbrand ist ausgebrochen.“
„Das einzige, was ich vom Forum Romanum noch weiß, sind die Brunnen: kalt und ideal zum Spritzen.“
„Die anderen Touristen waren auch nett.“
„Unser Chef war sehr großzügig, spricht italiano perfetto und hilft auch den Kranken.“
„Der Vatikan war das beeindruckendste aller Dinge – wegen der Schweizer Garde.“
„Die Taschendiebe waren alle nett, bis auf einen.“
„Hitzebedingt konnten leider viele die Nachtruhe nicht einhalten :-)“
„I say disco, you say party. Disco, disco – party, party.”
„Die Romreise war neben den weltbekannten Sehenswürdigkeiten auch ein kulinarischer Ausflug in die italienische Küche.“

“Wo ist Klaus?” (Nur für Eingeweihte!)

Aus gegebenem Anlass (Auslandsexkursion) müssen die Regeln für Schulexkursionen wie folgt ergänzt werden.

1. Du sollst nicht aus dem Hotelfenster steigen. Oder zurück. Der Portier könnte dich für einen Einbrecher halten, der Lehrer von der Absturzgefahr faseln.

2. Du sollst auch nicht auf die Nachbarbaustelle klettern.

3. Du sollst keine MitschülerInnen im Kasten verstecken. Besonders, wenn sie vom anderen Geschlecht sind und die Mitternachtsglocken bereits geläutet haben.

4. Auch ein fremdes Bett gilt nicht als kreatives Versteck. Selbst wenn der Aufklärungsunterricht bereits stattgefunden hat.

5. Du sollst nicht bloßfüßig zum Frühstück erscheinen. Das ist nicht bloß ein persönliches Anliegen des Bedienungspersonals.

6. Du sollst keine schmutzenden Getränke auf den Boden schütten.

7. Sollte das 6.Gebot nicht einzuhalten sein, sollst du Maßnahmen für die Beseitigung des Unfalls treffen. Damit die Mißachter der Regel 5 nicht zum Handkuss kommen.

8. Du sollst nicht auf fremden Hotelgängen Unterhaltung suchen. Oder lautstark verbreiten. Auch nicht nach Mitternacht.

9. Du sollst deine Mitmenschen und Begleiter schlafen lassen. Tröten und ähnliche Lärmerzeuger gehören in Fußballstadien. Auch außerhalb von WM-Zeiten.

10. Du sollst keine Mitmenschen mit Filzstiften beschreiben. Weder in ihrem Dekolleté, noch auf ihren Oberarmen. Wenn dir jemand "Fick mich" auf die Haut schreibt, dann sollst du keinen Pfeil nach hinten zulassen.

11. Du sollst pünktlich beim Treffpunkt erscheinen. Wenn du es nicht schaffst, gilt die Ausrede "Is ja wurscht, weil eh immer Leute zu spät kommen" nicht.

12. Du sollst keine öffentlichen Wasserleitungen verstopfen. Die anschließenden Spritzorgien könnten auch unbeteiligte Passanten treffen, die besser als du gekleidet sind. Die Entschuldigung "War nicht Absicht" findet nicht immer Anklang.

13. Du sollst Rücksicht nehmen. Als Regel ohne Einschränkung.

14. Du sollst bei Rot nicht über die Straße gehen. Auch wenn deine Freunde bereits auf der anderen Seite sind, könnten schnelle Verkehrsmittel harte Aufschläge verursachen.

15.Du sollst nicht in unbekannte Gewässer springen. Nicht einmal steigen. Kann alles Schmerzen verursachen.

16. Du sollst Füße und Beine heben, beim Gehen, besonders auf Stufen oder wenn der Untergrund staubig ist. Bedenke einfach alle möglichen Konsequenzen.

17. Du sollst nicht "Arschloch" sagen. Auch Menschen von der Müllabfuhr oder ausländische Souvenirverkäufer hören solche Beschimpfungen nicht gerne. Du solltest auch deren Fremdsprachenkenntnisse nicht unterschätzen. Sowie deren Muskelkraft.

18. Du sollst dich nicht mit besoffenen Jugendlichen anlegen. Selbst wenn zwölf Freunde auf deiner Seite und bloß vier auf der gegenüberliegenden Front stehen. Moderne Kommunikationsmittel verändern solche Zahlenverhältnisse enorm schnell.

19. Du sollst dich vor der Macht der Sonne schützen. Haut wird rot, Kopf wird schwindlig, Körper müde ...

20. Du sollst lieber eine gute Sonnenbrille statt sieben modische Exemplare um je drei Euro kaufen. Die Dinger sind zwar bunt, dunkel oder verspiegelt, aber wirkungslos.

21. Du sollst deine Fahrkarten nicht mit zum Baden nehmen. Lesegeräte stellen sich nicht auf deine hygienischen Bedürfnisse ein.

22. Du sollst deine Papiere nicht verlieren. Geldverluste verursachen weniger Probleme.

23. Du sollst nicht kotzen, wenn am Nachbartisch Pizza bestellt wurde.

24. Du sollst keine klitzekleinen superscharfen Chilischoten roh essen, um den Mitschülern deine grenzenlose Härte zu beweisen. Das wirkt beim dadurch verursachten Klobesuch ein wenig lächerlich.

25. Du sollst Warnungen vor Taschendieben ernst nehmen. Maßnahmen, die danach gesetzt werden, greifen zu spät.

26. Du sollst nicht Bahn fahren. Deren Reservierungen sollten nach dem Lotteriegesetz versteuert werden. Du sollst Worte wie "Flugzeug" oder ähnliche alternative Tansportmittel danach nie wieder in Anwesenheit verärgerter Lehrpersonen in den Mund nehmen.

27. Du sollst den Rasen nicht betreten, wenn entsprechende Schilder das so wollen. Auch wenn auf den Schatten spendenden Bäumen bunte Früchte locken. Denke ans saure Ende des Paradieses!

28. Du sollst keine harten Coktails trinken. Sie strapazieren die Geldbörse, deine Gesundheit und die Geduld der pädagogisierenden Begleiter, die auf das absolute Alkoholverbot pochen (müssen). Bedenke, dass LehrerInnen Mojito und Tonic unterscheiden können - visuell, olfaktorisch und notfalls gustatorisch.

29. Du solltest rechtzeitig Freundschaften schließen, sonst wirst du in vielen Situation ziemlich einsam und verlassen dastehen. Dann wird auch die Mama das "Mobbing" nicht per Handy abstellen können.

30. Vermeide Ironie, Zynismus und Sarkasmus, die gefährlichsten Waffen der Lehrer.

Resumee:
Exkursionsprojekt gelungen, keine besonderen Vorkommnisse.

"Warum fahrt ihr eigentlich nach Cannes?", will ich von einer Oberstufenklasse wissen, weil sie ganz aufgeregt in meiner Stunde Reisevorbereitungen diskutiert.
"Das ist nur eine Notlösung," höre ich aus dem Gemurmel heraus.
"Notlösung? Warum das?"
"Weil sonst niemand mit uns wegfahren wollte. Lieber wären wir nach Malta gefahren..."
"Aha. Und warum gerade Malta?"
"Wegen der schönen Strände."

Mir bleibt der Mund offen:

"Also ich war schon mehrere Male in Malta. Ist für Englisch-Sprachwochen eine nette Option, warm, günstig, friedlich ... aber es hat einen echten Schwachpunkt: Die Strände. Es gibt nur wenige ... und die meisten sind felsig. Da ist Cannes einfach viel besser!"
Überraschung macht sich breit.
Ein Schüler hatte von einem Viersterne-Hotel mit aufgeschüttetem Sandstrand geschwärmt, das war für alle überzeugend gewesen.
"Naja. Hauptsache wir fahren weg!"
Und Malta war vergessen.

Mich erinnert die Episode an eine frühere Maturareise: Die Klasse hatte über Wochen Prospekte studiert und ist schließlich zu einer Kompromiss-Entscheidung gelangt: Madeira.
"Herr Professor. Waren Sie schon mal auf Madeira?"
"Ja. Sehr schön, ewiger Frühling, Blumeninsel, schöne Wanderungen ... ich komme ja ein bissi ins Mittelalter."
"Wir werden unsere Maturareise hinmachen!"
"Ehrlich? Das finde ich gut. Einmal nicht die gängige Sommer-Strand-Sauf-Tour. Super."
Überraschung macht sich breit.
"Eigentlich dachten wir schon an sowas ..."
Ich erzähle von bizarren, in Nebel gehüllten Bergen, von Lavagestein an dunklen Küsten, von stürmischen Stränden und von Pensionisten, die nicht genug von wuchernden Blumenfeldern bekommen.

Gut, dass die Klassen selbst entscheiden dürfen. So viel ich weiß ist sie nach Tunesien gefahren. Madeira war vergessen.

Nächste Woche wird blogfrei.
Ich fahre morgen mit einer Klasse ins nahe EU-Ausland.

"Schönen Urlaub", wünschen mir die einen.
"Warum tust Du dir das an?", fragen mich die anderen.

Zu Schulbeginn ist meine erste Klasse recht zufällig zusammengewürfelt worden. Kinder aus unterschiedlichsten Volksschulen und Herkünften sind plötzlich nebeneinander gesessen und wurden herzlich eingeladen, zur ihrer persönlichen Weiterentwicklung zusammenzuarbeiten.

Seither wurden sie mindestens sieben Mal umgesetzt: Die vorne wandern nach hinten, die beim Fenster zur Türe, die Mädchen zu Mädchen, die Burschen zwischen zwei Mädchenreihen, die Brillenträger zur Tafel, die Scheuen ins Licht usw. Immer werden Vorstellungen von LehrerInnen mit Wünschen der SchülerInnen zu neuen Sitzordnungen verknüpft.

So ist durch unsichtbare Fäden - völlig unbeabsichtigt - ein "stummes Eck" entstanden, das mir erst nach mehreren Wochen bewusst wird: Dort sitzen sechs ruhige Mädchen zusammen und alle haben Migrationshintergrund.

Vor ihnen sitzen vier laute Burschen, die unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sie haben die technische Klassenbetreuung übernommen, sie arbeiten in Gruppen zusammen, sie sind in die Alpharolle geschlüpft.

Neben ihnen sitzen die brillanten Mädchen, die gute Mitarbeitsnoten sammeln, die selbstbewusst Fragen stellen und die besten Arbeiten schreiben.

Warum hat sich diese Desintegration ergeben, frage ich mich.

Ich vermute primär sprachliche Gründe, aber auch ähnliche Charaktere haben einander gefunden. Soll ich bei der nächsten Gruppenarbeit die Karten neu mischen (und heftigen Widerstand und große Probleme auf der Beziehungsebene in Kauf nehmen) oder soll ich die homogenen und harmonierenden Gruppierungen, die sie selbst auswählen, zulassen?

Acht Jahre älter sitzen in meiner Maturaklasse die SchülerInnen bunt gemischt in den Reihen: Ein Vietnamese neben einer Serbin, ein Rumäne zwischen zwei Österreicherinnen. Ich frage, wohin sie am Abend gehen und sie nennen mir eine Reihe angesagter Adressen, Clubs, Diskos, Cafés. In keines der Lokale gehen sie gemeinsam. Sie verbringen nur die Schulzeit zusammen. Friedlich, aber nicht integriert.

P.S.: Das erste Mädchen (23) aus meiner letzten Vorstandsklasse hat heuer geheiratet (Danke für die Einladung zur Hochzeitsfeier) - natürlich einen Österreicher mit identischem Migrationshintergrund. Auch das neueste Liebespaar in der dritten Klasse hat sich ethisch-kulturell gebildet - aus drei Koreanern der Schule (mit über 1000 SchülerInnen) sind sich zwei näher gekommen.

Des/Integration.

Jede Zeit braucht neue Worte: Festplatte, Handy, Migrationshintergrund z.B. prägen die Gegenwart.

Neu sind auch: bildungsresistent, unausbildbar.

Wer soll als erster die Tendenzen im Bildungsbereich erkennen?
Lehrer und Ausbildner.

Wenn ich wie ein Geisterfahrer durchs deutsche Fernsehprogramm zappe, bleibe ich auch bei MEX hängen, dem Marktmagazin im hr-fernsehen. Es läuft ein Beitrag, der mich fesselt: "Warum viele Unternehmen nicht ausbilden."

Die Aussagen, die ich dort von jugendlichen Azubis zu hören bekomme, sind so vertraut wie erschreckend:

"Jeden Tag arbeiten, arbeiten, arbeiten – das will keiner."

"Ich will auch nicht, dass mein Chef kommt und mich rumkommandiert."

"Also ich kann nicht die ganze Zeit an so einem Ding rumschleifen. Für mich ist das dann auch perfekt. Und wenn dann einer kommt und sagt, da ist noch was, dann ist mir das auch egal. Ich könnte das nicht."

"Dann würde ich mir nicht so wichtig vorkommen. Und ich will mir wichtig vorkommen."

"Das liegt daran, weil wir auch in der Schule hier keine so gute Einstellung haben. Viele Schüler sehen es als selbstverständlich, mal ein paar Tage zu schwänzen, fehlen einen Tag, ohne sich richtig zu entschuldigen. Deswegen kommt dann auch die Einstellung in dem Ausbildungsberuf."

"Es gibt viele, die keine Lust auf Arbeit haben. Die hocken lieber zu Hause rum."

Und die Arbeitgeber:

"Es ist oft so, dass die Lehrlinge nach ein oder zwei Stunden die Lust verlieren an der Arbeit. Dann ist das Produkt, was hinten rauskommt, nur zu zwei Dritteln geschliffen oder nur zur Hälfte, der Grat ist dann nicht ganz weg. Und solche Produkte kann ich dem Kunden nicht verkaufen."

"Man erwartet den jungen Mann oder die junge Dame morgens um sieben Uhr und dann tut sich erst einmal nichts. So gegen neun Uhr kommt dann der Anruf: Ja, ich habe verschlafen, ich komme dann um 9.30 Uhr. Auch zum freiwilligen m€x-Ausbildungs-Check kommt ein Schüler eine dreiviertel Stunde zu spät, fünf andere sind trotz Zusage gar nicht erst erschienen ..."

"Wir an der Schule versuchen hier natürlich, die Schüler zu motivieren. Aber das ist natürlich schwierig, was sich an so einer Veranstaltung wie heute zeigt, zu der diese Schüler gar nicht erscheinen."

Das gibt wenig Hoffnung. Ob Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit – es fehlt vielen am Grundsätzlichen. Für Hessens Meister wird es so immer schwerer, Jugendliche für eine Lehre zu begeistern.(a.a.O)

Nicht nur Lehrer jammern. Auch Unternehmer. Immer weniger können wegschauen.

Als ich frühmorgens in die dritte Klasse komme, räumen zwei Burschen verdächtige, weiß-gelbe Tüten weg.

"Guten Morgen, setzen bitte."

Mario schluckt einen letzten Bissen hinunter und fragt sofort:
"Warum verschenken die das?"
Alle kennen sich aus. Nur ich nicht. Sie klären mich auf:
"Der Mäcki (= McDonalds) verschenkt heute ein Frühstück!"
Aha.
"... man muss nur den Namen des Radiosenders als Code sagen."
Gut.
Ich lasse meine Stundenvorbereitung sausen. Aktuell auf Schülerfragen eingehen - eine didaktische Grundregel!
"Also", gebe ich die Frage an die Klasse weiter, "warum tun die das?"
"Werbung", kommt aus dem Klassenraum zurück.
"Genau. Und wie funktioniert das?"

Keine Reaktion. Funktioniert halt.

Aus den halblauten Zwischenbemerkungen entnehme ich schnell, dass die Kinder völlig falsche Vorstellungen von den Kosten haben. Ich beginne zu erklären:
"Ein Frühstück zu verschenken, das kostet ihnen nur ein paar Cent. Die Werbung darin ist viel mehr wert."
"Nein! Mein Frühstück hätte 3 Euro gekostet! Wenn das tausende Leute hören ... das kostet ordentlich."
"Ja, du hättest 3 Euro bezahlt, das ist der Preis für die Kunden. Die Kosten für die Firma sind viel geringer, ein paar Cent."
Sie zweifeln.
"Und das Radio? Warum macht das Radio das?", setze ich nach.

Das haben sie noch nie überlegt. Is ne blöde Frage: Warum macht Radio Radio?

"Normalerweise müsste McDonalds für die Werbung im Radio zahlen. Aber solche Aktionen kommen billiger. Und die Leute freuen sich, dass sie den richtigen Sender hören. Sie erzählen das weiter - wie ihr hier - das ist super fürs Image, das bringt zufriedene Hörer."

Viele leere Augen starren mich an: "Was labert der Alte da? Mäcki schenkt uns ein Frühstück und Ö3 ist super." *freu*

Offensichtlich habe ich meine spontane Botschaft nicht rübergebracht. Sie wollen (gerade ?) keine Konsumkritik hören, keine moralische Botschaft aufnehmen, keine Werbetricks hinterfragen.
Sie wollen in Ruhe ihr Radio und ihre Muffins genießen: "Die sind gut." Punkt. "Die lassen wir uns nicht schlecht reden."

Ich greife zur Stundenplanung in meiner Tasche.

"Du machst jetzt länger keine Exkursion mehr, oder?"
"War anstrengend, gebe ich zu."

1. Max will als erster in den Zug steigen, er läuft ihm entgegen, hält sich beim Einstieg fest und will noch im Fahren aufspringen. Das habe ich drei Sekunden zu spät gesehen.

2. Wir stehen vor dem Rathaus. Etliche Touristen hören mir gespannt zu, wie es gegründet wurde und wann das Geld ausgegangen ist. Ein Drittel meiner Kinder weiß am Ende der Exkursion nicht, ob wir beim Theater oder vor der Stephanskirche waren ... oder sonst wo.

3. 25 Kinder warten vor dem WC. Kommt eine Dame aus dem gegenüberliegenden Saal: "Könnt ihr nicht leiser sein, wir verstehen nichts mehr." Der Lärmpegel ist mir nach drei Stunden nicht mehr aufgefallen.

4. Wir warten bei einer roten Ampel, da fällt Markus auf den harten Gehsteig. Der stoßende Mitschüler: "War nicht Absicht."

5. Zurück im Zug schaut mich eine ältere Passagierin empört an, steht auf und verlässt den Waggon. Da sehe ich hinter mir drei Jungs auf den Halteschlaufen turnen.

6. Nach dem Umsteigen kommt Niko keuchend angelaufen: "Bernd ist nicht mehr da! Wo ist der Bernd?"
Ich zähle die Gruppe zum siebenten Mal ab, Bernd ist da - er hat nur seine coole Mütze heruntergenommen. So haben wir ihn noch nie gesehen.
Der Zug ist abgefahren.

7. "Leute, ihr schadet euch selber. Wenn ihr herumschreit, herumrauft, herumstoßt, wenn ich mich nicht auf euch verlassen kann, dann wird kein Lehrer mit euch Ausflüge planen."

Sie schauen mich betroffen an. Zwei Minuten später schreien, laufen und stoßen sie weiter. Auf der Straße, auf dem Gehsteig, im Bahnhof ...

8. Ein Mädchen schreit quer durch den Bus. Ich sage zu ihr: "Leise sein!" Ab diesem Zeitpunkt schreit sie "Leise sein". Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Ich lächle. Vier Mal, fünf Mal ... ich ermahne ... zehn Mal, elf Mal ... ich erkläre ... zwanzig, einundzwanzig Mal ... ich ignoriere ... dreißig, vierzig Mal ... ich gehe weg. Sie läuft mir nach und schreit weiter: "Leise sein". Ein Mitschüler beruhigt mich: "Das war schon in der Volksschule ihre Spezialität."

Ein junger Kollege nickt: "Ich gehe mit keinen Klassen mehr weg. Zu gefährlich."
Ein erfahrener Kollege schränkt ein: "Mit ersten Klassen kannst du das Haus nicht mehr verlassen."

So weit sind wir gekommen. Last exit.

P.S.: Drei Monate später kommt eine Kollegin auf mich zu: "Ich gehe auch mit keiner fünften Klasse mehr weg. Unmöglich."

heute.at:

"49 Prozent der österreichischen Lehrer kommen zu spät zum Unterricht, 58 Prozent schwänzen Stunden gar komplett. 14 Prozent sind nicht genügend auf den Unterricht vorbereitet – das ist immerhin jeder Siebte!"

oe24.at:

Lehrer schlimmer als Schüler
Das erschütternde Ergebnis laut Eder: „Disziplinlosigkeiten kommen bei Lehrern mindestens so häufig vor wie bei Schülern.“ 21 Prozent der Lehrer schwänzen offenbar regelmäßig – jeder fünfte Schuldirektor beschwert sich darüber, dass die Abwesenheit von Lehrern das Lernen sehr oder in einem gewissen Ausmaß behindert."


DIE VORSITZENDEN DER
LEHRERGEWERKSCHAFTEN IN DER
GEWERKSCHAFT ÖFFENTLICHER DIENST


Wien, 20. Mai 2010

Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Sie haben in unserem letzten Gespräch zugesagt, dass Sie sich für eine Verbesserung des Images der Lehrerinnen und Lehrer einsetzen werden.

Seit vorgestern kursieren in zahlreichen Medien Meldungen über Dienstpflichtverletzungen von Lehrerinnen und Lehrern als angebliches Massenphänomen. Ausgangspunkt dieser diffamierenden Berichte sind unkorrekte Aussagen des BIFIE zur TALIS-Studie.

Angesichts des tatsächlichen Inhalts der TALIS-Studie, die wir gleich nach ihrem Erscheinen 2009 intensiv analysiert haben, wird diese Kampagne zur weiteren Schädigung des Ansehens der Lehrerinnen und Lehrer auf das Schärfste zurückgewiesen.
Wir fordern Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, dringend auf, Ihrem Versprechen nachzukommen und die Öffentlichkeit umgehend über die tatsächlich in der TALIS-Studie erforschten Fakten zu informieren.

Die tatsächlichen TALIS-Fakten finden sich nicht nur in Publikationen der Gewerkschaft, sondern durchaus auch im vom BIFIE im Juni 2009 publizierten nationalen TALIS-Bericht, der in der BIFIE-Veranstaltung am Montag-Abend tendenziös uminterpretiert wurde.

Was TALIS wirklich sagt:

Professionelles Engagement
Österreichs LehrerInnen investieren um ein Drittel mehr Zeit in die Vorbereitung des Unterrichts, als dies in den anderen Staaten der Fall ist.

Die weit über das internationale Maß hinausgehende Gewissenhaftigkeit wird Österreichs LehrerInnen durch ihre SchulleiterInnen explizit bestätigt. Das hat auch das BIFIE in seinem TALIS-Bericht vom Juni 2009 korrekt erkannt und hervorgehoben:
„Mangelnde Vorbereitung auf den Unterricht und Zuspätkommen von Lehrkräften werden von Österreichs Schulleiterinnen und -leitern als wesentlich weniger problematisch eingeschätzt als im OECD-/EU-Schnitt.“

Beschämende Rahmenbedingungen
Österreichs LehrerInnen werden mit ihren Aufgaben alleingelassen wie die LehrerInnen keines anderen Landes. Österreich belegt nämlich in der Kategorie „Unterstützungspersonal an den Schulen“ unter allen TALIS-Teilnehmern mit großem Abstand den allerletzten Platz:
Beim pädagogischen Unterstützungspersonal kommen auf eine Person 24 LehrerInnen (im internationalen Mittel sind es nur 13 LehrerInnen).

Beim administrativen Unterstützungspersonal kommen auf eine Person 23 LehrerInnen (im internationalen Mittel sind es nur 8 LehrerInnen).

Dementsprechend hat das BIFIE noch im Juni 2009 völlig richtig festgestellt:
„Österreich liegt mit diesen Zahlen weit abgeschlagen hinter den anderen
teilnehmenden OECD-/EU-Ländern.“
Bezüglich des „allgemein unterstützenden Personals“, also z. B. der SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen, interpretierte das BIFIE die TALIS-Ergebnisse im Juni 2009 ebenfalls vollkommen korrekt:
„Beinahe 80% der österreichischen Lehrkräfte unterrichten in Schulen, in denen der Unterricht aus Sicht der Schulleiter/innen durch einen solchen Mangel (Anm: an allgemein unterstützendem Personal) beeinträchtigt wird.“

Fortbildung
Ein BIFIE-Zitat vom Juni 2009 sei an die Spitze gestellt: „Österreichs Lehrer/innen sind grundsätzlich fortbildungsfreudig. Trotzdem gibt fast die Hälfte der Lehrpersonen an, noch mehr Fortbildung besuchen zu wollen.“
Österreich gehört zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an LehrerInnen, die Fortbildung besuchen. Österreichs LehrerInnen weisen auffallend viele freiwillige Fortbildungstage auf. Sie bilden sich gerne fort und würden gerne noch mehr Fortbildung besuchen.
Das BIFIE kam den Fakten entsprechend im Juni 2009 zu folgendem Schluss: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass die österreichischen Lehrer/innen großen Fortbildungswillen haben, dass aber das Angebot nicht mit der Nachfrage übereinstimmt.“ (nationaler TALIS-Bericht, Seite 38)

Wir erhoffen uns jedenfalls eine unverzügliche Reaktion, um den in der Öffentlichkeit bereits angerichteten Imageschaden so rasch und so weit wie möglich zu reparieren.

Die Vorsitzenden der Gewerkschaft

Vier Studierende übernehmen für drei Wochen den Biologieunterricht der Praxisschule. Sie bereiten sich wochenlang darauf vor, sammeln Materialien, kaufen Unterlagen, verfassen Konzepte. Sie sprechen alle Sinne der Kinder an (riechen, schmecken, hören, fühlen, sehen), sie wechseln die Methoden und Sozialformen, sie gehen auf individuelle Wünsche und Fortschritte ein und probieren alternative Bewertungssysteme.

Zum Abschluss setzen sich alle Beteiligten zu einer Feedback-Runde zusammen und ich kann mit großer Freude von einer gelungenen Praxiszeit berichten. Der leitende Univ.-Prof. wendet sich vertrauensvoll an die betroffenen Kinder:
"Welche Erinnerungen habt ihr denn an den Unterricht?"

1. "Die haben einen das/s-Fehler an die Tafel geschrieben!"
2. "Wir haben zu wenig ferngeschaut."
3. "Wir haben viel schreiben müssen."
4. "Unser Lehrer hat was Falsches von der Tafel löschen müssen."

Die Studierenden verfallen, ich sehe an ihren roten Köpfen, wie sie sich blamiert fühlen.

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In der Lehrerausbildung werden Videosequenzen von Schulunterricht gezeigt: Junge KollegInnen beim Prüfen, bei der Gruppenarbeit, bei Simulationen. Die Frage an die Studierenden lautet offen: "Was ist Ihnen dabei aufgefallen?"

Alles wird kritisiert, von der Kleidung bis zur Wortwahl, von der Bewegung im Raum bis zur Schülerbeteiligung. Ich bin richtig froh, wenn unter dreißig Wortmeldungen drei sind, die halbwegs positiv ausfallen. Alle machen alles immer falsch, bis ich erkläre, dass hier lange vorbereitete Modellstunden gezeigt wurden.

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Schauen Sie in die Medien, fragen Sie die Eltern oder lesen Sie einfach Beiträge bei diversen Lehrerblogs: Kritik, Kritik, nur negative Kritik.

Ich bin zufrieden mit den Leistungen unserer JunglehrerInnen, weil sie viel Engagement, freundliche Zuneigung zu den SchülerInnen und kurzweilige Abwechslung in die Klasse bringen. Aus dem Feedback lernen sie auch schnell für die Wirklichkeit:
"Sie können machen was sie wollen, sie sind Lehrer, d.h. schlecht!"

Negative Kritik - unser täglich Brot. Sie demotiviert. Sie frustriert. Sie ruiniert. Nicht nur SchülerInnen.

 

twoday.net AGB

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