Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
cotopaxi

 
Beim Hanteltraining komme ich gerne ins Grübeln, nicht einmal die VIVA-Dauerbeschallung kann das verhindern. Ich lege mir 35 Kilo auf - bei 20 hatte ich vor zwei Jahren begonnen - und stöhne leise in mich hinein.
(Der große Stöhner neben mir geht mir schwer auf den Wecker.)
Drei Durchgänge zu je 15 Zügen habe ich mir vorgenommen. Natürlich will ich mein selbst bestimmtes Ziel erreichen - ich schaffe es auch - trotzdem beginne ich heute auf halbem Weg zu schummeln. Die Schultermuskeln ziehen, die Arme schmerzen, also drücke ich die Ellbogen nicht ganz durch und versuche die Gewichte mit Schwung zu überlisten.

So komme ich ins Grübeln, zum Thema schulischen Selbstbetrug.
Eigenverantwortliches Arbeiten (EVA) ist heutzutage angesagt:
"So, Leute. Wer bis zum Mittwoch eine der Textaufgaben macht, dem kann ich noch vor der Prüfung die Korrektur zurück geben. Nützt diese Chance!"

Eine Hausaufgabe als Chance? ("Jetzt spinnt er, der Alte!")

Das verstehen nur 50 % der Schüler. Die anderen haben in meine Worte "Freiwilligkeit" hinein interpretiert. In eigener Verantwortung verzichtet die schwächere (!) Hälfte auf mein Angebot.

Ich bringe meine 45 Trainingseinheiten nicht zu Ende. Das Bier vom Mittagstisch hat mich ermüdet und keiner kontrolliert meine Performance (samstags hat der Trainer frei!), also was soll's. Ich gebe ihm nach, dem inneren Schweinehund, der nach Freiheit, Bequemlichkeit und Entspannung ruft.

Aber am Montag erwarte ich von meinen SchülerInnen begeisterte Selbstgeiselung: "Ihr lernt ausschließlich für euch selbst! Strengt euch an!"
Und ich, erwachsen und vernünftig, trainiere ich etwa für meinen Fitnesscoach, den ich betrügen und belügen muss? Oder die neue Nachbarin? Oder geht es um MEINE Gesundheit, MEINE Figur, MEIN Ego, wenn ich schummle.
tyndra (Gast) meinte am 15. Apr, 10:34:
oh oh - SEHR streng isser mit sich, der herr teacher. ich hätt noch eine variante (ausrede) anzubieten: immer 100% geben geht nicht. klappt die unterwerfung des schweinehundes mal bei einem training nicht so gut, gehts dafür beim nächsten mal besser.

und die schüler: haben sie am montag keinen biss für die aufgaben, können sie´s ja noch am dienstag machen. ein BISSL schweinehund sei allen zugestanden ;-) 
teacher antwortete am 15. Apr, 15:32:
Ich sage immer: 120 % verlangen, wenn man 100 % haben will.
Wenn ich 100 % verlange , kriege ich nur 80. Dann habe ich den Schweinehund schon eingerechnet! 
tyndra (Gast) antwortete am 16. Apr, 08:11:
bescheidenheit ist eine zier? ;-))))) 
Nielsson meinte am 15. Apr, 10:55:
Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere: Jegliche Arbeit für die Schule war unangenehmer als die gleichzeitig mögliche Freizeitgestaltung. Wenn also etws freiwillig war, war das nicht unbedingt ein Anreiz... Dieses "man lernt für sich selbst" ist viel zu fern und theoretisch, damals war mir das glaube ich noch nicht mal ein Begriff. Und wenn es mir bekannt gewesen wäre, so wäre es kein Motivator gewesen.
Entweder (Lern-) Arbeitsvermeidung war bei mir genetisch vorgegeben oder zumindest grundlegend erlernt. Und bei den allermeisten meiner Klassenkameraden ebenso. 
teacher antwortete am 15. Apr, 20:25:
Genau das erlebe ich täglich mit ... und kann es nicht ändern. Selbst wenn ich sage, ihr habt 2 Wochen Zeit für ein Portfolio, ihr dürft JEDES Thema aussuchen, es muss bloß in Französisch gemacht werden, entsteht sofort eine unwillige Arbeitsatmosphäre. Schule! 
Jochen (Gast) meinte am 15. Apr, 12:05:
Autonomer Schweinehund
Ich habe mal was Ähnliches zum Thema "autonomes Lernen" geschrieben: http://www.jochenenglish.de/?p=214 
Stef (Gast) antwortete am 15. Apr, 12:35:
Veränderungen !!!
ich zitiere mal von jochen, der seine erfahrungen aus dem sport auf unterricht überträgt:

"Kein Mensch macht freiwillig “selbstorganisiert” Bauchmuskelübungen, keiner rennt “aus Einsicht” 20 Minuten lang durch die Gegend und Stretching machen die meisten Fußballer auch eher maulig."

genau das ist es !!! wenn jahrelang ein trainer frontal stretching und aufwärmen 'verordnet', dann soll man sich nicht wundern, wenn selbstorganisiertes training plötzlich aus dem ruder läuft. nun beobachte man mal weniger hierachische organisierte mannschaften, z.b. unisport oder das persönliche jogging. hier zeigen sich ganz andere - selbstorganiserte - verhaltensmuster. es wird freiwillig gedehnt und aufgewärmt, zum training gekommen etc. WARUM ??? weil es einem persönlich SINNVOLL erscheint. aus diesem grund scheitern auch die von dir genannten reginalligakicker. sie kennen es nicht anders! trainer sagt, spieler macht ... ... ... und so wären wir wieder beim unterricht!

ich mache in der grundschule ganz andere erfahrungen. offene konzepte funktionieren! keine junge kollegin kann unterrichtsmuster in einer oberstufen klasse von heute auf morgen auf den kopf stellen. schüler sind es gewohnt, dass der trainer den lernbetrieb am laufen hält. dass selbstorganisiertes lernen möglich, nein sogar spritziger, effektiver, erfüllender sein kann, haben sie vielleicht nie erfahren oder müssen es erst mühsam entdecken.

den oben beschriebenen schweinehund kennt übrigens jeder, auch schüler beim freien lernen. solche phasen lassen sich auch bei offeneren unterrichtsituationen beobachten ... aber sie vergehen. so wird es auch bei deinem hanteltraining sein. wird es das aber auch beim zweiten tag, beim dritten tag usw. sein, solltest du dir die frage stellen, ob es für dich wirklich SINNVOLL ist, ins fitnesscenter zu gehen. vielleicht gibt es ja einen sport, den du wirklich gerne magst?! das ist lernen in freiheit! 
teacher antwortete am 15. Apr, 20:44:
@ Jochen: Habe den Artikel (und die Kommentare) sehr geschätzt!
@ Stef: Ich kenne auch Themen, wo SOL blendend funktioniert. Aber beim harten Arbeiten (z.B. Grammatik) eignet sie sich wenig. 
Simon Columbus (Gast) meinte am 15. Apr, 14:38:
In meinen Augen ist es immer eine Frage des Ziels. Wenn ein konkretes Ziel da ist, macht man Arbeit. Bei Schülern ist das Problem natürlich, dass man für ein sehr fernes Ziel lernt - einen guten Abschluss in einigen Jahren. Die nächste Arbeit kann man nicht als Ziel gelten lassen.
Wieso? Weil Arbeiten reiner Selbstzweck sind. Wenn ich einen Text für mein Blog schreibe, dann tue ich das, damit er gelesen wird (natürlich auch, weil es mir Spaß macht...). Schreibe ich einen Text für eine Arbeit - auch bei einem interessanten Thema - tue ich das, um einen Leistungsnachweis zu bringen. Toll. Kann ich mir davon etwas kaufen?

Das gleiche beim Sport. Ist ein konkretes Ziel da, macht man die Übungen ZIELstrebiger. Wen wunderts, dass die Leistung dann besser ist? 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma