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cotopaxi

 
Ich stehe in der Klasse 4 E, die es Ende der Woche nicht mehr geben wird. Sie wird mit der 4 D zusammengelegt, weil wir uns nicht zwei Klassen mit je 16 Kindern leisten dürfen - wir müssen eine Klasse mit 32 Kindern schaffen. Das heißt: Neuer Stundenplan, neue Lehrer, neuer Saal.

Die Kinder sind enttäuscht, wir pendeln zwischen Trost und Galgenhumor. Da meine zweite Unterrichtsstunde auch schon wieder die letzte ist, reden wir über Erlebnisse aus den Ferien. Keine kreative Meisterleistung, aber eine gelungene Ablenkung.

Viele Kinder berichten vom Urlaub bei Verwandten, bei den Großeltern in Serbien, bei der Familie im Iran, bei Bekannten in der Ukraine.
"Wir waren in einem kleinen Dorf nördlich von Beograd, da kennt jeder jeden. Das gefällt mir gut."

Bald merke ich, dass die Kinder mit Migrationshintergrund von den Heimatländern ihrer Eltern berichten und Ferien ganz anders erleben als wir "Eingeborenen":

- "Ich war am Reiterhof XY."
- "Wir waren am XY-See in Kärnten."
- "Wir sind immer in Kroatien am Meer."

"Herr Professor! Wir waren auch in Kroatien - die Jenni und ich."
"Was? Alleine? Mit 14?"
"Nein, mit einer Tante, aber die hat uns alles erlaubt."
"Und was habt ihr da so gemacht?"
"Haha, das möchten sie gerne wissen!"
Kurze Pause. Fortsetzung.
"Cocktails getrunken. Ich liebe Pina Coladas oder Sex on the beach."
Trara.
"Und sonst?"
"Na alles ... Diskos, Clubs ... jetzt haben wir etliche Freunde mehr auf facebook."

In der Pause bauen sich die beiden Mädchen vor mir auf:
"Mögen Sie auch Cocktails?"
"Ja, schon. Ich habe sogar einmal einen Barkeeper-Kurs gemacht."
"Super! Kommen Sie zu meiner Geburtstagsfeier und machen uns coole Drinks?"

Der Lehrer als Barkeeper für seine SchülerInnen. Soll ich stolz auf diese Einladung sein?
mike (Gast) meinte am 13. Sep, 21:16:
öhm
4te Klasse? ... 14? ... stolper ich hier in ne Länderfalle oder is mir was entgangen?

ansonsten ... nuja ... wat zuhaus verboten is wird ohne Kontrolle als Erstes ausgekostet. Ob der Verbotsgrund nu seinen Sinn hat is ja sowieso Lunte.
Ein Pädagoge darf dem keinen Vorschub leisten aber es spricht für ihn wenns ihm von den Schutzbefohlenen zugetraut wird. 
emu (Gast) antwortete am 13. Sep, 22:29:
Gemeint ist die 4. Klasse Gymnasium (AHS), also die 8. Schulstufe. 
teacher antwortete am 14. Sep, 08:04:
Ja. Alter: 14-15 
oops meinte am 13. Sep, 22:39:
stolz sein JA
(tatsächlich wahrnehmen NEIN)  
teacher antwortete am 14. Sep, 08:05:
OK. Kompromiss. 
BIA (Gast) meinte am 13. Sep, 23:04:
Na, wer weiß, was die wirklich getrunken haben...Orangensaft? Oft hören sich die Erzählungen ja wesentlich wilder an als die fade Realität es war. Man gibt ja gerne lieber den obercoolen Kinderstarverschnitt als die Landpomeranze. Und wer kann's schon kontrollieren? 
teacher antwortete am 14. Sep, 08:06:
Also sie kannten die Zutaten von Tequila Sunrise - besser als die letzten Vokabel. 
BIA (Gast) antwortete am 14. Sep, 16:36:
Oje,... the plot thickens. 
Willi (Gast) meinte am 15. Sep, 10:02:
Solange die Günstlinge überwiegen,...
Ich bin auch empört, wie leichtfertig und spät die Schulbehörden Klassen zusammenlegen. Anstatt dass sie für bessere Bedingungen mehr Budget herausschlagen, melden sie sich in der zweiten Schulwoche (wiedermal vom Schulbeginn überrascht) mit Sparideen.
Ich denke die Öffentlichkeit merkt langsam, dass so viele Günstlinge in den Schulbehörden so wenig für den Unterricht tun.
Eine Allensbach-Umfrage im heurigen Frühjahr ergab, dass die Mehrheit der Deutschen eine Entländerung der Schulen wünschen. In Österreich versuchen wir es mal in die andere Richtung - schwer beeindruckt von St. Gallener Kopftuchverboten. Aber auf lange Sicht wird die Öffentlichkeit solchen Möchtegernkaisern den Riegel vorschieben - zB durch Zentralisierung. 
teacher antwortete am 15. Sep, 21:34:
Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit weniger auf die sauteuren Regierungs- und Parteieninserate in den Gratiszeitungen schaut als auf die Realitäten in den Klassen. 
Susi-q (Gast) meinte am 15. Sep, 19:52:
Also ich muss ehrlich sagen, dass ich in einer Abi-Klasse bin und wir nur 14 Leute sind. Es ist schade um die, die uns im Laufe der Zeit verlassen mussten, aber mir gefällt die Größe. Es ist ziemlich kuschelig im Unterricht, es gibt nur wenige die ablenken und der Lehrer kann richtig gut auch auf einzelne Schüler zugehen. Und Spaß haben wir 14 auch genug! =)
Manchmal haben wir auch gemeinsame Stunden mit dem Parallelkurs (ca 24 Leute), dann sind wir über 35 Leute und ich hab in der Zeit immer das Gefühl als individuelle Persönlichkeit komplett unterzugehen und es ist auch deutlich unruhiger etc.
Ich glaube als Lehrer ist es bestimmt auch schön, mal nur so eine kleine Gruppe zu unterrichten. Also mir tut es leid für die beiden Klassen...
zum Urlaub der beiden Mädels: ich glaube sie stellen das auch etwas Übertrieben dar...wenn nicht....ich finde es gibt wesentlich schlimmeres was manche 14-jährige machen, als Coktails im Urlaub zu trinken, selbst wenn sie eben erst 14 sind.
...
Ich würde dir auch sagen, fühl die geschmeichelt über die Einladung, aber es ist vllt besser dankend abzulehnen. Aber es ist doch süß das sie dich auf ihrem Geburtstag haben möchte. =) 
teacher antwortete am 15. Sep, 21:38:
Ich kann dir in allen Punkten zustimmen. In kleinen Klassen wird es plötzlich richtig "menschlich".
P.S.: Ich werfe den Mädels die Cocktails nicht vor (obwohl ich als Lehrer Straftaten (?!) nicht beschönigen darf), wir haben selbst genug davon getrunken. Der Unterschied ist, dass sie das ihrem Lehrer nicht nur (prahlend) erzählen, sondern dass sie ihn gleich einbinden möchten. Wir haben unsere "Missetaten" versteckt. 
BIA (Gast) antwortete am 16. Sep, 08:04:
Meine 14-er Gruppe war bei einer mündlichen Prüfung im Schnitt tatsächlich um 1 Notengrad besser als die 32-köpfige Vergleichsgruppe, die die selbe Prüfung ablegte. Es ist ja auch logisch - wer doppelt so viel Zeit zum Üben hat, sollte bessere Resultate bringen. 
teacher antwortete am 16. Sep, 10:55:
Das wage ich nicht zu generalisieren. Kleinere Klassen können zu besseren Ergebnissen führen, sie erzeugen jedenfalls eine bessere Stimmung (persönlichere Beziehung, weniger Lärm, weniger Störungen, besseres Kennenlernen, mehr Rücksicht ...), sodass bessere Voraussetzungen für gute Ergebnisse da sind. 
Susi-q (Gast) antwortete am 17. Sep, 20:46:
@ teacher
Ich verstehe was du meinst.
Aber zeigt ihre Prahlerei nicht auch, dass sie deine Anerkennung/Aufmerksamkeit suchen bzw Wert auf deine Meinung legen?
Ich meine sie werden ja nicht jedem Lehrer davon erzählen, wahrscheinlich bist du sogar der Einzige. Du hast doch sicher allg einen guten Draht zu deinen Schülern. Da kannst du ihnen doch klar machen, dass sie deinen Anerkennung so bestimmt nicht bekommen. 
 

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