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cotopaxi

 
Kollegin T. sitzt beim Schreibtisch und fragt rhetorisch: "Bin ich eigentlich bei der Polizei?"
Mein entschlossenes "Nein" genügt ihr nicht.
"Seit Wochen kontrolliere ich jetzt die Entschuldigungen und vergleiche die Unterschriften."
"Warum?"
"Die Jacqui unterschreibt gerne selbst."
"Sie fälscht die Unterschrift ihrer Mutter?"
"Das behaupte ich. Nur die Jacqui gibt es nicht zu ... und die Mutter hält zu ihrer Tochter."
"Ja, dann ist das nicht mehr deine Sache. Die Mutter deckt offensichtlich den Betrug ihrer Tochter."
"Genau. Obwohl sie oft gar nicht weiß, wo die Jacqui ist oder war ... mir sagt sie ins Gesicht, dass ihre Unterschrift auch mal so aussehen kann."
"Sie belügt dich also."
"Davon muss ich ausgehen. Schau dir diese Unterschrift an ... ein Kindergekritzel ... eindeutig Jacqui."
"Vorschlag: Was passiert, wenn du das nicht bemerkst?"
Erstauntes Gesicht.
Nachfrage: "Bist Du bei der Polizei?"

Epilog Unterschriftenfälschung.

Früher: Skandal, Disziplinarkonferenz, entsetzte Eltern, Strafe.
Heute: Beschwichtigung, mitspielende Eltern, keine Konsequenz.
Morgen: Ignorieren, Wegschauen. "Wenn es keine Konsequenzen hat, dann brauch' ich auch nichts unternehmen."

Liebe Gesellschaft - du willst es so, unsere Kinder lernen es so. Wir werden es so haben.
creature meinte am 1. Mär, 14:46:
gebe zu, hab ich auch gemacht und zwar perfekt, stunden hab ich die schrift meiner mutter geübt bis sie selbst nicht mehr wußte ob sie es war! 
teacher antwortete am 1. Mär, 14:56:
Jacqui ist noch nicht ganz so perfekt - aber die Mutter spielt mit. Sie betrügen sich selbst, das kann ich dazu nur sagen. 
creature antwortete am 1. Mär, 15:04:
nur gleich so mit bestrafung zu reagieren wie der anonyme gast da unten fänd ich sehr überzogen.
ein gespräch zusammen mit der mutter und tochter ohne schuldzuweisungen und drohungen wäre doch besser, beide können dann zu hause darüber nachdenken oder auch nicht, das ist ja nicht mehr aufgabe der schule. 
teacher antwortete am 1. Mär, 15:09:
Das ginge mit vernünftigen Eltern. Aber die Mutter will ihr Gesicht nicht verlieren. 
gast meinte am 1. Mär, 14:54:
Solche Mütter müssen massiv (hohe Geldstrafe) bestraft werden, neben ihrer Tochter, die ebenfalls neben einer Geldstafe von der Schule verwiesen werden muß. 
teacher antwortete am 1. Mär, 15:02:
Uff, das traue ich mir nicht zu fordern. Dafür müsste man wirklich den Nachweis des Betrugs erbringen - wir sind nicht bei der Polizei.
Jacqui ist jedenfalls schulpflichtig und die Mutter leistet Beihilfe zum Betrug - statt ihre Tochter zu erziehen. 
gast antwortete am 1. Mär, 15:04:
Im Grunde genommen muß der Lehrer, neben vielen anderen Dingen, auch noch polizeiliche Aufgaben unternehmen, denn so geht es nicht weiter.
Das war während meiner Schulzeit (80er Jahre) ja schon schlimm, aber es artet wirklich aus. 
teacher antwortete am 1. Mär, 15:08:
Wir könnten auch die Schulpflicht streichen: Wenn die Kinder nicht kommen wollen und die Eltern das unterstützen, dann bitte nicht. Wir sind eine freie (liberale) Gesellschaft! 
amadea (Gast) meinte am 1. Mär, 15:59:
Genau so ist es.
Leider.
ich habe einmal im Leben Unterschrift gefälscht. Da war ich noch in der Volksschule und hatte ein Befriedigend auf die Rechenschularbeit (das hieß damals so). Und ich fälschte die Unterschrift. Es war offensichtlich. Aber niemand bemerkte etwas.
Die Lehrerin kam vermutlich gar nicht auf die Idee, dass jemand bei einem Dreier Unterschrift fälscht. Aber ich habe Blut geschwitzt. 
killoyle (Gast) antwortete am 1. Mär, 16:48:
In meinen Augen ist das, was du beschreibst, das Grundübel, was an deutschen Schulen herrscht. Einige (wenige!) Eltern machen gemeinsame Sache gegenüber LehrerInnen/Schule. Da werden LehrerInnen schlecht geredet (vor den Kindern), Schwänzen durch Entschuldigungen 'gedeckt', Maßnahmen der Schule angesichts unzumutbaren Verhaltens angezweifelt und in Frage gestellt, den SchülerInnen vergessene Hausaufgaben in die Schule hinterher gebracht... In meinen Augen ist das Ausdruck einer pervertierten Liebe zum Kind.
Kinder brauchen Erwachsene an denen sie sich reiben können und nicht, die ihre Fehler unterstützen. Aber dies wäre anstrengender, denn man müsste sich mit dem Kind auseinander setzen.
Arme Kinder. 
teacher antwortete am 1. Mär, 17:45:
Gut zusammengefasst. "Tolle Eltern", nennen das die Kleinen ... und lernen, dass Lügen und Betrügen erlaubt ist. 
creature antwortete am 1. Mär, 18:00:
es "soll" nicht sein, die wirklichkeit sieht anders aus vor allem wenn man wie ich lange im verkauf und marketing tätig war, wenn du da nicht bereit warst manche dinge etwas "hinzubiegen" kannst dich gleich beim AMS anmelden, leider! 
tyndra (Gast) meinte am 2. Mär, 07:30:
ich finde...
das ist nicht mehr das problem der professorInnen. mehr als die eltern informieren geht nicht - und was sollt ihr machen, wenn die den betrug decken?

das ist eindeutig ein problem zwischen eltern und ihren kindern. was denkt deine kollegin, was sie tun sollte? das würde mich interessieren. wirklich zur polizei gehen? aber was hätte das für einen sinn, wenn die mutter dann stein und bein schwört, das wären alles ihre unterschriften? 
teacher antwortete am 2. Mär, 15:06:
Keine Polizei, das bringt niemanden was. Aber ignorieren oder übersehen heißt doch für die Betrüger, dass alles ok ist. D.h. wir müssen lästig bleiben und uns unsympathisch zeigen. Wir müssen unseren schlechten Ruf ausbauen! 
gulogulo antwortete am 2. Mär, 15:36:
gibts in der klasse keinen "vernünftigen alphaschüler", auf den sie hört, der ihr sagen könnte, sie soll mit dem schmarrn aufhören?
(bzw. natürlich schülerin ...) 
tyndra (Gast) antwortete am 2. Mär, 21:06:
hmm...
und wie genau baut ihr euren schlechten ruf aus? das würde mich sehr interessieren. ruft ihr die mutter dann ein zweites, ein drittes, ein viertes mal an, um euch wieder ein "ja, das ist meine unterschrift" abzuholen? oder gibt´s eine konferenz darüber?

mit der rückendeckung entzieht die mutter ja quasi das kind und sich selbst der "bestrafung" bzw. der konsequenzen. es gibt ja offiziell keinen grund, um tätig zu werden.

das ist echt eine blöde situation. 
teacher antwortete am 3. Mär, 19:56:
Es gibt keine klare Linie, jeder Klassenvorstand entscheidet nach Gutdünken, wie er mit solchen Schülern (besser: Eltern) umgeht. 
meinereine (Gast) meinte am 2. Mär, 08:38:
ich sehe es anders
aber ich kenne weder frau noch kind.
nur zum nachdenken ein liedtext von reinhard mey..
und von mri der gedanken, dass ich mir eltern gewünscht hätte, die immer hinter mir stehen....


Ich denke, ich muß so zwölf Jahre alt gewesen sein,
Und wieder einmal war es Zeugnistag.
Nur diesmal, dacht‘ ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein,
Als meines weiß und häßlich vor mir lag.
Dabei war‘n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt,
Ich war ein fauler Hund und obendrein
Höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt,
So ein totaler Versager zu sein.

So, jetzt ist es passiert, dacht‘ ich mir, jetzt ist alles aus,
Nicht einmal eine 4 in Religion.
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus,
Sondern allenfalls zur Fremdenlegion.
Ich zeigt‘ es meinen Eltern nicht und unterschrieb für sie,
Schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl‘n!
Ich war vielleicht ‘ne Niete in Deutsch und Biologie,
Dafür konnt‘ ich schon immer ganz gut mal‘n!

Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus,
Die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt.
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus,
So stand ich da, allein, stumm und geknickt.
Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück,
Voll Selbstgerechtigkeit genoß er schon
Die Maulschellen für den Betrüger, das mißrat‘ne Stück,
Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn.

Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an
Und sagte ruhig: „Was mich anbetrifft,
So gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran,
Das ist tatsächlich meine Unterschrift.“
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug.
Gekritzelt zwar, doch müsse man versteh‘n,
Daß sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug.
Dann sagte sie: „Komm, Junge, laß uns geh‘n.“
Ich hab‘ noch manches langes Jahr auf Schulbänken verlor‘n
Und lernte widerspruchslos vor mich hin
Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn,
Daß ich dabei nicht ganz verblödet bin!
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr‘n herausgesiebt,
Die eine nur aus dem Haufen Ballast:
Wie gut es tut, zu wissen, daß dir jemand Zuflucht gibt,
Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!

Ich weiß nicht, ob es Rechtens war, daß meine Eltern mich
Da rausholten, und wo bleibt die Moral?
Die Schlauen diskutier‘n, die Besserwisser streiten sich,
Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal.
Ich weiß nur eins, ich wünsche allen Kindern auf der Welt,
Und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind,
Wenn‘s brenzlig wird, wenn‘s schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt,
Eltern, die aus diesem Holze sind. 
teacher antwortete am 2. Mär, 15:03:
Mich wundert es, dass solche Eltern zu Helden hochstilisiert werden. Natürlich werde ich hinter meinen Kindern stehen - wenn sie ihre Fehler einsehen und daraus lernen (wollen). 
stichi (Gast) antwortete am 2. Mär, 16:51:
So ein grausliges Gesülze!!!! Würg! Schon dieses blöde Konstrukt, dass man unbemerkt ein Zeugnis kriegt und die Eltern nichts davon wissen, regt mich auf. Dümmlich und gutmenschelnd.

Und wo ziehen wir dann die Grenze? Leichte Körperverletzung? Schwere Körperverletzung?
Man kann ja wohl zu seinem Kind halten und ihm trotzdem klarmachen, was geht und was nicht.

stichi 
creature antwortete am 2. Mär, 18:09:
da meldet sich natürlich sofort die "ordnung muß sein" fraktion, und aus angst, aus unterschrift fälschen wird gleich ein verbrecher!
ich hoffe das sich dieser menschenschlag nicht allzusehr vermehren mag.. :-)

mir sind wirklich vom herzen die gutmenschen wesentlich lieber, die welche auch mal ein auge zudrücken können. 
stichi (Gast) antwortete am 2. Mär, 20:19:
Na da schaun wir doch mal, was der Gutmensch meint, wenn seine Unterschrift auf einem wichtigen Dokument gefälscht wird.

Und mit "Ordnung muss sein" hat das gar nichts zu tun, eher mit Recht muss Recht bleiben.

Ordnung muss sein 
Stef (Gast) antwortete am 3. Mär, 00:24:
So ein Blödsinn!
Das ist nicht die "Ordnung muss sein"-Fraktion, sondern ein Hilferuf von der Frontlinie ... wie ich ihn nur 1000x mal unterschreiben kann.

Beispiel hätte ich zuhauf: z.Z. ärgere ich mich über die Mutter einer Schülerin, die seit geraumer Zeit ihre Hausaufgaben nicht mehr ordentlich erledigt. Konsequenz: sie wird langsamer und langsmer, fauler und fauler, unsicherer und unsicherer ... und ist innerhalb eines Jahres von 3 auf 5 abgesackt. Alle meine Bemühungen prallen ab, begründet durch eine falsche Solidarisierung mit dem Kind. Dabei ist es so durchschaubar: die Mutter lebt in Scheidung und "fühlt" eine starker Konkurrenz zu ihrem Ex-Mann. Nun wird sich "Zuneigung" erkauft. Beziehung statt Erziehung!

Und dieserlei gibt es zuhauf ... 
tyndra (Gast) antwortete am 3. Mär, 09:07:
ja, genau das
sehe ich auch als das problem: wenn die eltern (oder die mutter oder der vater) bei der sache mitspielen, bist du als lehrerIn de facto machtlos. oder? 
Nachtblau antwortete am 3. Mär, 19:59:
Natürlich. Aber dann trotzdem schuld, wenn das Kind nix lernt und von der Schule fliegt. 
teacher antwortete am 3. Mär, 20:03:
Brutal wahr! 
Alex (Gast) antwortete am 5. Mär, 11:37:
dennoch die Schwerter halten....
naja, es kann bei so einer Sache, je nach Situation, so viel Unterschiedliches dahinterstehen, und wer vermag schon zu sagen, ob sich dass schlussendlich so negativ auswirken wird, wie manch einer hier befürchtet.

So wie *teacher* geschrieben hat. Wenn die Eltern das decken, sind die Schule und der Lehrer, aus der Verpflichtung dieses zu bemerken und zu kommentieren, raus.

Kleine Provokation am Schluss: Die Lehrer sollen sich vielmehr bemühen den Stoff so interessant zu gestalten, dass gar keiner fehlen möchte. 
stichi antwortete am 5. Mär, 14:11:
kleine Provokation als Antwort...
Wörtliches Zitat eines Schülers auf die Nachfrage eines Kollegen, ob jetzt alle den besprochenen Sachverhalt verstanden haben:

"Ach Herr P...., wir wollen doch gar nichts wissen, wir wollen doch bloß das Abitur."

Dann macht mal Unterricht, der für solche Schüler interessant ist UND ihr Wissen vermehrt! Viel Glück!!!

stichi 
teacher antwortete am 5. Mär, 18:18:
Der beste Koch kann einem Satten nicht genügen!
Ganz offen: Schüler (und Studenten!), die gar nix wissen wollen, bloß gut leben, gibt es in Hülle und Fülle. Auch unter den Erwachsenen und unter den Lehrern macht sich diese Wohlstandsättigung wunderbar breit. 
 

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