"Ich will nur, dass meine Tochter glücklich ist."
Dieser Satz gehört zu den heikelsten, die mir mein Beruf aufbürdet. Gerne lasse ich dessen Hintertücke an meinem unsichtbaren Schild abprallen.
Bloß, dieses Mal ist alles anders. Da steht nicht ein ausgebufftes Girly, das die Naivität ihrer Mutter schamlos missbraucht, dieses Mal steht ein Mensch vor mir, der offen um das Wohl der Tochter bangt.
Oft erklingt die inkriminierte Phrase anklagend als Echo einer billigen US-Fernsehserie und fordert Milde für ein verwöhntes Frauenkind, das mehr nach Faulheit stinkt als nach Eau de Parfum.
Bloß, dieses Mal stehen Tränen in den Augen, weil das Erwachsenwerden der ganzen Familie Kummer bereitet:
Ein Mädchen, das im Schatten ihrer unbekümmerten Schwester steht, das an Übergewicht und pubertärer Figurverzerrung leidet, das jegliches Interesse jenseits emotioneller Sehnsüchte verloren hat, das Unsicherheit und Schüchternheit mit billiger Drogeriefarbe zukleistert, das über Monate Ausflüchte aus seinem deprimierenden Leistungschaos erschwindelt hat, und das jetzt vor den schriftlichen Zeugnissen seiner vergeudeten Schulzeit steht.
Schlechte Noten als Spiegelbild einer blutenden Seele!
Ein armes Wesen, eine liebende Mutter, aber beim besten Willen keine Energie zum Lernen.
Ich muss sie benoten, es ist Zeugniszeit.
Ich muss "Nicht genügend" unter ihre Leistungen schreiben, alles andere wäre gelogen.
Aber ich will, dass sie glücklich wird.
Dieser Satz gehört zu den heikelsten, die mir mein Beruf aufbürdet. Gerne lasse ich dessen Hintertücke an meinem unsichtbaren Schild abprallen.
Bloß, dieses Mal ist alles anders. Da steht nicht ein ausgebufftes Girly, das die Naivität ihrer Mutter schamlos missbraucht, dieses Mal steht ein Mensch vor mir, der offen um das Wohl der Tochter bangt.
Oft erklingt die inkriminierte Phrase anklagend als Echo einer billigen US-Fernsehserie und fordert Milde für ein verwöhntes Frauenkind, das mehr nach Faulheit stinkt als nach Eau de Parfum.
Bloß, dieses Mal stehen Tränen in den Augen, weil das Erwachsenwerden der ganzen Familie Kummer bereitet:
Ein Mädchen, das im Schatten ihrer unbekümmerten Schwester steht, das an Übergewicht und pubertärer Figurverzerrung leidet, das jegliches Interesse jenseits emotioneller Sehnsüchte verloren hat, das Unsicherheit und Schüchternheit mit billiger Drogeriefarbe zukleistert, das über Monate Ausflüchte aus seinem deprimierenden Leistungschaos erschwindelt hat, und das jetzt vor den schriftlichen Zeugnissen seiner vergeudeten Schulzeit steht.
Schlechte Noten als Spiegelbild einer blutenden Seele!
Ein armes Wesen, eine liebende Mutter, aber beim besten Willen keine Energie zum Lernen.
Ich muss sie benoten, es ist Zeugniszeit.
Ich muss "Nicht genügend" unter ihre Leistungen schreiben, alles andere wäre gelogen.
Aber ich will, dass sie glücklich wird.
teacher - am Freitag, 3. Februar 2006, 17:29
killoyle (Gast) meinte am 8. Feb, 14:40:
Mir geht es genauso. Nun bin ich Sonderpädagogin an einer integrativen Gesamtschule und habe hinsichtlich Noten etwas mehr Gestaltungsspielraum. Dennoch kommt es vor, dass ich manchen SchülerInnen (zumindest im Moment) keine Note geben will. Da gibt es immer wieder SchülerInnen, die gerade wieder beginnen zu arbeiten, ein wenig Motivation zeigen. Zack, wird eine Arbeit geschrieben, zack geht diese aufgrund fehlendem Grundwissen in die Hose, zack, ist die Motivation wieder dahin. Ich will auch, dass meine SchülerInnen glücklich werden, in dem Sinne, dass sie ihre Begabungen in ihrem Leben sinnvoll einsetzen können und somit auch ihr Dasein als sinnvoll erleben.
teacher antwortete am 12. Feb, 15:56:
Es reichte mir schon, ehrlich sein zu dürfen. Manchmal hat Benotung einfach keinen Sinn - dann würde ich gerne drauf verzichten. Wenn mich hingegen jemand perrmanent doof anlügt ("ich lern' eh"), dann sollte ich auch konkret reagieren können.
Max (Gast) meinte am 12. Feb, 15:36:
Schule ist für alle da...
Schule ist für alle da... Deshalb kann auf Einzelschicksale keine Rücksicht genommen werden. Ich mußte selbst die siebte Klasse wiederholen. Aber es ist bestimmt kein Zufall, dass ich in diesem Jahr 20cm gewachsen bin (kein Scherz!). Auch wenn heute noch nicht festgestellt werden kann wie sich eine solche Entwicklung auf das Gehirn auswirkt: Wenn Ursache und Wirkung so leicht zu erkennen sind wünscht man sich doch Rücksichtnahme. Weil diese im System kaum vorgesehen ist halte ich es für trivial warum die Schüler zu spät kommen, den Unterricht schwänzen oder jemanden "einbinden" um zu helfen. Sich als Schüler gegen einen Lehrer stellen: Unmöglich. Jeder nutzt die wenigen Möglichkeiten die er hat um gerecht behandelt zu werden. Manche entscheiden sich zu schwänzen um sich ein wenig Zeit zu erschleichen in der sie hoffen, die eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Leider werden sie auch darauf nicht von der Schule vorbereitet was zu falschen Problembewältigungsmethoden führt: Wenn sie dann Kiffen und Saufen wundert es mich daher nicht.Wie das System trotzdem einigermaßen funktionieren kann?
Ganz einfach: Schon in der Schule wird man darauf vorbereitet, dass sich keiner für deine Probleme interessiert. Wenn du die Schule trotzdem schaffst, dann bist du gut genug im Probleme-selbstständig-lösen um auch später weiterzukommen. So präsentiere ich: Die Pädagogik der Reichen. Sie geht davon aus, dass es uns allen so unheimlich gut geht. Wir sollten den ganzen Tag nichts tun als lernen und uns freuen, dass wir nicht so leben müssen wie die Kinder der dritten Welt. Andere behaupten das wir nichtmal Arbeit bräuchten und unser Leben die reinste Entspannung ist. Trotzdem hinkt der Vergleich, denn es man kann nicht einfach Meter und Fuß vergleichen ohne umzurechnen. Das Bezugssystem entscheidet über die Probleme: Wir leben zwar in einem System des Wohlstands und haben daher nicht dieselben Probleme wie Dritte-Welt-Kinder. Aber schon unsere Kinder haben eine Fülle anderer Probleme die so neu sind, dass sie nichtmal in den ersten Semestern des Pädagogikstudiums etwas verloren hätten.
Was fällt den meisten Leuten als erstes dazu ein? Natürlich: "Wer hat daran Schuld, dass unsere Schüler so schlecht sind?". Die erste Antwort lautet natürlich, dass sie zu faul sind. Die zweite lautet, dass die Lehrer schlecht sind, weshalb diese immer bemüht sind ersteren Standpunkt aufrecht zu erhalten. Ende vom Lied ist allerdings (in Bezug auf alles das, was ich vorher schrieb), dass es weder an den Lehrern noch an den Schülern liegt, sondern am System. Der einzige Vorwurf den ich vielen meiner Lehrer bis heute machen kann ist, dass dieses System so sehr ihre Persönlichkeit prägt, dass diese im Laufe der Zeit genauso Lückenhaft geworden ist wie das System selbst. Der Gedankenansatz ist denkbar einfach: Ich lebe das System und tue innerhalb desselben alles mir mögliche um meinen Schülern zu helfen. Aber es funktioniert nicht und das muß Gründe haben. Entweder liegt es also an mir oder an meinen Schülern. Der nächste Schritt: Es muß an meinen Schülern liegen, denn früher hat es doch auch funktioniert.
Vorzeitiger Ruhestand und Schülerphobie sind dieselben Krankheiten wie die Antriebslosigkeit der Schüler und ihr erbitterter Kampf gegen die Lehrer! Schule ist heute gewissermaßen mit der Kirche zu vergleichen: Immer weniger Leute gehen hin. Komisch, denn jeder lebendige Mensch muß doch zwangsläufig an irgendetwas glauben. Aber die Kirche passt sich viel zu langsam an unsere Zeit an und genauso ist es leider mit der Schule. Ich verstehe daher die Verzweifelung der Pädagogen gut: Man muß die Schüler quälen obwohl man weiß wie es besser gehen würde, weil einem die Hände durch das System gebunden sind.
Man könnte also Thesen wie "nach dem Krieg waren die Schüler noch viel fleißiger" einfach wiederlegen indem man sagt: "Das hat aber nichts damit zu tun, dass es ihnen vorher schlecht ging. Das Problem liegt einzig und allein darin begründet, dass sich unser Bürokratisches Land im Laufe der Zeit immer wieder in seinem eigenen Regelwerk festfährt - Bis zum Stillstand! Ein Krieg oder eine Revolution sind nur die einzigen Problembewältigungsmethoden die wir dafür kennen. Sie bedeuten einen Neuanfang."
Ich frage mich: Kann ein System so gut sein, dass man regelmäßig auf derart grausame Weise zerstören muß um es zu retten? Sollten wir nicht langsam mal anfangen etwas daran zu ändern?
teacher antwortete am 12. Feb, 16:16:
Uffff ... ich weiß nicht, wo ich bei den vielen Gedanken einhaken kann. Der Schluss passt mir jedenfalls: Wir müssen dringend etwas ändern, sonst läuft sich das alte Lerngetriebe tot.
Lisa Rosa antwortete am 16. Feb, 14:27:
."Schule ist für alle da... Deshalb kann auf Einzelschicksale keine Rücksicht genommen werde", sagst du. Das heißt aber: Schule ist für keinen da. Und genau wie du im Folgenden beschreibst, ist unsere Schule weder für die Schüler noch für die Lehrer, noch für die Gesellschaft gut. Richtig: "Wir müssen dringend etwas ändern", mit den Schülern zusammen.