Max (Gast) meinte am 12. Feb, 15:36:
Schule ist für alle da...
Schule ist für alle da... Deshalb kann auf Einzelschicksale keine Rücksicht genommen werden. Ich mußte selbst die siebte Klasse wiederholen. Aber es ist bestimmt kein Zufall, dass ich in diesem Jahr 20cm gewachsen bin (kein Scherz!). Auch wenn heute noch nicht festgestellt werden kann wie sich eine solche Entwicklung auf das Gehirn auswirkt: Wenn Ursache und Wirkung so leicht zu erkennen sind wünscht man sich doch Rücksichtnahme. Weil diese im System kaum vorgesehen ist halte ich es für trivial warum die Schüler zu spät kommen, den Unterricht schwänzen oder jemanden "einbinden" um zu helfen. Sich als Schüler gegen einen Lehrer stellen: Unmöglich. Jeder nutzt die wenigen Möglichkeiten die er hat um gerecht behandelt zu werden. Manche entscheiden sich zu schwänzen um sich ein wenig Zeit zu erschleichen in der sie hoffen, die eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Leider werden sie auch darauf nicht von der Schule vorbereitet was zu falschen Problembewältigungsmethoden führt: Wenn sie dann Kiffen und Saufen wundert es mich daher nicht.Wie das System trotzdem einigermaßen funktionieren kann?
Ganz einfach: Schon in der Schule wird man darauf vorbereitet, dass sich keiner für deine Probleme interessiert. Wenn du die Schule trotzdem schaffst, dann bist du gut genug im Probleme-selbstständig-lösen um auch später weiterzukommen. So präsentiere ich: Die Pädagogik der Reichen. Sie geht davon aus, dass es uns allen so unheimlich gut geht. Wir sollten den ganzen Tag nichts tun als lernen und uns freuen, dass wir nicht so leben müssen wie die Kinder der dritten Welt. Andere behaupten das wir nichtmal Arbeit bräuchten und unser Leben die reinste Entspannung ist. Trotzdem hinkt der Vergleich, denn es man kann nicht einfach Meter und Fuß vergleichen ohne umzurechnen. Das Bezugssystem entscheidet über die Probleme: Wir leben zwar in einem System des Wohlstands und haben daher nicht dieselben Probleme wie Dritte-Welt-Kinder. Aber schon unsere Kinder haben eine Fülle anderer Probleme die so neu sind, dass sie nichtmal in den ersten Semestern des Pädagogikstudiums etwas verloren hätten.
Was fällt den meisten Leuten als erstes dazu ein? Natürlich: "Wer hat daran Schuld, dass unsere Schüler so schlecht sind?". Die erste Antwort lautet natürlich, dass sie zu faul sind. Die zweite lautet, dass die Lehrer schlecht sind, weshalb diese immer bemüht sind ersteren Standpunkt aufrecht zu erhalten. Ende vom Lied ist allerdings (in Bezug auf alles das, was ich vorher schrieb), dass es weder an den Lehrern noch an den Schülern liegt, sondern am System. Der einzige Vorwurf den ich vielen meiner Lehrer bis heute machen kann ist, dass dieses System so sehr ihre Persönlichkeit prägt, dass diese im Laufe der Zeit genauso Lückenhaft geworden ist wie das System selbst. Der Gedankenansatz ist denkbar einfach: Ich lebe das System und tue innerhalb desselben alles mir mögliche um meinen Schülern zu helfen. Aber es funktioniert nicht und das muß Gründe haben. Entweder liegt es also an mir oder an meinen Schülern. Der nächste Schritt: Es muß an meinen Schülern liegen, denn früher hat es doch auch funktioniert.
Vorzeitiger Ruhestand und Schülerphobie sind dieselben Krankheiten wie die Antriebslosigkeit der Schüler und ihr erbitterter Kampf gegen die Lehrer! Schule ist heute gewissermaßen mit der Kirche zu vergleichen: Immer weniger Leute gehen hin. Komisch, denn jeder lebendige Mensch muß doch zwangsläufig an irgendetwas glauben. Aber die Kirche passt sich viel zu langsam an unsere Zeit an und genauso ist es leider mit der Schule. Ich verstehe daher die Verzweifelung der Pädagogen gut: Man muß die Schüler quälen obwohl man weiß wie es besser gehen würde, weil einem die Hände durch das System gebunden sind.
Man könnte also Thesen wie "nach dem Krieg waren die Schüler noch viel fleißiger" einfach wiederlegen indem man sagt: "Das hat aber nichts damit zu tun, dass es ihnen vorher schlecht ging. Das Problem liegt einzig und allein darin begründet, dass sich unser Bürokratisches Land im Laufe der Zeit immer wieder in seinem eigenen Regelwerk festfährt - Bis zum Stillstand! Ein Krieg oder eine Revolution sind nur die einzigen Problembewältigungsmethoden die wir dafür kennen. Sie bedeuten einen Neuanfang."
Ich frage mich: Kann ein System so gut sein, dass man regelmäßig auf derart grausame Weise zerstören muß um es zu retten? Sollten wir nicht langsam mal anfangen etwas daran zu ändern?
teacher antwortete am 12. Feb, 16:16:
Uffff ... ich weiß nicht, wo ich bei den vielen Gedanken einhaken kann. Der Schluss passt mir jedenfalls: Wir müssen dringend etwas ändern, sonst läuft sich das alte Lerngetriebe tot.
Lisa Rosa antwortete am 16. Feb, 14:27:
."Schule ist für alle da... Deshalb kann auf Einzelschicksale keine Rücksicht genommen werde", sagst du. Das heißt aber: Schule ist für keinen da. Und genau wie du im Folgenden beschreibst, ist unsere Schule weder für die Schüler noch für die Lehrer, noch für die Gesellschaft gut. Richtig: "Wir müssen dringend etwas ändern", mit den Schülern zusammen.