Zwei Mädchen kommen mehr als erheitert aus der Englisch-Stunde zurück. Sie nehmen mich wahr, übersehen mich aber. Sie zücken ein buntes Papier und heften es an die Pinnwand der Klasse. Das Ergebnis einer kreativen Englischstunde.
Sie lachen darüber, sie nehmen die Kollegin nicht mehr ernst.
Pädagogisches Todesurteil, faktisch.
"Wir mussten eine Valentinskarte entwerfen ... oder ein amerikanisches Valentinslied singen. ... Die spinnt ja."
"Hehe," setzte ich zur Verteidigung an, "die Kollegin meint es gut mich euch."
"Gut meinen? Das ist das Gegenteil von gut sein!°
Das A4-Blatt ist mit rosa Herzen, mit Amorpfeilen und mit polyglottem Kitsch übersät. Wie Valentinstag, eben.
Die Kollegin hat sich ehrlich bemüht, aktuell und motivierend ihren Sprachunterricht aufzumöbeln. Sie ging mit gutem Gewissen in die Klasse und mit gutem Gefühl wieder hinaus.
Die Schülerinnen lachen hinter ihrem Rücken über so viel infantile Naivität. So sieht moderner Unterricht aus, in der Realität.
Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten. Liebe, Valentinstag, malen, singen, schreiben. Partnerarbeit.
Das Ergebnis: Müll an der Pinnwand.
Sie lachen darüber, sie nehmen die Kollegin nicht mehr ernst.
Pädagogisches Todesurteil, faktisch.
"Wir mussten eine Valentinskarte entwerfen ... oder ein amerikanisches Valentinslied singen. ... Die spinnt ja."
"Hehe," setzte ich zur Verteidigung an, "die Kollegin meint es gut mich euch."
"Gut meinen? Das ist das Gegenteil von gut sein!°
Das A4-Blatt ist mit rosa Herzen, mit Amorpfeilen und mit polyglottem Kitsch übersät. Wie Valentinstag, eben.
Die Kollegin hat sich ehrlich bemüht, aktuell und motivierend ihren Sprachunterricht aufzumöbeln. Sie ging mit gutem Gewissen in die Klasse und mit gutem Gefühl wieder hinaus.
Die Schülerinnen lachen hinter ihrem Rücken über so viel infantile Naivität. So sieht moderner Unterricht aus, in der Realität.
Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten. Liebe, Valentinstag, malen, singen, schreiben. Partnerarbeit.
Das Ergebnis: Müll an der Pinnwand.
teacher - am Dienstag, 14. Februar 2006, 16:25
mirka meinte am 14. Feb, 19:15:
Ganz schön traurig
... mir fehlen echt die Worte dazu :-(
sweets antwortete am 14. Feb, 19:57:
das kenne ich von meinen jahrgangskolegen nur zu gut -.-*
teacher antwortete am 15. Feb, 13:03:
Die Kollegin ist nett und bemüht - das sind ihre zwei Hauptfehler.Vergleich: Sagen Sie einem 15-jährigen Burschen, dass ein Kinofilm nett und bemüht war ... er wird ihn meiden.
Leider bemerke ich, dass in der Lehrerausbildung von Kindern ausgegangen wird, die nettes Bemühen zu schätzen wissen.
Jugendliche suchen ganz andere Dinge, Herausforderungen, Aktionen, Widersprüche, Grenzen - darauf werden Lehrer nicht vorbereitet.
mirka antwortete am 15. Feb, 14:56:
Dann wird es wohl dringend mal Zeit, die Lehrerausbildung gründlich zu überdenken und den Erfordernissen des Berufes anzupassen. Aber so wie ich die Regierungen etc. kenne, kann das noch dauern... :-(((
teacher antwortete am 15. Feb, 15:12:
An den Unis sind Lehramtsstudenten geduldete Arbeitsplatzsicherer. Die lehrenden Herren und Damen würden lieber mit Doktoranden forschen, mit Publikationen brillieren und (sich) in irgendwelchen Elfenbeinspezialitäten habilitieren statt fundamentale Unterrichtsprinzipien anzubieten. Was angehende Lehrer dort hören, können sie zu gut 80 % nach der Sponsion vergessen. Dort liegt der Hund begraben!
mirka antwortete am 15. Feb, 15:28:
Und das
nennt sich dann "Investition in die Zukunft" ... oder hab ich da was falsch verstanden? Ich meine mal gehört zu haben, daß Kinder unsere Zukunft sind ... dann sollte man doch alles dransetzen, die so gut wie möglich aufs Leben vorzubereiten ... und das fängt ja wohl bei der Lehrerausbildung an...*haarerauf*
teacher antwortete am 15. Feb, 16:24:
Jeder investiert zunächst in die eigene Zukunft!Karriere an der Uni geht nur über besondere Forschungsergebnisse, nicht alltägliche Basisarbeit.
Auch wer in der Schule Karriere machen will, wird nicht durch tolle Arbeit in der Klasse weiter kommen, sondern indem er in der Standesvertretung oder Politik auffällt (also die Basisarbeit vernachlässigt).
mirka antwortete am 15. Feb, 16:31:
Jetzt weiß ich auch wieder, wieso ich nie studieren wollte und wieso ich solche Gedankengänge nicht nachvollziehen kann: ich hab überhaupt kein Karrierebewußtsein. Mein Ehrgeiz geht in eine ganz andere Richtung ... nicht möglichst gut dastehen, sondern möglichst sinnvolle Arbeit leisten. Aber damit bin ich wohl immer noch und immer mehr ziemlich exotisch...
Lisa Rosa meinte am 16. Feb, 14:15:
Bevormundung
Das Problem ist , glaube ich, dies: Man darf nicht denken, man wüßte besser über ihre Bedürfnisse und Interessen Bescheid, als die Schüler selbst. Man muß es so sehen: Die Schüler sind - wie doch alle Personen in ihrer Autopoiesis - Experten ihrer eigenen Bedürfnisse. Alles andere ist Paternalismus und wird darum zu Recht bestraft. Richtig ist: "Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten." Aber man muß es dann auch ernst nehmen.
teacher antwortete am 16. Feb, 17:26:
Diese Vorstellung stößt in der Praxis schnell an Grenzen:Wenn ich z.B. in einem Wahlpflichtfach frage, was die Schüler gerne (aus meinem Fach) hören bzw. bearbeiten wollen, wissen sie (natürlich) nicht, welche Themen überhaupt möglich wären. Gebe ich selbst Themen zur Auswahl vor, sind sie bereits auf meine Vorschläge eingeschränkt.
Lisa Rosa antwortete am 16. Feb, 21:30:
Gut, da hast Du Recht. Aber das ist ja schon immerhin was! Aus meiner Praxis weiß ich, daß die meisten Kollegen die Alternativen, die im Lehrplan enthalten sind, noch nicht mal die Schüler entscheiden lassen, sondern selbst entscheiden - danach, was dem Lehrer am wenigsten Arbeit, dem Lehrer am meisten Lust macht usw. Und bezüglich der Geschichte mit dem Valentinstag wäre es doch möglich gewesen, noch in der Stunde selbst umzupolen auf z.B. eine Parodie auf den Kitsch oder eine Alternative, in der die Schüler einen Liebesbrief schreiben, so wie sie sich einen vorstellen. Das setzt natürlich nicht nur voraus, dass der Lehrer situativ improvisieren kann, sondern auch, dass die Schüler es gewöhnt sind, ihre Wünsche und ihre Kritik offen zu äußern. Das setzt eine partizipatorische Atmosphäre voraus! Aber das ist alles möglich, wenn der Lehrer/die Lehrerin das kann. Ich finde, er/sie muss es können oder lernen, denn er/sie ist doch in erster Linie für das Lernklima verantwortlich. Oder sollen etwa alle missratenen Unterrichtsstunden den Schülern angelastet werden, der Lehrer selbst übernimmt nur die Verantwortung für die gelungenen?
teacher antwortete am 17. Feb, 09:17:
Es gibt für den Lehrer (kaum) Anreiz, so schülerzentriert zu handeln. Was Lust und Spaß und wenig Arbeit macht ... das sind realistische und dominante Beweggründe!
Lisa Rosa antwortete am 6. Mär, 13:06:
Lust und Spaß
Hm. Mein Anreiz zum schülerzentrierten Arbeiten war seinerzeit gewesen, daß ich keine Lust und keinen Spaß mehr daran hatte, mit den Schülern darum zu kämpfen, wer von uns beiden seine Lust und seine Vorstellung von Spaß durchsetzen dürfe. Um selbst wieder Freude bei der Arbeit zu haben, habe ich mal nach der Freude der Schüler gefragt. Und siehe da - sie sind gar nicht so, wie wir glauben, nämlich faul, lustlos, uninteressiert! Im Gegenteil war ich verblüfft, wie auch "dumme" und "faule" Schüler sich plötzlich mit erstaunlichem Erfolg ins Zeug legten - wenn sie einen persönlichen Sinn darin sahen. Das hat mich kuriert von meinem negativen Blick auf die Schüler.
teacher antwortete am 6. Mär, 18:34:
Ehrlich gesagt: Natürlich gibt es dumme, faule, lustlose, uninteressierte Schüler. Und solche Lehrer. Und ebensolche Erwachsene. Das mit dem persönlichen Sinn, das erlebe ich gerade in einer der gefürchtetsten Klassen unserer Schule. Ein neuer Wirtschaftspädagoge zeigt ihnen, wie man mit Geld vermehrt - und plötzlich bekommt Arbeit und Wissen eine positive Konnotation.
Aber die Deutschlehrerin oder der Geometrielehrer stöhnen weiter, weil die Schüler keinen Erfolg darin haben, keinen Sinn darin finden. Bewerbungsschreiben oder Statistik werden sie aber trotzdem brauchen, auch wenn sie jetzt dagegen rebellieren.
Lisa Rosa antwortete am 6. Mär, 21:30:
Dumm, faul, lustlos
kann ich auch sein - und wie. Aber ich leide darunter, wenn ich es bin, und bin froh, wenn ich den Weg heraus wieder gefunden habe. Natürlich gibt es dumme ... Du hast ja völlig Recht, und sie sind es nicht mit Vergnügen. "Null Bock" ist auf die Dauer äußerst unangenehm - auch für Schüler!Aber meine Frage war: Welchen Anteil hat der Lehrer daran?
Dein Beispiel des Wirtschaftspädagogen zeigt doch, daß der Lehrer - aber hallo - offenbar zu einem großen Teil mit der Lustlosigkeit, Faulheit usw. der Schüler zu tun hat! Aber der allgemeine Talk im Lehrerzimmer ist nicht etwa eine Klage darüber, daß die Lehrer - oder die Lernbedingungen in der Schule - nicht gut genug sind, um fleißige, kluge, lustvoll lernende Schüler zu produzieren. Der allgemeine Talk ist immer das Gestöhn über die Schüler. Aber vielleicht hat jeder Lehrer - zumindest in einem gewissen Sinne - die Schüler, die er verdient ...?
teacher antwortete am 7. Mär, 10:38:
Der allgemeine Talk im Lehrerzimmer ist das Gestöhn ... stimmt genau.Umgekehrt ist der allgemeine Talk in der Öffentlichkeit und in vielen Medien, dass die Lehrer nichts richtig machen - das ist genauso falsch und genauso demotivierend.
Wir müsssen raus aus dem Gejammere.
Verena Berger (Gast) meinte am 1. Mär, 11:52:
Müll an der Pinwand
Ich finde nicht, dass Produkte von SchülerInnenarbeiten an der Pinwand als Mül zu bezeichnen sind. In vielen fällen kommt es auf die Anweisungen der Lehrperson an, welcher Qualität diese Produkte sind.
pirni (Gast) antwortete am 1. Mär, 11:56:
na dann schau mal an die Pinwand links von dir!!