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cotopaxi

 
Quod erat demonstrandum. (Direkt aus "Latein für Angeber" ins Internet.)

Wir schicken gleich nach dem Konferenzbeschluss "Nicht zum
Aufsteigen berechtigt" eine Verständigung an die Eltern. Manche erwischen wir am falschen Fuß. Entweder sie haben bis zuletzt auf ein Wunder gehofft oder sie haben so ziemlich alles verdrängt.
Mutter I. pilgert in die Schule:
"Warum bekommt meine Tochter in Französisch einen Fünfer?", erregt sie sich.
"Irrtum. Sie bekommt in Latein einen Fünfer."
"Aber im Bescheid steht doch Französisch und Darstellende Geometrie ..."
Mutter I. hat den Rechtsbescheid nicht gelesen oder nicht verstanden. Französisch und DG spielen neben der negativen Note das Zünglein an der Waage. Dort konnte Tochter I. zwar mit einem "Genügend" positiv abschließen, aber die Lehrer sind der Meinung, dass sie auch in Französisch und DG Nachholbedarf hat. Der Konferenzbeschluss "Nicht Aufsteigen = keine Aufstiegsklausel" beruht daher nicht nur auf dem "Nicht genügend" in Latein, sondern wesentlich auf dem schwachen "Genügend" in Französisch und DG. "Schwache Genügend" dienen als Hinweis, dass keine freien Arbeitsreserven für totale Konzentration auf das negative Fach bestehen.

Umgekehrt: Wer in einem einzigen Fach negativ abschließt, sonst aber gute Noten im Zeugnis stehen hat, der darf mit der "Klausel" in die nächste Schulstufe aufsteigen. Er wird sich im folgenden Schuljahr auf seine Schwachstelle konzentrieren können, ohne in anderen Fächern in Gefahr zu geraten: "Leistungsreserven vorhanden."

Mutter I. wandert weiter, mit ihrem schwer gefährdeten Kind an der Hand: Latein!
"Sie muss eine Wiederholungsprüfung machen, im Herbst."
"Warum?"
"Sie ist negativ, sie muss erst nachlernen, was sie heuer versäumt hat. Sonst kann sie im nächsten Jahr gar nicht mitkommen, sonst fehlt ihr die Basis."
"Was soll ich lernen?", fragt die Tochter.
"Wie gesagt, es kommt eine Prosa-Stelle."
"Was ist Prosa?"
Mit dieser Frage untermauert sie naiv das negative Urteil:Q.E.D.

Mutter I. wandert und fragt weiter: DG ....

Von weitem sehe ich seine herzhaften Kaubewegungen, sie stören mich nicht. Es irritiert mich seine totale Konzentration auf das zweite Frühstück. Angestrengt über das Brot gebeugt fummelt er auf dessen Auflage, putzt die Radieschen, wie ich beim Näherkommen erkenne.
Hinter ihm wird fleißig gearbeitet, vor ihm ebenso.
Dann schreckt er in meinem Schatten zusammen, aus der Vertiefung hochgerissen: "Zvü Solz drauf", wirft er mir entschuldigend zu.
Ich lächle zurück, gehe weiter und schließe meine Nase von innen. Es stinkt erbärmlich.
Ich gehe zur Schule, der Fahrer des Müllwagens versinkt wieder in seinem Jausenbrot: "Mahlzeit!"

P.S.: Für außerösterreichische Leser:
"Zvü Solz drauf" heißt "Zu viel Salz darauf"
Jausenbrot = Gabelfrühstück

Letzte Schulwoche in Ostösterrreich.
Die Zeugnisse sind geschrieben, die Verständigungen über negative Beurteilungen laden zu Berufungen ein - deswegen warten wir fünf Tage vom Koma zum echten Ende des Schuljahres.

Die 3 F sitzt mit 7 Exemplaren in der Klasse. Sieben von 32, das macht weniger als ein Viertel der Schüler, die sich ins Institut bequemt haben.
Das Huhn-Ei-Problem: Die Schüler kommen nicht mehr, weil kein normaler Unterricht statt findet - es findet kein normaler Unterricht statt, weil keine Schüler kommen.

Bei den Kleinen greift der Klassenvorstand hart durch: "Es geht nicht an, dass ihr eurer Schulpflicht nicht mehr nachkommt."
Vorladungen, Vorsprachen und eine sofortige Konsequenz: Der Wienbesuch wird am Montag abgesagt, die Klasse wird mit normalem Unterricht versorgt. Also Unterricht als Strafe.

"Ich bin seit Jahren auf keine Maturafeier mehr gegangen", gesteht mir ein enttäuschter Kollege, "mein Bier trinke ich lieber mit Freunden."
Ich wollte der feierlichen Erosion Einhalt gebieten und habe mit meinen Absolventen gesprochen.
"Wann gelingt eine Feier?" stand fragend in ihren Gesichtern. Ich begann ganz vorne, weil es nötig war.
"Sucht einmal eine geeignete Location!"
"In der Schule?"
"Sicher nicht! Aber in der Umgebung. Damit wir alle gut hinkommen. Und achtet auf die Verkehrserschließung."
Sie machten sich auf die Suche. Ergebnis: Der kühle Kellerraum eines neu renovierten Gasthauses, reserviert für den speziellen Anlass, einladend und separiert.
"Gelungen!"
Schon kümmerten sich einige Ästheten um die Dekoration: Ein paar Blumen, ein paar Ballons, ein paar Fotos. Dezent und gemütlich.
"Exquisit!"
"Müssen wir einladen? Wir haben nur 300 Euro in der Klassenkasse."
"Erstens: Ausgefallene Einladungen entwerfen, schriftlich einladen, das ist Marketing! Zur heiklen Frage - Geld: Ich würde vorschlagen, dass ihr einen Teil der Kosten übernehmt, das ist bei uns so üblich."
Usancen tradieren.
"Zum Beispiel?"
"Bei der letzten gelungenen Feier haben die Schüler ein Buffet organisiert, die Hauptspeisen bestellt, die Nachspeisen selbst mitgebracht. Das gab der Sache was Persönliches!"
"Und die Getränke zahlt jeder selbst?!"
"Ja. So bleibt das Kampftrinken im Rahmen."
"OK, das machen wir auch."
"Vergesst das Wichtigste einer Feier nicht: Programm!"
"Essen, Trinken, Tratschen!"
"Nicht genug! Eine kleine Rede, ein kleines Spiel, ein paar kleine Erinnerungen, Späßchen ..."

Sie sind über sich hinausgewachsen. Sie haben Theater gespielt, herzlich und engagiert. Sie haben für jeden Gast ein kleines persönliches Souvenir im Stile einer Lotterie verschenkt, sie haben Musik ausgewählt, die keinen Altersunterschied erkennen ließ. Ich habe mit launigen Worten ihren Abschied versüßt und auf die geheimnisvolle Mitternachtseinlage gewartet.
Sie hatten ein Video gedreht und an die Leinwand gebeamt: Wir erinnerten uns an gemeinsame Erlebnisse, wir lachten über gewagte Scherze, wir bewunderten ihre Kreativität.

Heute war die Maturafeier zum Schulgespräch geworden: Sie haben sich übertroffen, sie haben neue Maßstäbe für Schulfeiern gesetzt. Wir triefen alle vor Stolz.
"Warum hast Du solches Glück mit Deiner Klasse?"
"Ich habe dem Glück ein bisschen nachgeholfen. Wir haben feiern gelernt."

Ich trete in den Klassenraum und komme ins "Death Valley". Hitze schlägt mir entgegen, die von einem Föhn im Vollrausch stammen müsste.
Diese Klasse erfreut sich das ganze Jahr toller Beleuchtung, hat aber im Sommer mörderisches Pech: Sämtliche Fensterflächen schauen nach Osten, der Sonne entgegen.

"Können wir auf ein Eis gehen?"
Ich lenke ab, stürze mich auf die Worte "können" und "dürfen". Auf solche Tricks steigen mir die erhitzten Fünfzehnjährigen nicht mehr ein. Wir einigen uns auf Halbe-Halbe: Ich bespreche ein paar Stoffreste aus dem abgelaufenen Schuljahr und keiner hört mir zu. Nicht einmal Video wollen sie schauen, auch das Monopoly-Turnier tangiert sie nur peripher. Eine halbe Stunde geht drauf.
EIS!
Der Direktor mag es nicht, wenn wir die letzten Stunden untätig verschenken, er mag es nicht, wenn sich Klassen unangemeldet entfernen. Wir schleichen uns beim Seitenausgang hinaus, wanken über die Hitze des Asphaltstreifens zum zweitbesten Eissalon der Stadt, der beste liegt zu weit entfernt.
Mich plagt das schlechte Gewissen, bis ich beim Salon die Schlangen sehe: Viele entspannte Kinder, dazwischen gestresste Lehrer.
Eis-Essen macht Stress.

Matti stellt uns vor unlösbare Aufgaben. Wir erklären seinen 11-jährigen Mitschülern, dass er besondere Probleme hat und deshalb besondere Verhaltensweisen zeigt.
Matti kämpft mit Eisenlinealen im Werksaal, rutscht mit 70 km/h durch die Schülerreihen und greift den Mädchen unter den Rock.
Matti ist verwarnt worden, Matti ist gerügt worden, Matti ist mit Ausschluss aus der Schule bedroht worden. Matti war bei der Psychologin und Matti wird behandelt.

Das alles freut Matti sehr.

"Tragen Sie mich doch ins Klassenbuch ein", fordert er die Biologielehrerin auf, die seine ständigen Eskapaden nicht mehr erträgt.

Wir verstehen Matti, wir reden auf ihn ein, aber sein Verhalten erschüttert ein geordnetes Zusammenleben im Klassen- und Schulrahmen bis in die Grundfeste.
Matti sucht die Aufmerksamkeit, weist mit allen Mitteln auf sein Ziel hin: Er will den alkoholkranken, gewaltätigen Stiefvater aus seiner Familie hinausekeln.
Mit Vorladungen, Rügen, Beschwerden helfen wir ihm dabei. Das freut ihn, seine Strategie geht auf.
Dafür nimmt er seine Mutter und seine Mitschüler in unerträgliche Geiselhaft. Stundenlange psychische Gewalt. Die Mutter ist am Kippen, sie erträgt die Spannungen nicht mehr, sie ist heillos überfordert.

Wir können keine Familientherapie ersetzen, wir können den Vater nicht erziehen ... und wir fürchten das Schlimmste für Matti und seine Klassenkameraden. Er gewöhnt sich an seine Rolle und seine Mitschüler auch. Selbst wenn er einst seinen Stiefvater entsorgt haben wird, seiner eingelernten Rolle wird er nicht mehr entschlüpfen können. Er wird Matti, der Wahnsinnige bleiben. Mit einem IQ, den ich auf 120 schätze.

Endlich ist die Zeit der nackten Beine und üppigen Dekolletés angebrochen, es ist warm geworden. In den Gängen und Klassen werden unsichtbare Laufstege aufgebaut und die hübschen Menschen zeigen ihre körperlichen Qualitäten.
Im vorigen Jahr habe ich eine pensionierte Dame eingeladen, um meinen zeigefreudigen Mädchen das Einmaleins der korrekten Arbeitskleidung zu erklären. Tags darauf fielen die Ausschnitte provokant tief aus, die Strings provokant farbig, die Blusen provokant durchsichtig. Sie verteidigen ihre so genannte FREIheit. Nicht immer subtil.
Vertauensselig wende ich mich an einen coolen Jungkollegen und frage ihn, ob ich vielleicht in der prüden Scheinwelt des vorigen Jahrhunderts verblieben bin.
"Nein", sagt er, "mir geht es genauso. Ich weiß schon nicht mehr, wo ich hinschauen darf, so nackt sitzen die Mädels in den Reihen."
Ich atme erleichtert auf, ich bin kein päderastisch veranlagter Sexmaniac, sondern ein Mann mit Augen und Bedenken.
Meine nächsten Schritte führen mich zur Deutschlehrerin meiner Klasse.
"Christine, bitte. Kannst du einmal ein ernstes Wort mit ihnen sprechen? Ich möchte mich als Mann hier nicht rauslehnen, aber drei, vier Mädchen ziehen sich unmöglich an ... oder aus. Das grenzt ja schon an puren Exhibitionismus!"
Christine versteht mich, stimmt mir zu, lehnt aber ab.
"Ich habe mir die Finger schon verbrannt. Die meinen, ich sag' das aus Eifersucht ... als Frau kann ich nur entsetzt den Mund halten."

Ich verstehe, keiner sagt was. Männer nicht, Frauen nicht, Eltern auch nicht. Wenn ein Direktor Grenzen ziehen will, steht er in der Zeitung.

Ich schreibe halt, HALT.

Lehrer sind vor allem Lehrerinnen und werden manchmal schwanger. Immer zum falschen Moment, bekanntlich gibt es für die moderne Frau von heute keinen guten Zeitpunkt zum Kinderkriegen.
"Kollegin S. darf nicht mehr prüfen, übernehmen Sie das bitte."
Solche Aufforderungen hören wir, wenn jemand aus dem Lehrkörper erkrankt oder für länger ausfällt. Noch nie habe ich dabei erlebt, dass der Tausch zu Ungunsten eines Schülers ausgegangen ist. Keiner von uns kennt die Lehrgewohnheiten und Inhalte seiner Kollegin so gut, dass er spielend deren Rolle übernehmen könnte. Sagt der Schüler: "Das haben wir nicht so genau durchgenommen", dann übergehen wir das Thema großzügig. Wir schauen in die Hefte und konsultieren das Klassenbuch, aber letztlich lässt man den Prüfling auch bei grobem Nichtwissen ungestraft davonkommen: "In dubio pro reo"

Im letzten Jahr kündigte sich das Ungeborene genau zur Maturazeit an. Die Physikerin hat die Klasse zwar über Jahre vorbereitet, aber die heiklen Endprüfungen werden von ihrer Kollegin abgehalten.

"Sie hat mir die Fragen gegeben und sogar die erwünschten Antworten dazu gekritzelt ... aber ganz geheuer ist mir die Sache nicht."
"Warum?"
"Zum Beispiel hier, bei der optischen Brechung, das hätte ich ganz anders berechnet."
"Aha."
"Oder da, da sollte nicht 9, sondern 0,9 herauskommen. Aber ich finde den Kommafehler nicht."
"Naja, Hauptsache was mit 9", behandle ich die Naturwissenschaft abfällig.
"Aussserdem ... ich kenne die Kandidaten gar nicht, die haben sich bei mir nicht einmal vorgestellt."
"Das ist taktisch ungeschickt, von ihnen. Aber ich werde sie zur Prüfung aufrufen und dabei kontrollieren, dass wirklich der richtige aufsteht."
"Gut, weil mich könnten sie total legen. Ich kenne kein einziges Gesicht aus dieser Klasse."

Innenschau und Aussenschau, größere Unterschiede kann es gar nicht geben.
Ich sitze im Nebenzimmer am Computer und tippe die Noten ein. Hinter mir warten zwei Kollegen auf meinen Arbeitsplatz und jammern sich ihr Leid von der Seele: Es ist Notenzeit, das Elend des ganzen Schuljahres wird sichtbar. Mütter weinen um Noten, Väter bemühen Anwälte, Schüler drangsalieren, Lehrer mauern oder knicken.
Draußen ist es schwül und drinnen wird die Stimmung unerträglich. Prüfungen und Noten erzeugen Druck und Leid - nicht nur bei Schülern, auch bei Lehrern. Manche - nicht wenige! - sind Ende Juni diesem Streß nicht mehr gewachsen.
Ich zeige beim Fenster hinaus und sage:
"Da draußen, die beneiden uns: Sicherer Job, Halbtagsarbeit, lange Ferien!"
Sie erzählen von zwei Kollegen, die in der letzten Woche zusammengebrochen sind.
Eine Dame im besten Alter mit 16 Maturakandidaten, also einer dicken Mappe mit Prüfungskopien, korrigierten Portfolios und Lernmaterial, kommt nicht zur Schule. Vorsitzender, Direktor und 16 Schüler warten, sie pendelt zwischen Badezimmer und WC. Dann erscheint sie, völlig bleich, und zieht Stunden an Prüfungen durch. Am besten Weg zum nächsten Zusammenbruch.
Am Vorabend hat eine gleichaltrige Kollegin beim Ausparken ein Moped umgestürzt, ihre Entschuldigung wurde milde belächelt: "Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren."
Es kann kein Zufall sein, dass ein dritter Kollege, praktisch zur gleichen Zeit, einen Lichtmasten touchiert: "Ich verstehe das nicht, so etwas ist mir noch nie passiert."

"Sie sind Schuld", höre ich eine aufgebrachte Mutter, "dass wir unseren Urlaub absagen müssen."
Ihr Sohn wurde vor vier Monaten "frühgewarnt", die Eltern zum Sprechtag im Herbst und nach dem Semesterzeugnis vorgeladen - ohne Echo. Jetzt, wo die negativen Noten feststehen, findet die Mutter in die Schule, um ihren Urlaub zu retten. Die Leistung des Sohnes interessiert sie einen warmen Kehrricht.
Außenstehende mögen lachen, aber der Schulschluss fährt uns tief in die Knochen. Viele kriechen am Zahnfleisch, die Härte des Jobs wird maßlos unterschätzt. Sogar belächelt.
Aber zum Schaden kommt oft der Spott.

Sie ist eine Furie, eine gefürchtete Prüferin. Trotzdem treten immer (auch) Kandidaten freiwillig bei ihr an. Warum bloß?
"Sie ist so berechenbar ... gewesen."
Ausnahmsweise sprechen wir nicht von Mathe, Latein oder Englisch, es geht um Geschichte! Kollegin Z. betreibt Geschichte wie ein Uhrwerk, sie möchte nicht wissen, warum Napoleon Krieg geführt und Europa erobert hat - "Das weiß ja wohl jeder" - sondern welche Feldzüge von welchen Adjutanten um welche Uhrzeit gestartet wurden. In welche Richtung und mit welchen Finten.
Die Schüler haben sich längst auf Z's Spinnereien eingestellt.
"Das alte Ägypten, die Entdeckungsreisen und die Weltkriege brauchst Du nicht lernen - das kennt wohl jedes kleine Kind", spekulieren sie zielgerichtet. Sie kennen die Details im Nahostkonflikt, die Habsburger mitsamt allen Nebenlinien und die Magna Charta in der Originalfassung. Damit lässt sich bei der Matura Eindruck schinden!
Verspekuliert.
Zwei von drei Kandidaten werden wir beim Wiederholungstermin wieder sehen, sie sind an den einfachsten Fragen gescheitert.
"Was wurde beim Wiener Kongress neu geregelt?"
"Die Entkolonialisierung Südamerikas."
"Hitlers Aufstieg zur Macht."
Kollegen und Vorsitzende wundern sich über das umfangreiche Nichtwissen der historischen Spezialisten. Kollegen und Schüler wundern sich über die simplen Fragestellungen von Z.
"Zu tief angesetzt. Mit so einfachen Fragen haben wir nicht gerechnet."

Ich suche die Hintergründe und werde fündig: Kollegin Z. will im Herbst auf Kur gehen, ihr Bewegungsapparat schreit nach Behandlung. Deshalb möchte sie Wiederholungsprüfungen im Herbst möglichst vermeiden ... und stellt unerwartet einfache Fragen, zur Sicherheit.
Für die Kandidaten zu bescheiden, deren Antworten echt peinlich. Im Herbst treffen sie einander wieder, nicht in Bad Schallerbach, sondern am grünen Prüfungstisch. Z. ist am Boden zerstört, in ihrer Wut wird sie nach den Ferien wieder knochenscharfe Fragen formulieren. Und die Kandidaten werden brillieren.
Komische Welt.

Die Türe geht auf, Kollegin P. tritt ein. Ich arbeite gerade mit den Maturanten am letzten Feinschliff. Beantworte die letzten 500 Fragen, gebe zwei, drei Tipps.
Was drückt mir P. in die Hand?
Ihre Maturafragen.
"Bitte heb' sie gut auf. Ich werde Montag erst gegen halb acht kommen können."
Die Schüler bekommen große Augen. Da liegen ihre Fragen zur mündlichen Abschlussprüfung direkt vor ihnen, in Griffweite, aber uneinsehbar. So nahe, unendlich weit weg.
"Sie könnten uns das Leben sehr erleichtern!", meint bald eine vorlaute Stimme.
"Jaaa", antwortet ein Chor nervöser Kommilitonen.
"Leute, ich bin käuflich." ..... Dramatische Pause ..... "Aber der Preis ist zu hoch ... und zwar für uns alle."

Die Stimmung vor den heißen Abiturtagen schwankt ganz nach Klassenklima. Je braver und seriöser die Schüler bis zum glücklichen Ende gelernt haben, desto nervöser und hysterischer entwickelt sich der Haufen. Die coolen Klassen bleiben cool, sie haben bisher spekuliert und gewonnen, sie lassen sich nicht aus der Fassung bringen.
Sie haben in den vergangenen Jahren gelernt, die wirklich wichtigen Dinge herauszufiltern und das Unwesentliche generös zu streichen. Diese Fähigkeit hilft bei großen Prüfungen dramatisch.

Zum ersten Mal bereue ich, eine nette Klasse mit fleißigen und ehrgeizigen Kindern herangezogen zu haben. Sie versuchen alles zu lernen, nichts zu streichen. Sie leiden unter ihren Ansprüchen und meinen Erwartungen, aber wir können aus unserer Haut nicht heraus.

Hoffentlich zeigen sie nächste Woche, was in ihnen steckt.
"Reine Glücks- und Nervensache", schließt eine Schülerin apathisch.

"Don't call us, we call you!"
Solche Sprüche leistet sich nur, wer mit Anrufen überhäuft wird. Wie die Firma, für die ich mich beworben hatte, und der ich diesen Spruch verdanke.

"Don't call us", gilt auch für die Schule. Lehrer sind telefonisch praktisch nicht erreichbar: Ein Telefon, ein einziges, steht im Lehrerzimmer - für hundert Lehrer. Da wir die meiste Zeit in den Klassenräumen verbringen, läutet das Telefon ständig in den Pausen. Wer kann, flüchtet. Den Hörer abzuheben, das bedeutet, seine Pause herzuschenken, um irgend einen Kollegen aus dem WC, einer Besprechung oder einer Gangaufsicht zu zerren. Oder den üblichen Spruch abzuspulen: "Kollege ist leider nicht im Raum. Rufen Sie in der Sprechstunde an."
"Kann ich eine Nachricht hinterlassen?"
"Ja, bitte."
"Er möge mich unter der Nummer 09789 zurückrufen."
"Tut mir Leid. Von diesem Telefon kann man nicht zurückrufen!"

Ja, wir leben in der fernmündlichen Steinzeit. Zum Telefonieren müssen wir in die Direktion wandern. Dort herrschen in den Pausen Zustände wie am Bazar von Marrakesch, da greife ich "gerne" zum Telefon um nachzufragen, wann die Scheidungspapiere von Maxi Mustermann endlich zugeschickt werden. Um die Noten von Lischen Musterfrau zu diskutieren oder die fehlende Entschuldigung von letztem Montag einzufordern.

"Don't call us ..." Das Telefon läutet und ich überwinde mich.
"Bundesgymnasium xy, ... Grüß Gott."
"Gut, dass ich sie endlich erreiche, Herr Professor. Ich habe ihre Gruppenanfrage gerade bearbeitet. Wenn wir nicht gleich reservieren, dann kriegen wir keine Plätze mehr ... Salzburg ist völlig ausgebucht."
"Ich wollte sie gerade anrufen, aber ich habe bis jetzt durchgehend Unterricht gehabt ..."
"Sagen Sie mir nur, ob ich reservieren soll."
"Ahhh, ich habe noch keine genauen Preise und ..."
"Das steht alles im e-mail, das ich Ihnen geschickt habe!"
"Muss ich erst checken, wie gesagt, ich komme direkt aus der Klasse!"

Don't call us, send e-mails. :-)

 

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