Ein Mädchen holt mich zu ihrem Schülertisch: "Schauen Sie!"
Dort wurde mit Bleistift auf die Platte graviert: NICHT vergessen - Auf teacher bös sein!
Ich breche in Lachen aus.
Zuerst erinnere ich mich an meine Schulzeit: Anonymus hatte es gewagt, seine Initialen auf den Tisch zu schreiben. Auf der Suche nach dem Übeltäter wurden alle SchülerInnen mit den gleichen Anfangsbuchstaben zum Direktor zitiert. Angst ging um, dann der Putzlappen. Heute sind alle Tische beschmiert. Wände auch. Klos dafür weniger.
Aber hier geht es um eine andere Geschichte, nämlich um Twilight 2. Die mutmaßliche Tischbeschmiererin und präsumtive Böse-Autorin hatte mir ein Poster von Robert Pattinson, den größten Mädchenschwarm der Gegenwart, gezeigt und meine Meinung fiel nicht so berauschend aus wie erwartet:
"Das ist doch der Typ von Twilight?"
"Ja. Und? Wie finden sie ihn?"
"Da Bertl? Der ist ein bisserl schiach ... schau dir seine Nase an ..."
Da zeigt sie Zähne und Krallen: "Das nehmen Sie zurück!"
"Also ... wenn du bei der Stundenwiederholung alles, sprich: ALLES weißt, dann können wir darüber reden."
Die Wiederholung war schwach und es blieb dabei: "Bertl is schiach."
Nächste Stunde, gleiche Klasse. Die Mädchen haben T-Shirts mit Pattinson, Poster mit Pattinson, DVDs mit Pattinson ... und ich mache Wiederholung der letzten Lerneinheit.
Die Tischbeschmiererin weiß alles und ich säusle in den Klassenraum:
"Der Robert ist soooo süß."
Ich glaube, sie sind noch nicht überzeugt.
Dort wurde mit Bleistift auf die Platte graviert: NICHT vergessen - Auf teacher bös sein!
Ich breche in Lachen aus.
Zuerst erinnere ich mich an meine Schulzeit: Anonymus hatte es gewagt, seine Initialen auf den Tisch zu schreiben. Auf der Suche nach dem Übeltäter wurden alle SchülerInnen mit den gleichen Anfangsbuchstaben zum Direktor zitiert. Angst ging um, dann der Putzlappen. Heute sind alle Tische beschmiert. Wände auch. Klos dafür weniger.
Aber hier geht es um eine andere Geschichte, nämlich um Twilight 2. Die mutmaßliche Tischbeschmiererin und präsumtive Böse-Autorin hatte mir ein Poster von Robert Pattinson, den größten Mädchenschwarm der Gegenwart, gezeigt und meine Meinung fiel nicht so berauschend aus wie erwartet:
"Das ist doch der Typ von Twilight?"
"Ja. Und? Wie finden sie ihn?"
"Da Bertl? Der ist ein bisserl schiach ... schau dir seine Nase an ..."
Da zeigt sie Zähne und Krallen: "Das nehmen Sie zurück!"
"Also ... wenn du bei der Stundenwiederholung alles, sprich: ALLES weißt, dann können wir darüber reden."
Die Wiederholung war schwach und es blieb dabei: "Bertl is schiach."
Nächste Stunde, gleiche Klasse. Die Mädchen haben T-Shirts mit Pattinson, Poster mit Pattinson, DVDs mit Pattinson ... und ich mache Wiederholung der letzten Lerneinheit.
Die Tischbeschmiererin weiß alles und ich säusle in den Klassenraum:
"Der Robert ist soooo süß."
Ich glaube, sie sind noch nicht überzeugt.
teacher - am Sonntag, 29. November 2009, 13:03
Die Temperaturen fallen und Viren grassieren.
Im Lehrerzimmer wird gehustet, geniest und geschnupft. Es ist wenig bekannt, aber die Krankenstände im Lehrerbereich sind vorbildlich (?) niedrig: LehrerInnen wissen, dass ihre Arbeit liegen bleibt, wenn sie krank feiern - sie gehen auch halbkrank zur Schule.
Trotzdem hört man überall:
"Meine Stimme geht zu Ende, ich muss was unternehmen."
"Ich kämpfe schon seit drei Wochen mit dem gleichen Problem."
Lehrer haben Stimmprobleme, das gehört im Winterhalbjahr wie das Amen zum Gebet. Tees werden geschlürft, Sprays versprüht und Tipps gegeben:
"Probier doch die Emser Salztabletten ..."
"Meine Homöopathin hat mir eine ganze Stunde zugehört, sie betrachtet das ganzheitlich."
"Das heißt?"
"Meine Stimme versagt, weil sie nichts mehr zu sagen hat!"
"Du meinst, weil uns niemand mehr zuhört?"
"Exakt. Der Körper reagiert auf meine Lage: Ich habe nichts mehr zu sagen - die Stimme versagt."
"Ich glaube, da geht bloß ein Virus um."
"EINES? Millionen!"
Im Lehrerzimmer wird gehustet, geniest und geschnupft. Es ist wenig bekannt, aber die Krankenstände im Lehrerbereich sind vorbildlich (?) niedrig: LehrerInnen wissen, dass ihre Arbeit liegen bleibt, wenn sie krank feiern - sie gehen auch halbkrank zur Schule.
Trotzdem hört man überall:
"Meine Stimme geht zu Ende, ich muss was unternehmen."
"Ich kämpfe schon seit drei Wochen mit dem gleichen Problem."
Lehrer haben Stimmprobleme, das gehört im Winterhalbjahr wie das Amen zum Gebet. Tees werden geschlürft, Sprays versprüht und Tipps gegeben:
"Probier doch die Emser Salztabletten ..."
"Meine Homöopathin hat mir eine ganze Stunde zugehört, sie betrachtet das ganzheitlich."
"Das heißt?"
"Meine Stimme versagt, weil sie nichts mehr zu sagen hat!"
"Du meinst, weil uns niemand mehr zuhört?"
"Exakt. Der Körper reagiert auf meine Lage: Ich habe nichts mehr zu sagen - die Stimme versagt."
"Ich glaube, da geht bloß ein Virus um."
"EINES? Millionen!"
teacher - am Dienstag, 24. November 2009, 13:35
Um neun Uhr morgens gehen die Tore auf, vorher herrscht Friede.
Es kommt ein Schulwart und bringt den Beamer in meinen Klassenraum. Ich rufe ihn noch einmal an, weil ich Kopien brauche. Macht er. Dann bereite ich einen Versuch auf dem hintersten Tisch vor: Ein Aquarium, eine Kerze, Sauerstoff - alles steht im Nachbarraum bereit.
Kein einziger Schüler kommt zu spät, sie dürfen nach dem Gong nicht mehr in die Klasse - ich kann völlig ungestört mit meiner Arbeit beginnen. Disziplin ist nicht mein Problem, dafür gibt es einen pädagogischen Leiter in der Schule. Er nimmt Kontakt mit den Eltern auf und verpasst jene Strafen, die er für angemessen hält. Ich bin hier Lehrer, Experte, Fachmann.
Zu Mittag treffe ich meine Kollegen in der Kantine. Alle essen hier, Suppe, Haupt- und Nachspeise. Ein Getränk dazu. Alles in guter Qualität. Die Zigarette danach rauchen wir auf dem Schulhof. Ein paar jüngere Nikotingenossen gesellen sich zu uns, es geht mir wie in Manhattan vor den Büros, wo sich alle Hierarchien um den Aschenbecher treffen.
Am Nachmittag teilen sich die Schüler auf. Ein paar treffe ich im Theaterforum, sie studieren eine Ionesco-Szene ein. Andere ziehen im Hallenbad ihre Runden, ich gehe mit meinem Videoteam zum Basketball. Eine Europaklasse aus Italien hat sie herausgefordert. Alles ist direkt am Campus möglich.
Meine Freistunde verbringe ich heute in der Mediathek. Ich lese die letzten Fachzeitschriften, surfe im Netz oder bereite meine Stunden vor. Mindestens 30 Schüler sind im gleichen Raum, er ist riesig und hell, gut gegliedert, es herrscht die Ruhe, die ich von der Nationalbibliothek kenne. Jemand stellt Pinnwände auf, das wird schon als Störung empfunden: Pscht!
Ich bin gerne den ganzen Tag an meiner Schule. Obwohl ich manchmal zu Mittag lieber in eines der Cafés in der Umgebung gehe: Kleiner Espresso zum Nachtisch, kleiner Plausch mit der Besitzerin. Meine Schüler kommen um 5.00 aus der Stadt zurück und geben ihre Arbeiten ab, sie wissen, wo ich mich befinde.
Wo?
In einer Partnerschule in Toulouse. Ganztagsschule. Lycée. Europaklasse. Mit allen Einrichtungen, die dazu gehören. Selbständige Menschen, die meinen Rat suchen und mein Wissen nutzen.
Zu Hause, in Österreich ist das alles unmöglich: Die Neue Nachmittagsbetreuung findet am Gang und in kahlen Klassenräumen statt. Das ist keine Betreuung, sondern ein Witz. Dafür machen sich plötzlich die Großparteien stark. Wissen sie es nicht besser? Oder muss Politik so verlogen sein.
Es kommt ein Schulwart und bringt den Beamer in meinen Klassenraum. Ich rufe ihn noch einmal an, weil ich Kopien brauche. Macht er. Dann bereite ich einen Versuch auf dem hintersten Tisch vor: Ein Aquarium, eine Kerze, Sauerstoff - alles steht im Nachbarraum bereit.
Kein einziger Schüler kommt zu spät, sie dürfen nach dem Gong nicht mehr in die Klasse - ich kann völlig ungestört mit meiner Arbeit beginnen. Disziplin ist nicht mein Problem, dafür gibt es einen pädagogischen Leiter in der Schule. Er nimmt Kontakt mit den Eltern auf und verpasst jene Strafen, die er für angemessen hält. Ich bin hier Lehrer, Experte, Fachmann.
Zu Mittag treffe ich meine Kollegen in der Kantine. Alle essen hier, Suppe, Haupt- und Nachspeise. Ein Getränk dazu. Alles in guter Qualität. Die Zigarette danach rauchen wir auf dem Schulhof. Ein paar jüngere Nikotingenossen gesellen sich zu uns, es geht mir wie in Manhattan vor den Büros, wo sich alle Hierarchien um den Aschenbecher treffen.
Am Nachmittag teilen sich die Schüler auf. Ein paar treffe ich im Theaterforum, sie studieren eine Ionesco-Szene ein. Andere ziehen im Hallenbad ihre Runden, ich gehe mit meinem Videoteam zum Basketball. Eine Europaklasse aus Italien hat sie herausgefordert. Alles ist direkt am Campus möglich.
Meine Freistunde verbringe ich heute in der Mediathek. Ich lese die letzten Fachzeitschriften, surfe im Netz oder bereite meine Stunden vor. Mindestens 30 Schüler sind im gleichen Raum, er ist riesig und hell, gut gegliedert, es herrscht die Ruhe, die ich von der Nationalbibliothek kenne. Jemand stellt Pinnwände auf, das wird schon als Störung empfunden: Pscht!
Ich bin gerne den ganzen Tag an meiner Schule. Obwohl ich manchmal zu Mittag lieber in eines der Cafés in der Umgebung gehe: Kleiner Espresso zum Nachtisch, kleiner Plausch mit der Besitzerin. Meine Schüler kommen um 5.00 aus der Stadt zurück und geben ihre Arbeiten ab, sie wissen, wo ich mich befinde.
Wo?
In einer Partnerschule in Toulouse. Ganztagsschule. Lycée. Europaklasse. Mit allen Einrichtungen, die dazu gehören. Selbständige Menschen, die meinen Rat suchen und mein Wissen nutzen.
Zu Hause, in Österreich ist das alles unmöglich: Die Neue Nachmittagsbetreuung findet am Gang und in kahlen Klassenräumen statt. Das ist keine Betreuung, sondern ein Witz. Dafür machen sich plötzlich die Großparteien stark. Wissen sie es nicht besser? Oder muss Politik so verlogen sein.
teacher - am Mittwoch, 18. November 2009, 21:35
Ich will mit aller Vorsicht anfragen:
Wenn zwei Kinder, vielleicht 11 oder 12 Jahre alt, 1.40 oder 1.50 Meter hoch, sichtlich vor der Pubertät (!) eng umschlungen und schmusend auf dem Schulgang stehen, hat das was mit Liebe oder mit Exhibitionismus zu tun?
Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass sich Pärchen an allen Ecken der Schule verabreden. Dass sich Mädchen auf den Gangtisch setzen, um ihre Beine theatralisch um die Hüften der Liebhaber zu wickeln. Dass Liebende in den Garderoben verschwinden ... es kratzt uns nicht (mehr). Wir sind aufgeklärt und tolerant.
Aber es fehlt mir noch was.
Täglich erlebe ich feuchte Begrüßungsrituale, Bussi auf die Wangen, Bussi auf die gespitzten Lippen, innige Umarmungen. Ich sehe sie Händchen halten, Körper wärmen, Tränen trocknen.
Aber irgendwas fehlt mir noch.
Alle diese Bezeugungen finden zwischen Burschen und Mädchen statt, finden auch zwischen zwei Mädchen statt, aber zwischen zwei Burschen?
"Weuhhhh, grauslich!", höre ich die Liebenden schreien.
Wo bleibt hier die Gleichberechtigung?
Und wo die Grippewelle?
Fehlt noch was?
Wenn zwei Kinder, vielleicht 11 oder 12 Jahre alt, 1.40 oder 1.50 Meter hoch, sichtlich vor der Pubertät (!) eng umschlungen und schmusend auf dem Schulgang stehen, hat das was mit Liebe oder mit Exhibitionismus zu tun?
Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass sich Pärchen an allen Ecken der Schule verabreden. Dass sich Mädchen auf den Gangtisch setzen, um ihre Beine theatralisch um die Hüften der Liebhaber zu wickeln. Dass Liebende in den Garderoben verschwinden ... es kratzt uns nicht (mehr). Wir sind aufgeklärt und tolerant.
Aber es fehlt mir noch was.
Täglich erlebe ich feuchte Begrüßungsrituale, Bussi auf die Wangen, Bussi auf die gespitzten Lippen, innige Umarmungen. Ich sehe sie Händchen halten, Körper wärmen, Tränen trocknen.
Aber irgendwas fehlt mir noch.
Alle diese Bezeugungen finden zwischen Burschen und Mädchen statt, finden auch zwischen zwei Mädchen statt, aber zwischen zwei Burschen?
"Weuhhhh, grauslich!", höre ich die Liebenden schreien.
Wo bleibt hier die Gleichberechtigung?
Und wo die Grippewelle?
Fehlt noch was?
teacher - am Sonntag, 15. November 2009, 15:44
Supplieren ist unbeliebt: Oft muss man kurzfristig eine fremde Klasse übernehmen und weiß nicht, was einen hinter der Tür erwartet. Dieses Mal war es leichter - ich kannte die vierte Klasse und die abwesende Kollegin hat mir vorsorglich eine Videokassette in die Hand gedrückt:
"Schau mit ihnen den Anfang von Little Buddha an, du kennst dich ja mit asiatischen Kulturen aus."
"Super. Gerne."
Ich winke mit der Kassette und wundere mich über die Reaktion der Schülerinnen:
- "Nein! Der ist fad."
- "Muss das sein?"
- "Wir haben nächste Stunde Mathe-Schularbeit!"
"Ok", sage ich, "wenn ihr lieber Mathe üben wollt ..."
Das hätte ich nicht tun sollen.
"Können Sie uns eine Rechnung aufgeben?"
"Ahhh ... was macht ihr gerade?"
"Quadratwurzeln mit Variablen!"
Das habe ich das letzte Mal vor 30 Jahren probiert.
"Gut, rechnet mal die Quadratwurzel aus 64 x hoch 4."
"Das ist zu einfach!!!"
Eine Zwischenfrage beschert mir weitere Schmach.
"Ist 2,64 eine rationale Zahl?"
Bevor ich etwas Falsches behaupte, steige ich auf den Einserschmäh um und reiche das Problem an die Klassenbeste weiter: "Was sagst Du, Tanja?"
"Eigentlich schon."
Leider steht im Heft das Gegenteil.
"Dann werde ich einfach nachschauen."
Wolframalpha soll eine schlaue Wissensmaschine sein, aber sie gibt nur gute Antworten auf gute Fragen. Ich erkenne, dass es - entgegen anders lautender Behauptungen - blöde Fragen gibt: Keine Lösung. Wikipedia definiert superschlau, aber viel zu umständlich: Auch keine Lösung.
"Ich geh jetzt mal ..."
"Super, Herr Professor!"
"Ich geh ... ins Lehrerzimmer ... fragen."
"Danke."
Dort gibt mir ein Mathematikkollege eine Einführungsvorlesung in Sachen reelle Zahlen und schreibt mir eine halbe Seite voll mit diversen Beispielen.
Zurück in der Klasse umringt mich sofort ein Dutzend neugieriger Schülerinnen. Ich erkläre stolz:
"2,64 ist eine rationale Zahl, weil die nicht sichtbare Null dahinter periodisch ist."
"Sag ich ja", ätzt Superschlau-Tanja.
"Und warum habt ihr ins Heft das Gegenteil geschrieben?"
Achselzucken.
Dedektivisch komme ich dem Rätsel auf die Spur:
Die Kinder mussten selbständig Wurzelrechnungen lösen und entscheiden, ob die Ergebnisse rational oder irrational sind. Bei Wurzel aus 6 waren zu viele Stellen hinter dem Komma, also haben sie auf 2,64 gerundet und dann entschieden: Rationale Zahl.
Falsch.
"Völlig verkehrter Ansatz, Leute. Gerade wenn hinter dem Komma so ein mathematischer Müllhaufen steht, dann handelt es sich um irrationale Zahlen."
"Mathematischer Müllhaufen? Das verstehe ich", jubeln die Zuhörer.
"Also, wenn keine Periodizität zu erkennen ist", will ich mich verbessern.
"Neee. Müllhaufen!"
"Schau mit ihnen den Anfang von Little Buddha an, du kennst dich ja mit asiatischen Kulturen aus."
"Super. Gerne."
Ich winke mit der Kassette und wundere mich über die Reaktion der Schülerinnen:
- "Nein! Der ist fad."
- "Muss das sein?"
- "Wir haben nächste Stunde Mathe-Schularbeit!"
"Ok", sage ich, "wenn ihr lieber Mathe üben wollt ..."
Das hätte ich nicht tun sollen.
"Können Sie uns eine Rechnung aufgeben?"
"Ahhh ... was macht ihr gerade?"
"Quadratwurzeln mit Variablen!"
Das habe ich das letzte Mal vor 30 Jahren probiert.
"Gut, rechnet mal die Quadratwurzel aus 64 x hoch 4."
"Das ist zu einfach!!!"
Eine Zwischenfrage beschert mir weitere Schmach.
"Ist 2,64 eine rationale Zahl?"
Bevor ich etwas Falsches behaupte, steige ich auf den Einserschmäh um und reiche das Problem an die Klassenbeste weiter: "Was sagst Du, Tanja?"
"Eigentlich schon."
Leider steht im Heft das Gegenteil.
"Dann werde ich einfach nachschauen."
Wolframalpha soll eine schlaue Wissensmaschine sein, aber sie gibt nur gute Antworten auf gute Fragen. Ich erkenne, dass es - entgegen anders lautender Behauptungen - blöde Fragen gibt: Keine Lösung. Wikipedia definiert superschlau, aber viel zu umständlich: Auch keine Lösung.
"Ich geh jetzt mal ..."
"Super, Herr Professor!"
"Ich geh ... ins Lehrerzimmer ... fragen."
"Danke."
Dort gibt mir ein Mathematikkollege eine Einführungsvorlesung in Sachen reelle Zahlen und schreibt mir eine halbe Seite voll mit diversen Beispielen.
Zurück in der Klasse umringt mich sofort ein Dutzend neugieriger Schülerinnen. Ich erkläre stolz:
"2,64 ist eine rationale Zahl, weil die nicht sichtbare Null dahinter periodisch ist."
"Sag ich ja", ätzt Superschlau-Tanja.
"Und warum habt ihr ins Heft das Gegenteil geschrieben?"
Achselzucken.
Dedektivisch komme ich dem Rätsel auf die Spur:
Die Kinder mussten selbständig Wurzelrechnungen lösen und entscheiden, ob die Ergebnisse rational oder irrational sind. Bei Wurzel aus 6 waren zu viele Stellen hinter dem Komma, also haben sie auf 2,64 gerundet und dann entschieden: Rationale Zahl.
Falsch.
"Völlig verkehrter Ansatz, Leute. Gerade wenn hinter dem Komma so ein mathematischer Müllhaufen steht, dann handelt es sich um irrationale Zahlen."
"Mathematischer Müllhaufen? Das verstehe ich", jubeln die Zuhörer.
"Also, wenn keine Periodizität zu erkennen ist", will ich mich verbessern.
"Neee. Müllhaufen!"
teacher - am Montag, 9. November 2009, 20:10
Es gibt Menschen, die halten Hamburger mit Pommes für gutes Essen.
Sie finden Cola geil undPopups Alkopops cool.
Diese Menschen ziehen neonfarbene T-Shirts an und setzen bunte Kappen auf, um Stil zu zeigen.
Sie schauen RTL, um sich gut zu unterhalten, lesen Bravo, um sich zu informieren und spielen Ballerspiele, um sich zu entspannen.
Es gibt Menschen, die halten Sternchen für Stars und kreischen vor Begeisterung bei Tokyo Hotel und DSDS.
Sie würden bedenkenlos populistische Rechtspolitiker zu Präsidenten wählen.
Wie tragisch ist es, wenn diese Menschen die heutige Schule ablehnen?
Oder:
Dürfen wir diesen Menschen die Entscheidung überlassen, was gute Schulen leisten sollen?
Und:
Können diese Menschen Lehrer beurteilen?
P.S.: Das Verkehrsrecht nimmt sie vom Vertrauensgrundsatz aus, das Strafrecht gesteht ihnen mangelnde Reife zu - wie viel Verantwortung können wir ihnen im Schulrecht übertragen?
Sie finden Cola geil und
Diese Menschen ziehen neonfarbene T-Shirts an und setzen bunte Kappen auf, um Stil zu zeigen.
Sie schauen RTL, um sich gut zu unterhalten, lesen Bravo, um sich zu informieren und spielen Ballerspiele, um sich zu entspannen.
Es gibt Menschen, die halten Sternchen für Stars und kreischen vor Begeisterung bei Tokyo Hotel und DSDS.
Sie würden bedenkenlos populistische Rechtspolitiker zu Präsidenten wählen.
Wie tragisch ist es, wenn diese Menschen die heutige Schule ablehnen?
Oder:
Dürfen wir diesen Menschen die Entscheidung überlassen, was gute Schulen leisten sollen?
Und:
Können diese Menschen Lehrer beurteilen?
P.S.: Das Verkehrsrecht nimmt sie vom Vertrauensgrundsatz aus, das Strafrecht gesteht ihnen mangelnde Reife zu - wie viel Verantwortung können wir ihnen im Schulrecht übertragen?
teacher - am Dienstag, 3. November 2009, 13:09
Die neuen Schulbücher versuchen, politisch korrekt zu sein. Eines der Fotos zeigt daher einen jungen Nordafrikaner, der seinem Cousin aus einer orientalischen Zinnkanne Tee einschenkt.
Für mich kein aufregendes Detail, es ist mir nicht einmal aufgefallen.
Nadine, 16:
"Ha, was ist denn das?"
Sie kann es nicht fassen, dass zwei Jugendliche gemeinsam Tee trinken.
"Was ist denn das für eine öde Kanne?"
"Wahrscheinlich Marokko", erkläre ich kurz.
"Und der andere? Warum hat der so ein kleines Glas?"
"Tee trinkt man dort aus Gläsern, nicht aus Tassen oder Häferl."
Sie finden die Szene irgendwie lächerlich, also frage ich:
"Wie würde das bei euch ausschauen?"
"Ein Zwanzigjähriger und ein Sechzehnjähriger? Die würden bei einem Bier sitzen! Aber nicht zuhause auf einer Couch, sondern in einem coolen Lokal."
Mein Interpretationsohr hört zwischen den Zeilen: "Tee auf der Couch? Das ist armselig, schwul, kindisch."
Ich erzähle von der Kultur des Teetrinkens in orientalischen Basaren. Heiß. Süß. Geschmack. Gastfreundschaft. Gespräche. Zeit.
"Können wir das nächste Stunde machen?", fragt die Nachbarin interessiert.
"Schon klar, dass ihr lieber Tee mit mir trinkt als Übungen zu schreiben," blocke ich ab.
"Oder vielleicht vor Weihnachten", kommt ein Kompromiss.
Tja, Ich werde sie wohl einladen müssen.
In der Schule habe ich nicht einmal heißes Wasser. Natürlich keinen Tee, keine Gläser, keinen Zucker, keine Löffel. Wir sind ein ödes Amt. Ich werde einkaufen gehen, Becher besorgen, Kekse dazu, abwaschen ... mein (finanzielles) Privatvergnügen.
Weil das Buch so politisch korrekt ist. Nicht aber die Schule.
Für mich kein aufregendes Detail, es ist mir nicht einmal aufgefallen.
Nadine, 16:
"Ha, was ist denn das?"
Sie kann es nicht fassen, dass zwei Jugendliche gemeinsam Tee trinken.
"Was ist denn das für eine öde Kanne?"
"Wahrscheinlich Marokko", erkläre ich kurz.
"Und der andere? Warum hat der so ein kleines Glas?"
"Tee trinkt man dort aus Gläsern, nicht aus Tassen oder Häferl."
Sie finden die Szene irgendwie lächerlich, also frage ich:
"Wie würde das bei euch ausschauen?"
"Ein Zwanzigjähriger und ein Sechzehnjähriger? Die würden bei einem Bier sitzen! Aber nicht zuhause auf einer Couch, sondern in einem coolen Lokal."
Mein Interpretationsohr hört zwischen den Zeilen: "Tee auf der Couch? Das ist armselig, schwul, kindisch."
Ich erzähle von der Kultur des Teetrinkens in orientalischen Basaren. Heiß. Süß. Geschmack. Gastfreundschaft. Gespräche. Zeit.
"Können wir das nächste Stunde machen?", fragt die Nachbarin interessiert.
"Schon klar, dass ihr lieber Tee mit mir trinkt als Übungen zu schreiben," blocke ich ab.
"Oder vielleicht vor Weihnachten", kommt ein Kompromiss.
Tja, Ich werde sie wohl einladen müssen.
In der Schule habe ich nicht einmal heißes Wasser. Natürlich keinen Tee, keine Gläser, keinen Zucker, keine Löffel. Wir sind ein ödes Amt. Ich werde einkaufen gehen, Becher besorgen, Kekse dazu, abwaschen ... mein (finanzielles) Privatvergnügen.
Weil das Buch so politisch korrekt ist. Nicht aber die Schule.
teacher - am Mittwoch, 28. Oktober 2009, 11:25
"Tausend Mal gerührt, nie ist was passiert."
Ich habe tausend Schwächen der Schule angeprangert, seit Monaten suche ich die größte Untiefe des Systems.
Zwei Geographielehrer:
"In der Bibliothek stehen zwei neue Werke zur Stadtgeographie - hast Du sie schon gesehen."
"Ja, ich habe schon herumgeblättert ... aber was soll's."
"Ich will mich da auch nicht mehr durchquälen."
Zwei Spanischlehrer:
"Bist Du in der 7.Klasse mit den Pronomen schon fertig?"
"Ich hab das jetzt sieben Mal erklärt, jetzt müssten sie das doch kapieren!"
"Es ist eine Katastrophe. Ich glaube, sie würden's schon verstehen, aber sie üben's nicht. Hier haben wir keine Zeit mehr ... und zuhause, alleine wollen sie nicht."
"Sie sehen keinen Sinn darin. Für die Matura lernen? Wofür sonst?"
Zwei Unidozenten:
"Mit dem Bolognasystem wird alles verschult. Die Studierenden kommen bis zum Bachelor nicht mehr zum Schnaufen."
"... schon gar nicht mehr zum kritischen Reflektieren. Das ist kein akademisches Studium mehr."
"Und wir füllen jedes Semester zwanzig neue Formulare aus ... und das Mitspracherecht in den Gremium haben sie auch ausgehöhlt."
Was macht unser Bildungsystem so krank, dass sich die Betroffenen völlig davon abwenden? Richtig abgestoßen fühlen. Verzweifeln.
Das Hauptproblem: Motivation. Fehlende Motivation.
Mir ist eines klar geworden: Wenn wir SchülerInnen und LehrerInnen nicht motivieren können, dann geht die Bildung den Bach hinunter. Reformen hin oder her.
Nass sind wir schon.
Ich habe tausend Schwächen der Schule angeprangert, seit Monaten suche ich die größte Untiefe des Systems.
Zwei Geographielehrer:
"In der Bibliothek stehen zwei neue Werke zur Stadtgeographie - hast Du sie schon gesehen."
"Ja, ich habe schon herumgeblättert ... aber was soll's."
"Ich will mich da auch nicht mehr durchquälen."
Zwei Spanischlehrer:
"Bist Du in der 7.Klasse mit den Pronomen schon fertig?"
"Ich hab das jetzt sieben Mal erklärt, jetzt müssten sie das doch kapieren!"
"Es ist eine Katastrophe. Ich glaube, sie würden's schon verstehen, aber sie üben's nicht. Hier haben wir keine Zeit mehr ... und zuhause, alleine wollen sie nicht."
"Sie sehen keinen Sinn darin. Für die Matura lernen? Wofür sonst?"
Zwei Unidozenten:
"Mit dem Bolognasystem wird alles verschult. Die Studierenden kommen bis zum Bachelor nicht mehr zum Schnaufen."
"... schon gar nicht mehr zum kritischen Reflektieren. Das ist kein akademisches Studium mehr."
"Und wir füllen jedes Semester zwanzig neue Formulare aus ... und das Mitspracherecht in den Gremium haben sie auch ausgehöhlt."
Was macht unser Bildungsystem so krank, dass sich die Betroffenen völlig davon abwenden? Richtig abgestoßen fühlen. Verzweifeln.
Das Hauptproblem: Motivation. Fehlende Motivation.
Mir ist eines klar geworden: Wenn wir SchülerInnen und LehrerInnen nicht motivieren können, dann geht die Bildung den Bach hinunter. Reformen hin oder her.
Nass sind wir schon.
teacher - am Samstag, 24. Oktober 2009, 13:21
Ich wollte mal eine Schülerin direkt zu Wort kommen lassen.
Hier das Originalmail:
guten abend Herr Prof!
dachte bei dem video an Sie, hoffe es gefällt Ihnen!
l.g .....
hier unten ist der Link:
http://www.global2000.at/site/de/aktivitaeten/klima/kopenhagen/article-video.htm
Auf solche Mails bin ich irgendwie stolz ...
Hier das Originalmail:
guten abend Herr Prof!
dachte bei dem video an Sie, hoffe es gefällt Ihnen!
l.g .....
hier unten ist der Link:
http://www.global2000.at/site/de/aktivitaeten/klima/kopenhagen/article-video.htm
Auf solche Mails bin ich irgendwie stolz ...
teacher - am Mittwoch, 21. Oktober 2009, 18:52
Viele Kinder, vor allem die kleineren, wollen nach jeder bewerteten Stundenwiederholung wissen, welche Eintragungen ich mache.
Ein Zehnjähriger, der die Umstellung von der Volksschule noch nicht ganz vollzogen hat, stellt mich beim Klassenausgang:
"Herr Lehrer? Wie viele Minus hab' ich schon?"
"Du hast schon mehrere Plus, aber auch zwei Minus. Aber nichts dazwischen. Wie erklärst Du dir das?"
"Je nachdem, wie ich ausgeschlafen bin!"
"Und wovon hängen deine Noten sonst noch ab?"
"Vom Frühstück."
"Ja. Und sonst?"
" Hmmm ... ob ich gut aufgelegt bin ... oder schlecht drauf."
Ich muss nachhelfen, ich will in die Pause gehen:
"Und vom Lernen zuhause, oder?"
Der Jüngling schaut mich groß an und ich lese in seinen Stirnfalten:
"Was meint der böse Mann mit Lernen? Zuhause?"
Ein Zehnjähriger, der die Umstellung von der Volksschule noch nicht ganz vollzogen hat, stellt mich beim Klassenausgang:
"Herr Lehrer? Wie viele Minus hab' ich schon?"
"Du hast schon mehrere Plus, aber auch zwei Minus. Aber nichts dazwischen. Wie erklärst Du dir das?"
"Je nachdem, wie ich ausgeschlafen bin!"
"Und wovon hängen deine Noten sonst noch ab?"
"Vom Frühstück."
"Ja. Und sonst?"
" Hmmm ... ob ich gut aufgelegt bin ... oder schlecht drauf."
Ich muss nachhelfen, ich will in die Pause gehen:
"Und vom Lernen zuhause, oder?"
Der Jüngling schaut mich groß an und ich lese in seinen Stirnfalten:
"Was meint der böse Mann mit Lernen? Zuhause?"
teacher - am Samstag, 17. Oktober 2009, 12:30