Lisa Rosa meinte am 16. Feb, 14:15:
Bevormundung
Das Problem ist , glaube ich, dies: Man darf nicht denken, man wüßte besser über ihre Bedürfnisse und Interessen Bescheid, als die Schüler selbst. Man muß es so sehen: Die Schüler sind - wie doch alle Personen in ihrer Autopoiesis - Experten ihrer eigenen Bedürfnisse. Alles andere ist Paternalismus und wird darum zu Recht bestraft. Richtig ist: "Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten." Aber man muß es dann auch ernst nehmen.
teacher antwortete am 16. Feb, 17:26:
Diese Vorstellung stößt in der Praxis schnell an Grenzen:Wenn ich z.B. in einem Wahlpflichtfach frage, was die Schüler gerne (aus meinem Fach) hören bzw. bearbeiten wollen, wissen sie (natürlich) nicht, welche Themen überhaupt möglich wären. Gebe ich selbst Themen zur Auswahl vor, sind sie bereits auf meine Vorschläge eingeschränkt.
Lisa Rosa antwortete am 16. Feb, 21:30:
Gut, da hast Du Recht. Aber das ist ja schon immerhin was! Aus meiner Praxis weiß ich, daß die meisten Kollegen die Alternativen, die im Lehrplan enthalten sind, noch nicht mal die Schüler entscheiden lassen, sondern selbst entscheiden - danach, was dem Lehrer am wenigsten Arbeit, dem Lehrer am meisten Lust macht usw. Und bezüglich der Geschichte mit dem Valentinstag wäre es doch möglich gewesen, noch in der Stunde selbst umzupolen auf z.B. eine Parodie auf den Kitsch oder eine Alternative, in der die Schüler einen Liebesbrief schreiben, so wie sie sich einen vorstellen. Das setzt natürlich nicht nur voraus, dass der Lehrer situativ improvisieren kann, sondern auch, dass die Schüler es gewöhnt sind, ihre Wünsche und ihre Kritik offen zu äußern. Das setzt eine partizipatorische Atmosphäre voraus! Aber das ist alles möglich, wenn der Lehrer/die Lehrerin das kann. Ich finde, er/sie muss es können oder lernen, denn er/sie ist doch in erster Linie für das Lernklima verantwortlich. Oder sollen etwa alle missratenen Unterrichtsstunden den Schülern angelastet werden, der Lehrer selbst übernimmt nur die Verantwortung für die gelungenen?
teacher antwortete am 17. Feb, 09:17:
Es gibt für den Lehrer (kaum) Anreiz, so schülerzentriert zu handeln. Was Lust und Spaß und wenig Arbeit macht ... das sind realistische und dominante Beweggründe!
Lisa Rosa antwortete am 6. Mär, 13:06:
Lust und Spaß
Hm. Mein Anreiz zum schülerzentrierten Arbeiten war seinerzeit gewesen, daß ich keine Lust und keinen Spaß mehr daran hatte, mit den Schülern darum zu kämpfen, wer von uns beiden seine Lust und seine Vorstellung von Spaß durchsetzen dürfe. Um selbst wieder Freude bei der Arbeit zu haben, habe ich mal nach der Freude der Schüler gefragt. Und siehe da - sie sind gar nicht so, wie wir glauben, nämlich faul, lustlos, uninteressiert! Im Gegenteil war ich verblüfft, wie auch "dumme" und "faule" Schüler sich plötzlich mit erstaunlichem Erfolg ins Zeug legten - wenn sie einen persönlichen Sinn darin sahen. Das hat mich kuriert von meinem negativen Blick auf die Schüler.
teacher antwortete am 6. Mär, 18:34:
Ehrlich gesagt: Natürlich gibt es dumme, faule, lustlose, uninteressierte Schüler. Und solche Lehrer. Und ebensolche Erwachsene. Das mit dem persönlichen Sinn, das erlebe ich gerade in einer der gefürchtetsten Klassen unserer Schule. Ein neuer Wirtschaftspädagoge zeigt ihnen, wie man mit Geld vermehrt - und plötzlich bekommt Arbeit und Wissen eine positive Konnotation.
Aber die Deutschlehrerin oder der Geometrielehrer stöhnen weiter, weil die Schüler keinen Erfolg darin haben, keinen Sinn darin finden. Bewerbungsschreiben oder Statistik werden sie aber trotzdem brauchen, auch wenn sie jetzt dagegen rebellieren.
Lisa Rosa antwortete am 6. Mär, 21:30:
Dumm, faul, lustlos
kann ich auch sein - und wie. Aber ich leide darunter, wenn ich es bin, und bin froh, wenn ich den Weg heraus wieder gefunden habe. Natürlich gibt es dumme ... Du hast ja völlig Recht, und sie sind es nicht mit Vergnügen. "Null Bock" ist auf die Dauer äußerst unangenehm - auch für Schüler!Aber meine Frage war: Welchen Anteil hat der Lehrer daran?
Dein Beispiel des Wirtschaftspädagogen zeigt doch, daß der Lehrer - aber hallo - offenbar zu einem großen Teil mit der Lustlosigkeit, Faulheit usw. der Schüler zu tun hat! Aber der allgemeine Talk im Lehrerzimmer ist nicht etwa eine Klage darüber, daß die Lehrer - oder die Lernbedingungen in der Schule - nicht gut genug sind, um fleißige, kluge, lustvoll lernende Schüler zu produzieren. Der allgemeine Talk ist immer das Gestöhn über die Schüler. Aber vielleicht hat jeder Lehrer - zumindest in einem gewissen Sinne - die Schüler, die er verdient ...?
teacher antwortete am 7. Mär, 10:38:
Der allgemeine Talk im Lehrerzimmer ist das Gestöhn ... stimmt genau.Umgekehrt ist der allgemeine Talk in der Öffentlichkeit und in vielen Medien, dass die Lehrer nichts richtig machen - das ist genauso falsch und genauso demotivierend.
Wir müsssen raus aus dem Gejammere.