Sarah hat von Jus auf Wirtschaftsrecht umdisponiert: "Dieses ewige Auswendiglernen von kiloschweren Skripten hab ich nicht derpackt! Jetzt geht's mir gut: Kleine, überschaubare Prüfungen ... wie ich es gewohnt war."
Jan hat sein Uni-Studium ganz abgebrochen und möchte im Herbst auf eine FH gehen: "Die haben klare Pläne. Vormittag Unterricht - Nachmittag frei." Momentan chillt er. Cool.
Alex kämpft sich mühselig von einer Vorlesung zur anderen Übung, hat jetzt seine Kinderbeihilfe verloren: "Ich schaff keine Prüfung auf Anhieb, unglaublich. Deswegen bin ich nicht rechtzeitig mit dem 1.Studienabschnitt fertig geworden."
Was haben Sarah, Jan und Alex gemeinsam?
Sie waren ausgezeichnete Schüler in einem beliebtem Gymnasium.
"Dort haben wir mit wenig Aufwand beste Noten bekommen ... und nie richtig arbeiten gelernt," bekennen und bereuen sie. Verwöhnt.
Jenny hat Sinologie gewählt und studiert so nebenbei an einer Fernuni Betriebswirtschaft. Erfolgreich. Sie kommt aus einer harten Schule, hat mit viel Arbeit und mäßigem Erfolg ihre Reifeprüfung geschafft. "Meine Eltern haben nicht nachgegeben."
Zufall oder System?
P.S.: Die "harte Schule" kämpft mit sinkender Nachfrage. Die Lehrer machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und überlegen nervös, wie sie mehr Schüler ansprechen können.
Jan hat sein Uni-Studium ganz abgebrochen und möchte im Herbst auf eine FH gehen: "Die haben klare Pläne. Vormittag Unterricht - Nachmittag frei." Momentan chillt er. Cool.
Alex kämpft sich mühselig von einer Vorlesung zur anderen Übung, hat jetzt seine Kinderbeihilfe verloren: "Ich schaff keine Prüfung auf Anhieb, unglaublich. Deswegen bin ich nicht rechtzeitig mit dem 1.Studienabschnitt fertig geworden."
Was haben Sarah, Jan und Alex gemeinsam?
Sie waren ausgezeichnete Schüler in einem beliebtem Gymnasium.
"Dort haben wir mit wenig Aufwand beste Noten bekommen ... und nie richtig arbeiten gelernt," bekennen und bereuen sie. Verwöhnt.
Jenny hat Sinologie gewählt und studiert so nebenbei an einer Fernuni Betriebswirtschaft. Erfolgreich. Sie kommt aus einer harten Schule, hat mit viel Arbeit und mäßigem Erfolg ihre Reifeprüfung geschafft. "Meine Eltern haben nicht nachgegeben."
Zufall oder System?
P.S.: Die "harte Schule" kämpft mit sinkender Nachfrage. Die Lehrer machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und überlegen nervös, wie sie mehr Schüler ansprechen können.
teacher - am Dienstag, 11. März 2008, 08:38
Aufruhr beim Friseur.
"Die Frau Direktor hat bei mir angerufen," schreit die frisierende Mutter in ihren Haarsalon. Sie weiß nichts von meinem Beruf.
"Ich soll die Anzeige zurücknehmen", setzt sie fort, "aber das kommt nicht in Frage."
Ein junger Herr, das wundert mich, will die juristischen Details wissen: "Dürfen Sie das überhaupt?"
"Ja freilich könnt' ich die Anzeige zurücknehmen, aber erstens will ich nicht und zweitens hat der Herr Inspektor - der kommt ja auch zum Schneiden zu uns - ganz abgeraten."
Die Chefin nimmt sich Zeit und erklärt die Sachlage: Zwei Mädchen - das unterstreicht sie gekonnt - haben in der Klasse ihrer Tochter einen richtigen Coup gelandet: 1200 Euro und elf Handys haben sie geklaut. "Eine Kroatin und eine Türkin!" wird die Stimme meisterlich angehoben, damit die gesamte Klientel Bescheid weiß.
Anzeige. Polizei. Aufruhr.
Anruf.
"Die Direktorin fürchtet halt um den Ruf ihrer Schule", interpretiert eine Zuhörerin nicht unschlau.
Zufällig (naja, nicht ganz zufällig) kenne ich die sozialdemokratisch engagierte Schulleiterin von diversen Treffen. Unsere Stadt ist mehr ein Dorf.
Sie fürchtet nicht nur um den Ruf ihrer Schule, sie fürchtet auch die Artikel der Lokalpresse, und sie fürchtet um die beiden Mädchen und deren Familie ... und sie erahnt die hochschwappenden Klischees rund um das Thema Ausländerkriminalität. Sie möchte das Problem intern und pädagogisch aus dem Weg räumen. Schule und Schüler schonend ... schschsch....
"Ich würde auch bei der Anzeige bleiben. Man kann ja nicht alles unter den Tisch kehren", lege ich bescheidene 11 Euro neben die Registrierkasse.
"Aber die Mädchen werden sich rächen."
"So und so - die haben ja genug Brüder und Cousins."
"Die Frau Direktor hat bei mir angerufen," schreit die frisierende Mutter in ihren Haarsalon. Sie weiß nichts von meinem Beruf.
"Ich soll die Anzeige zurücknehmen", setzt sie fort, "aber das kommt nicht in Frage."
Ein junger Herr, das wundert mich, will die juristischen Details wissen: "Dürfen Sie das überhaupt?"
"Ja freilich könnt' ich die Anzeige zurücknehmen, aber erstens will ich nicht und zweitens hat der Herr Inspektor - der kommt ja auch zum Schneiden zu uns - ganz abgeraten."
Die Chefin nimmt sich Zeit und erklärt die Sachlage: Zwei Mädchen - das unterstreicht sie gekonnt - haben in der Klasse ihrer Tochter einen richtigen Coup gelandet: 1200 Euro und elf Handys haben sie geklaut. "Eine Kroatin und eine Türkin!" wird die Stimme meisterlich angehoben, damit die gesamte Klientel Bescheid weiß.
Anzeige. Polizei. Aufruhr.
Anruf.
"Die Direktorin fürchtet halt um den Ruf ihrer Schule", interpretiert eine Zuhörerin nicht unschlau.
Zufällig (naja, nicht ganz zufällig) kenne ich die sozialdemokratisch engagierte Schulleiterin von diversen Treffen. Unsere Stadt ist mehr ein Dorf.
Sie fürchtet nicht nur um den Ruf ihrer Schule, sie fürchtet auch die Artikel der Lokalpresse, und sie fürchtet um die beiden Mädchen und deren Familie ... und sie erahnt die hochschwappenden Klischees rund um das Thema Ausländerkriminalität. Sie möchte das Problem intern und pädagogisch aus dem Weg räumen. Schule und Schüler schonend ... schschsch....
"Ich würde auch bei der Anzeige bleiben. Man kann ja nicht alles unter den Tisch kehren", lege ich bescheidene 11 Euro neben die Registrierkasse.
"Aber die Mädchen werden sich rächen."
"So und so - die haben ja genug Brüder und Cousins."
teacher - am Freitag, 7. März 2008, 11:15
Meine Schule sehe ich als soziales Viereck, in dessen Mitte Leere gähnt.
Frau Hirsak zieht an einer der Ecken, meine Frau hält am anderen Ende schwach dagegen. Der kleine Hirsak trifft mich zwei Mal die Woche im Klassenraum, damit die Geometrie zur Perfektion gerät: Vier menschliche Ecken.
Zwischenfrage: Treffen Sie auch manchmal die Frau des Lehrers Ihres Lieblingskindes im Supermarkt? Fragen Sie dann nach den letzten Mitarbeitsnoten und nebstbei die werte Gattin ihres Zahnarztes nach dem Kostenvoranschlag?
Frau Hirsak nicht. Sie fragt nicht, sie erwähnt. Horchend. Aus.
„Da gibt's bei euch eine Truppe, die in der Garderobe die Kästen aufbricht.“
Davon wusste meine liebe Gattin nichts, ich beichte nicht alles. Frau Hirsak hilft.
„Die stehlen aber nicht, die wollen nur ruinieren. Aufgebrachte Eltern waren schon beim Direktor. Der unternimmt aber nichts! „
Was soll man da antworten? Sowas gibts bei uns? Nicht.
„Die haben die Kleider von oben bis unten angespuckt.“
Den Schaden regelt die Waschmaschine, aber die Schmach schmerzt weiter. Polizei einschalten? Lehrer auf die Lauer legen? Inquisition?
Bei uns nicht.
Die Klage setzt sich fort. Meine Frau als Mauer.
„Im Hallenbad geht ein Virus um. Muss sich irgendwie im Sprühnebel verteilen, aber die Kinder müssen trotzdem schwimmen gehen.“
Das Gerücht ist mir nicht zu Ohren gekommen.
Die halbe Stadt geht dort ins Wasser, in die Sauna, zum Solarium – da könnten auch die Kinder überleben. Oder?
Meine Frau berichtet abends Frau Hirsaks Berichte, ich klappe die Ohren zu, drehe den Fernseher lauter: Nachrichten aus dem Tschad.
Das Quadrat fordert seine Leere.
Frau Hirsak zieht an einer der Ecken, meine Frau hält am anderen Ende schwach dagegen. Der kleine Hirsak trifft mich zwei Mal die Woche im Klassenraum, damit die Geometrie zur Perfektion gerät: Vier menschliche Ecken.
Zwischenfrage: Treffen Sie auch manchmal die Frau des Lehrers Ihres Lieblingskindes im Supermarkt? Fragen Sie dann nach den letzten Mitarbeitsnoten und nebstbei die werte Gattin ihres Zahnarztes nach dem Kostenvoranschlag?
Frau Hirsak nicht. Sie fragt nicht, sie erwähnt. Horchend. Aus.
„Da gibt's bei euch eine Truppe, die in der Garderobe die Kästen aufbricht.“
Davon wusste meine liebe Gattin nichts, ich beichte nicht alles. Frau Hirsak hilft.
„Die stehlen aber nicht, die wollen nur ruinieren. Aufgebrachte Eltern waren schon beim Direktor. Der unternimmt aber nichts! „
Was soll man da antworten? Sowas gibts bei uns? Nicht.
„Die haben die Kleider von oben bis unten angespuckt.“
Den Schaden regelt die Waschmaschine, aber die Schmach schmerzt weiter. Polizei einschalten? Lehrer auf die Lauer legen? Inquisition?
Bei uns nicht.
Die Klage setzt sich fort. Meine Frau als Mauer.
„Im Hallenbad geht ein Virus um. Muss sich irgendwie im Sprühnebel verteilen, aber die Kinder müssen trotzdem schwimmen gehen.“
Das Gerücht ist mir nicht zu Ohren gekommen.
Die halbe Stadt geht dort ins Wasser, in die Sauna, zum Solarium – da könnten auch die Kinder überleben. Oder?
Meine Frau berichtet abends Frau Hirsaks Berichte, ich klappe die Ohren zu, drehe den Fernseher lauter: Nachrichten aus dem Tschad.
Das Quadrat fordert seine Leere.
teacher - am Montag, 3. März 2008, 17:03
Stundenwiederholung.
"Wer erinnert sich? Wovon leben die Oasenbauern?"
"Von den Touristen!"
"Ich weiß, ihr habt Urlaub in Tunesien gemacht! Aber wovon leben die BAUERN dort?"
"Von den Palmen!"
"Von welchen Palmen?"
"Wie heißen die schnell ...???"
"Vielleicht fällt es euch ein, wenn ich ein paar austeile ..."
Ich gehe mit einer Packung durch die Reihen.
"Genau! Das sind Datteln."
"Stimmt. Und ich habe für jeden eine mitgebracht."
"Die sind ja faulig!"
"NEIN. Die sind getrocknet, wie Feigen."
"MÜSSEN wir die essen?"
"Ich möchte, dass ihr eine kostet, damit ihr den Geschmack kennenlernt."
"Weuhhhhh .... grauslich."
"Die schmecken doch süß!"
"Herr Professor, darf ich rausgehen?"
"Jetzt? Mitten in der Stunde? Wohin?"
"Aufs Klo! Mir ist schlecht ..."
Keine Wiederholung - niemehrdatteln!
"Wer erinnert sich? Wovon leben die Oasenbauern?"
"Von den Touristen!"
"Ich weiß, ihr habt Urlaub in Tunesien gemacht! Aber wovon leben die BAUERN dort?"
"Von den Palmen!"
"Von welchen Palmen?"
"Wie heißen die schnell ...???"
"Vielleicht fällt es euch ein, wenn ich ein paar austeile ..."
Ich gehe mit einer Packung durch die Reihen.
"Genau! Das sind Datteln."
"Stimmt. Und ich habe für jeden eine mitgebracht."
"Die sind ja faulig!"
"NEIN. Die sind getrocknet, wie Feigen."
"MÜSSEN wir die essen?"
"Ich möchte, dass ihr eine kostet, damit ihr den Geschmack kennenlernt."
"Weuhhhhh .... grauslich."
"Die schmecken doch süß!"
"Herr Professor, darf ich rausgehen?"
"Jetzt? Mitten in der Stunde? Wohin?"
"Aufs Klo! Mir ist schlecht ..."
Keine Wiederholung - niemehrdatteln!
teacher - am Mittwoch, 27. Februar 2008, 21:26
Mein Musiklehrer komponierte. Wir sangen.
Mein Biolehrer sammelte Briefmarken. Wir auch.
Meine Mathelehrerin liebte die Sterne. Wir guckten in die Luft.
Ihr habt es schwer! Ihr habt einen Sprachlehrer, der schreibt. Und das Lesen wird anstrengend:
Lieber Schnupfen als Muskeln!
Das Wochenende verbringe ich am liebsten im Fitnesscenter, wollen mir die Damen im Sekretariat nicht glauben – bis ich den endgültigen Beweis antrete.
„OK“, sage ich, „ich werde alles beichten!“
Bei diesem Offenbarungseid verharrt sogar Miriam, die neue Controlling-Assistentin, wie angeklebt im Raum, obwohl sie lieber bei den smarten Herren vom Marketing herumhängt. Ich halte ein paar spannende Sekunden den Atem an und das einzige Geräusch, das unsere gemeinsame Andacht stört, ist Miriams sinnloses Rascheln im Rollcontainer.
„Miriam“, spreche ich die junge Dame direkt an, „Sie heißen doch Miriam?“
„Ja“, gibt sie leicht verlegen zurück und fühlt sich beim Lauschen ertappt. „Ich suche eine Akte für den Doktor Berger!“
„Miriam“, wiederhole ich ein wenig untergriffig, „Sie gehen doch auch ins Fitnesscenter, oder?“
„Freilich! Sieht man das schon?“, freut sich das wohlgenährte Mädchen und setzt zum Posieren an, bevor die beiden vollschlanken Konkurrentinnen vom Sekretariat forsch dazwischen gehen:
„Also, Herr Anton“, bringt die Chefsekretärin ihre ganze Autorität ein, „was wollten Sie uns beichten?“
„Ich gehe ja nicht ins Fitnesscenter …“ setze ich kleinlaut fort und füge eine weitere dezente Pause ein, die nicht ungenützt bleiben wird:
„Wussten wir doch …“
Feiner Hohn liegt im weiblichen Widerspruch.
„ … gehe nicht ins Fitnesscenter wegen der Muskeln! Verstehen Sie. Nicht wegen der Muskeln!“
Langsam. Betont. Mehr gesungen als gesprochen. Wiederholung sorgt für erhöhte Aufmerksamkeit … und kleinen Ärger.
„Sondern?“
Überraschung unterwirft die neugierigen Zuhörerinnen.
Für ein paar Minuten verfalle ich ins Soziologische, um das akademische Vokabular, das ich aus dem einzigen Skriptum, das ich je zu einer Einführungsvorlesung erstanden hatte, gewinnbringend einsetzen zu können. Bis dato brach liegender Nonsens erschlägt die Damen bis zur Entgeisterung, die mir flugs nahe legt, ohne weitere Umschweife zu den nackten Fakten vorzudringen. Andernfalls, lese ich aus den anfliegenden Sorgenfalten, würde das werte Publikum ein nettes Shoppingerlebnis beim Kaffeautomaten meinen öden Ausführungen vorziehen. Also komme ich auf die braun gebrannten, Muskel bepackten Jungmänner im besten Fortpflanzungsalter zu sprechen, erzähle von meinem kaum zu zähmenden Neid auf deren verschwitzte Oberkörper, beschreibe lustvoll männliche Formen und Oberflächen und horche schließlich den begeisterten Kolleginnen beim Schlucken zu.
„Sagen Sie, die sind wirklich ganz rasiert? Also praktisch überall?“
„Bis hinter den Sack!“, will ich antworten, aber Miriam droht bereits vor Aufregung umzukippen und ich nicke den beiden gefassteren Damen im besten Alter verschwörerisch zu.
„Ich bräuchte eine Schokolade. Soll ich Ihnen vielleicht etwas mitnehmen?“, krame ich die letzten Centstücke in meiner Sakkotasche zusammen und will zum Buffet enteilen, bevor die Damen ihre ganze Neugier gestillt haben.
„Miriam! Holen Sie doch dem Herrn Anton eine heiße Schoko, ohne Zucker … und bringen Sie mir einen kleinen Brauen mit!“, übernimmt die Sekretärin gekonnt den Ton ihres Chefs. Widerspruch lässt sie keinen zu, von mir nicht - und auch Miriam erahnt ihre Grenzen.
„Bis hinter den Sack … “, verbalisiere ich meine alten Gedanken in gehobener Lautstärke, sodass auch die unwillig abschwirrende Praktikantin es noch verstehen muss, „ … sind die rasiert.“
„Moment mal, Herr Anton, ich brauch jetzt auch einen starken Kaffee.“
Also warten wir schweigend, bis Miriam mit vier heißen Getränken in ihren vibrierenden Händen zurückkehrt und erleichtert feststellen kann, von der Geschichte nichts Pikantes verpasst zu haben.
„Wissen Sie, im Fitnesscenter möchte ich gerne den intellektuellen Bodensatz der Stadt erforschen. Unsere Produktpalette zielt ja zunehmend auf diese Klientel!“ Schon beim ersten Beistrich fällt mir ein, dass die Firma die Kosten für mein Jahresabonnement im Fitnesscenter übernehmen sollte, die Einschreibgebühren sowieso, wenn ich schon nichts von der Steuer abschreiben kann.
„Und? Was geht dort so ab?“ fuchtelt Miriam ungeduldig mit ihren leeren Händen herum.
Wir schauen der vorlauten Praktikantin strafend ins neugierige Gesicht. „Hoppala“ steht plötzlich auf ihrer Stirn geschrieben.
„Gestern haben sie über ihre Frauen gesprochen, diese Testosteronsklaven. Ein Gedicht, sag ich Ihnen, wenn diese Typen über das schöne Geschlecht herziehen. Stoff für eine ganze Fernsehshow, was sag ich, eine Hollywood-Serie!“
Die Spannung gerät zum Kochen, da hören wir die Breitreifen des silbernen Sportwagens, den unser Abteilungsleiter in den knirschenden Kies seines Privatparkplatzes lenkt. Spontan lassen die Sekretärinnen ihre Kaffeebecher verschwinden, Miriam zieht ihren Rollcontainer zum Ausgang und ich stehe plötzlich mit meiner Geschichte mutterseelenallein vor dem Nichts, bevor ich die Einladung zur nächsten Verköstigung vernehme: „Kommen’s doch einfach mit, zur Salatbar!“
Noch am Gang muss ich die Statistik bemühen:
„So sieben bis acht Burschen kommen da immer zusammen, zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren sind die alt, schätze ich. Knackig, jedenfalls! Fesch, enge Shirts … man könnte leicht ein bisserl schwul werden … beim Hinschauen.“
„Gehen’s, Herr Anton, Sie doch nicht!“
Stimmt.
„Verheiratet ist keiner von denen. Alle noch zu haben!“, mache ich den Begleiterinnen beim grünen Salat Gusto auf eine fleischige Nachspeise.
„Drei sind geschieden, haben sie geprotzt, einer mit einem Kind“, bremse ich die aufgeschaukelten Erwartungen wieder ein und schlage schließlich voll zu, damit auch meine Chancen wieder leben:
„Ehrlich gesagt, sie halten alle Weiber für geile Schlampen. Ich zitiere nur, ja, ich sag‘ sowas wirklich nicht gerne.“
„Also ehrlich, aus ihrem Mund? Unglaublich, Herr Anton.“
„Ich sollte ja mit dem Trainieren ganz aufhören“, lege ich den Damen einen Vorsatz ans Herz, aber ihre Reaktionen geraten eher abschlägig. Ich hebe gleich zum Erklären an:
„Ich vermute nämlich einen direkt-proportionalen Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Scheidungsrate. Verstehen Sie?“
Bevor Miriam ihre belehrende Stimme erheben kann, setze ich meine Ausführungen fort und übertrage meine Eheverfehlungstheorie beispielshaft auf mein Privatleben.
„Sollten meine Bauchmuskeln noch ein paar Gramm zunehmen und zum Umfang meines Bizeps aufschließen, dann bin ich fällig!“
„Aber Herr Anton, Sie sind doch gar nicht verheiratet, oder?!“
„Nein. Ich nicht! … aber meine Freundin!“
Nachdem ich völlige Verwirrung gestiftet habe, schiebe ich genüsslich die letzten Pfefferonischoten in meinen gierigen Schlund und stelle mich für ausführliche Befragungen zur Verfügung: Meine persönliche Lieblingsposition – alle Frauen wollen was. Wissen.
Es rührt sich nichts. Die Damen delektieren sich am lukullischen Grün statt an meiner Person.
„Lieber Schnupfen als Muskeln!“ werfe ich meiner Weisheit letzten Schluss ins zwischenmenschliche Gefecht und hänge eine beiläufige Einladung an: „Einen Karottensaft, vielleicht, für die Damen?“
„Wo hier?“ fragt die Sekretärin.
„Seit wann …?“ setzt ihre Nachbarin nach.
„Da? Bei uns?“ will Miriam wissen.
„Nach der Arbeit!“, schlage ich vor und hoffe, dass zumindest eine der adretten Kolleginnen der sportlichen Geschichte soweit erlegen ist.
„Warum nicht?“
„Um fünf?“
„Wenn’s auch ein Bier gibt.“
Das klingt nach drei Zusagen mehr als erwartet, ergibt ein Rendezvous zu viert. So war der Plan nicht angedacht, aber wer wird sich mit zehn Kilo Übergewicht und einer braunen Hornbrille gegen so viel weibliches Interesse wehren?
„Herr Anton!“, kommt Miriam zum ersten Mal unangemeldet in mein Büro, „könnten Sie mir vielleicht beim Monatsabschluss helfen?“
Ich ziehe den Bauch ein, so gut es geht, schiebe das Brillengestell locker in die Stirnbehaarung und winke die durstige Brünette zu meinem Bildschirm, während im angrenzenden Sekretariat die Lautstärke von Gesprächston auf Tuscheln heruntergefahren wird.
„Ich mache schon seit zweieinhalb Jahren Pilates und BBP … Sie wissen eh“, blickt Miriam ungeduldig auf die Uhr, die sich im Schneckentempo Richtung Feierabend quält.
„Glauben Sie nicht, Frau Miriam, dass diese Männer mit den vielen Muskeln … also die verachten doch euch Frauen!“
Ich Nachhinein weiß man alles besser, den Satz hätte ich mir ruhig sparen können, eine Enttäuschung auch. Miriam rollt ihren Stuhl und sich selbst demonstrativ von mir weg und verzichtet auf weitere Belehrungen.
„Warum sagen Sie sowas?“
„So abfällig, wie diese Männer von ihren Weibern und Tussis gesprochen haben … die haben doch keinen Respekt vor den Frauen. Diese Fitness, diese Muskeln, das schadet dem Hirn …“
Miriam überlegt nicht mehr, sie klappt ihre Schulungsunterlagen zusammen und dreht sich beim Weggehen ebenso deprimiert wie entschuldigend um:
„Das wird mir dann der Herr Doktor Berger erklären müssen.“
Ich habe meine Lektion gelernt: Die sportliche Assistentin will sich ihren Männertraum nicht zerstören lassen, nicht von einem einsamen Bürohengst namens Anton, Herr Anton sogar. Gut, ich werde meine gesteigerte Aufmerksamkeit den beiden Damen aus dem Vorzimmer zuwenden, auf deren Erfahrungen anspielen und die Kraft der Seele betonen, so denke ich meine Erzählstrategie den neuen Umständen anpassen zu können.
Aus dem angekündigten Karottensaft werden drei große Bier, Miriam musste kurzfristig absagen, den Installateur hatte sie vergessen, meinte sie. Verstehe.
„Von den sieben Bodybuildern sind also drei geschieden, zwei leben mit irgendeiner Freundin zusammen“, nehme ich den Faden in der City-Bar wieder auf.
„Bleiben genau zwei … gerade recht!“, kichern die interessierten Bürodamen.
„Und wenn sie schwul sind? Mit ihren blonden Strähnen? Würde mich nicht wundern!“, bringe ich eine Portion Unsicherheit ins Spiel und bestelle die nächste Runde Tequila. „Diese Phase habe ich ja hinter mir“, füge ich trocken an, um die volle Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.
Aufregung.
„Sie wollen doch nicht behaupten …!“
„Ich erkläre mir das mit narzisstischen Anlagen, die bei jedem Mann … also beim Trainieren, da stellen wir uns schon gerne vor die Spiegel … und das körperliche Miteinander zwingt förmlich zu männlichen Ritualen. Das Workout schmiedet so eine Community …“
„Schwul?“
„Sagen wir lieber: homoerotisch, so ein leichter Touch. Haben Sie nicht Ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht?“
Die angesprochenen Begleiterinnen nippen nervös an ihren Gläsern und zieren sich, klare Bekenntnisse abzulegen. Aus Neugier oder purer Ablenkung kramen sie meinen alten Spruch hervor:
„Lieber Schnupfen als Muskeln haben Sie behauptet, oder? Wie meinen Sie das?“
„Trinken wir noch ein Glaserl von dem fruchtigen Weißburgunder? Und … wir könnten uns doch duzen, oder? Ich bin der Toni, nicht, du bist die Helga, gell, und Sie … ah, du, wie war noch einmal dein Vorname?“
„Sagt einfach Lucy zu mir, das wär mir am liebsten.“
„Prost Lucy, Bussi!“
„Prost, Toni, Gesundheit!“
„Prost Helga, Schönheit, haha.“
„Das Schönste kommt ja zum Schluss. Nach dem Training, zum Beispiel, setzen wir uns gern in die Sauna und schwitzen uns gesund.“
„Und der Schnupfen?“, forscht Lucy ungeduldig nach.
„Am letzten Sonntag“, setze ich unbeirrt fort, „hat einer von den Burschen seine neue Flamme überreden können, in die Dampfkammer mitzugehen. Das wird dann schnell fad, wenn wir nicht mehr unter uns sind. So frei von der Leber reden … das läuft dann nicht mehr.“
„Was ist jetzt mit dem Schnupfen?“, drängt auch Helga zum Punkt.
„Diese Freundin hat halt furchtbar geniest und gehustet, die ganze Zeit, und einer von den Halbstarken ist auf die tolle Diagnose gekommen: Schnupfen, was?“
„Super intelligent!“
„Muskeln wie ein Ochs … IQ halt auch!“
„Zum Schluss schiebt der Depp noch einen Omaspruch hinten nach: Schnupfen kommt sieben Tage, steht sieben Tage, geht sieben Tage.“
„Hab ich noch nie gehört!“
„Wir haben das gleich umgedreht, in der prallen Hitze: Sieben Tage stehen, nicht schlecht. Sieben Tage kommen, he, das geht doch!“
Die netten Damen schauen mich leicht erotisiert und schwer angeheitert an und ich gestehe, dass wir dann ziemlich kalt duschen mussten, um die schmutzigen Gedanken loszuwerden.
„A propos, Ladies, gehen wir?“, lächle ich dezent in vier tiefgrün glänzende Augen. „Ich habe mehr Schnupfen als Muskeln.“
Ich weiß nicht, ob sie mich damals verstanden haben, aber die Geschichte kommt immer wieder gut an. Außer bei Miriam, die mehr auf Marketing steht.
Mein Biolehrer sammelte Briefmarken. Wir auch.
Meine Mathelehrerin liebte die Sterne. Wir guckten in die Luft.
Ihr habt es schwer! Ihr habt einen Sprachlehrer, der schreibt. Und das Lesen wird anstrengend:
Lieber Schnupfen als Muskeln!
Das Wochenende verbringe ich am liebsten im Fitnesscenter, wollen mir die Damen im Sekretariat nicht glauben – bis ich den endgültigen Beweis antrete.
„OK“, sage ich, „ich werde alles beichten!“
Bei diesem Offenbarungseid verharrt sogar Miriam, die neue Controlling-Assistentin, wie angeklebt im Raum, obwohl sie lieber bei den smarten Herren vom Marketing herumhängt. Ich halte ein paar spannende Sekunden den Atem an und das einzige Geräusch, das unsere gemeinsame Andacht stört, ist Miriams sinnloses Rascheln im Rollcontainer.
„Miriam“, spreche ich die junge Dame direkt an, „Sie heißen doch Miriam?“
„Ja“, gibt sie leicht verlegen zurück und fühlt sich beim Lauschen ertappt. „Ich suche eine Akte für den Doktor Berger!“
„Miriam“, wiederhole ich ein wenig untergriffig, „Sie gehen doch auch ins Fitnesscenter, oder?“
„Freilich! Sieht man das schon?“, freut sich das wohlgenährte Mädchen und setzt zum Posieren an, bevor die beiden vollschlanken Konkurrentinnen vom Sekretariat forsch dazwischen gehen:
„Also, Herr Anton“, bringt die Chefsekretärin ihre ganze Autorität ein, „was wollten Sie uns beichten?“
„Ich gehe ja nicht ins Fitnesscenter …“ setze ich kleinlaut fort und füge eine weitere dezente Pause ein, die nicht ungenützt bleiben wird:
„Wussten wir doch …“
Feiner Hohn liegt im weiblichen Widerspruch.
„ … gehe nicht ins Fitnesscenter wegen der Muskeln! Verstehen Sie. Nicht wegen der Muskeln!“
Langsam. Betont. Mehr gesungen als gesprochen. Wiederholung sorgt für erhöhte Aufmerksamkeit … und kleinen Ärger.
„Sondern?“
Überraschung unterwirft die neugierigen Zuhörerinnen.
Für ein paar Minuten verfalle ich ins Soziologische, um das akademische Vokabular, das ich aus dem einzigen Skriptum, das ich je zu einer Einführungsvorlesung erstanden hatte, gewinnbringend einsetzen zu können. Bis dato brach liegender Nonsens erschlägt die Damen bis zur Entgeisterung, die mir flugs nahe legt, ohne weitere Umschweife zu den nackten Fakten vorzudringen. Andernfalls, lese ich aus den anfliegenden Sorgenfalten, würde das werte Publikum ein nettes Shoppingerlebnis beim Kaffeautomaten meinen öden Ausführungen vorziehen. Also komme ich auf die braun gebrannten, Muskel bepackten Jungmänner im besten Fortpflanzungsalter zu sprechen, erzähle von meinem kaum zu zähmenden Neid auf deren verschwitzte Oberkörper, beschreibe lustvoll männliche Formen und Oberflächen und horche schließlich den begeisterten Kolleginnen beim Schlucken zu.
„Sagen Sie, die sind wirklich ganz rasiert? Also praktisch überall?“
„Bis hinter den Sack!“, will ich antworten, aber Miriam droht bereits vor Aufregung umzukippen und ich nicke den beiden gefassteren Damen im besten Alter verschwörerisch zu.
„Ich bräuchte eine Schokolade. Soll ich Ihnen vielleicht etwas mitnehmen?“, krame ich die letzten Centstücke in meiner Sakkotasche zusammen und will zum Buffet enteilen, bevor die Damen ihre ganze Neugier gestillt haben.
„Miriam! Holen Sie doch dem Herrn Anton eine heiße Schoko, ohne Zucker … und bringen Sie mir einen kleinen Brauen mit!“, übernimmt die Sekretärin gekonnt den Ton ihres Chefs. Widerspruch lässt sie keinen zu, von mir nicht - und auch Miriam erahnt ihre Grenzen.
„Bis hinter den Sack … “, verbalisiere ich meine alten Gedanken in gehobener Lautstärke, sodass auch die unwillig abschwirrende Praktikantin es noch verstehen muss, „ … sind die rasiert.“
„Moment mal, Herr Anton, ich brauch jetzt auch einen starken Kaffee.“
Also warten wir schweigend, bis Miriam mit vier heißen Getränken in ihren vibrierenden Händen zurückkehrt und erleichtert feststellen kann, von der Geschichte nichts Pikantes verpasst zu haben.
„Wissen Sie, im Fitnesscenter möchte ich gerne den intellektuellen Bodensatz der Stadt erforschen. Unsere Produktpalette zielt ja zunehmend auf diese Klientel!“ Schon beim ersten Beistrich fällt mir ein, dass die Firma die Kosten für mein Jahresabonnement im Fitnesscenter übernehmen sollte, die Einschreibgebühren sowieso, wenn ich schon nichts von der Steuer abschreiben kann.
„Und? Was geht dort so ab?“ fuchtelt Miriam ungeduldig mit ihren leeren Händen herum.
Wir schauen der vorlauten Praktikantin strafend ins neugierige Gesicht. „Hoppala“ steht plötzlich auf ihrer Stirn geschrieben.
„Gestern haben sie über ihre Frauen gesprochen, diese Testosteronsklaven. Ein Gedicht, sag ich Ihnen, wenn diese Typen über das schöne Geschlecht herziehen. Stoff für eine ganze Fernsehshow, was sag ich, eine Hollywood-Serie!“
Die Spannung gerät zum Kochen, da hören wir die Breitreifen des silbernen Sportwagens, den unser Abteilungsleiter in den knirschenden Kies seines Privatparkplatzes lenkt. Spontan lassen die Sekretärinnen ihre Kaffeebecher verschwinden, Miriam zieht ihren Rollcontainer zum Ausgang und ich stehe plötzlich mit meiner Geschichte mutterseelenallein vor dem Nichts, bevor ich die Einladung zur nächsten Verköstigung vernehme: „Kommen’s doch einfach mit, zur Salatbar!“
Noch am Gang muss ich die Statistik bemühen:
„So sieben bis acht Burschen kommen da immer zusammen, zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren sind die alt, schätze ich. Knackig, jedenfalls! Fesch, enge Shirts … man könnte leicht ein bisserl schwul werden … beim Hinschauen.“
„Gehen’s, Herr Anton, Sie doch nicht!“
Stimmt.
„Verheiratet ist keiner von denen. Alle noch zu haben!“, mache ich den Begleiterinnen beim grünen Salat Gusto auf eine fleischige Nachspeise.
„Drei sind geschieden, haben sie geprotzt, einer mit einem Kind“, bremse ich die aufgeschaukelten Erwartungen wieder ein und schlage schließlich voll zu, damit auch meine Chancen wieder leben:
„Ehrlich gesagt, sie halten alle Weiber für geile Schlampen. Ich zitiere nur, ja, ich sag‘ sowas wirklich nicht gerne.“
„Also ehrlich, aus ihrem Mund? Unglaublich, Herr Anton.“
„Ich sollte ja mit dem Trainieren ganz aufhören“, lege ich den Damen einen Vorsatz ans Herz, aber ihre Reaktionen geraten eher abschlägig. Ich hebe gleich zum Erklären an:
„Ich vermute nämlich einen direkt-proportionalen Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Scheidungsrate. Verstehen Sie?“
Bevor Miriam ihre belehrende Stimme erheben kann, setze ich meine Ausführungen fort und übertrage meine Eheverfehlungstheorie beispielshaft auf mein Privatleben.
„Sollten meine Bauchmuskeln noch ein paar Gramm zunehmen und zum Umfang meines Bizeps aufschließen, dann bin ich fällig!“
„Aber Herr Anton, Sie sind doch gar nicht verheiratet, oder?!“
„Nein. Ich nicht! … aber meine Freundin!“
Nachdem ich völlige Verwirrung gestiftet habe, schiebe ich genüsslich die letzten Pfefferonischoten in meinen gierigen Schlund und stelle mich für ausführliche Befragungen zur Verfügung: Meine persönliche Lieblingsposition – alle Frauen wollen was. Wissen.
Es rührt sich nichts. Die Damen delektieren sich am lukullischen Grün statt an meiner Person.
„Lieber Schnupfen als Muskeln!“ werfe ich meiner Weisheit letzten Schluss ins zwischenmenschliche Gefecht und hänge eine beiläufige Einladung an: „Einen Karottensaft, vielleicht, für die Damen?“
„Wo hier?“ fragt die Sekretärin.
„Seit wann …?“ setzt ihre Nachbarin nach.
„Da? Bei uns?“ will Miriam wissen.
„Nach der Arbeit!“, schlage ich vor und hoffe, dass zumindest eine der adretten Kolleginnen der sportlichen Geschichte soweit erlegen ist.
„Warum nicht?“
„Um fünf?“
„Wenn’s auch ein Bier gibt.“
Das klingt nach drei Zusagen mehr als erwartet, ergibt ein Rendezvous zu viert. So war der Plan nicht angedacht, aber wer wird sich mit zehn Kilo Übergewicht und einer braunen Hornbrille gegen so viel weibliches Interesse wehren?
„Herr Anton!“, kommt Miriam zum ersten Mal unangemeldet in mein Büro, „könnten Sie mir vielleicht beim Monatsabschluss helfen?“
Ich ziehe den Bauch ein, so gut es geht, schiebe das Brillengestell locker in die Stirnbehaarung und winke die durstige Brünette zu meinem Bildschirm, während im angrenzenden Sekretariat die Lautstärke von Gesprächston auf Tuscheln heruntergefahren wird.
„Ich mache schon seit zweieinhalb Jahren Pilates und BBP … Sie wissen eh“, blickt Miriam ungeduldig auf die Uhr, die sich im Schneckentempo Richtung Feierabend quält.
„Glauben Sie nicht, Frau Miriam, dass diese Männer mit den vielen Muskeln … also die verachten doch euch Frauen!“
Ich Nachhinein weiß man alles besser, den Satz hätte ich mir ruhig sparen können, eine Enttäuschung auch. Miriam rollt ihren Stuhl und sich selbst demonstrativ von mir weg und verzichtet auf weitere Belehrungen.
„Warum sagen Sie sowas?“
„So abfällig, wie diese Männer von ihren Weibern und Tussis gesprochen haben … die haben doch keinen Respekt vor den Frauen. Diese Fitness, diese Muskeln, das schadet dem Hirn …“
Miriam überlegt nicht mehr, sie klappt ihre Schulungsunterlagen zusammen und dreht sich beim Weggehen ebenso deprimiert wie entschuldigend um:
„Das wird mir dann der Herr Doktor Berger erklären müssen.“
Ich habe meine Lektion gelernt: Die sportliche Assistentin will sich ihren Männertraum nicht zerstören lassen, nicht von einem einsamen Bürohengst namens Anton, Herr Anton sogar. Gut, ich werde meine gesteigerte Aufmerksamkeit den beiden Damen aus dem Vorzimmer zuwenden, auf deren Erfahrungen anspielen und die Kraft der Seele betonen, so denke ich meine Erzählstrategie den neuen Umständen anpassen zu können.
Aus dem angekündigten Karottensaft werden drei große Bier, Miriam musste kurzfristig absagen, den Installateur hatte sie vergessen, meinte sie. Verstehe.
„Von den sieben Bodybuildern sind also drei geschieden, zwei leben mit irgendeiner Freundin zusammen“, nehme ich den Faden in der City-Bar wieder auf.
„Bleiben genau zwei … gerade recht!“, kichern die interessierten Bürodamen.
„Und wenn sie schwul sind? Mit ihren blonden Strähnen? Würde mich nicht wundern!“, bringe ich eine Portion Unsicherheit ins Spiel und bestelle die nächste Runde Tequila. „Diese Phase habe ich ja hinter mir“, füge ich trocken an, um die volle Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.
Aufregung.
„Sie wollen doch nicht behaupten …!“
„Ich erkläre mir das mit narzisstischen Anlagen, die bei jedem Mann … also beim Trainieren, da stellen wir uns schon gerne vor die Spiegel … und das körperliche Miteinander zwingt förmlich zu männlichen Ritualen. Das Workout schmiedet so eine Community …“
„Schwul?“
„Sagen wir lieber: homoerotisch, so ein leichter Touch. Haben Sie nicht Ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht?“
Die angesprochenen Begleiterinnen nippen nervös an ihren Gläsern und zieren sich, klare Bekenntnisse abzulegen. Aus Neugier oder purer Ablenkung kramen sie meinen alten Spruch hervor:
„Lieber Schnupfen als Muskeln haben Sie behauptet, oder? Wie meinen Sie das?“
„Trinken wir noch ein Glaserl von dem fruchtigen Weißburgunder? Und … wir könnten uns doch duzen, oder? Ich bin der Toni, nicht, du bist die Helga, gell, und Sie … ah, du, wie war noch einmal dein Vorname?“
„Sagt einfach Lucy zu mir, das wär mir am liebsten.“
„Prost Lucy, Bussi!“
„Prost, Toni, Gesundheit!“
„Prost Helga, Schönheit, haha.“
„Das Schönste kommt ja zum Schluss. Nach dem Training, zum Beispiel, setzen wir uns gern in die Sauna und schwitzen uns gesund.“
„Und der Schnupfen?“, forscht Lucy ungeduldig nach.
„Am letzten Sonntag“, setze ich unbeirrt fort, „hat einer von den Burschen seine neue Flamme überreden können, in die Dampfkammer mitzugehen. Das wird dann schnell fad, wenn wir nicht mehr unter uns sind. So frei von der Leber reden … das läuft dann nicht mehr.“
„Was ist jetzt mit dem Schnupfen?“, drängt auch Helga zum Punkt.
„Diese Freundin hat halt furchtbar geniest und gehustet, die ganze Zeit, und einer von den Halbstarken ist auf die tolle Diagnose gekommen: Schnupfen, was?“
„Super intelligent!“
„Muskeln wie ein Ochs … IQ halt auch!“
„Zum Schluss schiebt der Depp noch einen Omaspruch hinten nach: Schnupfen kommt sieben Tage, steht sieben Tage, geht sieben Tage.“
„Hab ich noch nie gehört!“
„Wir haben das gleich umgedreht, in der prallen Hitze: Sieben Tage stehen, nicht schlecht. Sieben Tage kommen, he, das geht doch!“
Die netten Damen schauen mich leicht erotisiert und schwer angeheitert an und ich gestehe, dass wir dann ziemlich kalt duschen mussten, um die schmutzigen Gedanken loszuwerden.
„A propos, Ladies, gehen wir?“, lächle ich dezent in vier tiefgrün glänzende Augen. „Ich habe mehr Schnupfen als Muskeln.“
Ich weiß nicht, ob sie mich damals verstanden haben, aber die Geschichte kommt immer wieder gut an. Außer bei Miriam, die mehr auf Marketing steht.
teacher - am Montag, 25. Februar 2008, 10:21
Eine Kollegin kommt freudig erregt auf mich zu.
"Schau, X.! Du interessierst dich ja auch für moderne Unterrichtsformen."
"Zeig her, was hast Du denn mit deinen Viertklasslern gemacht?"
(4.Klasse AHS = 14 Jahre alt)
"Schau, wie hübsch sie die Figuren angemalt haben."
"Was bedeuten diese Farben?"
"Je eine bestimmte Farbe für eine Sprache, die sie können. Aber dorthin malen, wo sie hingehören!"
Ich betrachte die bunten Menschenkörper und staune:
"Was? Der da kann 6, nein 7 Sprachen?"
"Schau, das Blaue ist Deutsch, das ist natürlich der größte Fleck. Englisch hat er gelb gemacht, das mag er nicht so. Nur die Füße sind gelb.
Die Haare hat er grün gemacht, das soll Türkisch sein."
"Der kann türkisch?"
"Ein paar Schimpfworte halt. Schön, wie er beim Herzen ein rotes Dreieck gemacht hat."
"Wie erklärst du das?"
"Wahrscheinlich hat er eine herzliche Beziehung zu Italienisch."
"Italienisch kann er auch?"
"Nein, er möchte aber. Er war einmal auf Urlaub dort."
"Das machst du im Deutsch-Unterricht?"
"Super, gell? Das hab' ich bei einem Seminar auf der Uni entdeckt. Soll ich dir die Unterlagen kopieren?"
"Ahh ... wozu?"
"Gefällt es dir nicht? Das könntest du in deinen Klassen machen."
"Ich hab' ja keine so Kleinen ..."
"Auf der Uni haben sie das mit uns gespielt, mit uns Lehrern."
"Na ja."
Deutlicher wollte ich nicht werden!
"Schau, X.! Du interessierst dich ja auch für moderne Unterrichtsformen."
"Zeig her, was hast Du denn mit deinen Viertklasslern gemacht?"
(4.Klasse AHS = 14 Jahre alt)
"Schau, wie hübsch sie die Figuren angemalt haben."
"Was bedeuten diese Farben?"
"Je eine bestimmte Farbe für eine Sprache, die sie können. Aber dorthin malen, wo sie hingehören!"
Ich betrachte die bunten Menschenkörper und staune:
"Was? Der da kann 6, nein 7 Sprachen?"
"Schau, das Blaue ist Deutsch, das ist natürlich der größte Fleck. Englisch hat er gelb gemacht, das mag er nicht so. Nur die Füße sind gelb.
Die Haare hat er grün gemacht, das soll Türkisch sein."
"Der kann türkisch?"
"Ein paar Schimpfworte halt. Schön, wie er beim Herzen ein rotes Dreieck gemacht hat."
"Wie erklärst du das?"
"Wahrscheinlich hat er eine herzliche Beziehung zu Italienisch."
"Italienisch kann er auch?"
"Nein, er möchte aber. Er war einmal auf Urlaub dort."
"Das machst du im Deutsch-Unterricht?"
"Super, gell? Das hab' ich bei einem Seminar auf der Uni entdeckt. Soll ich dir die Unterlagen kopieren?"
"Ahh ... wozu?"
"Gefällt es dir nicht? Das könntest du in deinen Klassen machen."
"Ich hab' ja keine so Kleinen ..."
"Auf der Uni haben sie das mit uns gespielt, mit uns Lehrern."
"Na ja."
Deutlicher wollte ich nicht werden!
teacher - am Freitag, 22. Februar 2008, 13:03
Diese Fotos ... helfen mir die Ferienstimmung zu erhalten und den Frühling geduldig zu erwarten.



Frühlingsgrüße aus Madeira.
P.S.: Jemand, der mir nahe steht, hält das für pure Erotik. Dafür bin ich nicht zuständig.



Frühlingsgrüße aus Madeira.
P.S.: Jemand, der mir nahe steht, hält das für pure Erotik. Dafür bin ich nicht zuständig.
teacher - am Mittwoch, 20. Februar 2008, 20:57
Der Sohn ist schuld!
Der Vater arbeitet im Ministerium, die Mutter unterrichtet Biologie
und wird gefürchtet wie Bin Laden in Washington. Sie hat es geschafft, aus einem interessanten Fach einen chronischen Albtraum zu machen.
Wie?
Sie hat einen Sohn geboren: Johannes.
Die Eltern haben sich an der Uni kennengelernt und ihre Studien
ebenso schnell wie ausgezeichnet abgeschlossen. Johannes ist an der Matura gescheitert und versucht sich bereits am dritten Lehrplatz.
War jemals jemand stolz auf ihn?
Die gekränkte Mutter weiß mit Bestimmheit, dass andere Kinder nicht schlauer sind als ihr "Jojo", zumindest müssen sie es regelmäßig unter Beweis stellen: Eine Überprüfung jagt die andere und alle lösen Panik in den Klassen aus.
Johannes hat es nicht geschafft, das prägt das Leben seiner Mutter und deren gequälter Schüler/innen. Das ruiniert ein ganzes Fach, eine halbe Schule, aber alles bleibt nur m/eine hobbypsychologische Vermutung.
Diese Frau braucht Hilfe, nur, wer erklärt ihr das? Johannes?
Der Vater arbeitet im Ministerium, die Mutter unterrichtet Biologie
und wird gefürchtet wie Bin Laden in Washington. Sie hat es geschafft, aus einem interessanten Fach einen chronischen Albtraum zu machen.
Wie?
Sie hat einen Sohn geboren: Johannes.
Die Eltern haben sich an der Uni kennengelernt und ihre Studien
ebenso schnell wie ausgezeichnet abgeschlossen. Johannes ist an der Matura gescheitert und versucht sich bereits am dritten Lehrplatz.
War jemals jemand stolz auf ihn?
Die gekränkte Mutter weiß mit Bestimmheit, dass andere Kinder nicht schlauer sind als ihr "Jojo", zumindest müssen sie es regelmäßig unter Beweis stellen: Eine Überprüfung jagt die andere und alle lösen Panik in den Klassen aus.
Johannes hat es nicht geschafft, das prägt das Leben seiner Mutter und deren gequälter Schüler/innen. Das ruiniert ein ganzes Fach, eine halbe Schule, aber alles bleibt nur m/eine hobbypsychologische Vermutung.
Diese Frau braucht Hilfe, nur, wer erklärt ihr das? Johannes?
teacher - am Dienstag, 19. Februar 2008, 09:38
"Du hast nur eine Betragensnote in deiner Klasse?" frage ich den Klassenvorstand.
"Ist keine andere beantragt worden. Für den Moritz hab' ich einen Zweier gewollt. Und die Kollegin U. hat sich angeschlossen."
Das reicht. Zwei von zwölf Lehrer stimmen gegen ein "Sehr zufriedenstellend" beim Betragen.
"Warum gerade beim Moritz? Der ist doch super", stichle ich weiter.
"Genau das ist sein Problem. Der ist eindeutig unterfordert ... und tratscht wie ein altes Waschweib! D.a.u.e.r.n.d."
"Das stört mich wenig. Hauptsache er kann alles, weiß alles, macht alles."
"Stimmt nicht ganz. Seine beiden Nachbarn müssen sich das überhebliche, penetrante Besserwissen ständig anhören. Der stört nicht mich oder dich, er stört die Klasse!"
"Das schon."
"Deswegen hat er lauter Einser ... bis auf Betragen, da hat er einen Zweier."
"Glaubst du, das nützt was?"
"Sicher nicht. Er erwartet das sogar, er fordert es richtig heraus. Und seinen Eltern ist das sowieso völlig Wurscht! Allen eigentlich."
"Was ist so eine Betragensnote wert?"
"Das war eine rhetorische Frage, hoffe ich."
"Ist keine andere beantragt worden. Für den Moritz hab' ich einen Zweier gewollt. Und die Kollegin U. hat sich angeschlossen."
Das reicht. Zwei von zwölf Lehrer stimmen gegen ein "Sehr zufriedenstellend" beim Betragen.
"Warum gerade beim Moritz? Der ist doch super", stichle ich weiter.
"Genau das ist sein Problem. Der ist eindeutig unterfordert ... und tratscht wie ein altes Waschweib! D.a.u.e.r.n.d."
"Das stört mich wenig. Hauptsache er kann alles, weiß alles, macht alles."
"Stimmt nicht ganz. Seine beiden Nachbarn müssen sich das überhebliche, penetrante Besserwissen ständig anhören. Der stört nicht mich oder dich, er stört die Klasse!"
"Das schon."
"Deswegen hat er lauter Einser ... bis auf Betragen, da hat er einen Zweier."
"Glaubst du, das nützt was?"
"Sicher nicht. Er erwartet das sogar, er fordert es richtig heraus. Und seinen Eltern ist das sowieso völlig Wurscht! Allen eigentlich."
"Was ist so eine Betragensnote wert?"
"Das war eine rhetorische Frage, hoffe ich."
teacher - am Mittwoch, 6. Februar 2008, 20:18
"Hast Du die Anmeldungen zur Reifeprüfung kontrolliert?"
"Nur angeschaut ... und den Kopf geschüttelt."
"Warum?"
"Da maturieren Leute bei mir, die völlig ungeeignet und total desinteressiert sind!"
"Die müssen halt. Wenn sie für Latein zu schwach und für Englisch zu faul sind, dann maturieren sie in Spanisch!"
"Wenn Du für das 5-Meter-Brett zu feig bist, dann steigst du aufs 10-Meter-Brett?"
"Schau dir die Lehrer an. Bei der F. müssen sie eine Leseliste von 25 englischen Büchern abgeben. Das wirkt!"
"Und in Latein?"
"Kennst Du den R.? Der glaubt immer noch, dass es kein wichtigeres Fach gibt als Latein. Der kennt keinen Pardon, verzeiht keinen Fehler."
"Verstehe. Ich verlange nur 5 Spanisch-Bücher und freue mich über jeden Fehler, den sie machen."
"Was?"
"Nur wer redet, macht Fehler. Nur wer Fehler macht, macht Fortschritte. Also: Wer Fehler macht, macht Fortschritte."
"Aber diese Einstellung ist dein Fehler. So wirst Du einen Haufen Reifeprüfungen korrigieren, wenn die anderen in der Juli-Sonne liegen."
"Nächstes Jahr lese ich am Anfang der Maturklasse Cervantes im Original! Da werden sie mit den Ohren wackeln!"
"... und in Religion maturieren."
"Nur angeschaut ... und den Kopf geschüttelt."
"Warum?"
"Da maturieren Leute bei mir, die völlig ungeeignet und total desinteressiert sind!"
"Die müssen halt. Wenn sie für Latein zu schwach und für Englisch zu faul sind, dann maturieren sie in Spanisch!"
"Wenn Du für das 5-Meter-Brett zu feig bist, dann steigst du aufs 10-Meter-Brett?"
"Schau dir die Lehrer an. Bei der F. müssen sie eine Leseliste von 25 englischen Büchern abgeben. Das wirkt!"
"Und in Latein?"
"Kennst Du den R.? Der glaubt immer noch, dass es kein wichtigeres Fach gibt als Latein. Der kennt keinen Pardon, verzeiht keinen Fehler."
"Verstehe. Ich verlange nur 5 Spanisch-Bücher und freue mich über jeden Fehler, den sie machen."
"Was?"
"Nur wer redet, macht Fehler. Nur wer Fehler macht, macht Fortschritte. Also: Wer Fehler macht, macht Fortschritte."
"Aber diese Einstellung ist dein Fehler. So wirst Du einen Haufen Reifeprüfungen korrigieren, wenn die anderen in der Juli-Sonne liegen."
"Nächstes Jahr lese ich am Anfang der Maturklasse Cervantes im Original! Da werden sie mit den Ohren wackeln!"
"... und in Religion maturieren."
teacher - am Samstag, 2. Februar 2008, 21:38