Freitag, letzte Stunde. Die Bande ist nicht mehr zu halten, die Glocke läutet, alle wollen ins Wochenende.
Bei der Tür wartet der Klassenvorstand und kontrolliert den Zustand des Saales: Alle Fenster sind geschlossen, die Fensterbretter aufgeräumt, die Jalousien vorsichtshalber hochgezogen, die Tische stehen in Reih und Glied, der gröbste Dreck liegt im Mistkübel.
"Alex, wo gehören die Turnschuhe hin?"
"Ja, ich weiß. Kann ich sie über das Wochenende hier lassen?"
"Nein. Ab in den Spind. Hier stinken sie."
Alex murrt, aber nimmt die Schuhe mit.
Wir verlassen eine ordentliche und saubere Klasse ... und werden am Montag eine ebensolche wiederfinden. Weil der Klassenvorstand seit Wochen kontrolliert, auffordert, nachrennt, dirigiert, besteht.
So nebenbei, es geht hier um eine schwierige Klasse von spätpubertären Sportlern. Ein wilder Haufen von Fußballern, Fitnessfreaks und Boardern aller Art. Sie haben sich an den ebenso herzlichen wie rauen Ton des Chefs gewöhnt.
Am anderen Eck der Schule liegt die Parallelklasse mit den kreativen Sprach- und MedienschülerInnen. Die Tafel ist wild verschmiert, der Papierkorb ist seit Wochen nicht geleert worden und völlig überfüllt. Im Waschbecken verstopfen Farb- und Papierreste den Abfluss, ich will nicht einmal hineingreifen, um den Schwamm zu befeuchten. An der Rückseite stapeln sich alte Zeitschriften, kaputte CD-Rohlinge und unbekannte Kleidungsstücke liegen neben einer braunen Lacke, die von einer verdreckten Kaffeemaschine herrührt.
Der Klassenvorstand: "Die Leute sind 16, 17 Jahre alt, alle wahlberechtigt, und für die Ordnung in ihrem Klassenraum selbst verantwortlich. Ich habe ihnen erklärt, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, eine wohnliche Atmosphäre zu erhalten. Ich bin doch nicht für ihre Reinlichkeit zuständig! Wir müssen sie doch zur Selbständigkeit erziehen."
Sie haben sich an den herzlichen, appelativ-demokratischen Ton ihres Nicht-Chefs gewöhnt. An die Unordnung auch.
Bei der Tür wartet der Klassenvorstand und kontrolliert den Zustand des Saales: Alle Fenster sind geschlossen, die Fensterbretter aufgeräumt, die Jalousien vorsichtshalber hochgezogen, die Tische stehen in Reih und Glied, der gröbste Dreck liegt im Mistkübel.
"Alex, wo gehören die Turnschuhe hin?"
"Ja, ich weiß. Kann ich sie über das Wochenende hier lassen?"
"Nein. Ab in den Spind. Hier stinken sie."
Alex murrt, aber nimmt die Schuhe mit.
Wir verlassen eine ordentliche und saubere Klasse ... und werden am Montag eine ebensolche wiederfinden. Weil der Klassenvorstand seit Wochen kontrolliert, auffordert, nachrennt, dirigiert, besteht.
So nebenbei, es geht hier um eine schwierige Klasse von spätpubertären Sportlern. Ein wilder Haufen von Fußballern, Fitnessfreaks und Boardern aller Art. Sie haben sich an den ebenso herzlichen wie rauen Ton des Chefs gewöhnt.
Am anderen Eck der Schule liegt die Parallelklasse mit den kreativen Sprach- und MedienschülerInnen. Die Tafel ist wild verschmiert, der Papierkorb ist seit Wochen nicht geleert worden und völlig überfüllt. Im Waschbecken verstopfen Farb- und Papierreste den Abfluss, ich will nicht einmal hineingreifen, um den Schwamm zu befeuchten. An der Rückseite stapeln sich alte Zeitschriften, kaputte CD-Rohlinge und unbekannte Kleidungsstücke liegen neben einer braunen Lacke, die von einer verdreckten Kaffeemaschine herrührt.
Der Klassenvorstand: "Die Leute sind 16, 17 Jahre alt, alle wahlberechtigt, und für die Ordnung in ihrem Klassenraum selbst verantwortlich. Ich habe ihnen erklärt, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, eine wohnliche Atmosphäre zu erhalten. Ich bin doch nicht für ihre Reinlichkeit zuständig! Wir müssen sie doch zur Selbständigkeit erziehen."
Sie haben sich an den herzlichen, appelativ-demokratischen Ton ihres Nicht-Chefs gewöhnt. An die Unordnung auch.
teacher - am Montag, 8. November 2010, 15:15
Ein junger Kollege holt sich gerne Rat beim Doyen seines Faches und wird selten enttäuscht. Auf diesem Substrat ist die große Frage gewachsen:
"Warum bist DU eigentlich Lehrer geworden?"
"Ach, weißt Du. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, wo es drei Autoritäten gab, den Doktor, den Pfarrer und den Lehrer. Das wollte ich auch werden."
Der junge Kollege nickt verständnisvoll.
"Am Anfang hat das wirklich gut funktioniert. Mein Vater hat ganz stolz gesagt: 'Aus Dir ist was geworden, Du bist ja wer, ein Professor.' Ich war stolz."
Der junge Kollege lächelt. Verständnisvoll und mitleidig.
"Und in den Klassen hat das alte Lehrermodell funktioniert. Ich habe mein Wissen weitergegeben. Begeistert ... und erfolgreich. Die Schüler sind alle was geworden, die sitzen in den Ministerien, sind Anwälte und Ärzte geworden. Manche treffe ich noch, dann sehe ich jemanden im Fernsehen, sie klagen nicht. Aber in der Öffentlichkeit stehen wir als Versager dar. Wenn irgendwo ein gesellschaftliches Problem auftaucht, findet sich sofort jemand, der die Schuld der Schule gibt."
"Wie ist es soweit gekommen?"
"Das frage ich mich auch die ganze Zeit. Sind die Erwartungen zu hoch? Was haben wir falsch gemacht, wenn unsere Absolventen solche Karrieren machen konnten? Warum hauen die Medien so auf uns hin? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht ..."
"Und wie gehst Du damit um?"
"Hm. Du musst Schule wie Theater oder Zirkus sehen. Ich kann das System nicht mehr ernst nehmen. Niemand nimmt es ernst. Es ist ein Spiel, wir bekommen Rollen, bessere und schlechtere ... und solange sie lachen, denken sie nicht."
"Ja, das ist wahr", wiederholt der Kollege besinnlich, "solange sie lachen, denken sie nicht."
"Ich war eine Respektsperson, jetzt bin ich ein Kasperl."
Das sitzt.
"Warum bist DU eigentlich Lehrer geworden?"
"Ach, weißt Du. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, wo es drei Autoritäten gab, den Doktor, den Pfarrer und den Lehrer. Das wollte ich auch werden."
Der junge Kollege nickt verständnisvoll.
"Am Anfang hat das wirklich gut funktioniert. Mein Vater hat ganz stolz gesagt: 'Aus Dir ist was geworden, Du bist ja wer, ein Professor.' Ich war stolz."
Der junge Kollege lächelt. Verständnisvoll und mitleidig.
"Und in den Klassen hat das alte Lehrermodell funktioniert. Ich habe mein Wissen weitergegeben. Begeistert ... und erfolgreich. Die Schüler sind alle was geworden, die sitzen in den Ministerien, sind Anwälte und Ärzte geworden. Manche treffe ich noch, dann sehe ich jemanden im Fernsehen, sie klagen nicht. Aber in der Öffentlichkeit stehen wir als Versager dar. Wenn irgendwo ein gesellschaftliches Problem auftaucht, findet sich sofort jemand, der die Schuld der Schule gibt."
"Wie ist es soweit gekommen?"
"Das frage ich mich auch die ganze Zeit. Sind die Erwartungen zu hoch? Was haben wir falsch gemacht, wenn unsere Absolventen solche Karrieren machen konnten? Warum hauen die Medien so auf uns hin? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht ..."
"Und wie gehst Du damit um?"
"Hm. Du musst Schule wie Theater oder Zirkus sehen. Ich kann das System nicht mehr ernst nehmen. Niemand nimmt es ernst. Es ist ein Spiel, wir bekommen Rollen, bessere und schlechtere ... und solange sie lachen, denken sie nicht."
"Ja, das ist wahr", wiederholt der Kollege besinnlich, "solange sie lachen, denken sie nicht."
"Ich war eine Respektsperson, jetzt bin ich ein Kasperl."
Das sitzt.
teacher - am Donnerstag, 4. November 2010, 07:58
Es ist zum erlösenden Standardsatz geworden: "Die Lehrer brauchen eine bessere Ausbildung."
Da wird keiner "Nein" sagen.
Gut, dann müssen wir uns nur mehr einigen, wie diese bessere Ausbildung ausschauen soll und wer sie anbietet.
Leider sehe ich diese metapädagogischen Wunderwuzzis nirgends.
Ich sehe Wissenschafter, die ihr Fach beherrschen: Praxisferne Fachwissenschafter.
Ich sehe Praktiker, die ihre individuellen Wege durch den pädagogischen Dschungel gefunden haben: Höchst persönliche, unübertragbare Einzelerfahrungen.
Ich sehe professionelle Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter, die in ihren Praxen individuelle Teilerfolge feiern: Keine Klassentauglichkeit.
Ich würde gerne wissen, wer die LehrerInnen der Zukunft ausbilden soll. Diejenigen der Gegenwart haben offensichtlich versagt - impliziert der Ruf nach neuen, besseren Leuten bzw. besserer Ausbildung. Wer traut sich zu, aus mittelmäßigen Abiturienten jene Traumlehrer zu formen, die wir uns erhoffen?
Was sollen die jungen Lehramtskandidaten in kürzerer Zeit (Bachelor!) erwerben, damit sie die gestiegenen Ansprüche an die Schule freudig und motiviert erfüllen können?
Ich fürchte, dass man Lehrer-Ausbildung gar nicht gut genug gestalten kann, um unter den gegebenen Bedingungen erfolgreichen Unterricht garantieren zu können. Beweist mir das Gegenteil und ich werde euch lieben. Aber echt!
Als Pessimist würde ich resümieren: Die "bessere Lehrer-Ausbildung", nach der wir uns alle sehnen, gibt es nicht. Vielleicht kann es sie gar nicht geben?
"Die Hoffung ist ein Luder", sagt der Volksmund. Wir hoffen weiter auf wunderbare Ausbildner und wunderbare Junglehrer. Das schützt uns (alle Beteiligten am Gesamtkunstwerk Erziehung) davor, konkrete Schritte setzen zu müssen. Hoffen kostet nichts ... und bringt nichts.
Da wird keiner "Nein" sagen.
Gut, dann müssen wir uns nur mehr einigen, wie diese bessere Ausbildung ausschauen soll und wer sie anbietet.
Leider sehe ich diese metapädagogischen Wunderwuzzis nirgends.
Ich sehe Wissenschafter, die ihr Fach beherrschen: Praxisferne Fachwissenschafter.
Ich sehe Praktiker, die ihre individuellen Wege durch den pädagogischen Dschungel gefunden haben: Höchst persönliche, unübertragbare Einzelerfahrungen.
Ich sehe professionelle Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter, die in ihren Praxen individuelle Teilerfolge feiern: Keine Klassentauglichkeit.
Ich würde gerne wissen, wer die LehrerInnen der Zukunft ausbilden soll. Diejenigen der Gegenwart haben offensichtlich versagt - impliziert der Ruf nach neuen, besseren Leuten bzw. besserer Ausbildung. Wer traut sich zu, aus mittelmäßigen Abiturienten jene Traumlehrer zu formen, die wir uns erhoffen?
Was sollen die jungen Lehramtskandidaten in kürzerer Zeit (Bachelor!) erwerben, damit sie die gestiegenen Ansprüche an die Schule freudig und motiviert erfüllen können?
Ich fürchte, dass man Lehrer-Ausbildung gar nicht gut genug gestalten kann, um unter den gegebenen Bedingungen erfolgreichen Unterricht garantieren zu können. Beweist mir das Gegenteil und ich werde euch lieben. Aber echt!
Als Pessimist würde ich resümieren: Die "bessere Lehrer-Ausbildung", nach der wir uns alle sehnen, gibt es nicht. Vielleicht kann es sie gar nicht geben?
"Die Hoffung ist ein Luder", sagt der Volksmund. Wir hoffen weiter auf wunderbare Ausbildner und wunderbare Junglehrer. Das schützt uns (alle Beteiligten am Gesamtkunstwerk Erziehung) davor, konkrete Schritte setzen zu müssen. Hoffen kostet nichts ... und bringt nichts.
teacher - am Mittwoch, 3. November 2010, 20:56
Unterrichtshospitation: Lehramtsstudierende gehen mit erfahrenen und speziell ausgebildeten LehrerInnen, sogenannten BetreuungslehrerInnen, in diverse Klassen mit und beobachten unterschiedliche Aspekte des Unterrichts, von der Körpersprache der Unterrichtenden bis zur Konzentrationsfähigkeit einzelner SchülerInnen.
Dann passiert das Unvorhergesehene und es wird spannend: Ein Praktikant, Junglehrer im ersten Dienstjahr, übernimmt die Klasse. Es herrscht Jubel,Trubel, Heiterkeit.
Einer der beobachtenden Studierenden schreibt schließlich in seinem Bericht:
"Ich habe das Gefühl, dass der Frontalunterricht oft der letzte Ausweg für verzweifelte Lehrer ist um den Unterricht geregelt durchführen zu können."
Das trifft nicht nur unerfahrene Jungkollegen.
"Ich habe in den letzten Jahren einige neue Methoden ausprobiert," erzählt ein hoch geschätzter Kollege im besten Lehreralter. "Offenes Lernen, Simulationen, Internet ... aber ich bin reumütig zum guten alten Frontalunterricht und zum Lehrer-Schülergespräch zurückgekommen."
"Warum?"
"Weil es funktioniert. Weil es hocheffizient ist. Weil ich viele Jahre Erfahrung habe und am besten weiß, was wichtig ist. Weil ich meine fachliche Ausbildung einbringen will, auch mein Interesse, meine Begeisterung. Weil die Schüler dabei am meisten lernen, das sagen mir besonders die, die das an der Uni brauchen. Weil ..."
Der Kollege ist kaum zu stoppen. "... weil ich so die beste Kontrolle über die Klasse habe. Den Überblick. Da herrscht Ordung und Disziplin - und das hilft allen."
Immer, wenn moderne Unterrichtsformen diskutiert werden, spüre ich bei vielen Kollegen die gleichen Vorbehalte: "Ich würde ja gerne, aber das geht nur in ordentlichen, disziplinierten Klassen."
Da beisst sich die Katze in den Schwanz.
Dann passiert das Unvorhergesehene und es wird spannend: Ein Praktikant, Junglehrer im ersten Dienstjahr, übernimmt die Klasse. Es herrscht Jubel,Trubel, Heiterkeit.
Einer der beobachtenden Studierenden schreibt schließlich in seinem Bericht:
"Ich habe das Gefühl, dass der Frontalunterricht oft der letzte Ausweg für verzweifelte Lehrer ist um den Unterricht geregelt durchführen zu können."
Das trifft nicht nur unerfahrene Jungkollegen.
"Ich habe in den letzten Jahren einige neue Methoden ausprobiert," erzählt ein hoch geschätzter Kollege im besten Lehreralter. "Offenes Lernen, Simulationen, Internet ... aber ich bin reumütig zum guten alten Frontalunterricht und zum Lehrer-Schülergespräch zurückgekommen."
"Warum?"
"Weil es funktioniert. Weil es hocheffizient ist. Weil ich viele Jahre Erfahrung habe und am besten weiß, was wichtig ist. Weil ich meine fachliche Ausbildung einbringen will, auch mein Interesse, meine Begeisterung. Weil die Schüler dabei am meisten lernen, das sagen mir besonders die, die das an der Uni brauchen. Weil ..."
Der Kollege ist kaum zu stoppen. "... weil ich so die beste Kontrolle über die Klasse habe. Den Überblick. Da herrscht Ordung und Disziplin - und das hilft allen."
Immer, wenn moderne Unterrichtsformen diskutiert werden, spüre ich bei vielen Kollegen die gleichen Vorbehalte: "Ich würde ja gerne, aber das geht nur in ordentlichen, disziplinierten Klassen."
Da beisst sich die Katze in den Schwanz.
teacher - am Montag, 1. November 2010, 18:17
"Ich glaube, ATV wäre stolz auf so ein Video."
Ihre Idee ist, auf Wochenendparties mit der Kamera alles mitzufilmen. Ein Fressen fürs Fernsehen.
"Letzten Freitag war wieder die Hölle los", erzählt der Student. "Da sind mindestens 100 oder 150 Leute zusammengekommen.
"Über facebook?", frage ich nach.
"Nein. Gar nicht, ein Freund hat uns mitgenommen, dabei hat er den Typen selbst nicht gekannt. Das spricht sich sauschnell herum. Viele, die ich vom Gymnasium kenne."
"Und wo war das?"
"In so einem kleinen Einfamilienhaus, hinter den Reihenhäusern."
Dann gerät er in Fahrt. Tipps für Anfänger.
"Wir haben gleich am Anfang ein paar Bier versteckt, die gehen als erster aus. An zwei verschiedenen Stellen, weil da musst du vorsichtig sein, die anderen sind auch nicht deppert. Wie wir gekommen sind, da waren die meisten schon blunznfett. Da liegt schon einer im Eingang, gleich auf den Jacken und Mänteln, und kotzt die Bude voll. Also gib nie deine Jacke ab, entweder du kriegst sie nicht mehr, weil sie irgend jemand mitnimmt oder sie ist nicht mehr zu gebrauchen. Da suchen immer Leute nach Handys, nach Geld ... und vergiss nichts."
Verschnaufpause.
"Nach Mitternacht brauchen alle etwas zum Essen. Der Kühlschrank war schon leer ... und kaputt. Da war jemand frustriert und hat den Griff abgerissen. Normal. Dann ziehen wir in den Keller, da findet sich immer was. Aber auch im Schlafzimmer liegt Schokolade oder sonst was. Wenn nicht irgendjemand rum macht!"
Nächster Tipp.
"Und pass auf, wo du hinsteigst. Letztens ist dem Julius beim Zuprosten die Rotweinflasche aus der Hand gerutscht. Patsch. Mit den Schuhen hat er den Dreck unter den Tisch gewischt. Dann ist die große Schwester gekommen: "Da kehr auf!" Also hat er die Glasscherben zusammengekehrt ... und aufs Fensterbrett geschmissen. Urcool."
"Das ist doch unfair," unterbreche ich angewidert, "ihr seid eingeladen und ..."
"Das ist doch voll wurscht. Erstens sind alle abgefüllt bis ganz oben und zweitens schauts in den Lokalen auch so aus. Wenn du da aufs Klo willst, da musst du über Lacken an Bier und sonstwas. Normal, echt. Was glaubst du, was da abgeht? Maturafeiern in der Türkei, zum Beispiel."
Ich verdrehe die Augen.
"Zum Rauchen wollten sie uns rausschicken. Na klar. Die einen haben sich in so einem Schrankraum versteckt, Asche überall, am Teppich, in den Kleidern. Eine Riesensauerei, sag ich dir. Die anderen sind in den Garten raus ... und haben ein Lagerfeuer gemacht. War ja kalt. Da greifen sie alles, was brennt, unglaublich. Die hätten deine Korrekturen auch verbrannt, ich schwörs dir."
"Das findet ihr lustig?"
"Meingott, fad isses nicht ... und alle besoffen. Also das wäre echt ein super Video für ATV. Krasse Party."
Ihre Idee ist, auf Wochenendparties mit der Kamera alles mitzufilmen. Ein Fressen fürs Fernsehen.
"Letzten Freitag war wieder die Hölle los", erzählt der Student. "Da sind mindestens 100 oder 150 Leute zusammengekommen.
"Über facebook?", frage ich nach.
"Nein. Gar nicht, ein Freund hat uns mitgenommen, dabei hat er den Typen selbst nicht gekannt. Das spricht sich sauschnell herum. Viele, die ich vom Gymnasium kenne."
"Und wo war das?"
"In so einem kleinen Einfamilienhaus, hinter den Reihenhäusern."
Dann gerät er in Fahrt. Tipps für Anfänger.
"Wir haben gleich am Anfang ein paar Bier versteckt, die gehen als erster aus. An zwei verschiedenen Stellen, weil da musst du vorsichtig sein, die anderen sind auch nicht deppert. Wie wir gekommen sind, da waren die meisten schon blunznfett. Da liegt schon einer im Eingang, gleich auf den Jacken und Mänteln, und kotzt die Bude voll. Also gib nie deine Jacke ab, entweder du kriegst sie nicht mehr, weil sie irgend jemand mitnimmt oder sie ist nicht mehr zu gebrauchen. Da suchen immer Leute nach Handys, nach Geld ... und vergiss nichts."
Verschnaufpause.
"Nach Mitternacht brauchen alle etwas zum Essen. Der Kühlschrank war schon leer ... und kaputt. Da war jemand frustriert und hat den Griff abgerissen. Normal. Dann ziehen wir in den Keller, da findet sich immer was. Aber auch im Schlafzimmer liegt Schokolade oder sonst was. Wenn nicht irgendjemand rum macht!"
Nächster Tipp.
"Und pass auf, wo du hinsteigst. Letztens ist dem Julius beim Zuprosten die Rotweinflasche aus der Hand gerutscht. Patsch. Mit den Schuhen hat er den Dreck unter den Tisch gewischt. Dann ist die große Schwester gekommen: "Da kehr auf!" Also hat er die Glasscherben zusammengekehrt ... und aufs Fensterbrett geschmissen. Urcool."
"Das ist doch unfair," unterbreche ich angewidert, "ihr seid eingeladen und ..."
"Das ist doch voll wurscht. Erstens sind alle abgefüllt bis ganz oben und zweitens schauts in den Lokalen auch so aus. Wenn du da aufs Klo willst, da musst du über Lacken an Bier und sonstwas. Normal, echt. Was glaubst du, was da abgeht? Maturafeiern in der Türkei, zum Beispiel."
Ich verdrehe die Augen.
"Zum Rauchen wollten sie uns rausschicken. Na klar. Die einen haben sich in so einem Schrankraum versteckt, Asche überall, am Teppich, in den Kleidern. Eine Riesensauerei, sag ich dir. Die anderen sind in den Garten raus ... und haben ein Lagerfeuer gemacht. War ja kalt. Da greifen sie alles, was brennt, unglaublich. Die hätten deine Korrekturen auch verbrannt, ich schwörs dir."
"Das findet ihr lustig?"
"Meingott, fad isses nicht ... und alle besoffen. Also das wäre echt ein super Video für ATV. Krasse Party."
teacher - am Dienstag, 26. Oktober 2010, 10:57
Unsere Absolventen, Maturanten bzw. Abiturienten, kommen in die Zange, weil wir angehalten werden, Überschuss zu produzieren.
Die Universitäten machen ihre Zugangsschleusen dicht: "Wir müssen scharfe Eingangsprüfungen machen und hart aussieben", lautet der Tenor der Rektoren.
Das heißt im Klartext: Die Studienberechtigung, die mit der Reifeprüfung vergeben wurde, ist nichts mehr wert. Die Universitäten und Hochschulen akzeptieren sie nicht, sie suchen sich ihre Kandidaten selbst aus, sie vertrauen der Qualität der Gymnasien und Höheren Schulen nicht mehr. Sie haben zu wenig Kapazitäten, alle Absolventen aufzunehmen, sie wollen nur die Besten weiterbilden.
Verständlich. Machen andere Unternehmen genau so.
Auf der anderen Seite produzieren wir munter weiter: "Kommt, liebe Kinder, nascht am Baum der süßen Bildungsfrüchte." Wir sollen möglichst viele Kinder bis zur Reifeprüfung bringen, wir versorgen möglichst alle mit der Studienberechtigung.
Wozu, wenn sie damit nichts anfangen können?
Wenn weder Studien- noch Arbeitsplätze für sie bereit stehen?
"Wozu lernen?" muss ein Jugendlicher dann denken. "Mathematik fürs Taxifahren? Chemie fürs Kellnern? Geschichte fürs Leben?"
Würde ein Unternehmen Leute ausbilden, die es nicht braucht?
Rohstoffe fördern, die am Markt keine Abnehmer finden?
Würdet Ihr hart arbeiten, um - fein gebildet - vor dem Nichts zu stehen?
Schule tut das. Wir produzieren Überschuss.
Und der wehrt sich. Erfolgreich.
Die Universitäten machen ihre Zugangsschleusen dicht: "Wir müssen scharfe Eingangsprüfungen machen und hart aussieben", lautet der Tenor der Rektoren.
Das heißt im Klartext: Die Studienberechtigung, die mit der Reifeprüfung vergeben wurde, ist nichts mehr wert. Die Universitäten und Hochschulen akzeptieren sie nicht, sie suchen sich ihre Kandidaten selbst aus, sie vertrauen der Qualität der Gymnasien und Höheren Schulen nicht mehr. Sie haben zu wenig Kapazitäten, alle Absolventen aufzunehmen, sie wollen nur die Besten weiterbilden.
Verständlich. Machen andere Unternehmen genau so.
Auf der anderen Seite produzieren wir munter weiter: "Kommt, liebe Kinder, nascht am Baum der süßen Bildungsfrüchte." Wir sollen möglichst viele Kinder bis zur Reifeprüfung bringen, wir versorgen möglichst alle mit der Studienberechtigung.
Wozu, wenn sie damit nichts anfangen können?
Wenn weder Studien- noch Arbeitsplätze für sie bereit stehen?
"Wozu lernen?" muss ein Jugendlicher dann denken. "Mathematik fürs Taxifahren? Chemie fürs Kellnern? Geschichte fürs Leben?"
Würde ein Unternehmen Leute ausbilden, die es nicht braucht?
Rohstoffe fördern, die am Markt keine Abnehmer finden?
Würdet Ihr hart arbeiten, um - fein gebildet - vor dem Nichts zu stehen?
Schule tut das. Wir produzieren Überschuss.
Und der wehrt sich. Erfolgreich.
teacher - am Montag, 25. Oktober 2010, 09:41
Zwei Mädchen kommen zum Direktor:
"Der Alex hat die Wand eingedrückt."
Sie petzen.
"Diese Mädel haben Solidarität gezeigt. Sie haben gelernt, dass es nicht nur Solidarität zu Mitschülern gibt, sondern auch Solidarität zu Werten - physischen und immateriellen Werten", philosophiert ein wunderbarer Kollege.
Der Direktor geht der Sache nach. Eine geflieste Rigips-Wand wurde mit den Füssen eingetreten. Schaden: ca. 2000 Euro.
Alex hat sich damit gebrüstet: "Mit zwei Tritten habe ich sie fertig gemacht!" Aber sein Vater droht mit dem Rechtsanwalt: "Das müssen sie erst einmal beweisen. Alex hat sich in der Klasse nur wichtig gemacht."
"Was kostet uns der Vandalismus pro Jahr?", frage ich im Sekretariat nach.
"Geschätzte 20.000 Euro. Der Vandalismus nimmt nicht zu, aber die Schäden und die Kosten schon. Bei sinkendem Schulbudget!"
"Für die Mauern, die Fenster, die Türen ... dafür ist doch die BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) zuständig?"
"Die putzen sich ab. Das sind keine Abnützungserscheinungen, das müssen wir selber zahlen."
"Deshalb bekomme ich keinen Beamer, nicht einmal neue Lampen für ausgebrannte Projektoren, lieber Alex, lieber Vater."
Deshalb schreiben wir weiter mit billiger Kreide auf bruchsicheren Tafeln, auch in Alex's Klasse.
Aber die Kinder des Rechtsanwaltes gehen in Privatschulen. Mit teuren Beamern.
"Der Alex hat die Wand eingedrückt."
Sie petzen.
"Diese Mädel haben Solidarität gezeigt. Sie haben gelernt, dass es nicht nur Solidarität zu Mitschülern gibt, sondern auch Solidarität zu Werten - physischen und immateriellen Werten", philosophiert ein wunderbarer Kollege.
Der Direktor geht der Sache nach. Eine geflieste Rigips-Wand wurde mit den Füssen eingetreten. Schaden: ca. 2000 Euro.
Alex hat sich damit gebrüstet: "Mit zwei Tritten habe ich sie fertig gemacht!" Aber sein Vater droht mit dem Rechtsanwalt: "Das müssen sie erst einmal beweisen. Alex hat sich in der Klasse nur wichtig gemacht."
"Was kostet uns der Vandalismus pro Jahr?", frage ich im Sekretariat nach.
"Geschätzte 20.000 Euro. Der Vandalismus nimmt nicht zu, aber die Schäden und die Kosten schon. Bei sinkendem Schulbudget!"
"Für die Mauern, die Fenster, die Türen ... dafür ist doch die BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) zuständig?"
"Die putzen sich ab. Das sind keine Abnützungserscheinungen, das müssen wir selber zahlen."
"Deshalb bekomme ich keinen Beamer, nicht einmal neue Lampen für ausgebrannte Projektoren, lieber Alex, lieber Vater."
Deshalb schreiben wir weiter mit billiger Kreide auf bruchsicheren Tafeln, auch in Alex's Klasse.
Aber die Kinder des Rechtsanwaltes gehen in Privatschulen. Mit teuren Beamern.
teacher - am Freitag, 22. Oktober 2010, 11:54
Gestern bin ich zornig aus der Klasse gegangen. Meine Planung ging nicht auf, sondern in die Hose und im Gelächter unter. (Blödes Wortspiel)
Die SchülerInnen sollten aus einem CD-Dialog wichtige Alltagsinformationen heraushören und in ein Arbeitsblatt eintragen. Leider kommt im Dialog eine weiblich-schrille Stimme vor, die zum Lachen anregt. Zumindest meine Pubertierenden unterhielten sich köstlich - mir ist der Witz verschlossen geblieben.
Ich spiele den Dialog noch einmal, damit die Informationen nicht verloren gehen. Geht gut bis zur krächzenden Stimme: Brüll ...
"Bitte! Konzentrieren wir uns. Noch einmal ..."
Brüll. Imitation. Brüll ...
Gong.
Ärger.
Abgang.
Morgengrau(en):
Ich wache eine Stunde zu früh auf. Gedanken kommen.
Wie gehe ich heute in die Klasse?
Wie schließe ich an die Niederlage an?
Und was werde ich anziehen?
Selbstzweifel.
Was hätte ich anders machen können? Sollen?
Wie hätte ich die Stunde vorbereiten müssen?
Könnte ich die Hausübungen anders stellen?
Vielleicht sollte ich nicht eine Stunde am Computer sitzen und "niemehrschule" schreiben, sondern neue Stundenbilder googeln. Oder bin ich wirklich so ausgelaugt, dass ich bei unbedeutenden Anlässen versage.
Grüble ich zu viel?
Bin ich selber schuld, wenn meine SchülerInnen nicht arbeiten?
Haben meine Kritiker (hier) recht?
Muss ich mich mehr anstrengen?
Ich hätte sicher noch andere Unterlagen kopieren können, ich hätte sicher mehr Aufwand treiben können, ich hätte sicher ... aber ich habe nicht.
Ich stehe auf. Getrieben, aber nicht motiviert.
Die SchülerInnen sollten aus einem CD-Dialog wichtige Alltagsinformationen heraushören und in ein Arbeitsblatt eintragen. Leider kommt im Dialog eine weiblich-schrille Stimme vor, die zum Lachen anregt. Zumindest meine Pubertierenden unterhielten sich köstlich - mir ist der Witz verschlossen geblieben.
Ich spiele den Dialog noch einmal, damit die Informationen nicht verloren gehen. Geht gut bis zur krächzenden Stimme: Brüll ...
"Bitte! Konzentrieren wir uns. Noch einmal ..."
Brüll. Imitation. Brüll ...
Gong.
Ärger.
Abgang.
Morgengrau(en):
Ich wache eine Stunde zu früh auf. Gedanken kommen.
Wie gehe ich heute in die Klasse?
Wie schließe ich an die Niederlage an?
Und was werde ich anziehen?
Selbstzweifel.
Was hätte ich anders machen können? Sollen?
Wie hätte ich die Stunde vorbereiten müssen?
Könnte ich die Hausübungen anders stellen?
Vielleicht sollte ich nicht eine Stunde am Computer sitzen und "niemehrschule" schreiben, sondern neue Stundenbilder googeln. Oder bin ich wirklich so ausgelaugt, dass ich bei unbedeutenden Anlässen versage.
Grüble ich zu viel?
Bin ich selber schuld, wenn meine SchülerInnen nicht arbeiten?
Haben meine Kritiker (hier) recht?
Muss ich mich mehr anstrengen?
Ich hätte sicher noch andere Unterlagen kopieren können, ich hätte sicher mehr Aufwand treiben können, ich hätte sicher ... aber ich habe nicht.
Ich stehe auf. Getrieben, aber nicht motiviert.
teacher - am Dienstag, 19. Oktober 2010, 08:36
Schauen wir uns das Fernsehprogramm an.
Suchen wir die Sendungen, die Chemie, Latein, Ethik oder Mathematik lehren.
Ja, so etwas gab es, Schulfernsehen. Ein ziemlich angestaubtes Format, das in unserer Spaßgesellschaft keinen Platz mehr findet. Es interessiert einfach niemanden. Von der Konkurrenz erfolgreich weggefegt. Tränen gab es keine.
Schauen wir Kindern beim Zappen vor den Fernsehgeräten oder beim Surfen in Internet zu. Wo bleiben sie hängen? Was interessiert sie? Ist da Französisch, Physik oder Wirtschaftskunde dabei?
Schauen wir in die Buchhandlungen: Wer kauft dort Lehrbücher zur Biologie, zum Rechnungswesen oder zur Politischen Bildung? Studierende, die müssen. Keine weiteren Interessenten.
Ich würde mir Sorgen machen um meine eigenen Kinder, wenn sie aus freien Stücken lieber die Gedanken der großen Philosophen lesen würden statt auf facebook mit ihren Freund/inn/en zu chatten. Sie sind normale Kinder, haben Interessen normaler Jugendlicher.
"Die Kinder haben ein natürliches Interesse zu lernen und zu forschen", behaupten unsere fortschrittlichen Pädagogen und unsere fordernden Eltern.
"Ja," sage ich. "Und sie haben tausend Gelegenheiten, diese jugendlichen Intereressen auf verschiedenste Weise abzudecken. Sieben Stunden Medienkonsum pro Tag helfen dabei nicht unwesentlich."
"Warum schaffen das die Lehrer nicht?"
"Weil wir Fächer zu unterrichten haben, die den natürlichen Interessen der Jugendlichen nicht entsprechen. Mit Materialien, die niemanden begeistern. Mit Zielen, die Studier-, Arbeits- oder Kritikfähigkeit vorsehen - statt Spaß und Unterhaltung. Das ist (unsere heutige) Schule."
Also haben wir die Wahl:
1. Wir gehen in der Didaktik vom alten Dogma ab, dass wir auf den natürlichen und lustbetonten Forschungsdrang der Kinder aufbauen dürfen. Dann können wir die alten Fächer beibehalten.
Alte Fächer - Neue Didaktik: Lernen mit Lustlosen. Lernen mit Übersättigten. Lernen mit Uninteressierten.
2. Wir kreieren neue Fächer und formulieren neue Ziele: Wir unterrichten jene Fähigkeiten und jenes Wissen, das die Jugendlichen wirklich interessiert. Ohne die Ansprüche der Universitäten, der Arbeitgeber oder simple Alltagsbewältigung anzupeilen.
Konkurrenz für RTL II, VOX, youtube, facebook. Und viel Spaß.
Suchen wir die Sendungen, die Chemie, Latein, Ethik oder Mathematik lehren.
Ja, so etwas gab es, Schulfernsehen. Ein ziemlich angestaubtes Format, das in unserer Spaßgesellschaft keinen Platz mehr findet. Es interessiert einfach niemanden. Von der Konkurrenz erfolgreich weggefegt. Tränen gab es keine.
Schauen wir Kindern beim Zappen vor den Fernsehgeräten oder beim Surfen in Internet zu. Wo bleiben sie hängen? Was interessiert sie? Ist da Französisch, Physik oder Wirtschaftskunde dabei?
Schauen wir in die Buchhandlungen: Wer kauft dort Lehrbücher zur Biologie, zum Rechnungswesen oder zur Politischen Bildung? Studierende, die müssen. Keine weiteren Interessenten.
Ich würde mir Sorgen machen um meine eigenen Kinder, wenn sie aus freien Stücken lieber die Gedanken der großen Philosophen lesen würden statt auf facebook mit ihren Freund/inn/en zu chatten. Sie sind normale Kinder, haben Interessen normaler Jugendlicher.
"Die Kinder haben ein natürliches Interesse zu lernen und zu forschen", behaupten unsere fortschrittlichen Pädagogen und unsere fordernden Eltern.
"Ja," sage ich. "Und sie haben tausend Gelegenheiten, diese jugendlichen Intereressen auf verschiedenste Weise abzudecken. Sieben Stunden Medienkonsum pro Tag helfen dabei nicht unwesentlich."
"Warum schaffen das die Lehrer nicht?"
"Weil wir Fächer zu unterrichten haben, die den natürlichen Interessen der Jugendlichen nicht entsprechen. Mit Materialien, die niemanden begeistern. Mit Zielen, die Studier-, Arbeits- oder Kritikfähigkeit vorsehen - statt Spaß und Unterhaltung. Das ist (unsere heutige) Schule."
Also haben wir die Wahl:
1. Wir gehen in der Didaktik vom alten Dogma ab, dass wir auf den natürlichen und lustbetonten Forschungsdrang der Kinder aufbauen dürfen. Dann können wir die alten Fächer beibehalten.
Alte Fächer - Neue Didaktik: Lernen mit Lustlosen. Lernen mit Übersättigten. Lernen mit Uninteressierten.
2. Wir kreieren neue Fächer und formulieren neue Ziele: Wir unterrichten jene Fähigkeiten und jenes Wissen, das die Jugendlichen wirklich interessiert. Ohne die Ansprüche der Universitäten, der Arbeitgeber oder simple Alltagsbewältigung anzupeilen.
Konkurrenz für RTL II, VOX, youtube, facebook. Und viel Spaß.
teacher - am Sonntag, 17. Oktober 2010, 13:16
Bei der Gangaufsicht fallen mir zwei Ex in die Hände. Zwei Schüler, die eine Klasse wiederholen müssen, weil sie wegen "Nicht Genügend" nicht aufsteigen durften.
"Na, wie geht's euch in der neuen Klasse?"
"Geht eh."
"Ihr müsst ja jetzt bei den Besseren sein, ihr habt ja ein Jahr Vorsprung."
"Ja", sagt der eine, "ich bin jetzt ein Einser-Kandidat."
"Gar nicht", sagt der andere, "Sie haben uns nichts beigebracht!"
"Deswegen bist du durchgefallen", sage ich zu ihm, den ich zu den Schlauen zähle.
"Warum?"
"Weil du dich zurücklehnst und wartest, dass dir jemand alles beibringt."
"Eh."
Ich kenne seine Einstellung, weil ich seine Mutter kenne. Und deren Einstellung zur Schule.
Ich habe ihm erklärt: "Pass auf. Lernen ist ein aktiver Prozess, das kannst nur Du selbst gestalten. Ich gebe dir Lernchancen, aber Du musst sie nutzen."
Da lacht er.
Er will da bloß durch.
"Na, wie geht's euch in der neuen Klasse?"
"Geht eh."
"Ihr müsst ja jetzt bei den Besseren sein, ihr habt ja ein Jahr Vorsprung."
"Ja", sagt der eine, "ich bin jetzt ein Einser-Kandidat."
"Gar nicht", sagt der andere, "Sie haben uns nichts beigebracht!"
"Deswegen bist du durchgefallen", sage ich zu ihm, den ich zu den Schlauen zähle.
"Warum?"
"Weil du dich zurücklehnst und wartest, dass dir jemand alles beibringt."
"Eh."
Ich kenne seine Einstellung, weil ich seine Mutter kenne. Und deren Einstellung zur Schule.
Ich habe ihm erklärt: "Pass auf. Lernen ist ein aktiver Prozess, das kannst nur Du selbst gestalten. Ich gebe dir Lernchancen, aber Du musst sie nutzen."
Da lacht er.
Er will da bloß durch.
teacher - am Donnerstag, 14. Oktober 2010, 15:48