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cotopaxi

 
Die neuen Schulbücher versuchen, politisch korrekt zu sein. Eines der Fotos zeigt daher einen jungen Nordafrikaner, der seinem Cousin aus einer orientalischen Zinnkanne Tee einschenkt.

Für mich kein aufregendes Detail, es ist mir nicht einmal aufgefallen.

Nadine, 16:
"Ha, was ist denn das?"
Sie kann es nicht fassen, dass zwei Jugendliche gemeinsam Tee trinken.
"Was ist denn das für eine öde Kanne?"
"Wahrscheinlich Marokko", erkläre ich kurz.
"Und der andere? Warum hat der so ein kleines Glas?"
"Tee trinkt man dort aus Gläsern, nicht aus Tassen oder Häferl."

Sie finden die Szene irgendwie lächerlich, also frage ich:

"Wie würde das bei euch ausschauen?"
"Ein Zwanzigjähriger und ein Sechzehnjähriger? Die würden bei einem Bier sitzen! Aber nicht zuhause auf einer Couch, sondern in einem coolen Lokal."

Mein Interpretationsohr hört zwischen den Zeilen: "Tee auf der Couch? Das ist armselig, schwul, kindisch."

Ich erzähle von der Kultur des Teetrinkens in orientalischen Basaren. Heiß. Süß. Geschmack. Gastfreundschaft. Gespräche. Zeit.

"Können wir das nächste Stunde machen?", fragt die Nachbarin interessiert.
"Schon klar, dass ihr lieber Tee mit mir trinkt als Übungen zu schreiben," blocke ich ab.
"Oder vielleicht vor Weihnachten", kommt ein Kompromiss.

Tja, Ich werde sie wohl einladen müssen.
In der Schule habe ich nicht einmal heißes Wasser. Natürlich keinen Tee, keine Gläser, keinen Zucker, keine Löffel. Wir sind ein ödes Amt. Ich werde einkaufen gehen, Becher besorgen, Kekse dazu, abwaschen ... mein (finanzielles) Privatvergnügen.

Weil das Buch so politisch korrekt ist. Nicht aber die Schule.
martinm meinte am 28. Okt, 21:04:
Wir hatten eine Kaffeemaschine in der Klasse die nur als Heißwasserspender für Tee benutzt wurde. Bis sie einmal nicht ausgesteckt wurde und die heiße Warmhalteplatte die Putzfrau in Panik versetzt hat. Das wars dann mit dem Tee... 
teacher antwortete am 29. Okt, 19:56:
Bei uns ist das Stromnetz überfordert. Altes Haus! 
Leidensgenossin (Gast) meinte am 28. Okt, 22:19:
Deswegen habe ich mittlerweile einen Wasserkocher, Besteck für 15, Geschirr, Plastikbecher usw. in der Klasse :-) 
teacher antwortete am 29. Okt, 19:57:
Ich habe ja 7-8 Klassen zu betreuen. 
fedor (Gast) meinte am 29. Okt, 08:19:
Bedankt euch bei der Gemeinde(Land,Bund...)Seit ein paar Jahren ist das Aufstellen und der Betrieb von privaten elektrischen Geräten im Klassenzimmer untersagt. 
teacher antwortete am 29. Okt, 19:58:
Bei uns gibt es dazu keine klaren Regeln - und ich frage auch nicht danach. 
tigerhöhle meinte am 29. Okt, 08:45:
Wir brachten vor 15 Jahren zum evangelischen Religionsunterricht Thermoskannen mit Tee mit, einer von uns Plätzchen für alle, die Lehrerin wurde aus sämtlichen Kannen bedient. Aber wir waren auch nur sieben Schüler, der Rest war katholisch oder hatte abgewählt. 
teacher antwortete am 29. Okt, 19:58:
Von so kleinen Gruppen träume ich ... 
gulogulo meinte am 29. Okt, 09:07:
es reicht doch eine mikrowelle, um den kindern die tradition des weihnachtlichen tee- äh betrinkens in unserem kulturkreis näherzubringen. 
teacher antwortete am 29. Okt, 19:59:
Für UNSEREN Kulturkreis brauche ich einen Kühlschrank! 
flyhigher meinte am 29. Okt, 09:23:
Sehr löblich und sehr nett von dir, teacher, ich kann mich erinnern, dass 2 unserer Lehrer uns ebenfalls zu sich nach Hause eingeladen hatten. Ein teures Vergnügen für die Lehrer, aber ein Spaß für uns alle. 
teacher antwortete am 29. Okt, 20:00:
Nach Hause? Nein. 
derbaron meinte am 29. Okt, 10:05:
Du könntest doch auch mit der Klasse in ein Teehaus gehen, wo man mit den Eigentümern vorher vereinbart, dass die selbst eine Einführung in die Welt des Tees und der Teekultur geben. Wenn schon Interesse dafür vorhanden ist ... Bei uns wäre sowas als "coole Sache" durchgegangen. ;-)

Kann man das nicht als Exkursion laufen lassen? Bei uns in der Schule gabs damals ein Budget für solche Dinge. 
teacher antwortete am 29. Okt, 20:01:
Für jede Exkursion brauche ich einen (schriftlich fixierten) Grund ... und die Zusage aller Kollegen, deren Stunde ausfällt. Teetrinken oder so geht da nicht durch.
Und Budget haben wir nicht einmal für Kopierpapier. 
El Loco antwortete am 31. Okt, 12:46:
Multikulturell
heißt das Stichwort - Kennenlernen anderer Kulturen. Bildungsauftrag der Schulen, und jeder Kollege, der es nicht organisieren muß, ist begeistert.

Aber, wenn teacher schon Wasserkocher und Tee besorgt (was sich übrigens, wenn man den Wasserkocher zuhause besitzt, finanziell nicht zum Debakel entwickeln sollte), warum bringen die Schülerinnen und Shcüler nicht ihre Tassen selbst mit? Und spülen sie nachher selbst? Alt genug sind sie doch wohl... 
Garfieldine meinte am 29. Okt, 16:21:
Zum Thema politisch korrekt
In meinem Berufsschulbuch war ein Mädel die "durch ihre Ausbildung begleitet wurde". Die hatte auf ihrer Stiftemappe klar und deutlich stehen: "F*ck" 
teacher antwortete am 29. Okt, 20:02:
War das nicht (die Modemarke) FcUK? 
Garfieldine antwortete am 2. Nov, 11:35:
Definitiv nicht. Es war per Hand drauf gemalt... 
teacher antwortete am 2. Nov, 15:08:
Dann war es ein recht realistisches Bild! 
Garfieldine antwortete am 3. Nov, 10:04:
Ja, bestimmt! Aber Realismus ist meiner Meinung nach genug vorhanden. Gerade bei Schulbücher finde ich ein bisschen weniger davon und mehr gute Vorbilder machen Sinn, oder nicht? 
teacher antwortete am 3. Nov, 11:43:
Mit Provokation lernt man aber mehr als mit Vorbildern, die ohnehin nicht akzeptiert werden. 
Garfieldine antwortete am 9. Nov, 16:16:
Dann sollte Provokation aber auch aufgefangen werden. So halte ich es einfach für ein schlecht gestaltetes Schulbuch. 
tonja (Gast) meinte am 29. Okt, 23:24:
mein (politisch sehr geprägter, verwirrter, liebenswerter) ehemaliger religionslehrer hat uns mal seinen selbst gemachten "traubensaft" - montag morgens um 8 - mitgebracht. zugegeben, maturaklasse. und erklärt, wie so ein traubensafti entsteht.


religionsunterricht? kaum erinnerung ;) - aber DAS, oder das englische frühstück, das wir in der unterstufe gemeinsam gekocht haben, oder die 3stündigen schularbeiten, in denen unsere deutschlehrerin uns äpfel und becher mit wasser hingestellt hat - das bleibt.

das ist nicht nur dein finanzielles privatvergnügen. es ist auch und vorallem das vergnügen der schülerInnen - und viele werden dir das nicht vergessen, ich versprechs dir!

es ist schade, dass es DEIN geld ist; dass DU für die kosten aufkommst. es ist nicht schade, dass die diskussion entstand, dass sich die dynamik entwickelte, dass die lust auf "gemeinschaft mit lehrer" entstand. das ist selten - und es ist super.



DAS hört mein interpretationsohr zwischen den zeilen.



ps: jetzt fällt mir erst die frage auf, was die klammer mit den beschreibungen meines religionslehrers hier eigentlich zu suchen hat. die antwort: er war nicht "einfach nur mein religionslehrer". er war und ist weit mehr. das bist du in ein paar jahren in erzählungen deiner ehemaligen schülerInnen vielleicht auch?


pps: das verzerrte wort heute ist "hans". wer ist hans? 
teacher antwortete am 30. Okt, 20:48:
Stimmt natürlich.
Aber ich frage mich, ob ich nicht ohne kulinarische Einladungen auch prägende (positive) Spuren hinterlassen kann.
PS: Hans kenne ich nicht, nicht einmal Hänschen (und was der so lernen sollte :-) 
hajo (Gast) antwortete am 5. Nov, 15:36:
Saft
Traubensaft?
hast Du Dich da nicht von Heinrich Spoerl inspirieren lassen?
"aber nor einen wenzigen Schlock ..!" :-D

übrigens: ich heisse (auch) Hans
.. aber mein Wort ist schlimmer "bamer" (ich weiss, da fehlt ein r, aber wir in Hessen sehen's damit nicht so eng! 
Eagel (Gast) meinte am 30. Okt, 13:57:
Delegieren
heißt doch das Zauberwort, alternativ: Viele Hände machen schnell ein Ende.

Ich unterrichte u.a. Ethik und hab da immer kulturell sehr bunt gewürfelte Haufen beieinander. Einmal im Jahr (am Ende des Schuljahres) machen wir dann ein interkulturelles Frühstück: jeder bringt was mit, meistens sind es ja die Mütter oder gar Väter, die sich daheim für uns ins Zeug legen, die Jugendlichen sind schön stolz, wenn sie dem Rest der Belegschaft ihr Leibgericht präsentieren. Ich bin dann lediglich Teil der Delegation, die sich um den deutschen Part kümmert. Die eigentlichen Leckereien kommen aus den türkischen, kurdischen, griechischen, kroatischen, vietnamesischen Familien ...

Ehrlich gesagt: Ich freu mich da immer schon drauf und hab fast nichts zu tun und nichts zu zahlen.

Für den türkischen Tee kann die Klasse zusammenlegen, und dann beauftragst du zwei Mädels mit dem Einkauf (werden die sehr gern machen), du suchst dir die Aufgabenbereiche aus, die dir Spaß machen, die anderen delegierst du an andere, die Spaß daran haben. 
teacher antwortete am 30. Okt, 20:50:
So ein Frühstück würde mich auch freuen.
Aber es ist halt was anderes, einzuladen (statt zu organisieren).
(Und: Mein Job ist es nicht, Tee zu servieren - aber viele errwarten das jetzt, oder?) 
Eagel (Gast) antwortete am 2. Nov, 19:48:
Ach so,
es geht um Gastfreundschaft ... Die ist doch sowieso nicht Teil egal welchen Jobs, sondern Privat- oder soziales Vergnügen. Und immer mit Arbeit und Ausgaben oder Hergeben verbunden. Oder?

Nebenbei, ich mag deinen Satz: "Wir sind ein ödes Amt". Machen wir uns nix vor, genau das ist Schule in unseren Breiten. Zu fernab von gemütlichen Lebenswelten für Lehrer und Schüler. 
teacher antwortete am 3. Nov, 11:41:
Ja, Teezeremonien im Orient sind eine Form von Gastfreundschaft. Das von SchülerInnen organisieren zu lassen, das raubt die ganze Stimmung. Aber SchülerInnen sind nicht meine Gäste ...
Leider sind wir ein ödes Amt, aber die Be-Amten (Lehrer) sollen die Stimmung von Clubferien toppen! 
Fraufreitag (Gast) meinte am 31. Okt, 09:18:
Haben die schüler nicht auch gleich gefragt, ob sie dann auch schischa rauchen dürfen? (schischa-wasserpfeife-bei uns sehr angesagt, schon in der siebten.) 
ich mal wieder (Gast) antwortete am 1. Nov, 18:49:
...
1. shishas sind schon lang nichts besonders und genauso etabliert wie zigaretten und anderes rauchwerk (zumindestens in großen teilen deutschlands)

2. Meine Klasse frühstückt eigentlich regelmässig an Tagen vor Ferienbeginn (zumindestens die größeren Ferien)

Jeder bringt was mit, der organisationsaufwand beträgt meistens 15 minuten für den Lehrer der in der ersten Stunde unterrichtet, und 1 für alle folgenden die dann nurnoch zustimmen müssen, dass das Frühstück auch in ihre Stunden ausgedehnt wird.

Im allgemeinen sind alle zufrieden, das übliche organisationszeug vor den Ferien läuft auch und wer etwas zu sagen hat kann einfach vorbei kommen 
teacher antwortete am 2. Nov, 15:53:
OK, vor den Feiertagen suchen wir alle "Pausenfüller" - das hat aber wenig mit interkulturellem Lernen zu tun. Lustig ists trotzdem :-) 
 

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