In der Reihe vor mir hat sich eine junge Familie breit gemacht. Links der Vater, er hoert Ipod, rechts die sehr junge Mutter, sie beschaeftigt sich mit sich und ihrem Aussehen. Ihre aufgespritzten Lippen sind ein bisserl uebertrieben ausgefallen, wie vieles hier um mich herum. Dazwischen ein blondes Maedchen, das ich auf vier Jahre schaetze.
Die Flugbegleiterinnen von Aeroflot strahlen weiter den Charme des Ostblocks aus, zwanzig Jahre Marktwirtschaft sind wie im Flug vergangen, es gibt kein Laecheln, nur Dienstleistung. Eine davon besteht darin, die jungen Gaeste mit einem kleinen Willkommensgeschenk zu versorgen - jede ordentliche Fluglinie stellt den Kindern seine Spielchen zur Verfuegung. Die Stewardess greift gelangweilt in ihre Schachtel und angelt eine bunte Tasche heraus, reicht sie dem neugierigen Kind. Das Maedchen greift zu ... aber - ich staune nicht schlecht - macht das Saeckchen gar nicht auf. Ich koennte ihr verrraten, was sich hinter dem farbigen Stoff versteckt: Buntstifte, Malvorlagen, Kinderspielzeug.
Interessiert sie nicht.
Mama hat schon in ihre Gucci-Tasche gelangt und ein Stueck silberne Technik herausgefischt. ARCHOS - eine Multimediaplayer der letzten Generation, ich erblasse vor Neid. Das Kind greift in die Tasten, ein Video startet, die Malstifte verschwinden unter dem Sitz des Flugzeugs.
Solche Kinder werde ich demnaechst in der Klasse motivieren, zu lesen, zu schreiben, zu rechnen, zu zeichnen, zu basteln ...
Ich liebe die Technik.
Die Flugbegleiterinnen von Aeroflot strahlen weiter den Charme des Ostblocks aus, zwanzig Jahre Marktwirtschaft sind wie im Flug vergangen, es gibt kein Laecheln, nur Dienstleistung. Eine davon besteht darin, die jungen Gaeste mit einem kleinen Willkommensgeschenk zu versorgen - jede ordentliche Fluglinie stellt den Kindern seine Spielchen zur Verfuegung. Die Stewardess greift gelangweilt in ihre Schachtel und angelt eine bunte Tasche heraus, reicht sie dem neugierigen Kind. Das Maedchen greift zu ... aber - ich staune nicht schlecht - macht das Saeckchen gar nicht auf. Ich koennte ihr verrraten, was sich hinter dem farbigen Stoff versteckt: Buntstifte, Malvorlagen, Kinderspielzeug.
Interessiert sie nicht.
Mama hat schon in ihre Gucci-Tasche gelangt und ein Stueck silberne Technik herausgefischt. ARCHOS - eine Multimediaplayer der letzten Generation, ich erblasse vor Neid. Das Kind greift in die Tasten, ein Video startet, die Malstifte verschwinden unter dem Sitz des Flugzeugs.
Solche Kinder werde ich demnaechst in der Klasse motivieren, zu lesen, zu schreiben, zu rechnen, zu zeichnen, zu basteln ...
Ich liebe die Technik.
teacher - am Montag, 7. Januar 2008, 02:30
gulogulo meinte am 7. Jan, 08:14:
den ostblockcharme und das aussehen einer russischen kugelstoßerin habe ich letztes jahr aber auch bei einem olympic-serviertraktor erleben dürfen. ;-)
lillybet antwortete am 8. Jan, 01:01:
ostblockcharme einer russischen kugelstoßerin.... *tz*
gemein, wirklich gemein....aber lustig *g*
Simon Columbus (Gast) meinte am 7. Jan, 18:01:
Warum noch machen, wenn man haben kann?Ich sitze den lieben langen Tag (bzw. das, was die Schule davon übrig lässt) am Computer.
Aber ich bin verdammt froh, dass ich mit 4 Jahren noch mit Bauklötzen spielen durfte.
teacher antwortete am 8. Jan, 03:23:
Die Mutter hatte 2 Stunden Ruhe!Die Schule muss halt damit umgehen lernen, dass so simple Faehigkeiten wie Malen nicht mehr gefoerdert bzw. nicht mehr erwuenscht sind. Die Eltern haben sich geaendert, die Kinder sowieso, wir duerfen nicht so tun als waere alles wie frueher.
Die Ansprueche haben sich vervielfacht. Warum hat nicht jedes Kind einen Archos oder ein Notebook in der Klasse?!
Stef (Gast) antwortete am 8. Jan, 18:29:
... und als Sachunterricht jeden Tag eine "Sach- und Lachgeschichte" von der Maus :-)Mal ehrlich, hätte nie gedacht, dass ich das einmal als Compifuzzi der ersten Stunde sagen werde, aber diese Daddelkisten (Konsolen) sind der Fluch der westlichen Welt. Wie viel kostbare Zeit wird mit diesen Kisten regelrecht verschwendet. Wo früher noch gebastelt, draußen getobt, gelsen, ... wurde, da wird jetzt nur noch eine cd eingeschoben und der Daumen bewegt. Als Lehrer bekomm' ich ja mit, welche ausgeklügelten Regeln die Eltern erfinden müssen, um die Spielzeit mit diesen Daddelkisten zu reglementieren.
Ich weiß schon das Thema meines nächsten Elternabends, wenn ich wieder einmal ein paar ABC-Schützen übernehme: "Spielkonsolen und was sie darüber jetzt schon wissen sollten!" - manche Eltern merken erst zu spät, was sie sich da für eine Stress ins Haus holen... ;-)
teacher antwortete am 9. Jan, 04:04:
Ja, sie stehlen viel Zeit, aber sie schenken auch viel Freude. Wenn wir nur die Balance halten wuerden und die Spielsucht nicht ausbricht. Ich muss mich da selbst einschraenken, weil ich auch damit spiele.
planeten (Gast) antwortete am 10. Jan, 16:24:
Früher war alles besser?
Dürfte ich mal fragen, wann früher alles besser war? Ich meine ernsthaft. Haben früher vor 40, 60, 80, 100 Jahren die lieben Eltern alle stundenlang ihren Sprößlingen vorgelesen haben und mit denen gemalt haben?
Also wenn ich mit meinen Großeltern oder Eltern über ihre Jugend redete, dann hatte höchstens meine Mutter und Großmutter mütterlicherseits diese Art behüteter bürgerlicher Kindheit, die vielen Leuten hier vorschwebt.
Mein Vater und deren Eltern waren noch Bauern und da wurde während und nach dem bischen Volksschule, was gerade zum Rechnen und Lesen schreiben reichte, viel auf dem Feld gearbeitet. Das war ein hartes Leben. Zeit zum Lesen oder Malen war da kaum da.
Bei meinem Großvater mütterlicherseits das Gleiche. Dessen Eltern waren noch Analphabeten. Da musste mein Opa als Bub die Rinder hüten. Ein Malbuch hatten die nicht zu Hause.
Bei solchen "früher war die Welt viel besser Geschichten", habe ich immer ein bischen den Eindruck, dass man kategorisch die schlechten Seiten ausblendet. Es ist gar nicht so lange her, da war es normal, dass die Kinder irgendwie zum Lebensunterhalt beitrugen. Gerade wenn der Vater nicht aus dem Krieg heimkehrte.
ich empfehle gerne in solchen Situation, das autobiographische Buch "Herbstmilch", das die harten Verhältnisse in der bayrischen Provinz im 20. Jh schildert.
Und dass in den Augen einer Frau, die ganz offensichtlich mehr Interesse an ihrem Äußeren hat und wahrscheinlich weniger wegen ihrer intellektuellen Fähigkeiten als Partnerin ausgesucht wurde, Bildung nicht den höchsten Stellenwert hat - DAS ist ja wohl der Knackpunkt.
Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man es gar keine Spielkonsolen gäbe.
maschi meinte am 8. Jan, 21:05:
Schlappe Lehrer
http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,527131,00.html
Nachtblau antwortete am 8. Jan, 23:22:
Wäre schön, wenn Journalisten auch mal richtig recherchieren könnten. Auf viele Lehramtsstudiengänge gibt es einen NC, und zwar teilweise einen recht heftigen (Grundschule teilweise bei 1, irgendwas). Und gerade bei Mathematik und Physik ist es so, dass viele Lehramtsstudenten dann zum Diplomstudiengang überwechseln, weil dieser einfacher zu erreichen ist als das Staatsexamen.
Zeitungsleser (Gast) meinte am 8. Jan, 23:04:
Lesetipp
Hallo teacher,ich bin im Lawblog über diesen Artikel gestolpert:
Schlappe Lehrer brennen schneller aus (http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,527131,00.html)
Es würde mich interessieren, was Ihre Meinung ist und wie da Ihre Erfahrungen sind.
MfG, Zeitungsleser
teacher antwortete am 9. Jan, 04:17:
Leider stimmt an dem Artikel einiges, ich sehe auch, dass die Lehramtsstudien nicht die besten Kandidaten anzieht. Formuliere das aber genau so: Der Lehrberuf ist fuer die Spitzenleute uninteressant (geworden), nicht die Leute sind schlechter geworden. Aufwerten! Schon beim Studiumeingang selektieren, staendig weiterbilden!
Es gaebe so viele Moeglichkeiten, die Lehrer zu motivieren und zu unterstuetzen, aber es macht halt in den Medien mehr her, sie einmal herunter zu machen.
Zum burnout: Da habe ich andere Erfahrungen gemacht. Es sind wirklich die Engagierten, die gegen Mauern laufen und zerbrechen. Die anderen, die nie engagiert waren, die lehnen sich doch zurueck und pfeifen sich nix. Die sind unzufieden, aber nicht ausgebrannt. Da wuerde ich gerne die genauen Studienfragen sehen, weil da wird so viel Muell produziert, dann kommt halt das raus, was erwuenscht wird. Mit mir nicht, solche Studien nehme ich nicht mehr ernst.
Moonlight (Gast) antwortete am 9. Jan, 22:23:
Ich glaube allerdings auch, dass ein Grund für die Überforderung einiger Lehrer die schlechten Rahmenbedingungen sind! Warum muss ich beispielsweise versuchen, 35 (!) 5.Klässlern gleichzeitig Englisch ein zu pauken? Es ist doch nur eine finanzielle Frage, warum man die Klassen nicht verkleinert. Auch wenn aus vorangehenden Generationen das Argument kommt: früher waren wir auch 50 - 70 Kinder in einer Klasse. Es gibt nun man einen riesigen Unterschied in der Erziehung, und die heutigen Schüler sind zu einem großen Teil recht verwöhnte Einzelkinder, die es von zu Hause gewohnt sind, dass sich die Welt um sie dreht.
Und warum muss ein Lehrer zusätzlich zum Unterricht, den er vor- und nachbereiten und halten, sowie den anfallenden Klassenarbeiten, Tests und Hausaufgaben, die er nachschauen muss , in seinen knappen Pausen auch noch Pausen-Aufsichten führen, naturwissenschaftliche Experimente aufbauen und vieles mehr? In anderen Ländern funktioniert das doch auch anders! In Frankreich würde kein Lehrer eine Aufsicht führen, dafür gibt es Erzieher und Sozialarbeiter, in Südtirol baut kein naturwissenschaftlicher Lehrer seine Experimente selbst auf, dafür gibt es wissenschaftliche Assistenten. Nur bei uns scheint das nicht möglich zu sein! :-(
Zu den Spielkonsolen: Ich habe vor einigen Wochen gewagt, in meiner 11. Klasse zu fragen, wer denn ein Buch auf Englisch zu Hause habe, das nichts mit der Schule zu tun hat (um einen gegenseitigen Austausch anzuregen). Leider waren das nicht einmal 10% der Schüler. Hätte ich hingegen nach den neuesten PC-Spielen gefragt...
teacher antwortete am 10. Jan, 03:28:
Meine Rahmenbedingungen find ich gar nicht so schlecht, ich hab auch schon Klassen in Afrika besucht ... Ich glaub, unser groesstes Problem ist, dass die Gesellschaft Schule nicht mehr wichtig nimmt. Ein geschenktes Produkt, das nix wert ist. Die hohe Bedeutung von (Aus)Bildung hab ich nur in Ostasien (Korea, Hong Kong etc.) gespuert, die wissen, dass nur mit bester Ausbildung Fortschritte zu machen sind, wir haben das vergessen.
Lesen war frueher eine Freizeitbeschaeftigung, heute nur eine Schulpflicht. Wer seinen Kindern Buecher schenkt, der wird ja als zynischer Quaeler betrachtet.
BIA (Gast) antwortete am 15. Jan, 18:53:
@ Rahmenbedingungen
Naja, Rahmenbedingungen...so doll sind sie nicht, auch wenn wir ein Dach über dem Kopf und einen Overheadprojektor für unsere 33 SchülerInnen zur Verfüung haben. Meine Kollegin hat in Afrika unterrichtet und will unbedingt wieder zurück und weiterunterrichten, weil sie durch die Bank mit hochmotivierten Schülern zu tun hatte, die genau wissen, dass sie Bildung brauchen. Den Satz: "Könnten wir am Nachmittag noch eine Stunde üben, bitte?" hat sie dort oft, hier aber noch nie gehört...
teacher antwortete am 17. Jan, 03:03:
Ja, ich habe nur an die materiellen Rahmenbedingungen gedacht.Das Problem, dass wir eine wenig motivierte Kundschaft zu betreuen haben, ist am aller hinderlichsten. Eigentlich will uns keiner *heul* ...
mammarazzi meinte am 9. Jan, 17:13:
also ich kenne das auch als "charme" meiner schüler mit migrationshintergrund (west), um so dümmer, um so teurer die technik...