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cotopaxi

 
Vor 20 Jahren hat der Direktor vehement verlangt, dass seine Lehrer für jede Stunde eine Hausübung verlangen. Und diese auch sorgfältig korrigieren: "Eine Stunde ohne Übung am Nachmittag, individuell und in Ruhe - da bleibt nichts hängen."

Und wir hielten uns daran. Die SchülerInnen auch. Pflichten eben.

Vor 10 Jahren drehte sich das Blatt. Medien und Minister sprachen von der Überforderung der SchülerInnen, die Zahl der Unterrichtsstunden wurde reduziert und die Lehrer angehalten, bei den Hausübungen zurückzuschalten: "Überlegen Sie sich jede Hausübung, sprechen Sie sich ab, damit die Kinder nicht überlastet werden." Wir reduzierten die Übungen und freuten uns über die gewonnene Freizeit. Wir lasen sogar von wissenschaftlichen Ergebnissen, die den Hausübungen jeglichen Wert absprachen.

Lob der Entlastung.

Jetzt diskutieren wir mit einer renommierten Kollegin, die nicht nur Deutsch unterrichtet sondern auch Lehrer für den Deutschunterricht ausbildet. Ihre Schüler schreiben gerade einen Brief an sich selber, sie denken über den Wert ihrer Muttersprache und den Sinn von Hausübungen nach: "Die Kinder sind einsichtig, sie wissen, dass es ohne Training nicht geht."

Die Hälfte der Klasse hatte eine Hausübung abgegeben. Mehr oder weniger freiwillig.

Weniger Stunden in der Schule, weniger Übung zuhause.
Wie werden sich die Sprachkenntnisse der Jugend entwickeln?
Ha?
romeomikezulu meinte am 18. Dez, 11:50:
Mir kommt die gesamte Kommunikation der jüngeren Generationen ohnehin ziemlich reduziert vor, wenn ich dem so beiwohne.

Die Fähigkeiten, sich klar und deutlich zu artikulieren und dabei auf einen Wortschatz zurückgreifen zu können, hinter dem auch ein gewisses Maß an Allgemeinbildung erkennbar ist, nehmen ganz unzweifelhaft ab, dazu bedarf es keiner Erhebungen oder Statistiken. Dies lehrt ganz einfach die Alltagserfahrung.

Was meinen aktuellen Beruf betrifft, in welchem Kommunikation 95%
des Erfolges ausmacht, beruhigt mich diese Entwicklung SEHR:

Die ersten Jahre hatte ich immer gewisse Befürchtungen, irgendwann käme ein dynamischer, erfolgsuchender (und für die Firma billigerer!) junger Mensch, der mir meinen Job wegnehmen könnte.

Dann schulte ich selbst ein zeitlang unsere Azubis.
Und stellte fest: Meilenweit droht da von dem, was das Schulwesen in D als output in den Arbeitsmarkt rausbläst, keinerlei Gefahr :-).
(Wobei ich mir aussuchen kann, ob die Ungefährdung eine Folge des mangelnden Ausdrucksvermögen ist oder des mangelnden Attributs "erfolgsuchend".)

Schaue ich mir aber an, wer mal meine Rente mit seinen Beiträgen zahlen soll, ist es mit der oben genannten "Beruhigung" ganz schnell wieder vorbei... 
steppenhund meinte am 18. Dez, 12:32:
Übung
Ich düfte das gar nicht schreiben, denn ich habe von meinem 10. Lebensjahr bis zur Matura nie eine Hausübung zu Hause gemacht. Das war die Folge eines Freundes, der diesen Aufwand ebenfalls reduzieren wollte und versucht hat, die Hausübungen bereits in der Pause, in den Religionsstunden und allenfalls noch während Geographie und Geschichte zu machen.
Dem schloss ich mich an.
Wenn ich ihn bei sich zuhause besuchte, spielten wir mit der Märklin oder wir musizierten. Vor Prüfungen hörte ich ihn in Geographie und Geschichte ab, dabei lernte ich das Notwendige für mich selbst.
Strafen musste ich zweimal zuhause machen. In der zweiten und der sechsten Klasse Mittelschule. Unterschiedliche Professoren, beide Male bekam ich als Strafe, alle Übungsbeispiele des jeweiligen Mathematikbuchs zu rechnen. (Das nennt man "angepasstes Strafmaß", denn damit war ich in 2-3 Stunden durch und Spass gemacht hat es mir außerdem.)
Das ist aber eine Vorgangsweise, die nur dokumentiert, dass die Schule für Begabte nichts aufzuweisen hat. Ich selber würde nicht nur Hausaufgaben geben, sondern auch in der Schule viel mehr Beispiele an der Tafel durchrechnen lassen. Es ist unabdingbar. Und wie schon RMZ geschrieben hat, wo sollen die Vokabeln erhalten bleiben, wenn nicht durch Üben oder Sprechen in der fremden oder der Sprache.
Aber im Artikel ist bereits ein ganz wesentlicher Punkt enthalten: die Kinder sind einsichtig, die Hälfte tut ...
Welche Kinder werden das sein? Das sind die, welche vom Elternhaus mitgekommen, dass ihre Berufschancen steigen (oder überhaupt erst vorhanden sind), wenn sie über ein gutes Grundlagenwissen verfügen. Woraus das besteht, darüber kann man streiten. Ich glaube, dass auch Geschichte notwendig ist, obwohl ich die nicht mochte. Jedes Kind hat Fächer, die es nicht so gerne hat. Es geht allerdings darum, ob die Eltern vermitteln können, dass jedes Fach einmal im Leben wichtig werden kann - und ob das auch die Lehrer glauben.
Dazu noch drei Punkte:
1.) In der Hochschule, in technischen Fächern, sind die Übungen oft der Prüfstein, ob jemand das Studium überhaupt schaffen kann. Es sind brutale Methoden, aber sie greifen - meiner Meinung nach - auch zu recht. Ich habe im Berufsleben nichts von einem Mitarbeiter, der etwas auswendig hersagen kann, er muss es auch umsetzen können. Das ist auch der Punkt, wo ich dem Gleichheitsgrundsatz das Recht abspreche. "Nicht jeder Student soll gleiche Studienchancen haben." Wenn ein Schüler schon in der Schule nicht lernen wollte, gibt es keine Begründung, warum sich das später ändern sollte.
2.) Mit meinen fast 60 JAhren kann ich folgende Erfahrung berichten. Jedes Fach, in dem ich mich in der Mittelschule fadisiert habe, Geschichte, Geographie, Chemie, hat später noch einmal eine Bedeutung bekommen, wo ich es bedauerte, in bestimmten Fächern nicht besser aufgepasst zu haben.
3.) Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man alles wieder vergisst, was man einmal gelernt hat. Wenn man es richtig gelernt, stellt sich bei der Konfrontation mit alten vergessenen Inhalten raschestes Wiedererkennen ein, weil man ja nicht mehr die Begründungen und Deduktionen überdenken muss. Die stellen sich schlagartig ein, manchmal sogar noch mit einem plötzlichen Aha-Effekt.
Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist. Ich habe es vor 45 Jahren auch nicht geglaubt. Aber ich sag's halt einfach. Vielleicht glaubt mir ein oder der andere doch. Die Anschauungsbeispiele für Punkt 3 sind mir noch heute präsent. 
o. klein (Gast) antwortete am 20. Dez, 00:29:
Also ehrlich gesagt, was mir heute z.B. in Biologie fehlt liegt nicht daran, dass ich in der Schule (80er Jahre) nicht aufgepasst habe, sondern dass man seither in diesem Gebiet fulminante Fortschritte gemacht hat, von denen man damals nur träumen konnte...

Dasselbe gilt auch für Chemie und Physik... 
deprifrei-leben meinte am 19. Dez, 14:36:
Eine Stunde Hausübung finde ich schon viel. Ich denke die Hälfte der Zeit reicht ja auch aus. Am besten wäre es, wenn solche Übungen in die Schulzeit integriert würden und die Schüler nach der Schule auch wirklich frei haben. 
teacher antwortete am 20. Dez, 10:57:
Das geht nur bei Ganztagsschulen. 
deprifrei-leben antwortete am 20. Dez, 20:20:
Aus dem Grund bin ich für Ganztagsschulen. Ich war auch auf einer, leider ohne diese Aufgabenbetreuung. 
teacher antwortete am 21. Dez, 08:33:
Die meisten unserer Schüler sind aber vehement dagegen: Sie fühlen sich eingesperrt - was ich angesichts unserer Schulgebäude gut verstehe. 
stichi meinte am 19. Dez, 15:19:
Das Seltsame ist, dass man denkt, es würde ohne Übungen gehen. In jeder Sportart ist völlig klar, dass man trainieren muss, wenn man einen bestimmten Standard erreichen will. Das wird auch von keinem angezweifelt.
Heute kommt in unserer Sonntagsbeilage zur Tageszeitung ein Bericht, nachdem im KuMi ernsthaft überlegt wird, eine einfachere Schreibschrift einzuführen, weil immer mehr Kinder (vor allem Jungen), nicht mehr in der Lage sind, diese feinmotorische Höchstleistung zu vollbringen.
Es ist zum Schreien, anstatt dies zum Anlass zu nehmen, mehr Übungen zu verlangen, weicht man zurück und schraubt die Anforderungen herunter. Schule muss ja Spass machen und darf ja nicht anstrengen!! Ich könnte K....! 
BIA (Gast) antwortete am 19. Dez, 15:37:
Witzigerweise akzeptieren auch die Schüler, dass sie im Sportverein, in der Musikvereine üben müssen, wenn's was werden soll - in der Schule ist das weit weniger klar... 
stichi antwortete am 19. Dez, 15:46:
Genau das meine ich!! Aber auch die Lehrer sind zum Teil einfach nachlässig!
Ich habe das gerade bei einem mir gut bekannten Kind gesehen. Es geht in Hamburg in die dritte Klasse. In der Schule lernen die Kinder in ihrem eigenen Tempo, also wirklich individualisierter Unterricht.
In den ersten beiden Schuljahren lief das hervorragend, die Lehrerin war top organisiert, hatte den Überblick und die Kinder machten große Fortschritte.
Die neue Lehrerin ist mit diesem System noch nicht so vertraut und das hat zur Folge, dass das Kind, das in der zweiten Klasse die Schreibschrift perfekt beherrschte, wieder anfing, Arbeitsblätter in Druckschrift auszufüllen, Texte in einem Mischmasch aus beiden Schriftarten zu verfassen und das wurde nicht moniert. Ende vom Lied: die Kleine hat die Schreibschrift wieder verlernt!! Bravo!
Solche Dinge lassen sich leicht vermeiden. Gerade in der Grundschule sind doch die Kinder in der Regel sehr willig, man muss ihnen aber sagen, was sie tun sollen und nicht einfach alles beliebig machen. 
SchreibschriftGURU (Gast) antwortete am 19. Dez, 19:26:
@stichi
Offensichtlich war dem Kind Schreibschrift nicht wichtig. Nur weil es dir wichtig war, hätte sie sie weiterüben müssen? Ich verstehe es nicht. Aber sei dir sicher, wenn das Kind es für nötig erachtet, erlernt es die SS in null Komma nix. Abgesehen davon, wieso ist dir die SS so wichtig? Wir verplempern viel zu viel Zeit mit Dingen, den Kindern Dinge einzubimsen, von denen sie nicht wissen, wozu sie sie benötigen! Und ist es jemals ein plausibler Grund für ein Kind gewesen etwas zu lernen, das es später einmal brauchen könnte? Hab einfach mal ein bisschen Vertrauen in das Kind. 
stichi antwortete am 19. Dez, 21:00:
Vielleicht ist dir das sinnerfassende Lesen nicht wichtig!
Oben schreibe ich, dass viele Kinder nicht mehr schreiben können und dieses Problem jetzt beim KuMi zur Kenntnis genommen wird. Vielleicht überlegst du mal, warum es wichtig sein könnte, leserlich und flüssig zu schreiben. Es wird in dem Artikel z. B. erwähnt, dass diese Kinder ihre eigenen Notizen nicht mehr lesen können, dass sie Vokabeln falsch lernen, weil sie ihre Schrift nicht entziffern können usw.
Ich finde es bescheuert, wenn man ein Kind nicht dazu anhält, etwas Gelerntes anzuwenden, damit es gefestigt wird. Und Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen muss wohl jeder, der in unserer Gesellschaft bestehen will, irgendwann mal lernen, oder? 
SchreibschriftGURU (Gast) antwortete am 19. Dez, 21:16:
@stichi
Sinnerfassendes Lesen hat mit Schreibschrift genauso viel zu tun, wie der Papst mit einem Doppelbett. Leserlich und flüssig schreiben kann man auch in Druckschrift. Wenn ein Kind seine eigene Schrift nicht entziffern kann, egal ob Druck- oder Schreibschrift, ist das natürlich nicht tolerabel, das kapiert jedes halbwegs intelligente Kind von ganz alleine. Aber ob ein Kind Schreib- oder Druckschrift oder beides beherrscht ist vollkommen unerheblich. Wichtig ist nur, dass es leserlich schreibt. 
BIA (Gast) antwortete am 19. Dez, 21:18:
@Stichi

Ja, das Schaffen von Strukturen und Routinen ist die halbe Miete. :-)
Aber nicht jeder Lehrer ist da ein Naturtalent, für manche bleibt das ewig mühsam. 
stichi antwortete am 19. Dez, 21:44:
@schreibschriftguru
Das sinnerfassende Lesen war auf dich bezogen, nicht auf das Beherrschen der Schreibschrift!! Offensichtlich habe ich richtig vermutet! 
steppenhund antwortete am 19. Dez, 23:54:
@SchreibschriftGURU
Sinnerfassendes Lesen hat sehr wohl etwas mit Schreibschrift zu tun. Das sieht man sofort daran, wenn man etwas Handgeschriebenes sieht und feststellen muss, dass da nicht sinnerfassend geschrieben wurde.
-
Aber - Ironiemodus an - im Prinzip ist gar nichts wichtig. Weder Schreiben, noch Lesen, noch sinnerfassendes Lesen. Vor allem auch nicht Bloggen und schon gar nicht ficken. Denn davon kommen die Kinder zur Welt. Und wir wissen schon jetzt nicht mehr - wie man die Kinder verarbeiten soll, sprich wie man ihnen Arbeit verschaffen soll. Denn eine Kuh ist nützlicher als ein Mensch, der nichts gelernt hat und der seine Verweigerung etwas zu lernen dann noch unbedingt weitergeben muss.
- Ironiemodus aus _
Man kann tatsächlich leserlich und flüssig in Druckschrift schreiben. Allerdings etwas langsamer. Dass man nicht mehr stenografieren lernt, lässt sich allenfalls noch mit der Technik erklären. 
SchgreibschriftGURU (Gast) antwortete am 20. Dez, 19:28:
@stichi
Was nützte es mir, hier jetzt weiterzudiskutieren? Willst du lieber Recht haben oder glücklich sein? Ich überlasse dir das Recht. :-) 
SSguru (Gast) antwortete am 20. Dez, 19:30:
@steppenhund
Du schreibst:

"Sinnerfassendes Lesen hat sehr wohl etwas mit Schreibschrift zu tun. Das sieht man sofort daran, wenn man etwas Handgeschriebenes sieht und feststellen muss, dass da nicht sinnerfassend geschrieben wurde."

Deine Schlussfolgerungen wundern mich. 
 

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