Seit einigen Wochen stapeln sich neue Bücher auf meinem Schreibtisch. Nicht Handke oder Kehlmann, sondern neu erschienene Lehrbücher, die kurz vor den Konferenzterminen um Aufmerksamkeit buhlen: "Bestellt mich!"
Jetzt gibt es zwei Gruppen von Kollegen, die Neugierigen und die Vorsichtigen.
Ich bin ein Neugieriger, ich kann an keinem Lehrwerk vorbei. Ich blättere, ich schmöckere, ich staune. Vieles kommt mir bekannt vor, einiges wurde erneuert, weniges reisst mich vom Hocker. Der Trend gefällt mir: Unsere Bücher werden bunter, luftiger, moderner. Kompetenzen rücken in den Vordergrund, Lernstoff verliert an Bedeutung. Aktivitäten werden angeregt, passives Lesen hat ausgedient. Immer wieder finde ich neue Ideen, die mich zum Kopierer laufen lassen (Kopieren von Lehrbüchern ist verboten!). Mein Entschluss: "Will haben".
Bedeutet: Ich muss acht Kolleginnen überzeugen, dass sich eine Umstellung auszahlt.
Da kommen die Vorsichtigen ins Spiel:
"Was kostet das Buch?" (Immer mehr als das alte, d.h. zu viel)
"Gibt es Begleitmaterial?" (Meistens nur gegen Zusatzbezahlung, die niemand übernehmen will)
"Passt es in unseren Lehrplan?" (Ja, aber es wurde für Deutschland geschrieben)
"Kann ich meine alten Vorbereitungen weiter verwenden?" (Nein)
"Bereitet der letzte Band auf die NEUE Matura vor?" (Nein, keines der Bücher geht auf diese - unausgereifte - Novelle ein)
Tage später bekomme ich Rückmeldung: "Entscheide Du!"
OK - Ab nächstem Jahr arbeiten wir mit neuen Lehrbüchern.
Mein siebenter Wechsel, erzählt meine Hausbibliothek.
Vorsicht vor Neugier!
Jetzt gibt es zwei Gruppen von Kollegen, die Neugierigen und die Vorsichtigen.
Ich bin ein Neugieriger, ich kann an keinem Lehrwerk vorbei. Ich blättere, ich schmöckere, ich staune. Vieles kommt mir bekannt vor, einiges wurde erneuert, weniges reisst mich vom Hocker. Der Trend gefällt mir: Unsere Bücher werden bunter, luftiger, moderner. Kompetenzen rücken in den Vordergrund, Lernstoff verliert an Bedeutung. Aktivitäten werden angeregt, passives Lesen hat ausgedient. Immer wieder finde ich neue Ideen, die mich zum Kopierer laufen lassen (Kopieren von Lehrbüchern ist verboten!). Mein Entschluss: "Will haben".
Bedeutet: Ich muss acht Kolleginnen überzeugen, dass sich eine Umstellung auszahlt.
Da kommen die Vorsichtigen ins Spiel:
"Was kostet das Buch?" (Immer mehr als das alte, d.h. zu viel)
"Gibt es Begleitmaterial?" (Meistens nur gegen Zusatzbezahlung, die niemand übernehmen will)
"Passt es in unseren Lehrplan?" (Ja, aber es wurde für Deutschland geschrieben)
"Kann ich meine alten Vorbereitungen weiter verwenden?" (Nein)
"Bereitet der letzte Band auf die NEUE Matura vor?" (Nein, keines der Bücher geht auf diese - unausgereifte - Novelle ein)
Tage später bekomme ich Rückmeldung: "Entscheide Du!"
OK - Ab nächstem Jahr arbeiten wir mit neuen Lehrbüchern.
Mein siebenter Wechsel, erzählt meine Hausbibliothek.
Vorsicht vor Neugier!
teacher - am Mittwoch, 4. März 2009, 19:08
Unsere Frau Minister "lädt uns herzlich ein", ab nächstem Jahr zwei Stunden pro Woche länger zu arbeiten. Natürlich unbezahlt.
Als Solidaritätsbeitrag.
Klar, sie kommt aus dem Bankmanagement. Dort hat man in den letzten Jahren aberwitzige Milliarden verzockt, das soll jetzt der Staat mit seinen Mitarbeitern auslöfflen. Logisch.
Als Umstrukturierungsmaßnahme.
Wir sollen zwei Stunden mehr in den Klassen stehen, und einfach anderswo weniger arbeiten: Weniger Vorbereitung, weniger Korrektur, weniger Fortbildung. Das nennt Frau Minister Qualitätsverbesserung. Logisch.
Als Wunsch der Bevölkerung.
Ich verstehe gut, dass zwei Drittel der Befragten für diese Maßnahmen eintreten. Ein bisschen Neid schüren, ein bisschen Propaganda betreiben, ein ruiniertes Image ausnützen ... hat immer funktioniert. Logisch.
Und warum sparen wir nicht bei der Verwaltung? Bei der Frau Ministerin? In den Ämtern und Landesschulräten? Da fließt das halbe Bildungsbudget hinein - und zwar weitgehend sinnlos. Wäre die Bevölkerung damit nicht einverstanden?
Ein Stimmungsbild aus dem Lehrkörper:
"Wir bezahlen die Bankenkrise? Und die superteure Gesamtschule, die wir für völlig wertlos halten."
"Es geht ihr nur um Aufbewahrung, nicht um Qualität. Hauptsache wir stehen länger in der Klasse."
"Ehrlich, ich arbeite an der Grenze, mindestens 50 Stunden pro Woche. Eine zusätzliche Klasse, das werde ich nicht durchdrücken ..."
"Gehts den Lehrern schlecht - gehts den Leuten gut. Und den Kindern?"
"Schau, ich werde zwei Stunden länger in der Schule sein. OK, aber drei Stunden zuhause weniger arbeiten. Demotivation zahlt sich aus, das weiß jeder Wirtschaftspsychologe."
"Ich freue mich auf die nächste PISA-Studie. Das kann nur schief gehen."
"Ich bin bereit, zu sparen ... und länger zu arbeiten. Wenn das alle anderen auch tun!"
Als Solidaritätsbeitrag.
Klar, sie kommt aus dem Bankmanagement. Dort hat man in den letzten Jahren aberwitzige Milliarden verzockt, das soll jetzt der Staat mit seinen Mitarbeitern auslöfflen. Logisch.
Als Umstrukturierungsmaßnahme.
Wir sollen zwei Stunden mehr in den Klassen stehen, und einfach anderswo weniger arbeiten: Weniger Vorbereitung, weniger Korrektur, weniger Fortbildung. Das nennt Frau Minister Qualitätsverbesserung. Logisch.
Als Wunsch der Bevölkerung.
Ich verstehe gut, dass zwei Drittel der Befragten für diese Maßnahmen eintreten. Ein bisschen Neid schüren, ein bisschen Propaganda betreiben, ein ruiniertes Image ausnützen ... hat immer funktioniert. Logisch.
Und warum sparen wir nicht bei der Verwaltung? Bei der Frau Ministerin? In den Ämtern und Landesschulräten? Da fließt das halbe Bildungsbudget hinein - und zwar weitgehend sinnlos. Wäre die Bevölkerung damit nicht einverstanden?
Ein Stimmungsbild aus dem Lehrkörper:
"Wir bezahlen die Bankenkrise? Und die superteure Gesamtschule, die wir für völlig wertlos halten."
"Es geht ihr nur um Aufbewahrung, nicht um Qualität. Hauptsache wir stehen länger in der Klasse."
"Ehrlich, ich arbeite an der Grenze, mindestens 50 Stunden pro Woche. Eine zusätzliche Klasse, das werde ich nicht durchdrücken ..."
"Gehts den Lehrern schlecht - gehts den Leuten gut. Und den Kindern?"
"Schau, ich werde zwei Stunden länger in der Schule sein. OK, aber drei Stunden zuhause weniger arbeiten. Demotivation zahlt sich aus, das weiß jeder Wirtschaftspsychologe."
"Ich freue mich auf die nächste PISA-Studie. Das kann nur schief gehen."
"Ich bin bereit, zu sparen ... und länger zu arbeiten. Wenn das alle anderen auch tun!"
teacher - am Samstag, 28. Februar 2009, 13:25
Es kommt bitter kalt herein ... und alle Fenster sind zum Lüften weit aufgerissen. Trotzdem liegt ein öder Mief im Raum.
Die Vierzehnjährigen waren LUSTig, aber der Schuss ist ins Knie gegangen: Sie frieren im Gestank.
"Tragt das Zeug ins Geschäft zurück! Es ist sein Geld nicht wert", wettert die Klassenvorständin und verteilt Referate übers Wochenende. Eine Kollegin hatte in der hintersten Bank ein schwarzes Fläschchen mit geheimnisvollem Inhalt entdeckt: "Macht Frauen wild auf Sex"
Und die Frauen sind wirklich wild geworden. Vielleicht kommt der Sex erst am Abend, in der Schule weht vorerst ein kalter Wind durch die Gänge...
Die Vierzehnjährigen waren LUSTig, aber der Schuss ist ins Knie gegangen: Sie frieren im Gestank.
"Tragt das Zeug ins Geschäft zurück! Es ist sein Geld nicht wert", wettert die Klassenvorständin und verteilt Referate übers Wochenende. Eine Kollegin hatte in der hintersten Bank ein schwarzes Fläschchen mit geheimnisvollem Inhalt entdeckt: "Macht Frauen wild auf Sex"
Und die Frauen sind wirklich wild geworden. Vielleicht kommt der Sex erst am Abend, in der Schule weht vorerst ein kalter Wind durch die Gänge...
teacher - am Donnerstag, 26. Februar 2009, 21:53
Die 3 C ist eine lustige Partie, so unbeschwert, wie man nur mit 12 Jahren das Leben nehmen kann.
Der Biologielehrer teilt den letzten schriftlichen Test aus: 18 Nicht Genügend von 27 Schülern, eine Wiederholung ist notwendig.
Früher hätte der erfahrene Lehrer geschimpft, gedroht, verwarnt. Heute setzt er auf Motivation, Beruhigung ... und Wiederholung.
Die 3 C bleibt eine lustige Partie, hat Rat und Trost für den besorgten Lehrer:
"Ach, das ist halb so schlimm. Tun Sie sich nichts an, in Mathe sind wir noch schlechter. Das kann doch jedem passieren."
Genau: Die vielen negativen Ergebnisse, das passiert nicht den Schülern, das passiert den Lehrern. Zu schwere Fragen, zu viel Stoff, zu schlechte Vorbereitung. Die Kinder sehen das genau so, wie sie es täglich hören: Wenn sie schlechte Ergebnisse bringen, dann haben die Lehrer versagt. Punkt.
Wir bemühen uns klarzumachen, dass Lernende selbst Verantwortung übernehmen müssen ("Eigenverantwortliches Lernen"), aber der Zeitgeist sieht es anders.
Die 3C bleibt jedenfalls eine lustige Partie und freut sich auf den nächsten Test.
Der Biologielehrer teilt den letzten schriftlichen Test aus: 18 Nicht Genügend von 27 Schülern, eine Wiederholung ist notwendig.
Früher hätte der erfahrene Lehrer geschimpft, gedroht, verwarnt. Heute setzt er auf Motivation, Beruhigung ... und Wiederholung.
Die 3 C bleibt eine lustige Partie, hat Rat und Trost für den besorgten Lehrer:
"Ach, das ist halb so schlimm. Tun Sie sich nichts an, in Mathe sind wir noch schlechter. Das kann doch jedem passieren."
Genau: Die vielen negativen Ergebnisse, das passiert nicht den Schülern, das passiert den Lehrern. Zu schwere Fragen, zu viel Stoff, zu schlechte Vorbereitung. Die Kinder sehen das genau so, wie sie es täglich hören: Wenn sie schlechte Ergebnisse bringen, dann haben die Lehrer versagt. Punkt.
Wir bemühen uns klarzumachen, dass Lernende selbst Verantwortung übernehmen müssen ("Eigenverantwortliches Lernen"), aber der Zeitgeist sieht es anders.
Die 3C bleibt jedenfalls eine lustige Partie und freut sich auf den nächsten Test.
teacher - am Montag, 23. Februar 2009, 18:49
Ich mag das Wort und ich liebe den Inhalt: Akzeptanzmanagement.
Es ist eine einseitige, verschmähte Liebe.
Sollen einer Veränderung oder einem Projekt im wirtschaftlichen Umfeld Chancen auf Erfolg und Akzeptanz eingeräumt werden, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Vision (Existenz eines gemeinsamen Leitbildes)
2. Kommunikation (zwischen den Akteuren)
3. Skills (Fähigkeiten mit den Neuerungen umzugehen)
4. Tools (Ausstattung mit den notwendigen Werkzeugen)
5. Anreize (Motivation zur Beteiligung)
6. Aktionsplan (zur Umsetzung der Neuerungen)
Sonst ist mit Verwirrung, Ablehnung, Angst, Frustration, Abwehr und Chaos zu rechnen.
Nehmen wir an, jemand möchte den gängigen Frontalunterricht mit modernen Unterrichtsformen ergänzen und E-Learning-Elemente integrieren. Dann jault die halbe Schule auf - Akzeptanz muss erst geschaffen werden, die obigen sechs Punkte abgearbeitet. Und siehe da, keine der Forderungen ist erfüllt:
1. Es gibt keine gemeisame Vision, wie effizienter Unterricht ausschauen soll, es gibt nur widersprüchliche Meinungen dazu.
2. Die Kommunikation zwischen den Lehrern beschränkt sich auf Pausenzeiten, die gerade zur Deckung physiologischer Grundbedürfnisse reichen. Die Kommunikation mit den übergeordneten Instanzen ist einseitig (Verordnungen, Beschwerden, Erlässe), mit den betroffenen SchülerInnen und Eltern völlig verfahren (sicher nicht offen und gegenseitig wertschätzend).
3. Unsere Skills stammen von Universitätsstudien, die zumindest leicht angegraut sind, wissenschaftlich ausgerichtet und für heutige Unterrichtsszenarien unbrauchbar.
4. Unsere Tools können mit der durchschnittlichen Ausstattung eines Kinderzimmers längst nicht mithalten und konzentrieren sich auf das "pädagogische Reinheitsgebot von 1914": Tafel, Kreide, Buch.
5. Es gibt keine Anreize, seinen Unterricht zu ändern. Keine. Ausser man verfügt über masochistische Züge.
6. Und Planungen, die über den Jahresstoff laut Lehrplan hinausgehen, passen so gar nicht in unser Bildungssystem.
Fragen Sie mich, warum in der Schule NIX WEITERGEHT.
Oder fragen Sie, wer im Schulsystem das Wort Akzeptanzmanagement schon gehört hat. Oder gar ernst genommen.
Es ist eine einseitige, verschmähte Liebe.
Sollen einer Veränderung oder einem Projekt im wirtschaftlichen Umfeld Chancen auf Erfolg und Akzeptanz eingeräumt werden, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Vision (Existenz eines gemeinsamen Leitbildes)
2. Kommunikation (zwischen den Akteuren)
3. Skills (Fähigkeiten mit den Neuerungen umzugehen)
4. Tools (Ausstattung mit den notwendigen Werkzeugen)
5. Anreize (Motivation zur Beteiligung)
6. Aktionsplan (zur Umsetzung der Neuerungen)
Sonst ist mit Verwirrung, Ablehnung, Angst, Frustration, Abwehr und Chaos zu rechnen.
Nehmen wir an, jemand möchte den gängigen Frontalunterricht mit modernen Unterrichtsformen ergänzen und E-Learning-Elemente integrieren. Dann jault die halbe Schule auf - Akzeptanz muss erst geschaffen werden, die obigen sechs Punkte abgearbeitet. Und siehe da, keine der Forderungen ist erfüllt:
1. Es gibt keine gemeisame Vision, wie effizienter Unterricht ausschauen soll, es gibt nur widersprüchliche Meinungen dazu.
2. Die Kommunikation zwischen den Lehrern beschränkt sich auf Pausenzeiten, die gerade zur Deckung physiologischer Grundbedürfnisse reichen. Die Kommunikation mit den übergeordneten Instanzen ist einseitig (Verordnungen, Beschwerden, Erlässe), mit den betroffenen SchülerInnen und Eltern völlig verfahren (sicher nicht offen und gegenseitig wertschätzend).
3. Unsere Skills stammen von Universitätsstudien, die zumindest leicht angegraut sind, wissenschaftlich ausgerichtet und für heutige Unterrichtsszenarien unbrauchbar.
4. Unsere Tools können mit der durchschnittlichen Ausstattung eines Kinderzimmers längst nicht mithalten und konzentrieren sich auf das "pädagogische Reinheitsgebot von 1914": Tafel, Kreide, Buch.
5. Es gibt keine Anreize, seinen Unterricht zu ändern. Keine. Ausser man verfügt über masochistische Züge.
6. Und Planungen, die über den Jahresstoff laut Lehrplan hinausgehen, passen so gar nicht in unser Bildungssystem.
Fragen Sie mich, warum in der Schule NIX WEITERGEHT.
Oder fragen Sie, wer im Schulsystem das Wort Akzeptanzmanagement schon gehört hat. Oder gar ernst genommen.
teacher - am Mittwoch, 18. Februar 2009, 20:44
Darf ich mich vorstellen, ich bin ein berühmter Journalist von der Krönchen-Zeitung, ich schreibe so schöne Briefe an andere berühmte Leute ... und wir sind die größte Zeitung der Welt, also weniger vom Format, aber von der Reichweite. Gut, das sollen dir vielleicht die Lehrer erklären ... aber ich hätte da ein paar Fragen an dich. Cool, gell.
Also zunächst: Herzlichen Glückwunsch! Papa mit 13, das kriegt nicht jeder hin. Ein gesunder Bub, oder ist es ein Mäderl? Und gleich in allen Zeitungen der Welt. Liab, ihr zwei, wie für uns gemacht. Könntest Du uns - ich darf doch Du sagen? - erklären, wie du deine kleine Nachbarin erobert hast? Und die anderen Nachbarbuben, waren die dabei? Wie kommt ihr denn auf solche lieben Ideen? Haben euch das die Eltern gezeigt?
Unsere Leser würden sich ganz toll über deine Flirttricks freuen. Wo doch die Welt nur so von Gewalt und Krieg gezeichnet ist, da ist so ein Kind - ich meine jetzt das Kind - ein Lichtblick, oder?
Ganz eine andere Frage: Warst du auch schon mal verliebt? Mit allem Pipapo. Händchen halten? Der erste Kuss? Und wer hat dich denn so umfassend aufgeklärt? Wer sind denn deine großen Vorbilder, also von Mama und Papa abgesehen?
Jetzt haben wir schon soooo viele Zuschriften - weißt du, wir sind für unsere Leserbriefe weltweit bekannt - von Kindern, die dich anbeten und unterstützen wollen. Da waren Teddybären, alte Bravohefte, sogar Kondome (in Kindergröße natürlich), Eheringe aus dem Kaugummiautomaten ... und viele, viele Liebesbriefe: Du bist ein Star! Du hast schon viele Fans, die wir nicht enttäuschen dürfen. Kannst du vielleicht ein Video auf youtube (oder youporn) stellen? Die wollen dich auf Postern haben, wir zahlen auch dafür. In Kaugummis oder sogar in richtigem Geld für später!
Das Geschäftliche werden wir mit deinen Eltern klären müssen, aber das erste Interview wäre uns schon was wert: Eine Geburtstagsfeier für deine ganze Klasse beim McDonald, vielleicht. Und dann: "Die Autobiographie des Milchbubenpapa!" Falls du schon schreiben kannst, wenn nicht, erfinden wir was für dich. Oder: "Alles, was ihr über Sex wissen müsst - ein Aufklärungsbuch in Comicsform." Hast du eigentlich schon einen Medienbetreuer, einen Rechtsanwalt und einen Steuerberater? Wir helfen dir gerne.
Alles Liebe (wenn man das so sagen darf), Dein Starjournalist
Also zunächst: Herzlichen Glückwunsch! Papa mit 13, das kriegt nicht jeder hin. Ein gesunder Bub, oder ist es ein Mäderl? Und gleich in allen Zeitungen der Welt. Liab, ihr zwei, wie für uns gemacht. Könntest Du uns - ich darf doch Du sagen? - erklären, wie du deine kleine Nachbarin erobert hast? Und die anderen Nachbarbuben, waren die dabei? Wie kommt ihr denn auf solche lieben Ideen? Haben euch das die Eltern gezeigt?
Unsere Leser würden sich ganz toll über deine Flirttricks freuen. Wo doch die Welt nur so von Gewalt und Krieg gezeichnet ist, da ist so ein Kind - ich meine jetzt das Kind - ein Lichtblick, oder?
Ganz eine andere Frage: Warst du auch schon mal verliebt? Mit allem Pipapo. Händchen halten? Der erste Kuss? Und wer hat dich denn so umfassend aufgeklärt? Wer sind denn deine großen Vorbilder, also von Mama und Papa abgesehen?
Jetzt haben wir schon soooo viele Zuschriften - weißt du, wir sind für unsere Leserbriefe weltweit bekannt - von Kindern, die dich anbeten und unterstützen wollen. Da waren Teddybären, alte Bravohefte, sogar Kondome (in Kindergröße natürlich), Eheringe aus dem Kaugummiautomaten ... und viele, viele Liebesbriefe: Du bist ein Star! Du hast schon viele Fans, die wir nicht enttäuschen dürfen. Kannst du vielleicht ein Video auf youtube (oder youporn) stellen? Die wollen dich auf Postern haben, wir zahlen auch dafür. In Kaugummis oder sogar in richtigem Geld für später!
Das Geschäftliche werden wir mit deinen Eltern klären müssen, aber das erste Interview wäre uns schon was wert: Eine Geburtstagsfeier für deine ganze Klasse beim McDonald, vielleicht. Und dann: "Die Autobiographie des Milchbubenpapa!" Falls du schon schreiben kannst, wenn nicht, erfinden wir was für dich. Oder: "Alles, was ihr über Sex wissen müsst - ein Aufklärungsbuch in Comicsform." Hast du eigentlich schon einen Medienbetreuer, einen Rechtsanwalt und einen Steuerberater? Wir helfen dir gerne.
Alles Liebe (wenn man das so sagen darf), Dein Starjournalist
teacher - am Montag, 16. Februar 2009, 08:15
Ich habe verweigert, aber viele Kollegen sind williger:
Kollege A und B durften einem erfahrenen Polizisten zuhören:
"Ihr seid ja arme Schweine, hilflose Trotteln."
Nicht in diesen Worten, aber in diesem Tonfall wurden die lernwilligen Lehrer belehrt: "Man bindet euch die Hände und stellt euch an die Front."
Der Polizist kennt die Abgründe unserer Gesellschaft und weiß, dass bei einigen Randerscheinungen die Einladung auf ein gutes Gespräch zu lächerlichen Missverständnissen führen muss. Pädagogik ist nicht seine Welt.
Kollegen C bis Z dürfen einem studierten Psychologen lauschen:
"Setzt euch zusammen und tauscht eure Erfahrungen aus."
Ich sehe die Nervenstränge wütend aus den Hälsen drängen: "Wie sollen wir mit gewalttätigen Schülern umgehen?"
"Schaffen Sie ein nettes Arbeitsklima."
Aha.
Herr Doktor träumt von einer anderen Welt.
Ich erkläre meine Unwilligkeit, meine Weigerung, an solchen Gewaltseminaren teilzunehmen:
"Wir dürfen der Gesellschaft nicht signalisieren, dass die Schule Gewalt verhindern kann. Das wäre verlogen und falsch. Die Politiker verkünden über die Medien, dass alles unternommen wird und dass die Lehrer dafür ausgebildet werden."
Haha.
Ich habe verweigert, die anderen fühlen sich verarscht: Geschulte, hilflose, verheizte Politmarionetten.
Bin ich froh, dass die richtige Gewalt erst am Abend beginnt!
Kollege A und B durften einem erfahrenen Polizisten zuhören:
"Ihr seid ja arme Schweine, hilflose Trotteln."
Nicht in diesen Worten, aber in diesem Tonfall wurden die lernwilligen Lehrer belehrt: "Man bindet euch die Hände und stellt euch an die Front."
Der Polizist kennt die Abgründe unserer Gesellschaft und weiß, dass bei einigen Randerscheinungen die Einladung auf ein gutes Gespräch zu lächerlichen Missverständnissen führen muss. Pädagogik ist nicht seine Welt.
Kollegen C bis Z dürfen einem studierten Psychologen lauschen:
"Setzt euch zusammen und tauscht eure Erfahrungen aus."
Ich sehe die Nervenstränge wütend aus den Hälsen drängen: "Wie sollen wir mit gewalttätigen Schülern umgehen?"
"Schaffen Sie ein nettes Arbeitsklima."
Aha.
Herr Doktor träumt von einer anderen Welt.
Ich erkläre meine Unwilligkeit, meine Weigerung, an solchen Gewaltseminaren teilzunehmen:
"Wir dürfen der Gesellschaft nicht signalisieren, dass die Schule Gewalt verhindern kann. Das wäre verlogen und falsch. Die Politiker verkünden über die Medien, dass alles unternommen wird und dass die Lehrer dafür ausgebildet werden."
Haha.
Ich habe verweigert, die anderen fühlen sich verarscht: Geschulte, hilflose, verheizte Politmarionetten.
Bin ich froh, dass die richtige Gewalt erst am Abend beginnt!
teacher - am Donnerstag, 12. Februar 2009, 20:22
Es ist ziemlich spät, dunkel und winterlich. Ein Mädchen, 14 oder 15 Jahre alt, aber sie könnte auch 25 sein, so wie sie sich gibt: Sehr kurzes Röckchen, sehr hohe und sehr lange Stiefel. Sie geht - nein, sie STOLZiert über den Vorplatz Richtung Bahnhof.
"Die Mädchen in diesem Alter probieren sich aus, sie schminken und kleiden sich wie Promis auf den Fernsehbühnen: nuttig. Und was spüren sie? Macht. Macht über die gaffenden und raunenden Männer ebenso wie Macht über die gierenden und staunenden Konkurrentinnen. Am Vormittag sitzen sie als kleine Schulmädchen in den Bänken oder kehren die Haare unter den Kunden weg, verpacken die Einkäufe in Plastiksäcken. Klein, jämmerlich, unbeachtet. Aber am Abend ..."
Das Mädchen vom Bahnhofsplatz wird von einem mittelalterlichen Typen eingeholt. Ungepflegt, sicher betrunken geht er zielstrebig von hinten auf sie zu und greift ungeniert unter ihren Rock. Das Mädchen zuckt zusammen, rückt mit beiden Händen schnell ihre Kleidung zurecht und läuft beschämt ins Gebäude.
"Er nutzt und demonstriert seine männliche Macht. Es ist politisch unkorrekt zu sagen, dass er von diesem aufreizenden Anblick motiviert wurde. Ist es deswegen falsch?"
Frauenmacht gegen Männermacht. Das ist meine Interpretation.
"Die Mädchen in diesem Alter probieren sich aus, sie schminken und kleiden sich wie Promis auf den Fernsehbühnen: nuttig. Und was spüren sie? Macht. Macht über die gaffenden und raunenden Männer ebenso wie Macht über die gierenden und staunenden Konkurrentinnen. Am Vormittag sitzen sie als kleine Schulmädchen in den Bänken oder kehren die Haare unter den Kunden weg, verpacken die Einkäufe in Plastiksäcken. Klein, jämmerlich, unbeachtet. Aber am Abend ..."
Das Mädchen vom Bahnhofsplatz wird von einem mittelalterlichen Typen eingeholt. Ungepflegt, sicher betrunken geht er zielstrebig von hinten auf sie zu und greift ungeniert unter ihren Rock. Das Mädchen zuckt zusammen, rückt mit beiden Händen schnell ihre Kleidung zurecht und läuft beschämt ins Gebäude.
"Er nutzt und demonstriert seine männliche Macht. Es ist politisch unkorrekt zu sagen, dass er von diesem aufreizenden Anblick motiviert wurde. Ist es deswegen falsch?"
Frauenmacht gegen Männermacht. Das ist meine Interpretation.
teacher - am Dienstag, 10. Februar 2009, 12:08
Ich habe noch keinen erwischt. Keinen Schüler, der freiwillig in einem Schulbuch geschmöckert hätte.
Ich war damals anders: Ich las im Physikbuch, blätterte durchs Biologiewerk und stöberte im Atlas herum. Wir hatten keinen Fernseher zuhause, Internet war noch nicht erfunden und zum Telefon griff ich nur im Bedarfsfall.
Alles hat sich geändert, nur das Schulbuch nicht. Es blieb eine öde Wüste banaler Wissenshaufen. Alles Leben wurde sorgfältig entfernt, lieblose Arbeitsaufgaben dazugeschrieben und ans unwissende Volk verschenkt.
Wir versuchen es zu umgehen: Wir nehmen Sendungen aus dem Fernsehen auf (alle Copyrights missachtend), wir kopieren aus den Zeitungen und drucken, was das World Wide Web zu bieten hat: Volles Leben.
Die Schulbücher werden systematisch kastriert: Es bleiben Gutmenschentexte und Liebkindbilder mit der Aura nasser Abwaschlappen. Alles korrekt, bis es niemanden mehr interessiert - wir haben es geschafft: Jede Gewalttat entfernt, jeder Eros entsorgt, jede Auseinandersetzung bereinigt, jede Spannung beseitigt, Wirklichkeiten bis zur Unkenntlichkeit geplättet. Eine nette Parallelwelt geschaffen.
Dein Schulbuch - bei der Kastration verstorben. Ruhe in Frieden.
Stellt euch Zeitungen und Bücher, Filme und Spiele, Medien und Informationsträger, Theaterstücke und Kunstevents vor, nachdem sie durch diese schulische Zensur gegangen sind. Das Leben ohne Leben.
Kastriert. Saftlos. Schule. Wie wir sie wollen?
Ich war damals anders: Ich las im Physikbuch, blätterte durchs Biologiewerk und stöberte im Atlas herum. Wir hatten keinen Fernseher zuhause, Internet war noch nicht erfunden und zum Telefon griff ich nur im Bedarfsfall.
Alles hat sich geändert, nur das Schulbuch nicht. Es blieb eine öde Wüste banaler Wissenshaufen. Alles Leben wurde sorgfältig entfernt, lieblose Arbeitsaufgaben dazugeschrieben und ans unwissende Volk verschenkt.
Wir versuchen es zu umgehen: Wir nehmen Sendungen aus dem Fernsehen auf (alle Copyrights missachtend), wir kopieren aus den Zeitungen und drucken, was das World Wide Web zu bieten hat: Volles Leben.
Die Schulbücher werden systematisch kastriert: Es bleiben Gutmenschentexte und Liebkindbilder mit der Aura nasser Abwaschlappen. Alles korrekt, bis es niemanden mehr interessiert - wir haben es geschafft: Jede Gewalttat entfernt, jeder Eros entsorgt, jede Auseinandersetzung bereinigt, jede Spannung beseitigt, Wirklichkeiten bis zur Unkenntlichkeit geplättet. Eine nette Parallelwelt geschaffen.
Dein Schulbuch - bei der Kastration verstorben. Ruhe in Frieden.
Stellt euch Zeitungen und Bücher, Filme und Spiele, Medien und Informationsträger, Theaterstücke und Kunstevents vor, nachdem sie durch diese schulische Zensur gegangen sind. Das Leben ohne Leben.
Kastriert. Saftlos. Schule. Wie wir sie wollen?
teacher - am Donnerstag, 5. Februar 2009, 10:42
"Mögen Sie SpongeBob?", fragen mich die Kleinen (12-13 Jahre).
"Ich hasse ihn!"
Ein Mädchen beginnt unbeeindruckt irgendwelche geheimnisvollen Phrasen zu intonieren und die halbe Klasse antwortet begeistert:
"Spoooonge Boooob!"
Das Spiel wird heftig, die eine singt ein, die anderen schreien laut hinterher:
"Spooooonge Bob!"
Der nächste Schritt wäre eine Welle durchs Klassenzimmer, der übernächste eine mittlere Revolution im Haus. Also stimme ich zu: "OK. Wir schauen ein Episode. EINE."
Die DVD läuft und ich verstehe sofort, was die Klasse so begeistert gesungen hat - die Einleitung (das Intro) zu jeder SpongeBob-Sendung.
Eigentlich hab ich's gut, ich stehe vor der Klasse, das TV-Gerät hängt schräg über mir, ich muss mir das einfallslose Zeichtrickgehopse nicht anschauen. Ich beobachte meine Kinder beim Fernsehen. Erträglich, weil bezahlt.
Sie lachen dort, wo ich es vermutet habe: Eine bunte Figur klatscht gegen Beton - hihi. Eine Geldlawine schwappt über eine andere Figur - haha. Eine dritte Figur gerät unter einen Vorschlaghammer - hoho. Tote Figuren.
Ich lerne: "Gewalt ist furchtbar lustig". Alle lachen, bis auf den alten (?) Lehrer. Der hasst SpongeBob.
Meine nächste Hypothese geht nicht auf: Ich dachte, dass die Kinder nur die gezeichneten Gags verstehen würden. Nein, manchmal lachen sie auch über gesprochene Scherze. Auch an Stellen, die mir völlig verschlossen bleiben. Dort, wo ich zu schmunzeln beginne, dort verzieht niemand sonst den Mund - sie verstehen die Worte einfach nicht. Nie Gehörtes, Fremdwörter, viel zu hoch angesiedelt. So als würden Jus- und Philosophiestudenten SpongeBob gucken.
Der Pausengong erlöst mich. Die Kinder sind kurz hin- und hergerissen: Bis zum Ende weiterschauen oder in die Freiheit laufen? Zwei, drei Alphatiere übernehmen wortlos das Kommando, die Lemminge marschieren hinterher.
Diese Filmchen brauchen weder eine geschlossene Handlung noch ein logisches Ende, sie leben vom platten, schnellen Witz. Politisch korrekt ist anderswo.
"Fernsehen macht dumm, dick und aggressiv."
"Ich stimme Ihnen zu, Herr Spitzer."
"Ich hasse ihn!"
Ein Mädchen beginnt unbeeindruckt irgendwelche geheimnisvollen Phrasen zu intonieren und die halbe Klasse antwortet begeistert:
"Spoooonge Boooob!"
Das Spiel wird heftig, die eine singt ein, die anderen schreien laut hinterher:
"Spooooonge Bob!"
Der nächste Schritt wäre eine Welle durchs Klassenzimmer, der übernächste eine mittlere Revolution im Haus. Also stimme ich zu: "OK. Wir schauen ein Episode. EINE."
Die DVD läuft und ich verstehe sofort, was die Klasse so begeistert gesungen hat - die Einleitung (das Intro) zu jeder SpongeBob-Sendung.
Eigentlich hab ich's gut, ich stehe vor der Klasse, das TV-Gerät hängt schräg über mir, ich muss mir das einfallslose Zeichtrickgehopse nicht anschauen. Ich beobachte meine Kinder beim Fernsehen. Erträglich, weil bezahlt.
Sie lachen dort, wo ich es vermutet habe: Eine bunte Figur klatscht gegen Beton - hihi. Eine Geldlawine schwappt über eine andere Figur - haha. Eine dritte Figur gerät unter einen Vorschlaghammer - hoho. Tote Figuren.
Ich lerne: "Gewalt ist furchtbar lustig". Alle lachen, bis auf den alten (?) Lehrer. Der hasst SpongeBob.
Meine nächste Hypothese geht nicht auf: Ich dachte, dass die Kinder nur die gezeichneten Gags verstehen würden. Nein, manchmal lachen sie auch über gesprochene Scherze. Auch an Stellen, die mir völlig verschlossen bleiben. Dort, wo ich zu schmunzeln beginne, dort verzieht niemand sonst den Mund - sie verstehen die Worte einfach nicht. Nie Gehörtes, Fremdwörter, viel zu hoch angesiedelt. So als würden Jus- und Philosophiestudenten SpongeBob gucken.
Der Pausengong erlöst mich. Die Kinder sind kurz hin- und hergerissen: Bis zum Ende weiterschauen oder in die Freiheit laufen? Zwei, drei Alphatiere übernehmen wortlos das Kommando, die Lemminge marschieren hinterher.
Diese Filmchen brauchen weder eine geschlossene Handlung noch ein logisches Ende, sie leben vom platten, schnellen Witz. Politisch korrekt ist anderswo.
"Fernsehen macht dumm, dick und aggressiv."
"Ich stimme Ihnen zu, Herr Spitzer."
teacher - am Donnerstag, 29. Januar 2009, 20:57