Man gewöhnt sich aneinander wie ein altes Ehepaar.
Die Trennung steht vor der Tür, ich mache sie vorsichtig auf und zähle, wie viele Schüler sich zum Abschied eingefunden haben: Die allerletzte Unterrichtsstunde in der 8A ist angebrochen.
"Was möchtet Ihr Eurem Lehrer in der letzten Stunde noch sagen?", störe ich die in Mathematikvorbereitungen versenkten Köpfe.
Das braucht Nachdenkzeit, die ich gerne gebe.
"Warum sind Sie nicht zum Maturafoto gekommen?"
"Hmmm ... das habe ich nicht so gerne."
(Ausserdem: Ich habe vergessen, mich korrekt anzuziehen.)
"Im vorigen Jahr waren Sie dabei!", wird der Vorwurf deutlicher.
"Gut, als Klassenvorstand konnte ich mich wirklich nicht drücken."
"Wir waren doch Ihre Lieblingsklasse?!"
Ich möchte gerne sagen: "Jede Klasse ist meine Lieblingsklasse! Zumindest soll das jede glauben, wie alle Freundinnen Casanovas hofften."
Aber Ehrlichkeit hat hier keinen Platz, ich rette mich in körperliches Scherzen, den Kopf verliebt zur Schulter neigend:
"Auhhhh ..."
"Und warum ist der Herr Professor R. auch nicht gekommen?"
Ich wundere mich, wie genau diese zur Oberflächlichkeit neigende Klasse den Fototermin beobachtet hat, welche Bedeutung sie diesen banalen Zeremonien zukommen lässt.
"War er auch nicht da?", wiederhole ich naiv.
"Bei uns nicht! Bei der 8C schon! Hat der was gegen uns?"
"Glaub' ich nicht. Ihr kennt ihn doch als extrem fairen und offenen Menschen."
"Schon, aber in den letzten Jahren haben wir seinen Frust total zu spüren bekommen."
Weiterhin naiv: "Wirklich?"
"Bei einem Lehrausgang hat er alle achten Klassen eingeladen - bloß uns nicht ... nur als Beispiel."
"Das kann ein Zufall sein."
"Einmal haben wir eine Pappmaché-Arbeit gemacht. Wir haben einen ... so einen großen Phallus geformt ... also da war er ganz komisch."
"Wie meinst Du?"
"Den hat er immer gleich versteckt ..."
"Das versteh' ich. Wenn das in eine Zeitung kommt, dann lacht ganz Österreich drüber. Ich hätte das erst gar nicht zugelassen."
So geht es eine ganze, die allerletzte Stunde zu. Alles dreht sich ums Persönliche. Um Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern, das prägt und bewegt die Klassen bis zur letzten Sekunde.
Alles was zählt sind wir. Sollten wir bedenken.
Die Trennung steht vor der Tür, ich mache sie vorsichtig auf und zähle, wie viele Schüler sich zum Abschied eingefunden haben: Die allerletzte Unterrichtsstunde in der 8A ist angebrochen.
"Was möchtet Ihr Eurem Lehrer in der letzten Stunde noch sagen?", störe ich die in Mathematikvorbereitungen versenkten Köpfe.
Das braucht Nachdenkzeit, die ich gerne gebe.
"Warum sind Sie nicht zum Maturafoto gekommen?"
"Hmmm ... das habe ich nicht so gerne."
(Ausserdem: Ich habe vergessen, mich korrekt anzuziehen.)
"Im vorigen Jahr waren Sie dabei!", wird der Vorwurf deutlicher.
"Gut, als Klassenvorstand konnte ich mich wirklich nicht drücken."
"Wir waren doch Ihre Lieblingsklasse?!"
Ich möchte gerne sagen: "Jede Klasse ist meine Lieblingsklasse! Zumindest soll das jede glauben, wie alle Freundinnen Casanovas hofften."
Aber Ehrlichkeit hat hier keinen Platz, ich rette mich in körperliches Scherzen, den Kopf verliebt zur Schulter neigend:
"Auhhhh ..."
"Und warum ist der Herr Professor R. auch nicht gekommen?"
Ich wundere mich, wie genau diese zur Oberflächlichkeit neigende Klasse den Fototermin beobachtet hat, welche Bedeutung sie diesen banalen Zeremonien zukommen lässt.
"War er auch nicht da?", wiederhole ich naiv.
"Bei uns nicht! Bei der 8C schon! Hat der was gegen uns?"
"Glaub' ich nicht. Ihr kennt ihn doch als extrem fairen und offenen Menschen."
"Schon, aber in den letzten Jahren haben wir seinen Frust total zu spüren bekommen."
Weiterhin naiv: "Wirklich?"
"Bei einem Lehrausgang hat er alle achten Klassen eingeladen - bloß uns nicht ... nur als Beispiel."
"Das kann ein Zufall sein."
"Einmal haben wir eine Pappmaché-Arbeit gemacht. Wir haben einen ... so einen großen Phallus geformt ... also da war er ganz komisch."
"Wie meinst Du?"
"Den hat er immer gleich versteckt ..."
"Das versteh' ich. Wenn das in eine Zeitung kommt, dann lacht ganz Österreich drüber. Ich hätte das erst gar nicht zugelassen."
So geht es eine ganze, die allerletzte Stunde zu. Alles dreht sich ums Persönliche. Um Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern, das prägt und bewegt die Klassen bis zur letzten Sekunde.
Alles was zählt sind wir. Sollten wir bedenken.
teacher - am Donnerstag, 26. April 2007, 20:39
Stef (Gast) meinte am 26. Apr, 23:44:
Exakt !
... meine Schulzeit liegt nun fast 10 Jahre hinter mir. Wenn ich an meine Lehrer denke, fällt mir nur sehr wenig zu ihren Methoden und Unterrichtsformen mehr ein.Ich kann aber noch heute jedes kleinste Persönlichkeitsdetail (bzw. Gerüchtelein) abspulen: vom Mathelehrer, der seine Exschülerin heiratete und mehrfach schwängerte, vom Direx mit Alkoholfahne, von der (vermeintlich) lesbischen Physiklehrerin, vom alleinerziehenden depressiven Informatiklehrer, vom Machophysiker, der (angeblich) auch mal Mädels angrabschte, von der flennenden Anwärterin, die jetzt Floristin ist, dem Französischlehrer, der sein Neugeborenes in der 3.Woche verlor ... ... ...
Das muss man sich mal echt als Lehrer klar machen, auf was man als Schüler eigentlich so _wirklich_ achtet. Das mit den zwei schwulen Freunden (s. vorigen Beitrag) hätt ich z.B. nicht gewagt ;-) - obwohl ich da durchaus zwei aufzufahren hätte.
Alex (Gast) antwortete am 27. Apr, 09:54:
Zwei Schwule Freunde...
Also wenn's nur einer gewesen wäre, hätt ma uns jetzt schon so Gedanken gemacht....:-)
Nielsson antwortete am 27. Apr, 12:39:
Jetzt, wo sie es sagen...Da mache ich mir auch bei zweien Gedanken...
;-)
teacher antwortete am 27. Apr, 14:42:
Darum sage ich das mit den Söhnen (die von einer Frau kommen müssen!) gleich dazu.
Kinkerlitzch3n antwortete am 27. Apr, 17:53:
ach, das sagt doch gar nichts aus - womöglich sind sie ein spätberufener? *gg*
teacher antwortete am 27. Apr, 20:53:
Hihi - Mami meinte damals, ich sei ein "Frühstarter" (aber bei den Mädchen). Das waren Zeiten ...
Alex (Gast) meinte am 27. Apr, 09:49:
Auf den Punkt gebracht.
Bravo. Was ich immer sage... ;-) Der Lernerfolg der Schüler eines bestimmten Lehrers lebt brutalerweise zu 90% davon, ob dieser Lehrer als Autorität anerkannt wird oder nicht.
Wie man sich Autorität schafft? Lies nach bei *teacher*
Wie man seine Autorität als Lehrer zerstört? Lies nach bei *teacher*
;-)
teacher antwortete am 27. Apr, 14:48:
Danke - ich möchte aber lieber Persönlichkeit als Autorität im Mittelpunkt sehen.
marco (Gast) meinte am 27. Apr, 12:04:
Ähnlich...
...überrascht war ich, als ich ein paar Jahre nach Schulabgang meinen Lieblingslehrer traf. Er erkannte mich nicht. Dabei denke ich oft an meine Lehrer, weil sie schliesslich auch zum schönsten Abschnitt meiner Vergangenheit gehören.Ich war enttäuscht.
Natürlich war mir klar, daß er sich nicht alle Gesichter der Schüler seiner Klassen merken kann. Trotzdem hatte ich nicht damit gerechnet. Komisches Gefühl war das.
Ein Schüler erlebt seinen Lehrer viel intensiver als der Lehrer seinen Schüler. Weil es in keinem Verhältnis zueinander steht.
Sollte nur jeder Seite bewusst sein.
teacher antwortete am 27. Apr, 14:46:
Ja, das bringts auf den Punkt. Wir (unsere Persönlichkeit, unsere Aussagen, unser Benehmen ...) prägen die Schüler fürs Leben - die Schüler beeinflussen aber unser Leben nur marginal. Diese Beziehung kann keine symmetrische sein.Trotzdem nehmen wir vieles routinemäßig auf die leichte Schulter, weil wir uns der Tragweite unseres Handelns nicht ständig bewusst sind. Wenn wir es sind (bzw. wären), dann erdrückt(e) uns diese Verantwortung!
PeZwo meinte am 27. Apr, 18:06:
ein junges Mädchen aus meinem Bekanntenkreis galt in der Hauptschule als ziemlich schwieriger Fall. Es litt unter problematischen Familienverhältnissen und lehnte sich ständig gegen die Lehrer, Schule und den Regeln auf.Als sie in den Polytechnischen Lehrgang kam und dadurch die Schule wechselte, war sie die einzige Schülerin dieser Klasse, welche regelmäßig ihre damals so verhassten Lehrer in der Mittagszeit besuchte.
Trotz ihrer massiven Auflehnung hat sie offensichtlich dennoch wahrgenommen, dass man sich um sie gekümmert hat und es die Lehrer mit ihr ehrlich gemeint haben.
teacher antwortete am 27. Apr, 21:16:
Lieber späte Anerkennung als gar keine.Die meisten Schüler ahnen gar nicht wie gut uns das tut. Zu oft haben wir das Gefühl, alles sei für die Katz'.
PeZwo antwortete am 27. Apr, 21:23:
ja... es waren ihre eigenen Früchte, gesät zu einem Zeitpunkt, wo alles sinnlos schien. Die Saat ist zwar verspätet, aber dann doch aufgegangen.
teacher antwortete am 28. Apr, 20:38:
In diesem Fall bekommen die Lehrer eine positive Rückmeldung, in 99% der Fälle geht die Saat aber (für sie) unsichtbar (später, wo anders ...) auf. Wir glauben, sinnlos gearbeitet zu haben oder sehen - eifersüchtig - dass andere die Ernte einfahren. Das ist einer der Gründe, warum Lehrer überdurchschnittlich oft frustriert oder ausgebrannt enden.
pringle meinte am 29. Apr, 20:13:
Meine Chefin meinte dazu: "99% der Schüler danken es einem nicht, wenn man sich auf persönlicher Ebene mit ihnen abgibt, im Gegenteil."Ich möchte wissen, wieviele Schüler es einem danken, wenn man sie unpersönlich behandelt und ihren Gedanken keine Aufmerksamkeit schenkt, wenn sie sich nicht streng um den Unterrichtsstoff drehen.
teacher antwortete am 29. Apr, 20:19:
Glaub ich nicht.Dankbarkeit darf ich nícht erwarten ("ist keine Kategorie der Pädagogik"), aber sie kommt umso eher, desto persönlicher der Kontakt war.
Ausserdem macht das Unterrichten mehr Spaß auf persönlicher Ebene. ICH profitiere davon - das reicht!