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cotopaxi

 
Kollegin F. kommt mit einem Bücherstapel aus der Französischstunde: "Ich habe mich gerade die absurdesten Sätze meines Berufs sagen gehört."
"Du dich?"
"Ein paar Schüler haben mir Fragen zur Reifeprüfung gestellt. Also habe ich meine Strategie und meine Ansprüche geklärt."
"Ja?"
"Wer bei mir antreten will, der muss diese Wiederholungsgrammatik durchackern." Sie zeigt mir vier Bände.
"Das ist ganz ordentlich!"
"Ja. Aber wir haben in der zweiten Fremdsprache so wenig Zeit, dass sich kein ausreichendes Üben ausgeht!"
"Das kann ich mir gut vorstellen. Aber das ist doch nicht absurd?!"
"Nein, aber das: Meine Maturanten müssen ja ein Lesetagebuch führen. Da suchen sie Texte aus dem Internet, fassen sie zusammen, kommentieren sie ... und geben sie mir zur Korrektur."
"Ja. Find ich gut."
"Da schreiben sie Texte, die ich sonst im Unterricht nie trainiere. Aufsätze, zum Beispiel. Argumentative Texte, die sie auch nie wieder brauchen werden. Nur für die Reifeprüfung!"
"Naja."
"Lernen für eine einzige Prüfung! Das ist das Absurdeste, was ich in Klassen sagen muss!"
"Ach! Das ist normal. Schule ... Uni ..."
daisee gell meinte am 27. Jan, 21:20:
BOAH. ehrlich, mir wär das als schülerin viiiiel zu stressig gewesen und als laisser-faire-schülerin, die ich war (und laisser-faire-studentin), hätt ich mir das auch NIE angetan, da spekulier ich lieber auf ein 4minus anstatt FÜR EINE PRÜFUNG zu lernen.
wenn dann lernen, damit ich später französisch kann, aber SICHER NICHT um mich in einen wert zwischen 1 und 5 einteilen zu lassen.

also ich versteh die lehrerin nicht. weltweit sprechen 128 millionen menschen französisch und sie vertritt die meinung, dass man das nur für eine prüfung lernt?!

aber ja, meine 4 bände französisch-grammatik-lernhilfen liegen auf dem stapel lehrbücher, die ich lernen werd, wenn die prüfungszeit vorbei ist. weil es nämlich ur-cool ist, mehrere sprachen zu sprechen. 
teacher antwortete am 28. Jan, 20:09:
Das Schreiben von Aufsätzen, das braucht man NIE ... außer bei der Reifeprüfung. DAs übt man NUR für die EINE Prüfung. Der Rest (reden ...) ist ja viel spannender und sinnvoller. 
la-mamma antwortete am 28. Jan, 20:20:
???
wer einen aufsatz schreiben kann, der kann sich ganz bestimmt besser in einer fremdsprache ausdrücken, als einer, der nur redet. ich hab französisch erst mit über dreißig zu lernen begonnen, und selbst (oder gerade) da wär ich nie auf die idee gekommen, dass reden reicht.

und zur benotung: für mich ist der unterschied zwischen sehr gut und genügend hauptsächlich eine frage des fleißes und der konzentration. was nicht ausreicht, das sollten die lehrer:innen aber hoffentlich auch heute noch erkennen. das ist sozusagen die einzig relevante benotung. 
teacher antwortete am 28. Jan, 21:28:
Aufsätze schreiben - wie oft braucht man das im Leben?
Aber es muss hart trainiert werden. Furchtbar viel Grammatik, FAchvokabel ... und reden oder verstehen kommen zu kurz. Ich finde das auch völlig veraltet, aber für die Reifeprüfung konzentrieren sich ganze Klassen drauf statt lustbetont zu lesen oder 'Videos zu analysieren. 
la-mamma antwortete am 28. Jan, 22:39:
ich wiederhole es:
es gibt genug bereiche, wo es ausgesprochen angebracht ist, sich auch schriftlich passabel auszudrücken! wenn nicht einmal mehr ein lehrer glaubt, dass das nützlich und wertvoll ist -womöglich sogar nicht nur in der muttersprache -, wundere ich mich nicht mehr darüber, mit welchen mankos leute heute teilweise ihr studium oder ihr berufsleben beginnen. 
Kyle (Gast) antwortete am 28. Jan, 23:24:
Geht es um Aufsätze in der zweiten Fremdsprache? Zu dem Zeitpunkt sind die meisten doch nicht mal fähig die Sprache zu sprechen. Welchen Nutzen soll das denn bringen? Im Schulsystem gilt Tradition > Nutzen oder wie? ;) 
daisee gell antwortete am 29. Jan, 02:44:
ui, jetzt kommt wieder eine tirade...
Einen Aufsatz schreiben ist doch nicht gleich nur einen Aufsatz schreiben. Da steckt viel mehr dahinter: interessante Ausdrucksform, Kreativität, Organisation von Argumenten, adäquate Vermittlung von Information, Reflexion eines Themas und (Bildung) der eigenen Meinung darüber, generelle Anwendung und Erweiterung der Sprachkenntnisse, uvm., ich brauch das wohl niemandem hier erklären. Das macht Sinn in jeder Sprache. Wer später studiert, wird auch mal Essays schreiben müssen. Wer lustvoll lesen und analysieren will, der sollte mit allgemeinen Textsorten vertraut sein, nicht nur durch lesen. Das gilt nicht nur für Bücher und Videos sondern auch für tägliche Medien, Zeitung, Fernsehen, ... einen kritischen Leserbrief sollte man schon schreiben können.
Der Aufsatz ist ("nur") das Produkt, dass aus einer Anzahl (persönlichkeits-)bildender Faktoren hervorkommt. Da steckt viel mehr dahinter und ich finde das überhaupt nicht veraltet oder unnötig.

@Kyle, ja, eine zweite Fremdsprache lernt man für gewöhnlich schneller als die erste. Innerhalb von 4 oder 5 Jahren kann man da schon eine Zeitung lesen oder einen Aufsatz schreiben. Aber wenn die meisten dazu nicht fähig wären, dann debattieren wir lieber weiter darüber ob wir nicht doch das Niveau senken sollen um die meisten durch die Matura zu bringen.
Aber ich versteh deinen Punkt, wenn der darin liegt, dass man zuwenig verbale Konversation in der entsprechenden Sprache übt.

Ich selbst habe in Französisch mündlich maturiert und hatte das Glück, 3 Wochen vor der Prüfung eine Dame aus der fr. Schweiz kennenzulernen, die sich ein paar Nachmittage mit mir unterhalten hat. Diese Übung war gut, hat was gebracht und wurde nicht benotet. Sonst fürchtet sich ja jeder Schüler, dass er etwas Falsches sagt, und bringt daher den Mund nicht auf.
Natürlich braucht es viel Übung und man muss viel lernen um eine Fremdsprache sprechen, darin eine Zeitung lesen oder einen Aufsatz schreiben zu können. Wenn man aber nur mit der Absicht durch die Schule geht, Prüfungen zu bestehen, dann wird man nach einem "Bestanden" sehr wahrscheinlich einfach nachlassen - bis man für die nächste Prüfung lernt. So macht man das in etwa 12-18 verschiedenen Fächern zu je 50 min/Einheit untergebracht in ca 38 Stunden/Woche... weil man auch kaum anders kann, man hat ja keine Zeit.
Kein Wunder, dass man als Schüler(in) bei diesen mechanischen Abläufen seine Zeit lieber mit seichteren Dingen wie Facebook verschwendet, wo man stundenlang rumhängt ohne irgendwas Bestimmtes zu tun.

jaaa... ich könnt mich auch noch stundenlang weiter darüber auslassen, aber so sind eben die ganzen Macken des Bildungssystems. Aber hey, wenigstens ist es halbwegs gut verwaltbar und irgendwie wirtschaftlicher als wenn jeder einfach nur tut was er will. 
Stefan (Gast) antwortete am 29. Jan, 13:57:
Ist das eine Provokation, Teacher? Falls nicht: Ich finde die hier anzutreffende strikte Trennung von Schreib- und Sprechfertigkeiten nicht nachvollziehbar. Beispielsweise lasse ich meine Schüler häufig 5 bis 10 Minuten über ein Thema nachdenken und dann ein kurzes Statement aufschreiben. Dies ist dann eine recht brauchbare Basis für eine direkte Diskussion und besser als ein spontanes, aber unreflektiertes Gestammel oder eine mehrseitige Ausarbeitung, die niemand liest. 
teacher antwortete am 30. Jan, 10:40:
Ihr meint, in der dritten Sprache wäre korrektes Aufsatzschreiben eine wichtige, lebensnahe Kompetenz? 
kraM antwortete am 30. Jan, 10:58:
Hab grad zufällig in der ZEIT die Martenstein-Kollumne gelesen, wo er genau sich darüber auslässt, wie sinnlos die übertriebene Bewertung der mündlichen Mitarbeit ist, weil die schüchternen Schüler benachteiligt werden. Passt irgendwie.

Was Sie unter lebensnah verstehen, erschließt sich mir nicht ganz und scheint mir ein wenig kurzgegriffen. Eine Ableitung in der Mathematik oder in Philosophie über das Leib-Seele-Problem nachzudenken ist auch nicht direkt lebensnah, aber wenn man das gedanklich durchziehen würde, müssten die Kinder nach der 8. abgehen und eine handwerkliche Ausbildung machen. Ich würde schon sagen, dass das einen Nutzen hat, wenn auch nur indirekt. 
steppenhund antwortete am 30. Jan, 11:32:
@Kyle
Gustav Mahler sagt folgendes über die Tradition:
Tradition ist nicht die Asche anzubeten, sondern das Feuer zu bewahren.
Es ist falsch anzunehmen, dass alles, was als Tradition gilt, von vornherein schlecht ist. 
teacher antwortete am 30. Jan, 11:45:
@kraM: Ja, ich bin dafür, dass unsere Gymnasiasten lieber kochen lernen sollen als Latein.
Zur mündlichen Mitarbeit: Das zählt im Leben, bei jeder Sitzung, bei jedem Einkauf ... und ist einfach in der Fremdsprache essentiell (Sprache kommt von sprechen).

@Steppenhund: Feuer macht nur Sinn, wenn wir grillen können. :-))
Die Traditionen im Gymnasium (Griechisch & Co.) kann man den heutigen Ansprüchen von Schülern (facebook & Co.) sowie deren Eltern nicht mehr zumuten. Wir haben es lange probiert und nur eine sehr kleine Elite steht noch dahinter, das Volk will Brot und Spiele, nicht Hochkultur. 
Anja-Pia antwortete am 30. Jan, 11:52:
Sowieso. Wenn ich ein Kind hätte, würde ich es Chinesisch lernen lassen. De gustibus disputandum est, aber von Latein kann heute niemand mehr leben. 
kraM antwortete am 30. Jan, 13:02:
Der Wert von Latein liegt auch nicht unbedingt in einer direkten Anwendbarkeit, als darin, dass es die grundlage vieler sprachen ist, dass es einfach übt, weil es sehr systematisch ist usw. mir viel spanisch lernen deutlich leichter dadurch und fachbegriffe kann ich oft ableiten im studium. Wenn die Kinder auf dem Gymnasium das alles nicht mehr lernen sollen, sondern tische bauen und kochen, dann frag ich mich wer sonst und wozu überhaupt gymnasien. Wenn ich die Kommentare so lese, scheinen mir viele einen rückschritt zur agrargesellschaft machen zu wollen. davon werden wir auch nicht leben können leute. ;)

ich sagte nicht, dass mündliche mitarbeit schlecht ist, aber leute, die viel daherlabern werden übertrieben belohnt, während schüchterne leute eben trotzdem nicht viel sagen. Daher find ich eine 50-50 gewichtung unsinnig. beim fremdsprachensprechen ist es natürlich sinnvoll, zu reden, weil das übt, nur die benotung meinte ich halt, aber ich glaub da sind wir auch nicht so weit voneinander entfernt. :) 
sigi (Gast) meinte am 29. Jan, 13:23:
Sobald man in der Wirtschaft Briefe, Gutachten, etc. schreibt, hilft einem, dass man in der Schule gelernt hat Aufsätze zu schreiben!
Das einzige was man dazulernen muss, ist das Fachvokabular. 
teacher antwortete am 30. Jan, 10:38:
Es geht hier um die 2. Fremdsprache - da schreibt praktisch niemand dazu nur einen einzigen Text nach der Reifeprüfung. Da kann sich auch niemand (außer vll ein paar Supertalente) kreativ ausdrücken, da werden nur leere Formeln gepaukt und nachgeschrieben.

Für Deutsch und Englisch sehe ich das ganz anders, da sind gute Kenntnisse auch im Schriftlichen absolut notwendig. 
steppenhund antwortete am 30. Jan, 11:32:
Wir haben neben Deutsch und Englisch auch in Latein Aufsätze schreiben müssen. Hat sich niemand aufgeregt, sondern es war lustiger als immer nur übersetzen zu müssen.

Also ich habe sowohl in Französisch als auch in Russisch Fachaufsätze schreiben müssen. (Sprache #2 und #3)
Aber ich gebe zu, dass ich niemand bin:)
Das war ja auch Odysseus:))) 
teacher antwortete am 30. Jan, 11:37:
Sorry, das war vor einem halben Jahrhundert - mit einer geistigen Eliteeinstellung im Gymnasium. Wir haben heute ganz andere Voraussetzungen und Ziele. 
steppenhund antwortete am 30. Jan, 11:54:
Da interessiert mich die Zielsetzung. Es scheint die Eliteeinstellung heute überholt zu sein. Elite ist ein Schimpfwort geworden. In einem Kleinstaat wie Österreich müssen wir aber versuchen, mit Elite zu punkten. Mit Billigproduktion werden wir wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig bleiben.
Also wozu sollen die Kinder erzogen werden. In der HTL werden heute nicht einmal mehr in Deutsch Aufsätze gefordert, will es mir scheinen. 
teacher antwortete am 30. Jan, 12:06:
Ein wesentliches Ziel ist Lebensbewältigung.
Ich bin auch der Meinung, dass geistige Eliten nötig und förderungswürdig sind - aber wenn wir 80 % der Kinder bis zur Matura führen sollen, dann müssen wir unseren Unterricht auf die breite Masse abstimmen. 
steppenhund meinte am 30. Jan, 11:29:
@teacher
In diesem Beitrag finden sich Kommentare und Antworten ihrerseits, die mich echt erschrecken. Ich habe die bei mir selbst kritisiert, wobei Sie auch persönlich angegriffen werden. Allerdings denke ich, wie ich es auch ausgedrückt habe, dass Sie ihre Meinungen nur als Provokation gemeint haben. Das würden vermutlich die unzähligen anderen Beiträge auf diesem Blog vermuten lassen.
Wenn Sie allerdings ernsthaft hinter Ihren Kommentaren stehen, kann ich nur den Kopf schütteln.
Vielleicht sollten Sie dann aber doch aktiv einen Lehrplan erstellen, von dem Sie selbst überzeugt sind, den Sie gerne unterrichten würden, und von dem Sie annehmen, dass er hilfreich ist, wie Kinder zum Bildungsstand eines 18-Jährigen geführt werden sollten. 
teacher antwortete am 30. Jan, 11:36:
Nein, nein - das ist keine Provokation, das ist eine ernsthafte Überlegung.

Die Qualifiation "Aufsatzschreiben" muss für die dritte Sprache (egal ob das Französisch, Russisch, Spanisch etc. ist) so überlegt werden wie für die schulische Konkurrenz Latein. Dort würde heute auch niemand fordern, Aufsätze zu schreiben.

Könnten Sie mir Argumente liefern, die ein Aufsatzschreiben in der dritten Fremdsprache notwendig machen ... und das so dringend , dass dabei Lesen, Sprechen und Verstehen vernachlässigt werden? Bitte.

So nebenbei höre ich: Ausserdem sind alle Themen von Belang (von Umweltschutz bis Gewalt) in den D- und E- Aufsätzen mehrmals durchgekaut worden. Rülps. 
tina (Gast) antwortete am 30. Jan, 20:33:
Ganz klares Argument FÜR das Schreiben von Aufsätzen: das Internet. Gerade die heutige Generation schreibt viel öfter und mehr - auch in anderen Sprachen. Es geht nicht mehr nur darum zb. auf Spanisch im Urlaubsort ein Bier und ein Eis bestellen und nach dem Weg fragen zu können. Sondern man treibt sich in der Freizeit in Foren, Gruppen und Blogs herum und debattiert in der Fremdsprache. Ist auch eine der billigsten und spaßigsten Möglichkeiten, diese Sprache zu üben. zb. wenn das eigene Hobby Tierhaltung ist, dann kann man einem spanischen Forum zur Haltung dieser Tierart beitreten - wenn man denn gut genug Spanisch schreiben und schriftlich debattieren kann!

Und beruflich? Aber hallo! Heute wird kaum mehr telefoniert, da wird ge-emailt, daß das Keyboard kracht. Und das wird noch mehr werden als heute. Sicher, wenn die x. Fremdsprache was ist, das kein lebender Mensch verwendet, dann wirds irgendwann relativ sinnlos. Aber sobald es Französisch, Spanisch oder Italienisch ist (wo die Leute meist nur erbärmliches Englisch sprechen und schreiben), dann ist man klar im Vorteil wenn man dem Kollegen die Dinge nicht nur auf Englisch sondern stattdessen auch in seiner Sprache schreiben kann. Und auch wenn die Kollegen in den ehem. Ostblockländern heute meist sehr gut Englisch können (oft besser als wir) kommt die Fähigkeit in deren Muttersprache kommunizieren zu können immernoch gut an.

Ob "Aufsatz üben" in einer Sprache sinnvoll ist oder nicht ist mMn eher davon abhängig ob das Erlernen der Sprache generell als sinnvoll angesehen wird oder nicht. Latein oder Altgriechisch sehe ich persönlich für die meisten Menschen als verschwendete Zeit an - statt Latein zu lernen um "das Prinzip der romanischen Sprachen zu verstehen und sich nachher beim Spanischlernen was zu sparen" kann ich auch gleich Spanisch lernen und Latein weglassen. Aber wenn ich schon Spanisch lerne, dann will ich es nachher auch einsetzen und dafür muß ich es hin und wieder üben. Und wie gesagt - Üben geht am billigsten und spaßigsten in Internetforen. Dazu muß ich aber gut schreiben können. Denn nirgends wird so debattiert wie im Internet und ich will dann ja nicht im Forum als Trottel dastehn. 
steppenhund antwortete am 30. Jan, 20:47:
@teacher
konnte leider erst jetzt meine bereits formulierte Antwort absenden, weil mein Internet gesponnen hat.
Also ich sehe das so: wenn man eine weitere Fremdsprache lernt, so sollte man sie auch sprechen können. Zumindest in der Theorie. Jetzt ist es so, dass wohl niemand aufsatzreif in einer Fremdsprache parlieren kann.
Das Schreiben ist die Verzögerung und hilft zu formulieren. Etwas zu formulieren, was man wirklich sagen will.
In Latein würde ich wahrscheinlich heute auch keine Aufsätze mehr schreiben wollen. Aber da geht es ja mehr um die Grundlagen von Syntax und die sprachlichen Stämme. Solange unsere Sprache noch nicht gänzlich von Denglisch beherrscht wird.
Hinsichtlich der Themenwahl bei fremdländischen Aufsätzen kann ich Ihnen durchaus beipflichten: es müssen nicht unbedingt immer die gleichen abgelutschten Themen sein.
-
Als Beispiel: ich versuche einem fast schon fertigen Akademiker das Programmieren beizubringen. Es geht nicht um eine Programmiersprache, sondern um den Denkvorgang. Er soll ein Flussdiagramm zeichen. Aber für welche Aufgabenstellung?
Sehr schwer, überhaupt eine Aufgabe zu finden - nach vier Jahren Studium BWL. Man sollte meinen, vielleicht eine Gewinn und Verlustrechnung oder etwas ähnliches.
Am Schluss habe ich ihm gesagt: such dir irgendein Thema aus, irgendeinen Vorgang, mit dem Du vertraut bist.
Er hat mir dann ein Flussdiagramm geliefert, wie man zum Magisterium und Studienabschluss kommt. Als Aufgabe war es auch vom Resultat her brauchbar.
Ich würde auch bei Sprachen zu allererst den Schüler das Thema vorgeben lassen, was ihn interessiert.
Und wenn ihn nichts interessiert, ihn aus der Schule werfen.

Komment 
teacher antwortete am 31. Jan, 15:12:
Ich finde das spannend, wie der gute alte Aufsatz hier verteidigt wird. Zum Teil verstehe ich sogar die Argumente, aber wir haben in den letzten Jahren keine Aufsätze geschrieben, weil das hoffnungslos veraltet (weil unrealistisch) war ... und plötzlich kommen sie wieder in Mode. 
steppenhund antwortete am 31. Jan, 15:28:
Das ist wirklich spannend
Wann sind denn die Aufsätze außer Mode geraten?
Ich kann mir vorstellen, dass es etwas damit zu tun hat, dass die Mehrzahl heute nicht mehr instande ist, sich in ein Feuilleton, egal welcher Zeitung, einzulesen, während die Printmedien heute nur mehr im Absatzformat veröffentlichen. So richtig begonnen hat damit ja News, aber Ansätze gab es schon früher.
Während aber KISS (keep it simple & stupid) für bestimmte Zwecke durchaus seine Berechtigung hat, ist es für grundlegendes Verständnis nicht angebracht.
Zum Aufsatzschreiben benötigt man eine gewisse Kreativität. Hat man sich inzwischen eingestanden, dass die laufende und die heranwachsende Generation überhaupt keine Kreativität mehr aufbringen können, weil man ihnen bereits im Alter von drei Jahren Kreativität mit dem Fernsehen ausgetrieben hat?
Ist es das? Dann gebe ich zu, dass Aufsätze nicht mehr modisch sind. (Es ist ja auch schlimm, zuzugeben, dass die Erziehung modischen Strömen gehorchen muss.)
Mir kann das egal sein. Aber will die Gesellschaft wirklich die Kreativität ausblenden? In Österreich? Irgendwann ernähren wir uns von einer Reistasse täglich.
Es wird etwas anderes passieren. Die Kulturschere wird noch weiter auseinanderklaffen. Mittelschule, Hauptschule, Gesamtschule, was auch immer wird irrelevant sein. Bestimme Eltern werden ihre Kinder in Privatschulen schicken und dort wird dann die verachtete Elite herangezogen. Die werden die guten Jobs kriegen oder sich ins Ausland vertschüssen. Und die anderen werden sich fragen: und warum wir nicht?
Wenn ich dann noch lebte, antwortete ich: ja, weil euch und euren Lehrern das Aufsatzschreiben zu mühsam war:) 
virtualmono antwortete am 31. Jan, 18:01:
KISS (keep it simple & stupid)

Da muss ich Dich leider korrigieren - es heisst "Keep it simple, stupid!" (zu Deutsch - "Halte es einfach, Blödist!"), eine Aufforderung an alle "Softwarearchitekten", Systeme nicht unnötig komplex zu gestalten, weil so gut wie immer ein einfacherer Weg schneller und weniger fehlerbehaftet ist und mit einem robusterem Ergebnis aufwartet. 
steppenhund antwortete am 1. Feb, 10:23:
:)))
Den Spruch gab es aber schon lange bevor es das Wort Softwarearchitektur und alle Ableitungen gab.
Ich selbst habe ihn zuerst in Zusammenhang mit Präsentationen und Vortragstechniken gehört. 
teacher antwortete am 1. Feb, 14:32:
Ich kenne KISS auch von Präsentationstechniken: simple & stupid. 
 

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