Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
cotopaxi

 
Freundin Britta aus dem Backoffice einer Großbank ereifert sich:
"Da haben wir jetzt einen Typen bekommen, den pack ich gar nicht. Immer ganz in schwarz, stinkt nach Zigarettenrauch und bringt den Mund nicht auf."

Sie sitzt in einem Büro mit vier KollegInnen, drei davon kennt sie seit vielen Jahren. Sie gehen gemeinsam in die Pausen, zum Mittagessen, machmal auch ins Kino. Sie wissen alles voneinander, ihre Lieblingsfarbe, ihre Liebesgeschichten, ihre persönlichen Abneigungen. Sie erzählen einander vom Wochenende, vertrauen einander, nehmen einander Arbeit und Sorgen ab.

Und jetzt setzt ihnen der Chef so einen Neuen hinein.
Unpackbar.

Ich höre interessiert zu, beginne zu vergleichen und plötzlich geht mir ein Licht auf.

Meine KollegInnen sehe ich höchstens ein paar Minuten am Tag. Zwischen Klo und Kaffeautomaten, in den Pausen am Gang. Meine wirklichen ArbeitskollegInnen sind 150 unreife SchülerInnen.

Es braucht viele Monate, bis ein Grundvertrauen hergestellt ist, bei vielen funktioniert es auch nach Jahren mehr recht als schlecht. Wenn wir uns gut verstehen, wenn sie gereift und entwickelt sind, dann müssen wir uns verabschieden.

Eigentlich habe ich gar keinen Arbeitsplatz, ich dränge mich Stunde für Stunde in einen anderen Klassenraum und muss in wenigen Minuten die Lufthoheit an mich reissen. Muss die natürlichen Interaktionen der Kinder unterbrechen und - aus Schülersicht - ziemlich Bedeutungsloses zwischen Hypotenuse und Konjunktur verbreiten.

Wer sich fürs Unterrichten entscheidet, muss wissen, dass er 150 unreife KollegInnen wählt. Ein Leben lang.

Freundin Britta meint: "Wir werden ihn schon erziehen, den schwarzen Typen."
flyhigher meinte am 10. Mär, 08:54:
Weisst du, das ist in anderen Betrieben nicht anders. Ich habe zwar nicht 150 KollegInnen sondern etwas weniger, aber eine gewaltige Unreife stelle ich da auch täglich fest ;-) 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:43:
*grins* 
la-mamma meinte am 10. Mär, 09:13:
ist dein neuer
etwa ein altphilologe?
(dann kenn ich ihn;-)) 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:44:
*nochmalsgrins* 
Mem (Gast) meinte am 10. Mär, 11:23:
Viel Spaß btw auch...
...wenn sich die Weiber aus einem solchen "jaaahrelang vertrauten" Team plötzlich gegen einen verschwören und mobben (da ists dann gleich nochmal so gut, wenn die das Privatleben des zu Mobbenden in- und auswendig kennen).

Hab ich erlebt.

Ich wähle bewusst die Schüler. Unreifer als die ach so erwachsenen können die auch nicht sein.

Machen Sie doch in den Sommerferien mal ein mehrwöchiges Praktikum in einem normalen Betrieb. Danach möchte ich hören, ob das immer noch so erstrebenswert und viel besser als das Lehrerleben ist.

;) 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:48:
Ich habe es schón probiert - es war sehr überschaubar, berechenbar, planbar. Das ist Unterricht alles nicht. 
Marie (Gast) antwortete am 11. Mär, 14:22:
Ich glaube da sollten Sie mal Polizeidienst miterleben. Also den Einsatz- und Streifendienst.
Man ist gerade voll in einem Einsatz und ist noch nicht mit diesem fertig und wird schon zum nächsten gerufen.
Dann hat man einen Tag z.B. nur Einsätze mit Sondersignalen ohne Pause zwischendurch und am nächsten Tag gar nichts. Unvorhersehbar.
Dagegen ist Unterricht erstaunlich planbar ;-) 
teacher antwortete am 11. Mär, 19:42:
Aber die Polizei hat wenigstens ein langjähriges, funktionierendes, erwachsenes Kollegen-Netzwerk. Oder? 
Mem (Gast) antwortete am 11. Mär, 20:54:
Na gut...
...mir scheint, das Einzige, worauf Sie sich einlassen wollen, ist:

Sie armer armer Lehrer mit wirklich dem weltschlimmsten Beruf, unverstanden von all denen, die wirklich die allertollsten Berufe haben, während Sie armer armer Mensch jeden Tag Todesqualen leiden müssen. :-|

Nix für ungut, aber zuweilen...nervt es, wie der Lehrerberuf schwarzgemalt und jeder andere Beruf buntgemalt wird.

Im Endeffekt tun Sie damit nichts anderes, als all die Lehrerhasser, welche nur "faule Lehrer mit viel Freizeit" sehen.
Beides Extreme - und Extreme sind nie gut.

Korrigieren Sie mich gerne, wenn ich falsch liege. (Ist auch nur der Eindruck, den Ihr Blog auf mich macht) 
teacher antwortete am 11. Mär, 21:04:
Na gut, mit diesem Vorwurf werde ich leben müssen. Dabei war dieser Beitrag gar nicht als Schwarzmalen oder Raunzen gedacht, sondern als Aufzeigen einer Besonderheit (meines Berufes), die von Aussenstehenden nicht gesehen werden kann.

DAs hat nichts mit mehr oder weniger Arbeit zu tun, oder? 
Marie (Gast) antwortete am 11. Mär, 21:45:
"Aber die Polizei hat wenigstens ein langjähriges, funktionierendes, erwachsenes Kollegen-Netzwerk. Oder?"

Nein, das ist ein liebenswerter...Sauhaufen.
Und im Übrigen wird dort gelästert was das Zeug hält.
Das war für mich ziemlich blöd als ich neu auf meiner zweiten Polizeidienststelle war. Die wussten ja nicht, dass ich ihr "Lästeropfer" kannte.
Naja, aber alles in allem sind die meisten wirklich klasse Kollegen.
Freundschaftliche Athmosphäre, oft sehr humorvoll dort. Mein Traum ;-) 
fraufreitag (Gast) antwortete am 13. Mär, 08:47:
Warum wird den lehrern eigentlich immer vorgeworfen, dass sie rumjammern. Er hat doch nur gesagt, dass er sehr wenig zeit mit seinen erwachsenen kollegen verbringen kann. Und das ist doch auch so. und wer nicht glaubt, dass dieser beruf anstrengend ist, der sollte sich mal für 20 minuten auf einen schulhof stellen, wenn gerade große pause ist.
abgesehen davon sind 150 schüler als kollegen bestimmt manchmal amüsanter als ein haufen erwachsene, die man jeden tag um sich hat. vorteil an schülern: die enwickeln sich noch. 
BIA (Gast) antwortete am 13. Mär, 10:38:
Bloß kein Stress, Vernunftargumente nutzen gegen Vorurteile in der Regel wenig...
Aber stimmt schon, natürlich macht's auch Spaß, sich mit Menschen zu umgeben, die sich schlapplachen über den Vampir-Teebeutel-Witz und die dauernd unglaublich sauer auf ihre Eltern sind, weil die ihnen kein Iphone/höheres Taschengeld/Erlaubnis für irgendwas Abwegiges geben. :-) Und die immer alles besser wissen als jeder Erwachsene, natürlich. 
teacher antwortete am 13. Mär, 10:55:
Danke fraufreitag.
Ich habe ja inzwischen eine eigene Vermutung, warum man Lehrer mit dem Argument "Jammert nicht ständig" ruhig stellen will. Diese Leute wollen einfach nicht (mehr) hören, dass vieles an der heutigen Bildung/Schule/Jugend schief läuft. Scheuklappen rauf, weghören ... und heile Welt predigen. So kann man sich zurücklehnen und wohlfühlen.

Liebe BIA:
Und es stresst mich doch: Ich merke oft, dass hier gerne lustige Kalauer übers freudige Schüler/Lehrerdasein gelesen werden würden. Verstehe ich. Aber dafür ist das Fernsehen zuständig. 
fraufreitag (Gast) antwortete am 13. Mär, 16:27:
@teacher
und man redet schlecht über unseren beruf, weil man uns ja leichter die schuld geben kann, als sich selbst. Die lehrer sind alle unfähig, sie können meinem kind nix beibringen, können sich nicht durchsetzen...
dabei vergessen die lieben eltern immer, dass wir ihre kinder höchstens drei/vier/sechs/sieben Jahre "erziehen", sie selbst das vergurkte kind aber schon jahrelang bei sich haben.
aber da ein kriterium für unsere berufswahl der hang zu leichtem masochismus ist/war, erfreuen wir uns doch auch ein wenig an der lehrerschelte, oder? 
Memniac (Gast) antwortete am 13. Mär, 23:42:
Falls Fraufreitags Schelte mir galt...
...dann dazu soviel:

Mir ist absolut bewusst (!), dass der Lehrerberuf anstrengend ist und bei Weitem nicht soviel Freizeit beinhaltet, wie viele Leute glauben.

Was ich aber hier dem Teacher "vorwerfe", ist diese permanente und wirklich ständig vorhandene negative Grundeinstellung, in der wirklich jede nur erdenkliche Situation so schlecht wie nur irgendmöglich interpretiert wird.
Zumindest ist das mein Eindruck.
Die Lehrer haben viiiiiel größere Schwierigkeiten bei der Partnersuche als aaallleee anderen. Die Lehrer haben 150 unreife Kollegen, während ja jeder andere Beruf ein total tolles Kollegenteam um sich rum hat.
Die Jugend ist so verdorben und unerzogen und ungebildet, wie nur irgendwas.
Etc.etc.

Und das ganze permanent mit diesem Leidensausdruck, wonach ja der Lehrerberuf NUR Nachteile hat, während alle anderen Berufe es ach so toll haben. (Das ist jetzt überzogen dargestellt, trifft aber im Kern meinen derzeitigen Eindruck von Teachers Einstellung. Wehe, hier wendet mal jemand ein, dass andere Berufe auch ihre Tücken haben - wird grundsätzlich abgewiegelt "Ja aber Sie haben ja...")

Und das ärgert mich.

Wenn andere Berufe soviel besser sind - na dann hopp. Konsequenzen ziehen und wechseln in die freie Wirtschaft, zu den ach so erwachsenen Kollegen. ;)
(Und nicht wundern, wenn man dann erkennen muss, dass auch dort der Burnout droht, weil Büroleben eben doch nicht besteht aus Käffchen trinken und sich an den tollen Kollegen erfreuen).

Ich finde es völlig ok, auch die schlechten Seiten eines Berufs aufzuzeigen. Gerade das macht Blogs wie diesen normalerweise interessant.
Aber ich kann mich nicht erinnern, wann es hier das letzte Mal überhaupt mal was Positives zu lesen gab.
Das ist traurig. Am Meisten natürlich für den Teacher selbst.


Dass derlei Kritik dann gleich wieder empört in die "immer diese Lehrerschelte, so unfair"-Ecke gestellt wird, finde ich ebenfalls schade. 
teacher antwortete am 18. Mai, 11:30:
Ich verstehe schon, dass lustige Berichte aus dem Schülerleben besser ankommen. Ich suche hier nicht aus, was mich in meinem Lehreralltag bewegt, ich schreibe es nieder - das schaut dann halt so aus wie es ausschaut: ungesiebt. 
Nichtpädagogin (Gast) meinte am 10. Mär, 12:17:
Wenn ich bedenke, dass alle jungen Mütter die ich miterlebt habe, die es sich leisten konnten, die ersten 6 Jahre bei den Kindern zu Hause zu bleiben, nach "Erwachsenengesprächen" gelechzt hatten (und wären diese Gespräche auch noch so oberflächlich), kann ich mir schon vorstellen, wie´s da einem Lehrer geht.
Auch nachvollziehbar das Statement eines gut befreundeten Lehrers, der nach einem sommerlichen Frühjaht gemeint hat - "ich kann schon keine halbnackerten Jugendlichen mehr sehen". 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:49:
Guter Vergleich. 
kittykoma meinte am 10. Mär, 12:27:
busfahrern geht es genauso. und die haben nicht mal jemanden zum reden.
edit: es sagt aber auch viel über einen, sich als direkte ansprechpartner unreife jugendliche zu wählen. viel über sein dominanzstreben, seinen masochismus, seine eigene unreife und seine angst, sich mit erwachsenen menschen zu konfrontieren.
ich habe kürzlich meine berufswahl (die eine ganz andere ist, aber auch ich leiste manchmal recht infantilen menschen hilfestellung) nach diesen gesichtspunkten abgeklopft und war schwer erschüttert über mich. 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:54:
Bei der Lehrerausbildung werden solche problematischen Motive bewusst gemacht. Sollten sie vorhanden sein (z.B. Angst), dann wird daraus nichts Brauchbares, weder für die Kinder noch für die Lehrer. 
Ranunkelchen meinte am 10. Mär, 12:52:
meine freundin
bestreitet grad ihr praktikum als lehramtsstudentin in einer berufsschule...und ist täglich mächtig erschüttert...aber leider nicht bloß von der schülerschaft. ihre heeren ziele als spätere lehrerin für mathe, engl u geschichte werden sich wohl mit der realität bitter streiten...schade das. 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:55:
Der Begriff "Praxisschock" zieht sich durch die einschlägige Literatur. Wer es nur von außen kennt (oder nur vom Studium), der hat ein ziemlich eingeschränktes Blickfeld. Ich möchte es hier mit diesem Blog ausweiten. 
Anja-Pia meinte am 10. Mär, 16:30:
Lehrer unter sich
Von einer Deiner Berufskolleginnen weiß ich, dass Lehrer untereinander hauptsächlich über Schüler sprechen und tratschen. Ich glaube, die meisten Schüler haben gar keine Ahnung, wie wichtig sie für die Kommunikation unter Lehrern sind. ;-) 
teacher antwortete am 10. Mär, 19:57:
Ja, manche Biographien werden förmlich seziert. In den Ferien meide ich den Kontakt mit Lehrern, damit ich wirklich abschalten kann. 
Klabund (Gast) meinte am 10. Mär, 21:35:
Ich hab deine Anekdote eigentlich jetzt ganz anders interpretiert:
Das Verhaltensweisen von Schülern, vermeintlich unreif, auch im fortgeschrittenen Alter noch bestehen bleiben (Mädchen-Clique, der Aussenseiter der sich nicht anpassen will...)
Viele Grüße
Klabund (der auch oft schwarz angezogen ist und nach Zigarette stinkt...) 
teacher antwortete am 11. Mär, 12:06:
Das ist ein neuer Ansatz, den ich nicht im Auge hatte. Trotzdem ist er interessant! 
BIA (Gast) meinte am 11. Mär, 05:20:
Nicht zu vergessen der arme Lehrer-Lebenspartner, der sich die Biographien von 150 unreifen Schülern merken muss, die dem Lehrer ja doch irgendwie immer durch den Kopf schwirren...
Ich hab mir am Samstag ein Schweigeverbot über die Schule auferlegt, das entspannt alle ungemein. 
teacher antwortete am 11. Mär, 12:07:
Mei mir - als Mann?! - ist es umgekehrt.
Meine Frau würde gerne mehr von meinen Schulgeschichten/-biographien hören, kann sie aber höchstens hier lesen.
Ich rede mit ihr sehr selten über SchülerInnen. 
pringle meinte am 11. Mär, 09:46:
ähem.
Hypotenuse. Aber Sie unterrichten ja kein Deutsch *feix* 
teacher antwortete am 11. Mär, 12:03:
Mathe - hoffentlich - auch nicht.
-th- geht gar nicht mehr? Oder darf ich es als alte REchtschreibung handhaben? 
pringle (Gast) antwortete am 11. Mär, 16:45:
ts ts...
...das ging noch nie! Sie meinten vielleicht Hypothese?

sorry. ich bin ein ekelhafter kleiner Rechtschreibnazi *schäm* 
teacher antwortete am 11. Mär, 19:41:
Na gut, ich lasse mich von so viel verschämtem Charme überzeugen. :-) 
Micha (Gast) antwortete am 16. Mär, 17:49:
Jaja, Charme hat er wirklich ^^ 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma