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cotopaxi

 
Die Fünfzehnjährigen kommen aufgeregt von einer Kunstausstellung zurück. Die Klasse ist laut und nicht zu beruhigen. Einer der Burschen geht an die Tafel und zeichnet zwei Symbole : Einen liegenden Halbmond und einen Stern darüber.

"NEIN! Du musst einen Judenstern zeichnen", stürmt ein Mitschüler zornig hinaus und korrigiert die Zeichnung.
"Stellen Sie sich vor, so was haben die im Zug gesprayt!"
"Könnt Ihr mir das erklären?"
"Da hat jemand die türkische Flagge beleidigt!"
"Ich sehe nur einen Halbmond und einen Stern."
"Ja, aber das war alles auf rotem Hintergrund. Schauen Sie, so schaut die türkische Flagge aus ... und das mit dem Stern da!"
"Ja? Das sind religöse Symbole."
Ich zeichne ein christliches Kreuz dazu: "Was ist so schlimm daran?"

Sie schreien gestikulierend durcheinander, aber sie können mir ihre Wut nicht erklären.

"Da hat euch jemand provoziert, oder? Und es ist ihm gelungen!"
Es wird ruhiger.
"Wenn jemand "alter Arsch" sagt, dann bin ich beleidigt, aber so?"
"'Alter Arsch' kann er zu mir sagen, aber das geht nicht."

Es wird mir klar: Argumente zählen nicht mehr. Da sitzen liebe Buben - religiös verblendet. Tief gläubig, indoktriniert.

"Herr Professor! Was würde Österreich ohne Ausländer tun?"
Einer zählt die SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Türken, Polen, Serben ... Wir sind hier alleine 13."
"Willst du sagen, diese Zeichnung ist ausländerfeindlich?"
"Das beleidigt alle Moslems, die Türken!"

Ich verstehe: Der Judenstern besudelt. Antisemitismus kommt aus einem neuen Eck. Sehr lebendig, sehr jung, sehr naiv. Ablehnung als fromme Pflicht.

Als Jude hätte ich Angst in dieser Klasse. Aber ich bin - Gott sei Dank - bloß ein ahnungsloser Ungläubiger.
Ketzerkatze (Gast) meinte am 6. Dez, 21:29:
1. Willkommen zurück :-)
2. Yad Vashem hat eine ziemlich gute Unterrichtsreihe gegen jungem Antisemitismus entwickelt. Soll ich dir Kontakt machen?
3. Willkommen zurück :-) 
teacher antwortete am 13. Dez, 20:52:
Ich habe mir das einmal angesehen:
http://www.bmukk.gv.at/europa/bibildung/yadvashem.xml

Aber ich will mich nicht vereinnahmen lassen ... 
teacher meinte am 7. Dez, 08:21:
Zur Klarstellung: Ich versuche, eine ziemlich große Äquidistanz zu den Religionen einzunehmen. Religionen bevormunden gerne die Gläubigen. Wenn es einen Gott gibt, dann wird er jene, die vorgeben, in seinem Namen gesprochen (und diktiert) zu haben, am allermeisten zur Rechenschaft ziehen.

In meinem Leben spielen Religionen keine große Rolle, sie sind damit auch kein Grund, irgendjemanden zu diskriminieren. Aber ich möchte nicht gezwungen werden, von ihren Traditionen eingenommen zu werden.

Es ist einfach unverständlich, mir Antisemitismus vorzuwerfen, dafür braucht es schon viel persönliche Angriffslust.

Im übrigen sieht der Lehrplan in Österreich vor, dass JEDER Lehrer interkulturelles Lernen praktiziert - ich bin also per Verordnung angehalten (nicht nur aus pädagogischen Gründen), mit dem aktuell aufgezeigten Phänomen aktiv umzugehen. Es wäre unverantwortlich und feige darauf zu verweisen, dass der Geschichtelehrer die Sache übernehmen soll. 
Jan (Gast) meinte am 7. Dez, 13:50:
Schon sehr bizarr was sich da bei solchen Kindern schon abspielt.
"Die Flagge beleidigt"
Sehr nationalistisch das ganze. Wie kommen die zu sowas?
Die politische Situation in Österreich? 
teacher antwortete am 12. Dez, 11:59:
Das Miteinander ist bestenfalls ein Nebeneinander. Oft ein Gegeneinander. In der Schule geht es noch am besten, aber "draußen" ...? 
PeZwo meinte am 7. Dez, 13:50:
@teacher
Es wird immer wieder Menschen geben, die anders denken (wollen?) und einem nicht verstehen (wollen?). Es soll so sein. Auch das gehört dazu.

Ich möchte dich nur bitten, jene überwiegende Mehrheit (zu der ich mich auch zähle) als Maßstab für dein Anliegen in diesem Blog zu nehmen, die dich sehr gut versteht und deine Beiträge wirklich zu schätzen wissen. 
Karl Eduard (Gast) meinte am 7. Dez, 14:06:
"Herr Professor! Was würde Österreich ohne Ausländer tun?"
Ja, wie ist es denn vorher ohne klargekommen? 
derbaron antwortete am 7. Dez, 15:47:
Welches vorher denn?
Ich kann mich an keine ausländerfreie Zeit erinnern, auch in den Geschichtsbüchern entdecke ich keine. Oh doch, da gabs mal den Versuch, alles mögliche zu entfernen, was einem nicht gepasst hat - die Folgen sind bekannt. 
h.v.d. antwortete am 7. Dez, 19:26:
Niemals ist Österreich ohne Ausländer klargekommen. Vielmehr setzt es sich ja nur aus solchen zusammen (man studiere nur einmal das Telefonbuch Wiens, wenn man es genau wissen will). 
deprifrei-leben meinte am 7. Dez, 17:12:
Persönlich bin ich gegen Antisemitismus, aber der Staat Israel tut auch sehr viel, um den Hass auf die Juden am Leben zu halten, indem sie immer noch einen großteil des Wassers aus Pälastina klauen und indem sie die Araber als Feinde behandeln. Mit anderen Worten während ein Palästinenser Probleme hat seine Felder zu bewässern, können viele Juden ihre Badewannen mit Trinkwasser aus dem Westjordanland füllen.
Antisemitismus wird es in dieser Brutalität so lange geben, bis ein gerechter Friede zwischen Israel und seinen Nachbarn ausgehandelt wird. Andererseits kann ich als Lehrer nicht erwarten, dass 15 Jährige eine differenziertere Sicht auf den Staat Israel haben, wenn ihre Eltern den Hass ihnen einimpfen. (Eine eigene Sicht entwickle ich, wenn ich älter werde.) Nicht alle Juden sind Mörder oder Unterdrücker. Es gibt auch dort Menschen, die an den gerechten Frieden arbeiten und auch bereit sind einen Preis dafür zu bezahlen. Diesen Preis muss die arabische Seite auch zahlen, indem sie das bequeme Feindbild Israel für all ihre Probleme aufgibt. 
o. klein (Gast) antwortete am 7. Dez, 20:55:
Wer war zuerst da, der Antisemitismus oder die Juden?
öh, ich weiss nicht, ob hier nicht die Henne und das Ei verwechselt wird.

Teacher hat recht, wenn er sich darüber Sorgen macht, dass heute der Antisemitismus auch aus einer ganz anderen Ecke als den Neo-Nazis kommen kann.

Man kann nicht pauschalisieren, aber Bücher, die in unseren Breitengraden zum Glück aus der Mode gekommen sind, wie "die Protokolle der Weisen Zions" und "Mein Kampf" werden in manchen islamischen Ländern frisch-fröhlich publiziert. Man produziert auch Filme im Stile der Nazi-Propaganda, etc.

Teacher: eine Freundin von mir, jüdisch, hat tatsächlich das Unterrichten wegen des Antisemitismus mancher Schüler aufgegeben. Sie sagt, es war einfach nicht haltbar, wie sich manche Schüler benahmen und wie sie verunglimpft wurde. Das kann man aber auch nicht verallgemeinern. 
Der_Eisenschmyd meinte am 7. Dez, 18:03:
Islam / Judentum
Passend zu dieser Thematik:

http://www.derwesten.de/nachrichten/Juden-in-Holland-fuerchten-um-ihr-Leben-id4031716.html 
teacher antwortete am 13. Dez, 20:55:
Erschreckend:

"An manchen Schulen, in denen islamische Jugendliche in den Klassen die Mehrheit bilden, wird inzwischen kein Unterricht über den Holocaust mehr gegeben. Viele Lehrer und Schulleitungen haben vor dem Protest der islamistischen Jugendlichen dagegen kapituliert."

Wie regiert die politische Linke darauf? 
Woo (Gast) meinte am 7. Dez, 22:33:
Antisemitismus ist ein sehr heikles Thema - aber auf die Idee, den an der Religion festzumachen bin ich bisher noch nicht gekommen.
Ich bin da persoenlich auch sehr auseinandergerissen. Ich mag Juden durchaus (auch wenn ich nur wenige persoenlich kenne, aber die Mentalitaet und Lebensart ist im Grossen und Ganzen ganz okay, Religion ist mir sowieso ziemlich egal), aber ich hasse Israel. Dies basiert groesstenteils auf dem politischen Verhalten.. einerseits die staendige Kriegstreiberei und Drohgebaerden gegen ihre Nachbarn, unterstuetzt durch massiven Protektionismus durch die USA, auf der anderen Seite das staendige Opfergejammere (sobald ein Deutscher was gegen Israel sagt oder gar auf die Idee kommt, nach 70 Jahren mal die Reparationszahlungen anzuzweifeln, wird gleich wieder die "ihr habt unsere Leute getoetet!!11elf"-Keule rausgeholt).

Es ist mal wieder das alte Problem, dass ein paar Ewiggestrige, Jammerlappen und Aggressoren das Image eines ganzen Volkes ruinieren. Da gehoert schon einiges an Differenzierungsfaehigkeit dazu, um nicht zum Antisemiten zu werden.
Es wird Zeit, drei Generationen nach dem Krieg endlich mal das Denken wieder einzuschalten - auf beiden Seiten. 
Tja (Gast) antwortete am 8. Dez, 10:32:
Verstehe das jetzt nicht ganz---

Ehrlich gesagt gehört für den Leser dieser Zeilen auch einiges an Differenzierungsvermögen dazu, um den Schreiber nicht für einen Antisemiten zu halten...

Schon alleine das pauschale "Ich mag Juden (obwohl ich keine kenne)" macht da hellhörig... 
Der_Eisenschmyd antwortete am 8. Dez, 10:40:
Ich denke, das Menschen die ein solch Akademisches Blog wie dieses lesen, schon Hochdifferenzierte Menschen sind.
Die, die es nicht sind, klicken es sowieso nicht an und diskutieren lieber an anderer Stelle über Kaffeesorten und so.... :-) 
hier (Gast) antwortete am 8. Dez, 11:58:
liest so ziemlich jeder. vom intellektuellen h.v.d bis zum pisa-verlierer eysenschmid. 
Der_Eisenschmyd antwortete am 8. Dez, 12:18:
Ein Pisa Verlierer wie ich MUSS ja hier mitlesen, damit ich vielleicht noch etwas lerne. Mal sehen ob es noch was bringt... ;-)
Muss den Teacher mal fragen, ob er auch Fernunterricht anbietet :-) 
teacher antwortete am 8. Dez, 12:20:
Wer in Österreich lesen kann, gehört schon zur Elite ... und braucht keinen Unterricht mehr :-) 
h.v.d. antwortete am 8. Dez, 12:27:
Dass Menschen, die lesen können, hierzulande schon aufgrund dessen zu den Intellektuellen gezählt werden, gibt mir dann doch zu denken :) 
fedor (Gast) meinte am 8. Dez, 08:19:
Schön,daß Sie wieder hier sind!
Künstler provozieren gerne(und leben davon nicht schlecht).Heranwachsende reagieren darauf stärker(Aber nicht vernünftiger).
Sind Sieaber sicher,daß Sie dem Künstler nicht doch ein bißchen auf den Leim gegangen sind?Ich glaube,man sollte Religion und Politik(Zionismus)nicht vermengen.Sollte sich ein Schüler brüsten,wie gut Israel zu den Arabern ist,hat er natürlich in manchen Klassen einen schweren Stand.
Übrigens,gut,daß Sie zu einem Gast klare Worte gefunden haben! 
teacher antwortete am 13. Dez, 20:56:
Das Graffiti war im Zug. 
jodelbursch (Gast) meinte am 8. Dez, 09:39:
http://jeanpol.wordpress.com/2010/12/07/ldl-umfangreicher-bericht-eines-ehemaligen-schulers/#comment-3811
Bei diesem pensioniertem Lehrer kann man sich Rat holen.

Mindestens die Hälfte aller Nobelpreisträger haben jüdische Eltern und die Moslems machen nur Mist.
Alle aussschaffen und durch Chinesen ersetzen. 
Der_Eisenschmyd meinte am 8. Dez, 12:21:
P.S.: Hier wurden einige Kommentare gelöscht - nicht von mir. Kann mir jemand erklären, wie das möglich ist?

Wenn Hans seine eigenen Kommentare löscht werden ja auch immer die daran anhängenden Kommentare mitgelöscht. 
teacher antwortete am 8. Dez, 12:54:
OK. Ich habe nicht mitverfolgt, ob nur sein thread verschwunden ist. 
deprifrei-leben meinte am 8. Dez, 16:37:
Ein großer Blödsinn ist wie Woo von Juden als Volk zu sprechen, dabei besteht das Judentum aus vielen Völkern. Es gibt schwarzafrikanische, chinesische, arabische oder europäische Juden, die auch entsprechend unterschiedlich aussehen. Die Nazis haben gerne aus Juden eine Rasse erfunden, die es aber so nie gegeben hat, da es keine jüdische Rasse gibt. Der Zionismus hat den selben Blödsinn verbreitet, indem man von den Juden als Volk sprach, damit sie den Arabern das Land klauen können. Schliesslich kehrt man nach knapp 2000 Jahren der Diaspora wieder in ihre alte Heimat zurück. Nur die Juden die in ihr Land zurückkehren, haben genetisch nichts mehr mit den Juden vor knapp 2000 Jahren gemein. Indem man etwas als Volk erklärt,was kein Volk ist, wird Unrecht zu Recht gemacht.
Einer der größten Tragödien des 20. Jahrhunderts neben dem Holocoust war die Errichtung eines Staates Israel. Millionen Araber wurden gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. Provokant gesprochen, hätte man den Staat Israel in Deutschland gründen müssen und nicht bei den Arabern, die nichts mit dem Holocaust zu tun hatten. Solange dieses Unrecht der Vertreibung nicht anerkannt wird, kann es im Nahen Osten keinen Frieden geben. Natürlich ist es illusorisch zu glauben, dass die Vertriebenen in ihre alte Heimat zurückkehren. Aber altes Unrecht darf durch die Besatzung der verbliebenen Palästina-Gebiete nicht vertieft werden. 
o, klein (Gast) antwortete am 8. Dez, 22:16:
Wunder?
Wie können "Millionen von Arabern" vertrieben worden sein wenn damals insgesamt nur etwas mehr als 1 Million Araber auf dem ganzen Mandatsgebiet "Palästina" lebte??? 
Woo (Gast) antwortete am 9. Dez, 22:37:
Ist doch ganz logisch, dass ich natuerlich von den nordchinesischen Juden spreche, wenn ich mich in Folge ueber mein Bild von Israel auslasse. Wen koennte ich denn sonst gemeint haben...
Hauptsache mal pauschal als grossen Bloedsinn abkanzeln anstatt zu denken. 
deprifrei-leben meinte am 9. Dez, 16:36:
Ich denke auch eine Million Menschen sind zuviel. Selbst ein Vertriebener ist Unrecht. 
teacher antwortete am 12. Dez, 12:02:
Das Thema "Israel" haben wir bisher ziemlich emotionslos historisch-geographisch abgehandelt. Jetzt gehen die Wellen hoch und einseitige Emotionen decken jede Information zu. Bald werden wir solche Themen gar nicht anstreifen wollen. 
bjoern l (Gast) antwortete am 12. Dez, 16:26:
Man könnte natürlich dieses Kunstwerk nutzen um den Schülern etwas über Symbole beizubringen. Der sechsecke Stern weist ja nicht nur auf den Davidsstern und Israel hin, sondern auch auf die Geschichte der Türkei (Nutzung im osmanischen Reich, Flagge der Karaman und von Candar). 
teacher antwortete am 13. Dez, 20:58:
Hilft das gegen religiöse Überzeugungen? 
El Loco antwortete am 18. Dez, 22:31:
Pseudo.
Pseudo-religiöse Überzeugungen.

Aber: nein. Die sind genauso unbelehrbar wie die "laïcards" in Frankreich, die Religionsfreiheit als Religionsverbot verstehen und sogar noch behaupten, es stünde so im Gesetz. (Das Gegenteil ist der Fall.) 
 

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