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cotopaxi

 
Kennst Du den Ort wo keiner lacht
Wo man aus Menschen Idioten macht,
wo man vergisst Lust und Tugend,
das ist die Schule - Grab der Jugend!!


Genau so steht es auf der Tafel.
Ein Mädchen in der ersten Reihe deutet mir energisch, mich endlich umzudrehen, um der poetischen Großtat Beachtung zu schenken.
Also lese ich und frage:
"Wer hat denn das geschrieben?"
An Stelle einer Antwort kommt ein Angebot:
"Soll ich die Tafel löschen?"
"Nein. Woher hast Du das Gedicht?"

Sie schlägt ihre Schulmappe auf. Erste Seite, hübsch verziert.
"Das hat mir meine Mutter hinein geschrieben."

"Aha ... was haben wir sonst noch zu erledigen?"

Was soll ich davon halten? Welche Botschaft habe ich aufzuarbeiten? Die Mitschüler reagieren unaufgeregt, gehen anstandslos zum Alltag über. Da mache ich mit.

Bloß: Am Nachmittag kommen diese Gedanken wieder hoch und ich sitze grübelnd am Schreibtisch. Bis ich mir ein gütliches Ende anbiete:
"Denk an die Bergpredigt: Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich."
Wer sich zu viele Gedanken macht, der kommt nicht mehr zum Leben. Viele Lehrer haben ihre Lektionen gelernt:
1. Nimm keine Probleme mit nach Hause.
2. Take it easy.
3. Denk nicht zu viel nach.

Also Ende.

(P.S.: So ähnlich stelle ich mir auch meinen allerletzten Blogeintrag vor: Aus Einsicht unaufgeregt den Griffel abgeben. Aus.)

Schönen Urlaub, schöne Ferien, Danke fürs Mitlesen und Kommentieren.

"Willst Du ein Stück Apfelstrudel?"
"Gerne! So fängt ein guter Morgen an .... Hast Du ihn selbst gemacht?"
(Mit dieser Frage kann man moderne KollegInnen ärgern.)
"Geh! Selber gekauft!"
"Hast Du was zu feiern?"
"Nein. Aber heute kommen zwei Australier in meine Klasse. Denen will ich ein bisserl Österreich anbieten. Dafür unterhalten sie meine Klassen auf Englisch."
"Woher kennst Du die?"
"Aus dem Urlaub. Das sind zwei Lehrer aus Brisbane, die habe ich unten getroffen ... und ich hab' sie halt eingeladen."
"Zu dir? Oder in die Schule?"
"Da ist kein Unterschied!"

Das stimmt hundertprozentig: Das Privatleben der Lehrer verschränkt sich in starkem Maße mit ihrem Beruf. Natürlich verbringen die Englischlehrer ihre Ferien gerne in anglophonen Gefielden, natürlich schließen sie Freundschaft mit Amerikanern oder Australiern, natürlich laden sie ihre Bekannten in die Schule ein. Lehrer ist man 24/7 - oder gar nicht.

"Danke für den Strudel."
"War ein Geschäftsessen!"
Ich schrecke zusammen: "Hat den Apfelstrudel leicht der Chef bezahlt?"
"War nur ein Scherz."
Wenn wir Leute einladen, dann zu unserem Privatvergnügen!
Nur seriöse Geschäftsleute haben Spesen. Rechnungen. Abschreibungen.

Am frühen Morgen entsteht das Bild: Ein Stau vor der Schule ärgert alle Ankommenden. Aus den Volvos, Audis und Toyotas springen Kinder und laufen in die Schule.
Draußen weht ein kühler Nordwind, drinnen herrscht warme Sicherheit.
Eine Kollegin lacht hell auf:
"Wenn sie schon sont nichts machen, wenigstens warm und sicher haben sie's."
Aus den Schulen sind Sozialgaragen geworden. Die Eltern parken ihre Nachkommen in den ehemaligen Lehrinstituten und huschen an ihre Arbeitsplätze. Die Wirtschaft freut sich, weil die Arbeits- bzw. Einkaufskraft ohne Ablenkung zur Verfügung steht. Der ökonomische Arm der Maschinerie funktioniert.
"Wir müssen den schulischen Nachmittagsbereich ausbauen", verkünden sogar Politiker, die man der christlich-sozialen Reichshälfte mit dem plakatierten Familiensinn zuordnet. Kinder stören die Maschinerie.
Wie lange wollt ihr Kinder in anonyme, herzlose Betonhallen stecken, die für Physikunterricht aber nicht für Freizeitgestaltung errichtet wurden?
Sagen wir es offen: Die Wirtschaft verlangt es. Flexible Arbeitszeiten brauchen entsprechende Rahmenbegingungen, also Sozialgaragen rund um die Uhr, möglichst auch samstags und sonntags. Und mitten im Hochsommer!

Wir werden reicher und unglücklicher.
... auf Kosten vereinsamter Kinder.

Euer Tankwart.

P.S.: Sonderangebot des Schulbuffets - Pommes rotweiß mit Cola Euro 2,20.

Was heißt "Spiele" auf türkisch?
Die Schüler meiner dritten Klasse wissen das alle, obwohl ein einziges Mädchen anatolischen Wanderungshintergrund aufweist, also türkisch spricht.

Warum das alle wissen?
Weil sie türkisch mit ihr spielen wollen?

Wirklich nicht, das hoffen vielleicht ein paar rosarote Sozialromantiker. Die Erklärung ist viel komplexer und vom Computer vorgegeben.

Was machen Kinder, wenn sie vorm Computer sitzen?

Lateinvokabel lernen?
Satellitenbilder interpretieren?
Arbeitsblätter ausfüllen?


Nur, wenn sie dazu gezwungen werden.

Und sonst?
Chatten.
Videos gucken.
mp3 downloaden.

Und: spielen, spielen, spielen.

Welche Suchbegriffe und Seiten hat der Systemadministrator im Schulnetz gesperrt? Raten Sie mal.

Deshalb lernen die Kinder drei Worte Türkisch: games auf türkisch, slut auf türkisch, chat auf türkisch. Falls der Administrator das eines Tages erfahren sollte (hier hätte er die Chance!), gibt es noch zig andere Sprachen, die jeder Oneline-Übersetzer anbieten kann. Das Netz lässt sich (so) nicht sperren.

Ein Katz-und-Maus-Spiel, mit 1000 flinken Mäusen und einem dicken Kater.

In der Mitte des Spielplatzes steht ein zehn Meter hoher Metallpfosten, der nach allen Seiten mit bunten Seilen spinnennetzartig abgespannt ist. Das ist mein heutiges Ziel, nachdem eine Kollegin überraschend "erkrankt" ist. Die letzten Unterrichtsstunden sinnvoll zu füllen, das ist oft anstrengender als man denkt.

"So, um halb 12 Uhr treffen wir uns wieder bei diesem Eingang. Nicht zum Wasser gehen ... und passt auf den Seilen auf."

Fünfundzwanzig Kinder um die zehn Jahre stürzen mit Geheul auf die Spinne. Ich beobachte, wer wie schnell wo seine Markierung setzt. Ganz vorne platzieren sich Matthias und Berti, sehr wendige und sportliche Typen, aber sie werden von Super-Sonja eingeholt. Sie besetzt die Spitze und beginnt gleich das Gerät ordentlich durchzuschütteln, bis die ersten ängstlich "Hör auf!" schreien.

Ich kremple meine Ärmel auf und wage mich in die Seile. Auf halber Höhe bietet mir Nina ihren Ausguck an: "Wir rücken zusammen." Aber ich will ganz nach oben, um einschätzen zu können, wie stabil das Kletternetz in der Höhe hält.

"Der Gernot kann nicht mehr atmen!", höre ich just, als ich bei Sonja oben angelangt bin und drehe sofort um. Gernot sitzt blass auf einer Gartenbank und hört den Mädchen zu, die mir die Erklärung liefern:
"Der Rudi ist der Anstifter! Der Rudi hat gesagt: "Das ist die Aufnahmeprüfung!""
"Gernot, tut dir was weh?"
Die Mädchen: "Der Rudi hat einen Überschlag gemacht."
Ich schaue mir die Arme von Gernot an und drücke auf seinen Brustkorb, wo noch der braune Staub auf seinem T-Shirt klebt.
"Sind Sie Arzt?", fragt (m)eine(!) Schülerin.
"Ich habe Erste-Hilfe-Kurse gemacht."
Endlich kommt auch Gernot zum Reden:
"Nein, geht schon."

Der Rudi hat wieder einmal seine Schläue ausgespielt und mit dem Sturzpiloten Gernot getestet, ob die Hängematte zum Durchdrehen ist. Ergebnis: Es funktioniert, allerdings fällt die Besatzung unsanft auf den Boden. Deswegen ist Rudi verschwunden, als die Mädchen Alarm geschrieen haben und der gutmütige Gernot um Atemluft gerungen hat.

Ich kann mich wieder dem Kletterturm zuwenden, der inzwischen an Attraktivität verloren hat. Die oberen Plätze sind frei geworden und die zweite Riege wagt sich an den Aufstieg. Ganz unten - räumlich und soziologisch - turnen allein und ruhig ein scheues Mädchen aus Bangladesh und eine Schülerin mit Sprachbehinderung. Die zwei übergewichtigen Burschen tippen ím Schatten auf ihren Gameboys herum.
"Purer Hühernhof", denke ich und versuche das (hyper)aktive Alpha-Huhn Rudi und das geschockte Omega-Huhn Gernot nicht mehr aus den Augen zu verlieren.

Im Kopf zeichne ich ein vierdimensionales Soziogramm. Hier am Mast erkennt man sofort, welche Rollen die Kinder in der Klasse spielen. Wer dominiert und wer ausführt, wer wann welche Position besetzen darf: Ein 4D-Soziogramm mit einem Verlierer.
Hauptsache, er atmet wieder.

Jetzt gehören wir endlich ganz dazu.

Da ich 1997 Gäste aus Frankreich zu Besuch hatte, traf es mich nicht ganz unvorbereitet. Eine Französisch-Kollegin hatte einen Schüleraustausch mit Toulouse organisiert und ich durfte die Gourmets zum Wiener Heurigen begleiten. Nach drei Stunden bei Blutwurst und Veltliner verabschiedeten mich die (praktisch) unbekannten Südfranzösinnen mit herzlichen Bussis: links- rechts - und noch einmal links.

Ein wild geküsster Lehrer - das gefiel unseren SchülerInnen ausnehmend gut.

Vor drei Jahren war ich in die feine Wiener Innenstadt geladen, eine Nichte feierte im barocken Rahmen einer sponsernden Großbank ihren Abschied vom Gymnasium: Bussi-Bussi von der Lehrerin für alle reif erklärten Jugendlichen. Auf offener Bühne. Beeindruckend, bei uns "am Dorf" war so viel grüßende Körpernähe zu den SchülerInnen noch nicht angekommen.

Im Jahr darauf, bei der Verabschiedung "meiner" Klasse, begnügte ich mich auf der Festbühne mit freundlichen Worten, einem kleinen, privaten Geschenk und einem festen Handschlag. Nach der feucht-fröhlichen Feier im Bierkeller aber konnte ich es nicht lassen: "On se fait la bise" habe ich bei den Franzosen gelernt und allen (Mädchen) vorgeschlagen. Eine Überraschung.

Das änderte sich schnell. Heuer lud mich die Verwandschaft wieder zu einer Maturafeier und ich beobachtete gespannt, wie die Klassenvorständin ihre Abiturienten ins ländliche Leben schickte: Küssend bei allen Mädchen ... und bei wenigen (auserwählten?) Burschen. Die anderen wurden mit einem warmen Händedruck zufrieden gestellt.
"Hmmm ..." dachte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.

"Muss das sein?", dachte angewidert ein Schüler aus Ostasien, der schon beim händischen Grüßen unangenehme Nähe verspürte. Eine Kollegin überwand tapfer seinen Widerstand und drückte ihn beherzt an sich. "Pfff...."

Behaupten Sie nicht das Gegenteil - früher war alles einfacher! Man küsste (s)eine Freundin, man grüßte seine(n) Lehrer(ohne -In) ... und Chinesen wohnten in China.

Ich stehe im Halbrund eines Hörsaales, merkwürdigerweise sitzen meine Fünfzehnjährigen in den aufsteigenden Rängen.

Es klopft an der Türe, aber niemand tritt ein. Ich gehe hin, öffne und stehe vor einer Wand von schwarz verkleideten, gesichtslosen Leibern. Ich sehe nur dunkle Gestalten, rote Verbrämungen und weiße Zähne. Draculas, Vampire, Zauberlehrlinge. Sofort verstehe ich das Spiel - es muss sich um meine SchülerInnen aus dem Vorjahr handeln, die ein seltsames Ritual abspulen.
Sie drängen mich rückwärts in den Saal und ringen mich zu Boden. Eine Gestalt löst sich aus der makabren Masse, umfasst mit beiden Händen meinen Hals und würgt mich schmerzlos zu Tode. Ich folge einer unausgesprochenen Regie und stelle meine Atmung ein.
Um mein bleiches Gesicht wallen schwarze Mäntel, aus der Anonymität packt mich eine Hand ... hart am Gemächt.

Ich wache auf ... und spüre ein tiefes Verlangen nach Ferien.

All meine Interpretationsversuche enden in einer Idee: Dieser Job saugt mich aus, frisst mich auf, verfolgt mich bis in die letzten Ecken meiner Existenz.

Und er gibt mir unzählige Rätsel auf.

Sechste Stunde, ich schleppe Sudokus in die Klasse, fahre aber eine saftige Abfuhr ein: "Zu anstrengend!"
"Was wollt er denn?"
Neben den gängigen Maoam-Sagern (Werbung wirkt!) kommt die Erlösung: "In den Park! Sogar die Lateiner sind rausgegangen."

Es ist heiß, an Unterricht ist nach der Notenkonferenz nicht zu denken, die einzige reale Alternative hieße Eissalon. Wir marschieren im Schatten der Häuser zur nächsten Grünfläche, wo ein Rasensprenger für nasse Abkühlung sorgt.

Unter den Bäumen fangen die Kinder ihre Gimmicks aus den Taschen und wetteifern um Aufmerksamkeit.

Bushido, klar. Laut und frech.
Ich schaue aufs nächsten Handy-Display.

"Was ist das?"
"Umbrella!"
Nie gehört, ich überlege, reagiere nicht sofort.
"Das heißt "Regenschirm" auf deutsch."
"Aha. Ist das eine Gruppe?"
"Nein, ein Lied von Rienna."
"Wie?"
"Schauen Sie: Rihanna. Die müssen Sie kennen. Sie werden sabbern. Die läuft eh ständig auf MTV."
"Heißt das, du sabberst vor dem Fernseher?"
"Ja, sicher, alle. Drum braucht sie ja einen Regenschirm."

Inzwischen sind die Mädchen zum Spielplatz gelaufen und verdrängen die Kleinkinder von Schaukeln und Klettergerüsten. Mit dreizehn Jahren schauen sie aus wie junge Damen, spielen aber wie kleine Kinder: Haare fliegen und Röcke auch.

Während ihre männlichen Klassenkameraden Bushidos Gewaltorgien hören und vor Rihanna sabbern.

Ich schaue mir den Clip an und mache mir richtig Sorgen:
Ich sabbere nicht.

Rihanna - Umbrella

"Kannst Du mich umarmen?", frage ich einen Kollegen, der noch frisch und munter wirkt.
"???"
"Ich brauche eine Abkühlung!"
"?????"
"Hier herinnen hat es mindestens 45 Grad. Selbst wenn du hohes Fieber hast, könntest Du mich abkühlen!"

Die Sonne brennt heiß auf das metallene Schuldach und wir brüten in elendslangen Klassenkonferenzen über den Noten unserer Schüler. Besondere Beachtung fordern die Betragensnoten.

"Ich beantrage ein Wenig zufriedenstellend für D.H.: Er ... ja, er furzt absichtlich ... also laut und ... ihr wisst schon, unangenehm."
"Deshalb hat ihm der I.L. auch mit der Faust ins Gesicht geschlagen."

"Hmmm," denken viele, "eine natürliche Abwehrreaktion. Recht geschieht ihm."
Sagt aber keiner, wir sind Pädagogen, gegen rohe Gewalt.
"Also gleicher Antrag auf Wenig zufriedenstellend für I.L."

Wir heben die Hände, keine Gegenstimmen, beide verdienen eine schlechte Betragensnote: 3.
War das früher eine Schande, irritiert das heute keine Sau ... In unseren Abschlusszeugnissen (4. und 8.Klasse) dürfen diese Bewertungen überhaupt nicht mehr aufscheinen, sie haben jeglichen Wert verloren.

"Was haben die in 4 Jahren Volksschule gelernt?", geht der Vorwurf direkt an die Grundschullehrer, die sich nicht wehren können.

Der Klassenvorstand ("Wie habe ich das verdient?") setzt sich zum Computer und tippt die Resultate in die Programmmaske. [Ich mag das Wort!]
"Furzen kann ich doch nicht eintragen, oder?"
"Produziert Winde ... nein ... flatuliert!", kommen Vorschläge aus dem Hintergrund.
"Aber das klingt zu harmlos!"

"Wie sollen wir solche Kinder bloß erziehen?" stößt ein Betroffener (er wirkt so) nach.
Großes Schweigen - wir wissen keine Antworten.
"Also, wenn das nicht in den ersten Lebensjahren passiert ..."
So, das hätten wir auch geklärt.

"Das war's."

So darf eine gelungene Präsentation nicht enden. So nicht.
"Schade, inhaltlich perfekt, die Folien übersichtlich, gut in der Zeit, aber dieses Ende ... nee!"

Gestern präsentierte sich die Schule mit einem ähnlich misslungenen Abgang.
"Feierliche Verabschiedung der Maturanten" stand auf der schlecht kopierten Einladung.
1. Ausrede: "Der Kopierer hatte nicht mehr genug Toner."

Der Festsaal füllt sich weit über die letzten Sitzreihen hinaus, in den Gängen drängen sich die geladenen Gäste: Eltern, Absolventen, Lehrer. Die Luft steht, der Schweiß rinnt - niemand öffnet die Oberlichten. Da müsste man über die Bühne klettern, um zu den Schaltern zu gelangen. Oder quer durch den überfüllten Saal stolpern.
2. Ausrede: "Was hat sich der Architekt bei diesem Betonkasten gedacht? Im Winter kalt, im Sommer heiß."

Der Direktor hält seine obligate Rede, kurz und bündig. Dann folgt das erste Lied. Eine mittelmäßig begabte Vorstellung, das Publikum leidet mit.
3. Ausrede: "Die Musiklehrer haben mir alle einen Korb gegeben - keiner wollte sich das antun."

Dann marschieren die frisch gekürten Maturanten über die nackte Bühne und die Klassenvorstände verteilen die Zeugnisse. Händedruck, ein paar nette Worte. Freundlicher Applaus für die Auszeichnungen und guten Erfolge.
4. Ausrede: "Wir haben kein Budget für Blumen oder kleine Geschenke."

Der Höhepunkt scheitert an der Technik, der Beamer springt nicht an. Herumgeschraube, Windows-Jingle, Unruhe und Nervosität im Saal. Schließlich: Improvisierte Programmänderung. Wie zum Hohn schreien singen die Kinder "We are the champions."
5. Ausrede: "Für die Technik des Festsaals ist niemand zuständig."

Der dritte Klassenvorstand macht sich an die Arbeit und demonstriert, dass ihm seine Absolventen keine vorbereitete Rede Wert sind. Halblustiges Gestammel statt berührender Worte. Unverbindliches Lächeln auf allen Seiten.
6. Ausrede: "Die haben mir den letzten Nerv gekostet ... und jetzt soll ich sie hoch leben lassen?"

Ein letztes Lied begleitet die Geladenen in den Schulhof. Gezählte zwei Lehrer gesellen sich zu den Eltern und Schülern und ertränken die Vergangenheit in billigem Prosecco.
7. Ausrede: "Uns hat ja niemand eingeladen."

So schaut kein gelungener Abschied aus. Ich mache meinem Unmut Luft und ernte böse Kommentare: "Du kannst es ja nächstes Jahr selber machen!" Killerphrase.

Eine Schule hat die letzte Chance verspielt, bei seinen Kunden in guter Erinnerung zu bleiben. Sie werden hinaus gehen und bestenfalls alles vergessen.

P.S.: An allen Ausreden ist was dran.

Die Noten stehen fest, liegen fest, kleben schon im Direktionscomputer.

Da kommt Alex mit dem Mitteilungsheft. Ein säuberlich ausgedruckter und mit akademischen Titel unterschriebener Text schaut heraus. Der Vater will das "Nicht genügend" seines Sohnes nicht wahrhaben: "Warum haben Sie mich nicht rechtzeitig informiert?"

Das Mitteilungsheft wandert mit einer kleinen Ergänzung zurück: "Bitte um rasche Vorsprache." Da der Vater noch eine weitere Prüfung für seinen Knaben erwirken möchte, stehen die Chancen gut, dass er sich in die Schule bemüht.

Er kommt schnell zur Sache. "Sie hätten mich doch frühwarnen müssen!"
Es ist zwar keine rechtliche Voraussetzung für eine negative Beurteilung, aber es wird von allen Seiten dringend angeraten, bei akuter Gefahr die Eltern schriftlich zu verständigen.

Der erfahrene Lehrer greift in seine Unterlagen oder holt sich die Kopie aus der Direktion: "Frühwarnung vom 22.12.2006."
"Ahhhh, darf ich sehen?"
"Natürlich. Das haben Sie doch selbst unterschrieben ..."
"Aha ... jaja..."
"Und die negative Note im Halbjahreszeugnis, die Fünfer auf allen Schularbeiten ... warum sind Sie nie in die Sprechstunde gekommen? Ich hatte einen Termin mit Ihnen!"

Das strenge Gesicht des Vaters zerbröselt, eine seelische Wunde klafft in seiner Mimik. Entweder er hat sich um die Leistungen seines Sprösslings niemals gekümmert oder dieser hat ihn gnadenlos hinters Licht geführt. Belogen, getäuscht, die Unterschrift gefälscht.

Mit Beschwerden wollte er drohen, sein Kind vorm Untergang retten, mit zerrüttetem Vertrauen und schweren Vorwürfen kehrt er nach Hause. Sogar einen Betrug muss er decken. Aua ...

Daher mein regelmäßiger Tipp vor dem Notenschluss: "Sagt euren Eltern schnell noch die ganze Wahrheit. Lieber fünf vor zwölf als zu spät. Lasst sie nicht ins offene Messer laufen ... das kann richtig weh tun."

Keiner fragt dann: "Wem?"

 

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