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cotopaxi

 
"Kriegen Schafe Schläge?" schreibe ich an die Tafel.
Schon zeigen die ersten Kinder auf.
"Ja, Stromschläge."
"Ja, beim Scheren."
"Die müssen ja zusammengetrieben werden."

Die ersten Kinder sind Burschen. Sie überlegen nicht lange, sie raten und schreien ungeniert falsche Antworten in die Klasse. Sie haben kein großes Mitgefühl für gequälte Tiere, eher Freude an Aggression und Gewalt.

Die Frage kommt nicht zufällig, die Schafe interessieren mich dabei wenig, die Reaktion der Geschlechter viel mehr.

Mädchen lernen anders. Wie in der einschlägigen Literatur beschrieben, zeigen sie mehr Scheu, ja Angst, sich vor ihren MitschülerInnen zu blamieren. Sie überlegen länger und zeigen höhere Empathie mit Mensch und Tier.

Nichts als Vorurteile? Anerzogenes Verhalten? Belanglose Geschlechtsunterschiede?
Egal, ich habe in koedukativen Klassen auf gegebene Realitäten Rücksicht zu nehmen.
Soll ich jetzt Mädchen aufrufen, obwohl ausschließlich Burschen aufzeigen? Letztere ignorieren und die Ruhigen animieren - damit alle frustriert werden? Ich lasse die individuellen Antworten notieren - der schriftliche Ausweg.

Dann gebe ich einen Hinweis: Buch S. 45 - 46.
Das interessiert die meisten Buben nicht mehr, das Lesen, der textzentrierte Unterricht spricht Mädchen viel stärker an. Dieser dominiert das schulische Lernen bei weitem. Lesen, schreiben, reden ... da spielen die Mädchen ihre Vorteile gekonnt aus. Für Burschen lockt der Computer oder der Experimentierkasten. Ich würde gerne alte Autos und Motorräder in den Physiksaal stellen. Statt Formeln gälte es Schraubenschlüssel zu beherrschen.

"Aaaah .. . so ist das gemeint."
Jetzt melden sich auch die Mädchen zu Wort. Sie haben schnell die richtige Textstelle in den Unterlagen gefunden und können mit hoher Sicherheit die korrekte Antwort geben.

"Der Farmer teilt die Weidefläche in mehrere Schläge auf, damit nicht manche Teile kahl gefressen werden."
"Sehr gut, Theresa."
pathologe meinte am 23. Mär, 11:48:
Erster Gedanke: Am Zaun schon.
Zweiter Gedanke: Medizinisch gesehen?

Die Unterteilung und deren Ausdruck kannte ich nicht. 
teacher antwortete am 23. Mär, 14:14:
So lernt auch der pathologe dazu. 
gulogulo antwortete am 23. Mär, 14:18:
sind damit verschläge gemeint? 
teacher antwortete am 23. Mär, 15:01:
nee, auch keine anschläge, durchschläge ... einfach nur SCHLÄGE. 
Brille meinte am 23. Mär, 12:43:
Und was ist mit Holzschlägen? Da wird doch aber ... 
teacher antwortete am 23. Mär, 14:14:
... treffen hoffentlich auf keine Schafe. 
Stef (Gast) meinte am 23. Mär, 14:39:
Neugierig
Was war denn nun Thema (Lernziel) deiner Unterrichtsstunde. Habt ihr im Folgenden noch die verschiedenen Herangehensweisen diskutiert? Wie reagierten die Schüler? 
teacher antwortete am 23. Mär, 14:52:
Das ist ein komplizierter.
In einer höheren Klasse bespreche ich verschiedene Geschlechtsunterschiede (mit einer Kollegin gemeinsam) beim Lernverhalten.
In dieser 1. Klasse geht es eigentlich um Kleidung: Schurwolle, Baumwolle etc. - die Kinder erfahren, woher die Rohstoffe ihrer Kleidung stammen.
Ich habe (im Sinne der Aktionsforschung) beobachtet, ob die aufgestellten Gender-Theorien zutreffen.
P.S.: Bei den 10-jährigen werde ich das Thema nicht anreissen. 
Simon Columbus (Gast) meinte am 23. Mär, 14:50:
(Wiedermal) gekonnt beobachtet.

Ist das nicht gemein? Gerade solche Pauschalisierungen hasse ich. Weil vorrausgesetzt wird, das Jungen Fußball, Autos, Technik im Kopf haben. (Und bei Mädchen natürlich die entsprechenden Punkte).

Aber das ist nicht so! Natürlich ist die allgemeine Tendenz zu beobachten - wer ist im Informatikkurs, in der Physik, in Mathematik schneller - ein, zwei Jungen.

Wer ist in Deutsch, Biologie, Englisch ganz vorne - ein, zwei Mädchen.

Aber die Individuen sprechen dagegen. Klar, kaum ein Mädchen spielt je Fußball, bastelt an Autos rum etc.
Aber das tun auch viele Jungen nicht! Sind es nicht viel mehr anerzogene "Erwartungshaltungen"? Junge dies, Mädchen das... kein Wunder, dass ICH Bänke tragen muss - auch wenn meine Tischnachbarin viel sportlicher ist.

Deshalb: Menschen sind Individuen. Jeder Mensch verhält sich anders. Manche Jungen lesen viel und hassen Autos - manche Mädchen spielen halt Fußball.

Eine Tatsache besteht aber ganz sicher: Jungen dürfen viel weiter in "weibliche" Kernbereiche eindringen als andersherum. Historische Prägung:

"Lesen, schreiben, reden ... da spielen die Mädchen ihre Vorteile gekonnt aus."

Nenne bitte drei deutsche Dichterinnen / Schriftstellerinnen vor 1850!

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Achja: Ich kenne die Studie an jungen Affen, dass männliche eher mit Autos, weibliche eher mit Puppen spielten... 
teacher antwortete am 23. Mär, 14:58:
Stimmt schon, dass jeder als Individuum handelt, aber es gibt halt Verhaltensweisen, die bei Mädchen sehr viel häufiger oder intensiver autreten als bei Buben. Mir ist es Wurscht, warum das so ist. Ich möchte auf diese Unterschiede reagieren können - und beobachte/beschreibe sie daher (für mich und meine Studierenden).

Natürlich fällt es schwer, Künstlerinnen, Politikerinnen etc. zu aufzuzählen (Männergesellschaft!) - aber es fällt leicht, die Mädchen von heute mit den Burschen von heute zu vergleichen. 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 24. Mär, 00:51:
Ein Vergleich aus unserer Klasse. 35 Schüler, etwa zur Hälfte Mädchen und Jungen:

3 Jungen spielen Vereinsfußball
0 Mädchen spielen Vereinsfußball

5 Jungen spielen regelmäßig Fußball
0 Mädchen spielen regelmäßig Fußball

<=== bisher hier eindeutig: Jungen spielen Fußball, Mädchen nicht. ===>

9 Jungen nahmen am letzten Fußballturnier der Schule teil
8 Mädchen nahmen am letzten Fußballturnier teil

<=== Anscheinend sind auch Mädchen dafür zu motivieren ===>

Jeweils gut 10 Mädchen und Jungen nahmen nicht am Fußballturnier teil und können diesen Sport auch sonst nicht ausstehen.

<=== Wir erkennen: Die Ablehnung ist in etwa gleich groß - lediglich der aktive Zuspruch variiert. Ob das an genetischer und soziologischer Prägung liegt, ist nicht mein Part. ===>

Ich will nur noch mal deutlich machen, dass man nicht alles auf die biologischen / genetischen Geschlechterunterschiede schieben kann. Der Mensch ist vielfach konditioniert, so auch hier. 
teacher antwortete am 24. Mär, 11:08:
Ich lese gerne und Fußball ist mir so was von egal, ich bin ein männliches Individuum.
In der Klasse von 30 oder 35 kann ich praktisch nicht auf Individuen eingehen - ich kann aber zumindest auf männliche und weibliche Verhaltensweisen Rücksicht nehmen - statt alle über einen Kamm zu scheren. 
.peter meinte am 23. Mär, 19:33:
Interessant gemacht. 
 

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