Hier geht es nicht um Fußball, gar nicht um Sport.
Hier geht es um Lehrpersonen, die von Schule zu Schule wandern und überall großen Eindruck hinterlassen.
"Jede Schule muss zwei, drei Wanderpokale vertragen", hat der zuständige Landeschulinspektor off records gesagt, als die wandernde Kunsterzieherin bei uns vorgestellt wurde.
Wir lernten das winterliche Schneechaos lieben: Wir sprachen von Glück, wenn sie zu spät kam und von göttlicher Gnade, wenn sie in Krankenstand ging: Jeden Montag. Von Dienstag bis Donnerstag schimpfte sie wie die tiefste Proletin und schrie ungehalten herum, wenn Kinder nicht wie Rembrandt sondern wie Kinder malten. Allmählich entwickelte sie eine emotionale Nahbeziehung zu Müll und passte sich diesem optisch und olfaktorisch weitgehend an. Ihre künstlerische Freiheit nützte sie besonders beim Notengeben - entweder sie vergaß darauf (der Klassenvorstand übernahm wohlwollend diese Rolle) oder sie verteilte Noten nach Sympathiewerten.
Direktor, Inspektor, Schularzt, Psychologin - alle natürlichen Feinde des Wanderpokals wurden in rüdem Ton dem Erdboden gleich gemacht, Lehrer bestenfalls als Klagemauer angepinkelt.
Die Kollegenschaft arbeitete freitags immer länger, weil die Probleme der Woche ausgeräumt werden mussten: Eltern beruhigen, Kinder aufbauen, Hefte und Bücher ordnen, gegenseitiges Beileid bekunden, ein bisserl Lachen hinter ihrem Rücken ...
Wir waren ihre letzte Station, in mindestens sieben anderen Schulen hat sie mit ihrem Wahnsinn so viele Kinder, Eltern und Kollegen genervt, dass die vorgesetzte Behörde regelmäßig zur schärfstes Waffe gegen das Glanzstück griff, die ihr offen steht: Versetzung.
Mit fünfzig Jahren kam sie ins potentielle Pensionsalter, seither hält sie esoterisch angehauchte Selbstfindungsseminare und frustrierte Erwachsene akzeptieren sie als gebildete Künstlerin.
Kein Kinderlärm, kein Verwaltungskram, keine Pubertärscherze und viel, viel Anerkennung machten es möglich: Eine gesunde Frau mit einer respektierten Aufgabe ward geboren. Der Wanderpokal wurde seßhaft. Applaus.
Hier geht es um Lehrpersonen, die von Schule zu Schule wandern und überall großen Eindruck hinterlassen.
"Jede Schule muss zwei, drei Wanderpokale vertragen", hat der zuständige Landeschulinspektor off records gesagt, als die wandernde Kunsterzieherin bei uns vorgestellt wurde.
Wir lernten das winterliche Schneechaos lieben: Wir sprachen von Glück, wenn sie zu spät kam und von göttlicher Gnade, wenn sie in Krankenstand ging: Jeden Montag. Von Dienstag bis Donnerstag schimpfte sie wie die tiefste Proletin und schrie ungehalten herum, wenn Kinder nicht wie Rembrandt sondern wie Kinder malten. Allmählich entwickelte sie eine emotionale Nahbeziehung zu Müll und passte sich diesem optisch und olfaktorisch weitgehend an. Ihre künstlerische Freiheit nützte sie besonders beim Notengeben - entweder sie vergaß darauf (der Klassenvorstand übernahm wohlwollend diese Rolle) oder sie verteilte Noten nach Sympathiewerten.
Direktor, Inspektor, Schularzt, Psychologin - alle natürlichen Feinde des Wanderpokals wurden in rüdem Ton dem Erdboden gleich gemacht, Lehrer bestenfalls als Klagemauer angepinkelt.
Die Kollegenschaft arbeitete freitags immer länger, weil die Probleme der Woche ausgeräumt werden mussten: Eltern beruhigen, Kinder aufbauen, Hefte und Bücher ordnen, gegenseitiges Beileid bekunden, ein bisserl Lachen hinter ihrem Rücken ...
Wir waren ihre letzte Station, in mindestens sieben anderen Schulen hat sie mit ihrem Wahnsinn so viele Kinder, Eltern und Kollegen genervt, dass die vorgesetzte Behörde regelmäßig zur schärfstes Waffe gegen das Glanzstück griff, die ihr offen steht: Versetzung.
Mit fünfzig Jahren kam sie ins potentielle Pensionsalter, seither hält sie esoterisch angehauchte Selbstfindungsseminare und frustrierte Erwachsene akzeptieren sie als gebildete Künstlerin.
Kein Kinderlärm, kein Verwaltungskram, keine Pubertärscherze und viel, viel Anerkennung machten es möglich: Eine gesunde Frau mit einer respektierten Aufgabe ward geboren. Der Wanderpokal wurde seßhaft. Applaus.
teacher - am Mittwoch, 22. Februar 2006, 16:49
Das Dilemma: 100% Alphabetenrate.
Alle haben Schule besucht, alle wissen, wie es wirklich läuft.
Diejenigen, die über Schule entscheiden, kramen ihre eigenen Erfahrungen vor 20-40 Jahren hervor.
Die anderen, die heutige Schule leben, schütteln den Kopf.
Sie haben Aufnahmsprüfungen überlebt.
Sie fürchten die Wiedereinführung.
Sie haben Gedichte auswendig gelernt.
Sie laden Songs per SMS herunter.
Sie haben Wandertage geliebt.
Sie fahren mit dem Auto zur Schule.
Sie haben sich heimlich im Kaffehaus getroffen.
Sie halten McDonald's für ein Restaurant.
Sie haben stillschweigend Strafarbeiten geschrieben.
Sie rufen Hotlines gegen Kollektivstrafen an.
Sie haben den Direktor gefürchtet.
Sie fürchten die Glatzen in der Oberstufe.
Sie kannten 190 Hauptstädte, 10 Gebote und alle Kinder Maria Theresias.
Sie kennen 350 Pokemons.
Sie haben Vokabelhefte geführt.
Sie kopieren.
Sie haben von Woodstock und Goa geträumt.
Sie erleben Summersplash und All-inclusive.
Sie haben gegen das Establishment demonstriert.
Sie geben dessen Geld aus.
Sie haben nach der Schule Karriere gemacht.
Sie haben Angst vor der Zukunft.
Sie halten Wissen für Macht.
Sie googeln um die Welt.
Sie erzählen aus der guten alten Zeit.
Sie hören von Kriegen, Holocaust und Atomversuchen.
(Fortsetzung erwünscht)
Erstere entscheiden über zweitere. Mit ihrer Sicht aus der Vergangenheit für deren Blick in die Zukunft.
Das schulische Generationen-Dilemma.
Alle haben Schule besucht, alle wissen, wie es wirklich läuft.
Diejenigen, die über Schule entscheiden, kramen ihre eigenen Erfahrungen vor 20-40 Jahren hervor.
Die anderen, die heutige Schule leben, schütteln den Kopf.
Sie haben Aufnahmsprüfungen überlebt.
Sie fürchten die Wiedereinführung.
Sie haben Gedichte auswendig gelernt.
Sie laden Songs per SMS herunter.
Sie haben Wandertage geliebt.
Sie fahren mit dem Auto zur Schule.
Sie haben sich heimlich im Kaffehaus getroffen.
Sie halten McDonald's für ein Restaurant.
Sie haben stillschweigend Strafarbeiten geschrieben.
Sie rufen Hotlines gegen Kollektivstrafen an.
Sie haben den Direktor gefürchtet.
Sie fürchten die Glatzen in der Oberstufe.
Sie kannten 190 Hauptstädte, 10 Gebote und alle Kinder Maria Theresias.
Sie kennen 350 Pokemons.
Sie haben Vokabelhefte geführt.
Sie kopieren.
Sie haben von Woodstock und Goa geträumt.
Sie erleben Summersplash und All-inclusive.
Sie haben gegen das Establishment demonstriert.
Sie geben dessen Geld aus.
Sie haben nach der Schule Karriere gemacht.
Sie haben Angst vor der Zukunft.
Sie halten Wissen für Macht.
Sie googeln um die Welt.
Sie erzählen aus der guten alten Zeit.
Sie hören von Kriegen, Holocaust und Atomversuchen.
(Fortsetzung erwünscht)
Erstere entscheiden über zweitere. Mit ihrer Sicht aus der Vergangenheit für deren Blick in die Zukunft.
Das schulische Generationen-Dilemma.
teacher - am Dienstag, 21. Februar 2006, 09:02
Ab und an schreibt uns die Frau Minister einen Brief: Liebe MaturantInnen, schaut euch um, erkundigt euch und meldet euch an. Sie zählt auch jene Uni-Institute auf, wo die Studienplätze besonders rar und die Dringlichkeit besonders hoch ist.
Ich gebe das 1:1 an die Klassen weiter.
Nach dem Wochenende dreht sich der Wind:
"Herr Professor! Wann fängt das neue Semester an?"
"An der Uni? ... mit März."
"Dafür bin ich angemeldet!"
"Wofür?"
"Am Institut! Damit ich Pharmazie studieren kann. Ich hab' schon die Bestätigung!"
"Gibt es da keine Eingangsprüfung? Eine Einschreibliste? Was musst du noch vorlegen?"
"Pffh ... weiß nicht ... soll ich den Studienbeitrag schon einzahlen?"
"Moment! Du hast ja noch nicht einmal die Studienberechtigung! Mach' zuerst mal' die Matura!"
Natürlich haben unsere Schüler keine Ahnung von Immatrikulation, Studienplänen und Inskription. Hatte ich mit 17 Jahren auch nicht.
Viele suchen verzweifelt einen zukunftsträchtigen Bildungsweg, fürchten Gelegenheiten zu verpassen oder Termine zu versäumen ... und melden sich auf Teufel komm raus' an irgenwelchen Unis für irgendwelche Veranstaltungen an.
Null Planung, null Ahnung, null Info und die Zeit drängt.
Danke für den netten Brief, Frau Minister.
Ich gebe das 1:1 an die Klassen weiter.
Nach dem Wochenende dreht sich der Wind:
"Herr Professor! Wann fängt das neue Semester an?"
"An der Uni? ... mit März."
"Dafür bin ich angemeldet!"
"Wofür?"
"Am Institut! Damit ich Pharmazie studieren kann. Ich hab' schon die Bestätigung!"
"Gibt es da keine Eingangsprüfung? Eine Einschreibliste? Was musst du noch vorlegen?"
"Pffh ... weiß nicht ... soll ich den Studienbeitrag schon einzahlen?"
"Moment! Du hast ja noch nicht einmal die Studienberechtigung! Mach' zuerst mal' die Matura!"
Natürlich haben unsere Schüler keine Ahnung von Immatrikulation, Studienplänen und Inskription. Hatte ich mit 17 Jahren auch nicht.
Viele suchen verzweifelt einen zukunftsträchtigen Bildungsweg, fürchten Gelegenheiten zu verpassen oder Termine zu versäumen ... und melden sich auf Teufel komm raus' an irgenwelchen Unis für irgendwelche Veranstaltungen an.
Null Planung, null Ahnung, null Info und die Zeit drängt.
Danke für den netten Brief, Frau Minister.
teacher - am Montag, 20. Februar 2006, 18:51
Ein Monat lang haben alle SchülerInnen meiner Klasse ein Gratisabonnement der rosa Qualitätszeitung "Der Standard" bezogen und als Informationsquelle genützt.
Das größte Kompliment: "Ist der Monat schon zu Ende?"
Die interessanteste Frage: "Warum lesen Sie eigentlich 'Die Presse'?"
Die härteste Ansage: "Wer die Kronenzeitung liest, ist nicht informiert sondern manipuliert."
Die Rückfrage: "Darf das ein Lehrer sagen?"
Alle Antworten in Kürze:
1. "Ja."
2. "Ich bin an Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft interessiert. Die penetrant regierungsfreundliche Politik ärgert mich."
3. "Alle Zeitungen wählen aus, beeinflussen Meinungen - die Krone ist darin wegen ihrer weltmeisterlichen Reichweite besonders effizient."
4. "Ob ich das sagen darf? Ich muss! Die Lehre ist frei und ich bin pragmatisiert - also unkündbar (was manchmal gut ist!). Hier sogar (pseudo-)anonym.
Das größte Kompliment: "Ist der Monat schon zu Ende?"
Die interessanteste Frage: "Warum lesen Sie eigentlich 'Die Presse'?"
Die härteste Ansage: "Wer die Kronenzeitung liest, ist nicht informiert sondern manipuliert."
Die Rückfrage: "Darf das ein Lehrer sagen?"
Alle Antworten in Kürze:
1. "Ja."
2. "Ich bin an Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft interessiert. Die penetrant regierungsfreundliche Politik ärgert mich."
3. "Alle Zeitungen wählen aus, beeinflussen Meinungen - die Krone ist darin wegen ihrer weltmeisterlichen Reichweite besonders effizient."
4. "Ob ich das sagen darf? Ich muss! Die Lehre ist frei und ich bin pragmatisiert - also unkündbar (was manchmal gut ist!). Hier sogar (pseudo-)anonym.
teacher - am Sonntag, 19. Februar 2006, 13:41
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Matthias macht Fortschritte.
Seine Eltern gaben nicht mehr nach und wechselten die Schule für ihren Sechzehnjährigen. Die Schulnachricht mit acht negativen Noten hatte den Ausschlag gegeben.
Der neue Klassenvorstand kommt auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen und setzt Matthias neben den Klassenstreber. Schulwechsel (innerhalb eines Unterrichtsjahres) nährt Vermutungen auf Probleme in der Altschule. Man beobachtet seine Neuzugänge, manchmal versucht man sogar deren Herkunft zu durchleuchten - das gerät dann zu legalen und psychologischen Gratwanderungen (im Interesse der Klassengemeinschaft).
Am Ende der Woche steckt der Klassenstreber dem Klassenvorstand einen Verdacht: "Da Matthias stinkt nach Bier!"
Inquisition:
"Matthias, trinkst Du schon am Vormittag Bier? Gar in den Pausen?"
"Naa, Herr 'fessa, wirkli net ... Ehrlich."
Wer muss drei Mal nein sagen in einem Satz, wenn nicht der Verdächtige!
"Bier?"
Der alte Klassenvorstand muss lachen: "Das ist ein Fortschritt. Bei uns hat er in der fünften Klasse Absinth-Parties steigen lassen. In mehreren Stunden! Und mit wirklich weiten Pupillen ..."
Bier und Nikotin - das ist ein echter Fortschritt. Nicht nur für Matthias.
P.S.: Matthias hat nicht gelogen, er trinkt wirklich nicht in den Pausen, er trinkt während der Stunden.
Seine Eltern gaben nicht mehr nach und wechselten die Schule für ihren Sechzehnjährigen. Die Schulnachricht mit acht negativen Noten hatte den Ausschlag gegeben.
Der neue Klassenvorstand kommt auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen und setzt Matthias neben den Klassenstreber. Schulwechsel (innerhalb eines Unterrichtsjahres) nährt Vermutungen auf Probleme in der Altschule. Man beobachtet seine Neuzugänge, manchmal versucht man sogar deren Herkunft zu durchleuchten - das gerät dann zu legalen und psychologischen Gratwanderungen (im Interesse der Klassengemeinschaft).
Am Ende der Woche steckt der Klassenstreber dem Klassenvorstand einen Verdacht: "Da Matthias stinkt nach Bier!"
Inquisition:
"Matthias, trinkst Du schon am Vormittag Bier? Gar in den Pausen?"
"Naa, Herr 'fessa, wirkli net ... Ehrlich."
Wer muss drei Mal nein sagen in einem Satz, wenn nicht der Verdächtige!
"Bier?"
Der alte Klassenvorstand muss lachen: "Das ist ein Fortschritt. Bei uns hat er in der fünften Klasse Absinth-Parties steigen lassen. In mehreren Stunden! Und mit wirklich weiten Pupillen ..."
Bier und Nikotin - das ist ein echter Fortschritt. Nicht nur für Matthias.
P.S.: Matthias hat nicht gelogen, er trinkt wirklich nicht in den Pausen, er trinkt während der Stunden.
teacher - am Freitag, 17. Februar 2006, 14:48
Zwei Mädchen kommen mehr als erheitert aus der Englisch-Stunde zurück. Sie nehmen mich wahr, übersehen mich aber. Sie zücken ein buntes Papier und heften es an die Pinnwand der Klasse. Das Ergebnis einer kreativen Englischstunde.
Sie lachen darüber, sie nehmen die Kollegin nicht mehr ernst.
Pädagogisches Todesurteil, faktisch.
"Wir mussten eine Valentinskarte entwerfen ... oder ein amerikanisches Valentinslied singen. ... Die spinnt ja."
"Hehe," setzte ich zur Verteidigung an, "die Kollegin meint es gut mich euch."
"Gut meinen? Das ist das Gegenteil von gut sein!°
Das A4-Blatt ist mit rosa Herzen, mit Amorpfeilen und mit polyglottem Kitsch übersät. Wie Valentinstag, eben.
Die Kollegin hat sich ehrlich bemüht, aktuell und motivierend ihren Sprachunterricht aufzumöbeln. Sie ging mit gutem Gewissen in die Klasse und mit gutem Gefühl wieder hinaus.
Die Schülerinnen lachen hinter ihrem Rücken über so viel infantile Naivität. So sieht moderner Unterricht aus, in der Realität.
Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten. Liebe, Valentinstag, malen, singen, schreiben. Partnerarbeit.
Das Ergebnis: Müll an der Pinnwand.
Sie lachen darüber, sie nehmen die Kollegin nicht mehr ernst.
Pädagogisches Todesurteil, faktisch.
"Wir mussten eine Valentinskarte entwerfen ... oder ein amerikanisches Valentinslied singen. ... Die spinnt ja."
"Hehe," setzte ich zur Verteidigung an, "die Kollegin meint es gut mich euch."
"Gut meinen? Das ist das Gegenteil von gut sein!°
Das A4-Blatt ist mit rosa Herzen, mit Amorpfeilen und mit polyglottem Kitsch übersät. Wie Valentinstag, eben.
Die Kollegin hat sich ehrlich bemüht, aktuell und motivierend ihren Sprachunterricht aufzumöbeln. Sie ging mit gutem Gewissen in die Klasse und mit gutem Gefühl wieder hinaus.
Die Schülerinnen lachen hinter ihrem Rücken über so viel infantile Naivität. So sieht moderner Unterricht aus, in der Realität.
Die Theorie: Lasst die Kinder zu einem aktuellen Thema, das sie interessiert, mit allen Sinnen kreativ arbeiten. Liebe, Valentinstag, malen, singen, schreiben. Partnerarbeit.
Das Ergebnis: Müll an der Pinnwand.
teacher - am Dienstag, 14. Februar 2006, 16:25
Weil alle ein leichtes Grinsen aufsetzen, schaue ich in die letzte Reihe und breche in Erinnerungen zusammen.
Dort sitzt ein Mädchen und schreibt mit. Mehr als mir lieb ist, sie schreibt meine Sager mit. Meine "Wuchteln".
Ich entschuldige mich: "Na ja, man sollte in den Semesterferien nicht so viel Glühwein trinken."
Sie schreibt grinsend weiter - die gesammelten Sprüchen werden die Maturazeitung sprengen.
Sarah hatte mir ein paar verliehene Bücher zum Thema Körpersprache zurückgegeben und wir haben über die Rolle von Musik und Tanz in der Kommunikation gesprochen.
"Warum tanzen so viel Männer nicht?"
"Da gibt es eine tolle Theorie: Frauen lesen im tanzenden Männerkörper wie in einem offenen Buch. Wer unrund herumstolpert, hat wirklich schlechte Karten - da ist es besser, das Tanzparkett zu meiden!"
"Und tanzende Frauen?"
"Entweder wir Männer können sie nicht interpretieren ... oder wir schauen nicht so kritisch ... oder ..."
" ... wir tanzen besser", fällt mir eine Vorlaute ins Wort.
"Genau, ausserdem sagt man, dass Tanzen vertikaler Sex ist."
Da zog das Mädchen das Heft heraus. Und ich biss mich in die Zunge.
Dort sitzt ein Mädchen und schreibt mit. Mehr als mir lieb ist, sie schreibt meine Sager mit. Meine "Wuchteln".
Ich entschuldige mich: "Na ja, man sollte in den Semesterferien nicht so viel Glühwein trinken."
Sie schreibt grinsend weiter - die gesammelten Sprüchen werden die Maturazeitung sprengen.
Sarah hatte mir ein paar verliehene Bücher zum Thema Körpersprache zurückgegeben und wir haben über die Rolle von Musik und Tanz in der Kommunikation gesprochen.
"Warum tanzen so viel Männer nicht?"
"Da gibt es eine tolle Theorie: Frauen lesen im tanzenden Männerkörper wie in einem offenen Buch. Wer unrund herumstolpert, hat wirklich schlechte Karten - da ist es besser, das Tanzparkett zu meiden!"
"Und tanzende Frauen?"
"Entweder wir Männer können sie nicht interpretieren ... oder wir schauen nicht so kritisch ... oder ..."
" ... wir tanzen besser", fällt mir eine Vorlaute ins Wort.
"Genau, ausserdem sagt man, dass Tanzen vertikaler Sex ist."
Da zog das Mädchen das Heft heraus. Und ich biss mich in die Zunge.
teacher - am Montag, 13. Februar 2006, 20:54
"Ich will nur, dass meine Tochter glücklich ist."
Dieser Satz gehört zu den heikelsten, die mir mein Beruf aufbürdet. Gerne lasse ich dessen Hintertücke an meinem unsichtbaren Schild abprallen.
Bloß, dieses Mal ist alles anders. Da steht nicht ein ausgebufftes Girly, das die Naivität ihrer Mutter schamlos missbraucht, dieses Mal steht ein Mensch vor mir, der offen um das Wohl der Tochter bangt.
Oft erklingt die inkriminierte Phrase anklagend als Echo einer billigen US-Fernsehserie und fordert Milde für ein verwöhntes Frauenkind, das mehr nach Faulheit stinkt als nach Eau de Parfum.
Bloß, dieses Mal stehen Tränen in den Augen, weil das Erwachsenwerden der ganzen Familie Kummer bereitet:
Ein Mädchen, das im Schatten ihrer unbekümmerten Schwester steht, das an Übergewicht und pubertärer Figurverzerrung leidet, das jegliches Interesse jenseits emotioneller Sehnsüchte verloren hat, das Unsicherheit und Schüchternheit mit billiger Drogeriefarbe zukleistert, das über Monate Ausflüchte aus seinem deprimierenden Leistungschaos erschwindelt hat, und das jetzt vor den schriftlichen Zeugnissen seiner vergeudeten Schulzeit steht.
Schlechte Noten als Spiegelbild einer blutenden Seele!
Ein armes Wesen, eine liebende Mutter, aber beim besten Willen keine Energie zum Lernen.
Ich muss sie benoten, es ist Zeugniszeit.
Ich muss "Nicht genügend" unter ihre Leistungen schreiben, alles andere wäre gelogen.
Aber ich will, dass sie glücklich wird.
Dieser Satz gehört zu den heikelsten, die mir mein Beruf aufbürdet. Gerne lasse ich dessen Hintertücke an meinem unsichtbaren Schild abprallen.
Bloß, dieses Mal ist alles anders. Da steht nicht ein ausgebufftes Girly, das die Naivität ihrer Mutter schamlos missbraucht, dieses Mal steht ein Mensch vor mir, der offen um das Wohl der Tochter bangt.
Oft erklingt die inkriminierte Phrase anklagend als Echo einer billigen US-Fernsehserie und fordert Milde für ein verwöhntes Frauenkind, das mehr nach Faulheit stinkt als nach Eau de Parfum.
Bloß, dieses Mal stehen Tränen in den Augen, weil das Erwachsenwerden der ganzen Familie Kummer bereitet:
Ein Mädchen, das im Schatten ihrer unbekümmerten Schwester steht, das an Übergewicht und pubertärer Figurverzerrung leidet, das jegliches Interesse jenseits emotioneller Sehnsüchte verloren hat, das Unsicherheit und Schüchternheit mit billiger Drogeriefarbe zukleistert, das über Monate Ausflüchte aus seinem deprimierenden Leistungschaos erschwindelt hat, und das jetzt vor den schriftlichen Zeugnissen seiner vergeudeten Schulzeit steht.
Schlechte Noten als Spiegelbild einer blutenden Seele!
Ein armes Wesen, eine liebende Mutter, aber beim besten Willen keine Energie zum Lernen.
Ich muss sie benoten, es ist Zeugniszeit.
Ich muss "Nicht genügend" unter ihre Leistungen schreiben, alles andere wäre gelogen.
Aber ich will, dass sie glücklich wird.
teacher - am Freitag, 3. Februar 2006, 17:29
Der erste Durchgang ist vorbei, die Zwischenzeiten werden per Schulnachricht an die Eltern gemeldet. Wenn die Noten am Papier stehen, lässt der Druck auf allen Seiten nach.
"Entschuldigung, Herr Professor, wenn ich Sie mit meinen Notenwünschen belästigt habe."
"Schon gut, das ist 'part of my job' - du bist der erste, der sich dafür entschuldigt, dass er eine bessere Note verlangt als er verdient. Das rechne ich dir hoch an ..."
"Im Jahreszeugnis?"
Grinsen auf beiden Seiten.
"Entschuldigung, Herr Professor, wenn ich Sie mit meinen Notenwünschen belästigt habe."
"Schon gut, das ist 'part of my job' - du bist der erste, der sich dafür entschuldigt, dass er eine bessere Note verlangt als er verdient. Das rechne ich dir hoch an ..."
"Im Jahreszeugnis?"
Grinsen auf beiden Seiten.
teacher - am Freitag, 3. Februar 2006, 16:50
Eine Mutter jammert übers Buffet.
Nicht die Standardmasche ("zu fett, zu süß, zu teuer"), gar nicht.
Die lieben Schüler wollen selbst ein Buffet organisieren und damit Geld für ihre Parisreise verdienen. Löbliches Anliegen.
Sie wollen Aufstriche anbieten, Kaffee brühen, Kuchen verkaufen, Würstel aufwärmen, sogar Palatschinken backen.
Löblich.
Nur jammert die Mutter, weil nicht die Schüler arbeiten, sondern die Eltern und Lehrer. Die kaufen ein, die besorgen die Lebensmittel, die finanzieren den Einkauf, die mischen den Teig, die suchen das Geschirr, die bringen alles in die Schule ... und holen die schmutzigen Tischdecken, kaputten Teller und angebrannten Töpfe ab.
Alte Weisheit:
"Wenn die Schüler ein Projekt machen, haben die Lehrer die Arbeit. Und die Eltern."
P.S.: Das Buffet schmeckte echt klasse.
Nicht die Standardmasche ("zu fett, zu süß, zu teuer"), gar nicht.
Die lieben Schüler wollen selbst ein Buffet organisieren und damit Geld für ihre Parisreise verdienen. Löbliches Anliegen.
Sie wollen Aufstriche anbieten, Kaffee brühen, Kuchen verkaufen, Würstel aufwärmen, sogar Palatschinken backen.
Löblich.
Nur jammert die Mutter, weil nicht die Schüler arbeiten, sondern die Eltern und Lehrer. Die kaufen ein, die besorgen die Lebensmittel, die finanzieren den Einkauf, die mischen den Teig, die suchen das Geschirr, die bringen alles in die Schule ... und holen die schmutzigen Tischdecken, kaputten Teller und angebrannten Töpfe ab.
Alte Weisheit:
"Wenn die Schüler ein Projekt machen, haben die Lehrer die Arbeit. Und die Eltern."
P.S.: Das Buffet schmeckte echt klasse.
teacher - am Dienstag, 31. Januar 2006, 17:20
Politische Bildung findet statt, bewusst oder unbewusst. In Österreich wurde "Politische Bildung" zum Unterrichtsprinzip erhoben, d.h. jeder Lehrer sollte sich damit aktiv beschäftigen.
Tu ich.
Wir vergleichen (in Gruppen, mit Hilfe des Internets) wesentliche politische Aussagen unserer Parteien:
Was hält die ÖVP von Umweltschutz?
Was spricht die SPÖ zum Thema Vollbeschäftigung?
Warum setzt die FPÖ auf Ausländerpolitik?
Wie steht die KPÖ zu Privatisierungen?
Wie betreiben die Grünen Umverteilung?
Was stört die BZÖ an slowenischen Ortstafeln?
Zum Abschluss fassen wir die Postionen aller Parteien in einer Übersichtsmatrix zusammen.
Und was interessiert meine Schüler?
"Kaufen Sie Postaktien?"
"Ja, aber nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen!"
"Was heißt das?"
"Ich war vorige Woche in meiner Postfiliale. Das stand ein windschiefer Verkaufsständer, ca. 2 Meter hoch, staubig und eine einzige CD war drinnen - eine Weihnachts-CD. Im Februar!"
Gelächter.
"Geht einmal zum BILLA oder zum SPAR! Ist euch schon aufgefallen, dass alle Regale praktisch immer voll sind! Obwohl andauernd Leute einkaufen."
"Stimmt, eigentlich."
"Warum müssen die voll sein?"
"Warum? ...."
"Weil wir nicht die Reste kaufen wollen. Das, was die anderen übrig lassen ... neeee, wir wollen ins Volle greifen, die Ersten sein."
"Die Post nicht!"
"Genau. Also wirtschaftlich betrachtet ... eine mittlere Katastrophe."
"Und politisch?"
"Wir haben heuer Nationalratswahlen. Die ÖVP will jetzt die Post privatisieren ... und im Herbst gewählt werden. Daher muss die Postprivatisierung ein Erfolg werden. Wenn das schief geht, also wenn hundertausende Aktienkäufer Geld verlieren, dann werden sie sich rächen und die ÖVP-Regierung abwählen."
"Was kann die ÖVP dagegen machen?"
"Die ÖVP wird sich darum kümmern, dass jetzt die Postaktien billig auf den Markt kommen. Diese werden kräftig steigen .. . und aus lauter Freude werden tausende Neuaktionäre die tolle ÖVP wählen."
"Glauben Sie das wirklich?"
"Das ist meine Theorie."
"Wie viel wetten Sie darauf?"
"So 3 - 4000 Euro."
Piepsige Stimme von vorne: "Zehn Euro hätt ich auch ..."
Tu ich.
Wir vergleichen (in Gruppen, mit Hilfe des Internets) wesentliche politische Aussagen unserer Parteien:
Was hält die ÖVP von Umweltschutz?
Was spricht die SPÖ zum Thema Vollbeschäftigung?
Warum setzt die FPÖ auf Ausländerpolitik?
Wie steht die KPÖ zu Privatisierungen?
Wie betreiben die Grünen Umverteilung?
Was stört die BZÖ an slowenischen Ortstafeln?
Zum Abschluss fassen wir die Postionen aller Parteien in einer Übersichtsmatrix zusammen.
Und was interessiert meine Schüler?
"Kaufen Sie Postaktien?"
"Ja, aber nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen!"
"Was heißt das?"
"Ich war vorige Woche in meiner Postfiliale. Das stand ein windschiefer Verkaufsständer, ca. 2 Meter hoch, staubig und eine einzige CD war drinnen - eine Weihnachts-CD. Im Februar!"
Gelächter.
"Geht einmal zum BILLA oder zum SPAR! Ist euch schon aufgefallen, dass alle Regale praktisch immer voll sind! Obwohl andauernd Leute einkaufen."
"Stimmt, eigentlich."
"Warum müssen die voll sein?"
"Warum? ...."
"Weil wir nicht die Reste kaufen wollen. Das, was die anderen übrig lassen ... neeee, wir wollen ins Volle greifen, die Ersten sein."
"Die Post nicht!"
"Genau. Also wirtschaftlich betrachtet ... eine mittlere Katastrophe."
"Und politisch?"
"Wir haben heuer Nationalratswahlen. Die ÖVP will jetzt die Post privatisieren ... und im Herbst gewählt werden. Daher muss die Postprivatisierung ein Erfolg werden. Wenn das schief geht, also wenn hundertausende Aktienkäufer Geld verlieren, dann werden sie sich rächen und die ÖVP-Regierung abwählen."
"Was kann die ÖVP dagegen machen?"
"Die ÖVP wird sich darum kümmern, dass jetzt die Postaktien billig auf den Markt kommen. Diese werden kräftig steigen .. . und aus lauter Freude werden tausende Neuaktionäre die tolle ÖVP wählen."
"Glauben Sie das wirklich?"
"Das ist meine Theorie."
"Wie viel wetten Sie darauf?"
"So 3 - 4000 Euro."
Piepsige Stimme von vorne: "Zehn Euro hätt ich auch ..."
teacher - am Dienstag, 31. Januar 2006, 13:57
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In einer Londoner Schule hat der Direktor das "Aufzeigen" verboten. Dort bleiben die Hände unten, wenn ein Schüler etwas zu sagen hat.
Bin ich ganz dafür.
Das freiwillige Melden per Hand bringt nämlich die Absurdität der klassenbezogenen Lernarbeit auf den Punkt.
Natürlich lässt der Durchschnittslehrer gerne jene SchülerInnen zu Wort kommen, die sich freiwillig anbieten. Entscheidet er anders, erntet er erstens viele unbrauchbare Wortspenden, stellt er zweitens Unwissen und Unwissende bloß und ruiniert er drittens die Motivation der potentiellen Mitarbeiter. Drei Schüsse ins Knie tun weh.
Und wenn niemand aufzeigt?
Ja, dann tendiert er - aus Gerechtigkeitsgründen(!) - dazu, jene SchülerInnen zu bevorzugen, die sich sonst nie melden, sprich die Schwächeren.
Der Erfolg: Die Guten stehen permanent im Training und bekommen häufig positive Rückmeldung, die Schwachen üben viel seltener und ernten öfter negative Reaktionen. Wir nennen das "schlechte Mitarbeit" und schreiben schlechte Noten in die Zeugnisse.
Super, unser freiwilliges Meldesystem.
Daher die verständliche Reaktion: Aufzeigen verboten!
Leider nur in einer Schule in London.
Bin ich ganz dafür.
Das freiwillige Melden per Hand bringt nämlich die Absurdität der klassenbezogenen Lernarbeit auf den Punkt.
Natürlich lässt der Durchschnittslehrer gerne jene SchülerInnen zu Wort kommen, die sich freiwillig anbieten. Entscheidet er anders, erntet er erstens viele unbrauchbare Wortspenden, stellt er zweitens Unwissen und Unwissende bloß und ruiniert er drittens die Motivation der potentiellen Mitarbeiter. Drei Schüsse ins Knie tun weh.
Und wenn niemand aufzeigt?
Ja, dann tendiert er - aus Gerechtigkeitsgründen(!) - dazu, jene SchülerInnen zu bevorzugen, die sich sonst nie melden, sprich die Schwächeren.
Der Erfolg: Die Guten stehen permanent im Training und bekommen häufig positive Rückmeldung, die Schwachen üben viel seltener und ernten öfter negative Reaktionen. Wir nennen das "schlechte Mitarbeit" und schreiben schlechte Noten in die Zeugnisse.
Super, unser freiwilliges Meldesystem.
Daher die verständliche Reaktion: Aufzeigen verboten!
Leider nur in einer Schule in London.
teacher - am Montag, 30. Januar 2006, 12:25