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cotopaxi

 
Herr Montag ist auf Skikurs, er ist eine Woche weg.
Seine Klasse ist auf facebook. Sie sind in seinen Stunden weg.
Jetzt sind alle auf der Palme.

Die ganze Geschichte geht so: Wenn ein Lehrer weg ist, dann muss er durch einen anderen ersetzt werden. Zum Beispiel kommt eine fremde Sportlehrerin in die Deutschstunde: Turnsaal ist keiner frei, Sportsachen sind keine mit, Deutschbücher natürlich auch nicht. Häufig passiert in solchen Supplierstunden "gar nichts" (Individualbeschäftigung, Hausübungen, Kommunikation, Computersaal, Videos ...), weil beide Seiten weder Interesse noch gemeinsame Ziele haben. Also wurde auf facebook eine Gruppe "Freiheit-Hurra" gegründet ... und die ganze Klasse war weg.

Gut organisiert.

"Das geht nicht! Ihr boykottiert die Schule!", kommt der Vorwurf aus der Direktion.
"Warum? In solchen Stunden versäumt man nichts!", kontern die Schüler.

Die Direktorin sieht sich gezwungen, klare Maßnahmen zu setzen: "Ab sofort muss in jeder Stunde Regelunterricht stattfinden. Ich werde das kontrollieren!"

Wie werden LehrerInnen und SchülerInnen reagieren? Deutsch im Sportunterricht oder Sport im Deutschunterricht. Ohne Deutschbuch und ohne Sportausrüstung? Mit massiver Abwehrhaltung auf beiden Seiten! Zwischen unbekannten Akteuren. Ein pädagogischer Super-GAU.

Zwingen Sie die Klassen zum Lernen, lautet der Auftrag. Mission impossible.
PeZwo meinte am 1. Mai, 12:48:
Eines habe ich nicht ganz verstanden:

"Sie sind in seinen Stunden weg" ... heißt dies, dass sie die Schule verlassen, also schwänzen? Oder dass sie sich irgendwo auf den Gängen bzw. in der Kantine aufhalten? Oder dass sie in der Klasse sich nur mit Facebook beschäftigen? 
tina (Gast) antwortete am 1. Mai, 13:04:
Ist eigentlich nicht so schwer - müsste halt richtig kommuniziert werden. Eben nicht "es wird suppliert" wo dann jeder Schüler davon ausgeht, daß eh nix sinnvolles gemacht wird, sondern "Herr/Frau X macht mit Euch dieses und jenes" - dann weiß man als Schüler wenigstens welche Ausrüstung man mitzubringen hat. Und bei einer klaren Ansage das bzw was gemacht wird (evtl. verschärft durch "nächste Woche wenn ich zurück bin gibt's einen Test drüber") wissen die Schüler auch, daß nicht "eh nix" läuft. Immerhin ist ein Schulschikurs nicht unvorhersehbar wie ein Ausfall durch Krankheit wo ad hoc suppliert werden muß.

Ich kam mir als Schüler bei sowas auch immer veräppelt vor - seit Monaten stand fest, daß Lehrer X für eine Woche weg sein wird, kein Mensch hat es fertiggebracht für die 3h in der Woche *sinnvollen* Ersatz zu organisieren und dies auch zu kommunizieren aber von mir wurde verlangt brav im Klassenraum zu sitzen und meine Zeit mit bissl Nixtun zu verplempern... 
teacher antwortete am 1. Mai, 13:21:
gar nicht einfach
@PeZwo: "Weg" waren sie in den ersten und letzten Stunden, zwischendurch ist es schwieriger zu verschwinden.

@Tina: Die Planung der Supplierungen geht meist nur für 2-3 Tage, weil längerfristige Planungen einfach nicht halten, es gibt zu viele Änderungen (praktisch jeden Tag). D.h. der Skikurslehrer weiß meist nicht, wer für ihn einspringen wird und es macht keinen Sinn, eine Französischstunde zu planen, wenn ein Chemielehrer in der Stunde frei ist. Die Schüler wissen zwar 2-3 Tage vorher, wer in der Stunde da sein wird, aber die meisten nehmen keine Materialien mit, weil sie lieber "frei" sein wollen. Verständlich. Schüler und Lehrer kennen einander oft nicht, wissen auch nicht, was bereits in welchen Fächern unterrichtet wurde und was nicht, es ist ein ungeplanter Sprung ins kalte Wasser - für beide Seiten.

Ich suche seit Jahren eine sinnvolle Lösung. 
nichtmehrschuelerin (Gast) antwortete am 1. Mai, 21:04:
Eine meiner Lehrerinnen hat es immer so gemacht: Sie hat uns einen Stapel Übungs-Zettel kopiert mit Aufgaben, die zu erledigen waren. Diese Blätter hat sie vor ihrer Abreise in der letzten Stunde ausgeteilt. So konnten auch etwaige Fragen gleich im Vorhinein geklärt werden. Die Zeit in der Supplierstunde konnte für die Erarbeitung der Aufgaben genützt werden. Wer in dieser Zeit lieber faul war, musste dann halt zuhause umso mehr machen. Die Aufgaben/Übungszettel wurden bei ihrer Rückkehr von ihr wieder eingesammelt und anschließend korrigiert und wie eine Hausübung bewertet. Das funktionierte eigentlich recht gut! 
teacher antwortete am 2. Mai, 10:24:
Das ist auch eine effiziente Methode. 
kissa (Gast) meinte am 2. Mai, 10:50:
Zwei Bemerkungen aus Lehrersicht:
1. Bei uns (Ungarn, große Berufsschule) ist es auch ein Problem, besonders, wenn sich ein Lehrer in der Früh krank meldet. Die Klasse ist da, da muss jemand in die Stunde. Früher gab es bei uns sogenannte "S-Stunden" - d. h. Supplier-Stunden, jeder musste 2 Leerstunden "opfern", in denen man in der Schule erreichbar sein musste, so gab es für jede Stunde 2 Personen, mit denen man rechnen konnte. Das garantiert natürlich keine sinnvolle Beschäftigung, aber eine Aufsicht immerhin ... Jetzt wehren sich alle gegen diese Lösung (man muss ja früher in die Schule oder darf eventuell später nach Hause), trotzdem halte ich es für sinnvoll.
2. Als Sprachlehrerin habe ich es vielleicht ein bisschen leichter (?) in solchen Fällen. In all den Jahren habe ich viele verschiedene Spiele gesammelt - halbwegs sinnvolle Beschäftigung, z. B. Suchworträtsel und andere nicht zu komplizierte Sachen. Diese liegen in meinem Schrank parat, für alle Fälle. Wenn ich selber nicht da bin und es schon früher weiß, bekommen meine Gruppen natürlich auch Aufgaben, damit der vertretende Kollege es einfacher hat. Es funktioniert meistens.
(Bemerkung in Klammern: nach dem Klassenbuch sollte es klar sein, was in den Stunden gemacht worden ist - theoretisch -, ist aber nicht so, weil das Klassenbuch mit dem Lehrplan übereinstimmen muss ... So gibt es manchmal Überraschungen bei der Vertretung ;) ) 
teacher antwortete am 2. Mai, 16:21:
Genau solche Stunden gibt es bei uns auch : B ... Bereitschaft. 3 pro Woche. Unbezahlt. Unbeliebt. Daher keine Motivation.

Solche Supplier-Kopien hatte ich auch in meinem Schrank und oft eingesetzt. Aber bei den heutigen Klassen kann ich damit brausen gehen ... sie wollen lieber "chillen". Ich will niemanden zum Spielen zwingen müssen.

P.S.: Ich hätte mal bei deinem Blog vorbeigeschaut, aber mein Ungarisch ist nicht ausreichend (ehrlich: bei Null). 
kissa (Gast) antwortete am 2. Mai, 22:19:
Es sind Übersetzungen von deutschen Zeitungsartikel oder Online-Inhalten, die ich interessant finde - u. a. von deinen Beiträgen :) Letztere sind sehr gefragt! :)
Neben der Schule arbeite ich als freiberufliche Übersetzerin-Dolmetscherin, weil das mir sehr viel Spaß macht. Und weil ich von meinem 350 Euro Gehalt pro Monat nicht auskomme... 
o. klein (Gast) meinte am 2. Mai, 19:28:
Kleiner Link zur Aufmunterung
Lieber Teacher,
falls du wieder einmal der Verzweiflung nahe bist, ob des stetig sinkenden Niveaus der österreichischen Gymnasiasten, schau dir diesen Link an. Ich hoffe, es wird dich trösten...


http://www.youtube.com/watch?v=Pxk9AJwGmkw&feature=player_embedded#at=97 
teacher antwortete am 2. Mai, 21:34:
Es zahlt sich nicht aus, Französisch zu lernen ;-) 
Christopher (Gast) meinte am 4. Mai, 23:46:
Was wollt ihr denn heute lernen?
Ich studiede an der Uni-Siegen. Er meint, es ist sinnvoll die Schüler einfach zu fragen; was wollt ihr denn heute lernen? in den ersten 10 Minuten werden mximal zwei Themen eingegrenzt. Die Schüler sind dann involiert weil sie selbst bestimmen was sie machen dürfen.
Der Prof. auf meiner Uni ist im Rat einer "Versuchs"Schule. Er meint auch bei "problematischen" Schülern ist diese einfache Methode sehr wirksam. 
stichi antwortete am 5. Mai, 10:51:
In der Theorie sicher perfekt, aber ist es denn beliebig, was an der Schule gelehrt oder gelernt wird?
Ich frage in einer Klasse mit 33 Schülern, was sie denn lernen wollen und dann sind alle involviert??
Diese völlig an der Realität vorbeigehenden Ideen sind doch lächerlich!
Ich habe meine Schüler auf das Abitur vorzubereiten und da ist eben ein bestimmtes Wissen nötig, das in der Schule vermittelt werden muss. Wenn ich meine Schüler frage, was wir in der Chemiestunde machen sollen, dann wollen sie "Versuche", aber ohne theoretische Auswertung, na prima. Das bringt uns weiter!! 
teacher antwortete am 5. Mai, 14:00:
Lerntheoretisch und neurobiologisch stimmt es: Die SchülerInnen sollen möglichst selbstbestimmt arbeiten.
In der Praxis schaut es anders aus: Die SchülerInnen kennen die Ziele nicht, haben keine Ahnung was wichtig ist und suchen etwas, ohne zu wissen, was und wo. Wir haben Standards zu erfüllen - dabei würde ich gerne so arbeiten, wie es theoretisch richtig und gut ist. Aber da werden mir die SchülerInnen bei allen Tests durchfallen. Und ich werde (medial, öffentlich) hingerichtet, danke. 
stichi antwortete am 5. Mai, 15:27:
Lerntheorie ist eine Theorie, wie der Name schon sagt. Ich bin inzwischen diesen ganzen Theorien gegenüber sehr skeptisch! Früher war man der Meinung, dass Strafen bei Fehlern zum Erfolg führen. Wir bekamen in der Grundschule für jeden Fehler im Diktat eine "Tatze". Heute wird oft behauptet, alles was mit Spass und spielerisch gelernt wird, prägt sich besonders gut ein. Wenn ich mir die Rechtschreibung meiner Abiturienten anschaue, müsste man eindeutig der Stafentheorie recht geben. Das ist natürlich Quatsch, weil x andere Faktoren hier eine Rolle spielen.
Wie sollen Schüler erfahren, wofür sie sich interessieren, wenn sie von vielen Gebieten nie etwas erfahren? Das Interesse fängt ja oft erst dann an, wenn man sich einen bestimmten Grundstock an Wissen (auch gezwungenermaßen) angeeignet hat. Außerdem ist das Leben nicht so, dass man nur seinen Interessen nachgehen kann. Bei vielen Fachgebieten spielt z.B. die verhasste Mathematik oder Chemie eine große Rolle, was auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Wie blöd, wenn ich das erst merke, wenn es zu spät ist! 
teacher antwortete am 5. Mai, 19:54:
Ich frage mich ja, warum unsere Bildungsexperten so perfekt an den Realitäten vorbeischauen können. Was macht das für einen Sinn? 
stichi antwortete am 5. Mai, 21:29:
Das macht gar keinen Sinn, außer dass diese Herrschaften sich einbilden, sie hätten das Ei des Kolumbus gefunden und wenn es nicht funktioniert, dann kann man ja immer noch sagen, dass es an den unfähigen Lehrern liegt, die zu blöd sind, diese Theorien richtig umzusetzen. 
teacher antwortete am 6. Mai, 18:09:
Und was wäre, wenn sie einmal das richtige Eis des Kolumbus suchen würden? Statt uns blöd sterben zu lassen?

Es ist ja absurd, dass ich praktisch keine LehrerInnen kenne, die Hilfe von dieser Seite bekommen bzw. nur erwarten würden. 
 

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