"If you can make it there, you' ll make it anywhere", fällt mir als erster ein.
In der Überschrift des "Presse"-Artikels steht: "Manager lernen im SOS Kinderdorf Mitarbeiterführung."
Die Kurzfassung am Ende der Reportage macht mich stutzig: "Im SOS Kinderdorf Altmünster werden Führungskräfte trainiert: Die Kinder melden sich freiwillig, die Manager bzw. ihre Unternehmen zahlen 2690 Euro pro Kopf, das Kinderdorf erhält pro Seminar 2000 Euro."
Könnte ich als Pädagoge die Verantwortung dafür übernehmen, meine Kinder an ein viertägiges Trainingsprogramm zu verleihen?
Die Journalistin beschreibt den ziemlich erfolglosen Versuch des Jungmanagers Oliver H., fünf Mädchen einer Hauptschule zur Mitarbeit zu motivieren: Nicht Mathe, nicht Englisch oder Chemie - sie sollen ein Schiff aus Stoff und Holz bauen. Klingt aufregend.
Um es kurz zu machen: Oliver H. lernt, einiges auszuhalten. Kinder, die ihm nicht antworten. Kinder, die seine Sprache belachen. Kinder, die lieber auf ihren Armen malen statt ihre Meinung zum Thema "Wertschätzung" aufzuschreiben. Kinder eben.
"Das ist mir alles zu blöd", sagt er schließlich und macht sich selbst an den Schiffsbau. Das Projekt muss fertig werden. Zwei Mädchen bekommen Mitleid mit ihm, eines dreht die Musik im Hintergrund lauter, ein anderes sagt offen: "Letztes Jahr war das viel lustiger."
Fünf Kinder vier Tage lang zum Schiffbauen motivieren - das ist doch keine Herausforderung. Dreißig Kinder über zehn Monate zum Mitschreiben, zum Mitlernen, zum Arbeiten zu bringen - das ist unser Lehrerjob: If you can make it there, you' ll make it anywhere.
Letztlich finde ich das Projekt erschreckend gut: Kinder und Erwachsene lernen schätzen, was die faulen Lehrersäcke täglich leisten. Also: Ich hätte sieben Klassen mit durchschnittlich 25 Kindern zu vermieten. Rent my kids!
In der Überschrift des "Presse"-Artikels steht: "Manager lernen im SOS Kinderdorf Mitarbeiterführung."
Die Kurzfassung am Ende der Reportage macht mich stutzig: "Im SOS Kinderdorf Altmünster werden Führungskräfte trainiert: Die Kinder melden sich freiwillig, die Manager bzw. ihre Unternehmen zahlen 2690 Euro pro Kopf, das Kinderdorf erhält pro Seminar 2000 Euro."
Könnte ich als Pädagoge die Verantwortung dafür übernehmen, meine Kinder an ein viertägiges Trainingsprogramm zu verleihen?
Die Journalistin beschreibt den ziemlich erfolglosen Versuch des Jungmanagers Oliver H., fünf Mädchen einer Hauptschule zur Mitarbeit zu motivieren: Nicht Mathe, nicht Englisch oder Chemie - sie sollen ein Schiff aus Stoff und Holz bauen. Klingt aufregend.
Um es kurz zu machen: Oliver H. lernt, einiges auszuhalten. Kinder, die ihm nicht antworten. Kinder, die seine Sprache belachen. Kinder, die lieber auf ihren Armen malen statt ihre Meinung zum Thema "Wertschätzung" aufzuschreiben. Kinder eben.
"Das ist mir alles zu blöd", sagt er schließlich und macht sich selbst an den Schiffsbau. Das Projekt muss fertig werden. Zwei Mädchen bekommen Mitleid mit ihm, eines dreht die Musik im Hintergrund lauter, ein anderes sagt offen: "Letztes Jahr war das viel lustiger."
Fünf Kinder vier Tage lang zum Schiffbauen motivieren - das ist doch keine Herausforderung. Dreißig Kinder über zehn Monate zum Mitschreiben, zum Mitlernen, zum Arbeiten zu bringen - das ist unser Lehrerjob: If you can make it there, you' ll make it anywhere.
Letztlich finde ich das Projekt erschreckend gut: Kinder und Erwachsene lernen schätzen, was die faulen Lehrersäcke täglich leisten. Also: Ich hätte sieben Klassen mit durchschnittlich 25 Kindern zu vermieten. Rent my kids!
teacher - am Sonntag, 16. Mai 2010, 11:09
"Sie sitzen an den Maschinen und geben Gas."
Ich darf eine Werkstunde übernehmen.
In Werken sind die Klassen geteilt, die einen arbeiten "technisch", die anderen "textil". Früher gingen die Burschen "basteln" und die Mädchen "handarbeiten", heute sind beide Gruppen gemischt.
Der Lehrer des technischen Werkens ist kurzfristig erkrankt und ich stehe vor einer Kleingruppe von ca. 15 Kindern, die mit Laubsägen hantieren. Ich helfe beim Einspannen der Sägeblätter, befestige die Bohrer im Standgerät und zeige vor, was ich aus meiner Jugend an Schleifpapiererfahrungen herübergerettet habe.
Bei Problemen ("Wo finde ich den Lack?") wende ich mich an die Kollegin aus der Nachbarklasse, wo gerade Stoffe eingefärbt und maschinell zu lustigen Taschen vernäht werden.
Ich schaue mich neugierig um.Tatsächlich sitzen dort Burschen an den Nähmaschinen und geben Gas.
"Ja, die machen das sogar besser als die Mädchen."
"Komisch, bei mir sitzen die Mädchen und sägen fein säuberlich an den Bilderrahmen, während die Burschen wie die Wilden herumsäbeln."
"Das wundert mich nicht", erklärt die Werkerzieherin, "ich kann dir praktisch bei jedem Werkstück sagen, ob es von einem Mädchen oder einem Buben gefertigt wurde."
Das nenne ich die Ironie der Gleichbrechtigung. Früher wurden die Mädchen auf die feine, textile Handarbeit eingeschult, die Burschen auf die raue Holzarbeit. Heute machen beide Geschlechter beides, die Mädchen fein, die Burschen rau.
Ich darf eine Werkstunde übernehmen.
In Werken sind die Klassen geteilt, die einen arbeiten "technisch", die anderen "textil". Früher gingen die Burschen "basteln" und die Mädchen "handarbeiten", heute sind beide Gruppen gemischt.
Der Lehrer des technischen Werkens ist kurzfristig erkrankt und ich stehe vor einer Kleingruppe von ca. 15 Kindern, die mit Laubsägen hantieren. Ich helfe beim Einspannen der Sägeblätter, befestige die Bohrer im Standgerät und zeige vor, was ich aus meiner Jugend an Schleifpapiererfahrungen herübergerettet habe.
Bei Problemen ("Wo finde ich den Lack?") wende ich mich an die Kollegin aus der Nachbarklasse, wo gerade Stoffe eingefärbt und maschinell zu lustigen Taschen vernäht werden.
Ich schaue mich neugierig um.Tatsächlich sitzen dort Burschen an den Nähmaschinen und geben Gas.
"Ja, die machen das sogar besser als die Mädchen."
"Komisch, bei mir sitzen die Mädchen und sägen fein säuberlich an den Bilderrahmen, während die Burschen wie die Wilden herumsäbeln."
"Das wundert mich nicht", erklärt die Werkerzieherin, "ich kann dir praktisch bei jedem Werkstück sagen, ob es von einem Mädchen oder einem Buben gefertigt wurde."
Das nenne ich die Ironie der Gleichbrechtigung. Früher wurden die Mädchen auf die feine, textile Handarbeit eingeschult, die Burschen auf die raue Holzarbeit. Heute machen beide Geschlechter beides, die Mädchen fein, die Burschen rau.
teacher - am Samstag, 15. Mai 2010, 11:46
In den dritten und vierten Klassen (12-14 Jahre) bereiten wir unsere SchülerInnen auf die wichtige Frage der Berufswahl vor: BO = Berufsorientierung soll als Unterrichtsprinzip in allen Fächern aufgegriffen werden.
Über Themen wie Löhne, Urlaubsansprüche und Arbeitsbedingungen kommen wir zu Gründen, warum Arbeitnehmer gekündigt werden können:
A: "Wegen der Krise."
"Ja."
B: "Wenn jemand immer zu spät kommt."
"Genau!" (Kristian ist wieder 15 Minuten zu spät gekommen)
C: "Wenn jemand was klaut."
"Also Vorsicht!"
D: "Wenn jemand mit der Chefin schläft ..."
"Ah ...", mische ich mich wieder ein, "ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kündigungsgrund ist."
E: "Vielleicht ist der Chef ja froh drüber."
F: " ... oder sie ist eh schiach (= hässlich)."
Über Themen wie Löhne, Urlaubsansprüche und Arbeitsbedingungen kommen wir zu Gründen, warum Arbeitnehmer gekündigt werden können:
A: "Wegen der Krise."
"Ja."
B: "Wenn jemand immer zu spät kommt."
"Genau!" (Kristian ist wieder 15 Minuten zu spät gekommen)
C: "Wenn jemand was klaut."
"Also Vorsicht!"
D: "Wenn jemand mit der Chefin schläft ..."
"Ah ...", mische ich mich wieder ein, "ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kündigungsgrund ist."
E: "Vielleicht ist der Chef ja froh drüber."
F: " ... oder sie ist eh schiach (= hässlich)."
teacher - am Mittwoch, 12. Mai 2010, 08:54
"Im idealen Kinderzimmer steht ein Fahrrad mit Dynamo. Wenn ein Kind Fernsehen will, dann muss es auf dem Rad den notwendigen Strom erzeugen. Für den Computer heißt es auch treten, fürs Handy ebenso, für den mp3-Player und so weiter."
Im Scherz legt mir ein guter Freund seine pädagogische Verknüpfung von Medienkonsum und körperlicher Bewegung dar: Wer mehr fernsehen, chatten oder simsen will, der muss zum Ausgleich radeln.
"Was sind die schlimmsten 'kognitiven Killer'"?, fragt "Die Presse" die Neurobiologin Hannah Monyer in einem Kurzinterview zum Thema Gehirnforschung.
Monyer: "Permanente Ablenkung, Müdigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, dauernde Unter- oder Überforderung."
"Was mag es denn besonders?" (Anm.: das lernende Gehirn)
Monyer: "Meditation. Schlaf, Muße und Bewegung sind gut, aber Meditation ist sicher das Beste."
So ein Elektro-Hometrainer würde für Bewegung sorgen und permanente Ablenkung vermeiden. Gute Voraussetzungen fürs Lernen - bis zur Müdigkeit.
Vieles kann Schule - auch der beste Unterricht - nicht bieten, z.B. Zeit für Meditation, Schlaf und Muße. Für die richtige Dosis Herausforderung sorgen wir dann schon.
Im Scherz legt mir ein guter Freund seine pädagogische Verknüpfung von Medienkonsum und körperlicher Bewegung dar: Wer mehr fernsehen, chatten oder simsen will, der muss zum Ausgleich radeln.
"Was sind die schlimmsten 'kognitiven Killer'"?, fragt "Die Presse" die Neurobiologin Hannah Monyer in einem Kurzinterview zum Thema Gehirnforschung.
Monyer: "Permanente Ablenkung, Müdigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, dauernde Unter- oder Überforderung."
"Was mag es denn besonders?" (Anm.: das lernende Gehirn)
Monyer: "Meditation. Schlaf, Muße und Bewegung sind gut, aber Meditation ist sicher das Beste."
So ein Elektro-Hometrainer würde für Bewegung sorgen und permanente Ablenkung vermeiden. Gute Voraussetzungen fürs Lernen - bis zur Müdigkeit.
Vieles kann Schule - auch der beste Unterricht - nicht bieten, z.B. Zeit für Meditation, Schlaf und Muße. Für die richtige Dosis Herausforderung sorgen wir dann schon.
teacher - am Montag, 10. Mai 2010, 09:45
Ich sitze vor der Uni in der Sonne und trinke zu meinem Lieblingscroissant eine Tasse heiße Schokolade. Kurzurlaub.
An mir hastet und schlendert die künftige geistige Elite der Republik vorbei:
Converse, Diesel, H&M.
Iphone, Oakley, Hängetasche.
Aus dem Markendickicht sticht ein blaues T-Shirt heraus. Vorne steht in großen Lettern: "Bildung ist ..."
Der Rückenteil gibt Auskunft darüber:
"Name: Nadine"
"Fehlstunden: 256"
Liebe Nadine,
Was willst du deiner Umwelt mitteilen? Dass du stolz bist auf die vielen Unterrichtsstunden, die du - Teufel, bist du mutig - in der letzten Klasse versäumt hast? Dass es cool ist, auf das kostenlose Angebot auf Bildung zu verzichten? Oder dass du - schlau und tatkräftig - ein T-Shirt gefunden hast, das dem Zeitgeist der Unbildung huldigt?
Mann, Alter - ich bewundere dich!
Und gebe dir meine Deutung mit: Bildung .... macht frei.
lg teach
P.S.: Sollte das Hellblau deines T-Shirts auf Wendell Borton aus Bart Simpsons Klasse anspielen - der ist wirklich ständig krank.
An mir hastet und schlendert die künftige geistige Elite der Republik vorbei:
Converse, Diesel, H&M.
Iphone, Oakley, Hängetasche.
Aus dem Markendickicht sticht ein blaues T-Shirt heraus. Vorne steht in großen Lettern: "Bildung ist ..."
Der Rückenteil gibt Auskunft darüber:
"Name: Nadine"
"Fehlstunden: 256"
Liebe Nadine,
Was willst du deiner Umwelt mitteilen? Dass du stolz bist auf die vielen Unterrichtsstunden, die du - Teufel, bist du mutig - in der letzten Klasse versäumt hast? Dass es cool ist, auf das kostenlose Angebot auf Bildung zu verzichten? Oder dass du - schlau und tatkräftig - ein T-Shirt gefunden hast, das dem Zeitgeist der Unbildung huldigt?
Mann, Alter - ich bewundere dich!
Und gebe dir meine Deutung mit: Bildung .... macht frei.
lg teach
P.S.: Sollte das Hellblau deines T-Shirts auf Wendell Borton aus Bart Simpsons Klasse anspielen - der ist wirklich ständig krank.
teacher - am Samstag, 8. Mai 2010, 12:11
Ein Skikurs oder eine Sportwoche fordert den sozialen Umgang heraus. Die Kinder/Jugendlichen müssen Tag und Nacht miteinander - und mit den LeiterInnen - auskommen.
2.Tag, Anruf Vater:
"Wie können Sie die Sophie nur ins gleiche Zimmer wie die Adrienne legen? Die streiten ja die ganze Zeit miteinander. Die Sophie hält das nicht aus."
"Die Kinder machen sich selbst aus, wer in welchem Zimmer schläft."
"Das geht so nicht. Da müssen sie umplanen."
Rücksprache mit Sophie, Adrienne und den beteiligten Mädchen. Sophie wird schließlich ins Nachbarzimmer verlegt, die (unschuldige) Monika muss tauschen.
3. Tag, Anruf Mutter:
"Wieso haben Sie Sophie strafweise verlegt?"
"Wie bitte? Sie wollte doch nicht mehr mit Adrienne in einem Zimmer bleiben!"
"Wer hat Ihnen das gesagt?"
"Zunächst der Vater. Dann das Mädchen."
"Der braucht sich gar nicht einmischen! Wir sind geschieden."
Früher haben wir diese Geschichten mit den Kindern geklärt. Direkt. Vor Ort. Sie sind zu uns gekommen, wir haben miteinander geredet und gemeinsame Entscheidungen getroffen.
Dann wurde das Handy erfunden. Seitdem geht Kommunikation über vier Ecken. Die Kinder rufen zuhause an, bevor sie mit uns oder ihren Mitschülern verhandeln. Die - nein, manchefreche - Eltern fragen nicht nach Ursachen und Folgen, sondern verlangen eine schnelle, individuelle, sagen wir ruhig "egoistische" Lösung für ihre Nachkommenschaft. Oder drohen gleich mit einer Beschwerde beim Minister - ein Mail ist schnell geschrieben.
Die Abende verbringen wir nun am Handy. Statt miteinander.
2.Tag, Anruf Vater:
"Wie können Sie die Sophie nur ins gleiche Zimmer wie die Adrienne legen? Die streiten ja die ganze Zeit miteinander. Die Sophie hält das nicht aus."
"Die Kinder machen sich selbst aus, wer in welchem Zimmer schläft."
"Das geht so nicht. Da müssen sie umplanen."
Rücksprache mit Sophie, Adrienne und den beteiligten Mädchen. Sophie wird schließlich ins Nachbarzimmer verlegt, die (unschuldige) Monika muss tauschen.
3. Tag, Anruf Mutter:
"Wieso haben Sie Sophie strafweise verlegt?"
"Wie bitte? Sie wollte doch nicht mehr mit Adrienne in einem Zimmer bleiben!"
"Wer hat Ihnen das gesagt?"
"Zunächst der Vater. Dann das Mädchen."
"Der braucht sich gar nicht einmischen! Wir sind geschieden."
Früher haben wir diese Geschichten mit den Kindern geklärt. Direkt. Vor Ort. Sie sind zu uns gekommen, wir haben miteinander geredet und gemeinsame Entscheidungen getroffen.
Dann wurde das Handy erfunden. Seitdem geht Kommunikation über vier Ecken. Die Kinder rufen zuhause an, bevor sie mit uns oder ihren Mitschülern verhandeln. Die - nein, manche
Die Abende verbringen wir nun am Handy. Statt miteinander.
teacher - am Donnerstag, 6. Mai 2010, 12:26
Seit fast zwei Jahren treffen sich engagierte KollegInnen mit einem Spezialisten der Uni Klagenfurt, um Lösungsvorschläge gegen die wachsende Gewaltbereitschaft unserer SchülerInnen zu erarbeiten.
Bei der letzten pädagogischen Konferenz wurden die Maßnahmen professionell präsentiert:
1. Gewaltprävention: Lernklima verbessern, Soziales Lernen in den Einstiegklassen wiederbeleben
2. Dokumentation: Einrichtung eines Klassenheftes zur Verschriftlichung der Vorfälle, Stärkung der internen Information
3. Öffentlichkeitsarbeit: Hervorhebung der positiven und kreativen Seiten und Veröffentlichung von Berichten dazu
Klingt gut, wird die Schlägertypen massiv beeindrucken, Mobbing verhindern und die Schwachen schützen. Ihr könnt euch zurücklehnen, die Gewalt ist besiegt! Deren Wurzeln entsorgt! Oder was?
Bei der letzten pädagogischen Konferenz wurden die Maßnahmen professionell präsentiert:
1. Gewaltprävention: Lernklima verbessern, Soziales Lernen in den Einstiegklassen wiederbeleben
2. Dokumentation: Einrichtung eines Klassenheftes zur Verschriftlichung der Vorfälle, Stärkung der internen Information
3. Öffentlichkeitsarbeit: Hervorhebung der positiven und kreativen Seiten und Veröffentlichung von Berichten dazu
Klingt gut, wird die Schlägertypen massiv beeindrucken, Mobbing verhindern und die Schwachen schützen. Ihr könnt euch zurücklehnen, die Gewalt ist besiegt! Deren Wurzeln entsorgt! Oder was?
teacher - am Sonntag, 2. Mai 2010, 15:51
"Herr Professor, darf ich einmal die Fragen stellen?"
Meine Kleinen (10 Jahre) haben sich schnell an meinen Unterrichtsstil gewöhnt: Jede Stunde beginnt mit einer mündlichen Wiederholung der letzten Lerneinheit.
Frage - Antwort - Bewertung - Frage - Antwort ...
Noch nie haben mir SchülerInnen vorgeschlagen, selbst die Fragen stellen zu dürfen. Ich habe es selbst nie versucht, weil ich es für problematisch halte.
"OK", antworte ich, "wenn Du mein Hilfs-Sheriff sein willst."
Der Jüngling kommt zu mir an die Tafel und formuliert seine erste Frage.
"Nicht schlecht", denke ich, obwohl ich sie so nicht gestellt hätte.
In der Zwischenzeit hat er eine Mitschülerin aufgerufen, die sich freiwillig gemeldet hatte.
"War die Antwort gut?", frage ich meinen Hilf-Sheriff.
Er nickt und ich trage ein Plus ein.
Nächste Frage, nächste Antwort, nächstes Plus.
Am Ende der Stunde zeigt ein mutiges Mädchen auf:
"Darf ich der nächste Hilfs-Sheriff sein?"
"Ja, gerne."
Sie hatte bemerkt, dass ich auch dem Hilfs-Sheriff ein Plus für kreative Mitarbeit eingetragen habe.
Jetzt läuft es. Manchmal schreiben sie mir schon am Ende der Stunde die Wiederholungsfragen für die nächste, denken bei Videos drüber nach, welche Fragen sie dazu formulieren könnten und passen genau auf, ob ich gute Fragen genauso belohne wie gute Antworten.
Tu ich.
Meine Kleinen (10 Jahre) haben sich schnell an meinen Unterrichtsstil gewöhnt: Jede Stunde beginnt mit einer mündlichen Wiederholung der letzten Lerneinheit.
Frage - Antwort - Bewertung - Frage - Antwort ...
Noch nie haben mir SchülerInnen vorgeschlagen, selbst die Fragen stellen zu dürfen. Ich habe es selbst nie versucht, weil ich es für problematisch halte.
"OK", antworte ich, "wenn Du mein Hilfs-Sheriff sein willst."
Der Jüngling kommt zu mir an die Tafel und formuliert seine erste Frage.
"Nicht schlecht", denke ich, obwohl ich sie so nicht gestellt hätte.
In der Zwischenzeit hat er eine Mitschülerin aufgerufen, die sich freiwillig gemeldet hatte.
"War die Antwort gut?", frage ich meinen Hilf-Sheriff.
Er nickt und ich trage ein Plus ein.
Nächste Frage, nächste Antwort, nächstes Plus.
Am Ende der Stunde zeigt ein mutiges Mädchen auf:
"Darf ich der nächste Hilfs-Sheriff sein?"
"Ja, gerne."
Sie hatte bemerkt, dass ich auch dem Hilfs-Sheriff ein Plus für kreative Mitarbeit eingetragen habe.
Jetzt läuft es. Manchmal schreiben sie mir schon am Ende der Stunde die Wiederholungsfragen für die nächste, denken bei Videos drüber nach, welche Fragen sie dazu formulieren könnten und passen genau auf, ob ich gute Fragen genauso belohne wie gute Antworten.
Tu ich.
teacher - am Mittwoch, 28. April 2010, 20:17
Mein neuer Testsatz lautet: "Er bestellt halt einen Pitcher ... und ex."
Dann warte ich die Reaktionen der ZuhörerInnen ab.
Wer in den letzten Jahren eine Disco oder einen Club von innen gesehen hat, der weiß Bescheid und gehört unter den 30+ (Frühsenioren) zur einer feinen Minderheit: Die aktiven Auskenner.
Die meisten Eltern/Älteren schauen mich fragend an und harren einer Erklärung:
"Ein Pitcher, da ist ein ziemlich großes Glas. Das bestellt der coole Discogast (auch die Gästin tut's) und trinkt es aus. Wenn er/sie richtig cool drauf ist. Noch cooler ist es, wenn dieses Minifass mit einem netten Mixgetränk gefüllt wird (Wodka Orange, Flying Bull oder so) und mit vielen Gläsern (feineres Lokal) oder langen Trinkhalmen (weniger feine Variante) auf den Tisch gestellt wird. Kostet so 30-50 Euro das Stück und zwingt zu weiteren Einladungsrunden."
Da hat sich das Sauf-Marketing was einfallen lassen, aber Hallo.
"Gut", sage ich, "wir haben offenbar die versoffenste Jugend überhaupt. Sie beginnen mit elf zu rauchen ... und verfetten zusehends."
"Pitcher" ist meine Antwort auf die Frage, ob Bildung auch Erziehung braucht.
"Ja. Wenn es nicht gelingt, unsere Jugend zu gesundem Leben zu erziehen und sie vor ihren eigenen Süchten zu schützen, dann brauchen wir das Bildungssystem nicht reformieren."
Schlecht ernährte, unausgeschlafene, von Alkohol beeinträchtigte SchülerInnen können nicht lernen. Nicht arbeiten. Sich nicht entwickeln.
Dann warte ich die Reaktionen der ZuhörerInnen ab.
Wer in den letzten Jahren eine Disco oder einen Club von innen gesehen hat, der weiß Bescheid und gehört unter den 30+ (Frühsenioren) zur einer feinen Minderheit: Die aktiven Auskenner.
Die meisten Eltern/Älteren schauen mich fragend an und harren einer Erklärung:
"Ein Pitcher, da ist ein ziemlich großes Glas. Das bestellt der coole Discogast (auch die Gästin tut's) und trinkt es aus. Wenn er/sie richtig cool drauf ist. Noch cooler ist es, wenn dieses Minifass mit einem netten Mixgetränk gefüllt wird (Wodka Orange, Flying Bull oder so) und mit vielen Gläsern (feineres Lokal) oder langen Trinkhalmen (weniger feine Variante) auf den Tisch gestellt wird. Kostet so 30-50 Euro das Stück und zwingt zu weiteren Einladungsrunden."
Da hat sich das Sauf-Marketing was einfallen lassen, aber Hallo.
"Gut", sage ich, "wir haben offenbar die versoffenste Jugend überhaupt. Sie beginnen mit elf zu rauchen ... und verfetten zusehends."
"Pitcher" ist meine Antwort auf die Frage, ob Bildung auch Erziehung braucht.
"Ja. Wenn es nicht gelingt, unsere Jugend zu gesundem Leben zu erziehen und sie vor ihren eigenen Süchten zu schützen, dann brauchen wir das Bildungssystem nicht reformieren."
Schlecht ernährte, unausgeschlafene, von Alkohol beeinträchtigte SchülerInnen können nicht lernen. Nicht arbeiten. Sich nicht entwickeln.
teacher - am Dienstag, 27. April 2010, 13:58
Unterricht.
Die Klassentüre geht abrupt auf, herein kommt schwungvoll eine Kollegin, deren Mimik keinen freundlichen Höflichkeitsbesuch verspricht.
"So! Die Mädchen sagen mir nächste Stunde, ob wir morgen das Projekt durchziehen oder nicht."
Die Mädchen kennen sich aus, ich nicht.
"Zwei von euch waren vorher bei mir und haben gesagt, dass sie nicht mitkommen wollen. Das geht so nicht. Ich habe euch zuerst abstimmen lassen, dann das ganze Paket reserviert, das Geld abgesammelt und eingezahlt ... und fünf vor zwölf wollt ihr aussteigen. Das geht nicht."
Ein Mädchen zeigt auf: "Bekommen wir die zehn Euro zurück?"
Die Kollegin geht richtig in Saft:
"Ich habe schon bezahlt! Die Lebensmittel sind eingekauft, die Räume reserviert, die Trainerin bestellt ... wie stellt ihr euch das vor?"
Die Mädchen kennen sich aus, ich lehne mich zurück und schweige wie ein geprügelter Hund. Die Stimmung ist bei Null.
Die Kollegin macht leise Hoffnung.
"Ich kann versuchen, andere Schüler aufzutreiben, die hier einspringen, aber so schnell umplanen, das ist ein Wahnsinn. Wie komme ich dazu."
Niemand sagt etwas, alle schauen beschämt auf den Boden.
"Also. In der nächsten Pause brauche ich eine endgültige Entscheidung. Wollt ihr mitkommen, dann treffen wir uns morgen um 14.00 Uhr beim Schuleingang. Wenn nicht, dann suche ich eine andere Gruppe. ABER: Dann gehe ich mit euch NIRGENDS mehr hin ... kein Bowling, kein Fitnesscenter ... kein Lehrausgang mehr mit dieser Klasse!"
"Tschuldigung", wirft sie mir zu, "aber diesen Stress brauche ich kein zweites Mal."
Ich auch nicht - die Stunde ist gelaufen, an Unterricht nicht mehr zu denken. Die Mädchen organisieren sich, eine Unterschriftenliste geht durch die Reihe: Die meisten wollen doch. Müssen wohl wollen.
Ich lasse mich aufklären.
Die Mädchen: "Wir haben geglaubt, dass wäre ein lustiger Nachmittag. Irgendein cooler Sport und ein nettes Essen ... aber so."
Die Kollegin: "Ich will ihnen zeigen, wie man gesund isst. Also kochen wir gemeinsam, dann essen wir und machen ein paar Gesundheitsübungen ... sie haben sich fürs Steppen entschieden."
Ich schweige. Nur nicht zwischen die Fronten geraten. Ich habe drei Jahre gebraucht, um reden zu lernen und dreißig Jahre, um schweigen zu können. Beides hilft wahnsinnig gut, wenn man es richtig macht.
Die Klassentüre geht abrupt auf, herein kommt schwungvoll eine Kollegin, deren Mimik keinen freundlichen Höflichkeitsbesuch verspricht.
"So! Die Mädchen sagen mir nächste Stunde, ob wir morgen das Projekt durchziehen oder nicht."
Die Mädchen kennen sich aus, ich nicht.
"Zwei von euch waren vorher bei mir und haben gesagt, dass sie nicht mitkommen wollen. Das geht so nicht. Ich habe euch zuerst abstimmen lassen, dann das ganze Paket reserviert, das Geld abgesammelt und eingezahlt ... und fünf vor zwölf wollt ihr aussteigen. Das geht nicht."
Ein Mädchen zeigt auf: "Bekommen wir die zehn Euro zurück?"
Die Kollegin geht richtig in Saft:
"Ich habe schon bezahlt! Die Lebensmittel sind eingekauft, die Räume reserviert, die Trainerin bestellt ... wie stellt ihr euch das vor?"
Die Mädchen kennen sich aus, ich lehne mich zurück und schweige wie ein geprügelter Hund. Die Stimmung ist bei Null.
Die Kollegin macht leise Hoffnung.
"Ich kann versuchen, andere Schüler aufzutreiben, die hier einspringen, aber so schnell umplanen, das ist ein Wahnsinn. Wie komme ich dazu."
Niemand sagt etwas, alle schauen beschämt auf den Boden.
"Also. In der nächsten Pause brauche ich eine endgültige Entscheidung. Wollt ihr mitkommen, dann treffen wir uns morgen um 14.00 Uhr beim Schuleingang. Wenn nicht, dann suche ich eine andere Gruppe. ABER: Dann gehe ich mit euch NIRGENDS mehr hin ... kein Bowling, kein Fitnesscenter ... kein Lehrausgang mehr mit dieser Klasse!"
"Tschuldigung", wirft sie mir zu, "aber diesen Stress brauche ich kein zweites Mal."
Ich auch nicht - die Stunde ist gelaufen, an Unterricht nicht mehr zu denken. Die Mädchen organisieren sich, eine Unterschriftenliste geht durch die Reihe: Die meisten wollen doch. Müssen wohl wollen.
Ich lasse mich aufklären.
Die Mädchen: "Wir haben geglaubt, dass wäre ein lustiger Nachmittag. Irgendein cooler Sport und ein nettes Essen ... aber so."
Die Kollegin: "Ich will ihnen zeigen, wie man gesund isst. Also kochen wir gemeinsam, dann essen wir und machen ein paar Gesundheitsübungen ... sie haben sich fürs Steppen entschieden."
Ich schweige. Nur nicht zwischen die Fronten geraten. Ich habe drei Jahre gebraucht, um reden zu lernen und dreißig Jahre, um schweigen zu können. Beides hilft wahnsinnig gut, wenn man es richtig macht.
teacher - am Mittwoch, 21. April 2010, 20:36