Supplieren ist unbeliebt: Oft muss man kurzfristig eine fremde Klasse übernehmen und weiß nicht, was einen hinter der Tür erwartet. Dieses Mal war es leichter - ich kannte die vierte Klasse und die abwesende Kollegin hat mir vorsorglich eine Videokassette in die Hand gedrückt:
"Schau mit ihnen den Anfang von Little Buddha an, du kennst dich ja mit asiatischen Kulturen aus."
"Super. Gerne."
Ich winke mit der Kassette und wundere mich über die Reaktion der Schülerinnen:
- "Nein! Der ist fad."
- "Muss das sein?"
- "Wir haben nächste Stunde Mathe-Schularbeit!"
"Ok", sage ich, "wenn ihr lieber Mathe üben wollt ..."
Das hätte ich nicht tun sollen.
"Können Sie uns eine Rechnung aufgeben?"
"Ahhh ... was macht ihr gerade?"
"Quadratwurzeln mit Variablen!"
Das habe ich das letzte Mal vor 30 Jahren probiert.
"Gut, rechnet mal die Quadratwurzel aus 64 x hoch 4."
"Das ist zu einfach!!!"
Eine Zwischenfrage beschert mir weitere Schmach.
"Ist 2,64 eine rationale Zahl?"
Bevor ich etwas Falsches behaupte, steige ich auf den Einserschmäh um und reiche das Problem an die Klassenbeste weiter: "Was sagst Du, Tanja?"
"Eigentlich schon."
Leider steht im Heft das Gegenteil.
"Dann werde ich einfach nachschauen."
Wolframalpha soll eine schlaue Wissensmaschine sein, aber sie gibt nur gute Antworten auf gute Fragen. Ich erkenne, dass es - entgegen anders lautender Behauptungen - blöde Fragen gibt: Keine Lösung. Wikipedia definiert superschlau, aber viel zu umständlich: Auch keine Lösung.
"Ich geh jetzt mal ..."
"Super, Herr Professor!"
"Ich geh ... ins Lehrerzimmer ... fragen."
"Danke."
Dort gibt mir ein Mathematikkollege eine Einführungsvorlesung in Sachen reelle Zahlen und schreibt mir eine halbe Seite voll mit diversen Beispielen.
Zurück in der Klasse umringt mich sofort ein Dutzend neugieriger Schülerinnen. Ich erkläre stolz:
"2,64 ist eine rationale Zahl, weil die nicht sichtbare Null dahinter periodisch ist."
"Sag ich ja", ätzt Superschlau-Tanja.
"Und warum habt ihr ins Heft das Gegenteil geschrieben?"
Achselzucken.
Dedektivisch komme ich dem Rätsel auf die Spur:
Die Kinder mussten selbständig Wurzelrechnungen lösen und entscheiden, ob die Ergebnisse rational oder irrational sind. Bei Wurzel aus 6 waren zu viele Stellen hinter dem Komma, also haben sie auf 2,64 gerundet und dann entschieden: Rationale Zahl.
Falsch.
"Völlig verkehrter Ansatz, Leute. Gerade wenn hinter dem Komma so ein mathematischer Müllhaufen steht, dann handelt es sich um irrationale Zahlen."
"Mathematischer Müllhaufen? Das verstehe ich", jubeln die Zuhörer.
"Also, wenn keine Periodizität zu erkennen ist", will ich mich verbessern.
"Neee. Müllhaufen!"
"Schau mit ihnen den Anfang von Little Buddha an, du kennst dich ja mit asiatischen Kulturen aus."
"Super. Gerne."
Ich winke mit der Kassette und wundere mich über die Reaktion der Schülerinnen:
- "Nein! Der ist fad."
- "Muss das sein?"
- "Wir haben nächste Stunde Mathe-Schularbeit!"
"Ok", sage ich, "wenn ihr lieber Mathe üben wollt ..."
Das hätte ich nicht tun sollen.
"Können Sie uns eine Rechnung aufgeben?"
"Ahhh ... was macht ihr gerade?"
"Quadratwurzeln mit Variablen!"
Das habe ich das letzte Mal vor 30 Jahren probiert.
"Gut, rechnet mal die Quadratwurzel aus 64 x hoch 4."
"Das ist zu einfach!!!"
Eine Zwischenfrage beschert mir weitere Schmach.
"Ist 2,64 eine rationale Zahl?"
Bevor ich etwas Falsches behaupte, steige ich auf den Einserschmäh um und reiche das Problem an die Klassenbeste weiter: "Was sagst Du, Tanja?"
"Eigentlich schon."
Leider steht im Heft das Gegenteil.
"Dann werde ich einfach nachschauen."
Wolframalpha soll eine schlaue Wissensmaschine sein, aber sie gibt nur gute Antworten auf gute Fragen. Ich erkenne, dass es - entgegen anders lautender Behauptungen - blöde Fragen gibt: Keine Lösung. Wikipedia definiert superschlau, aber viel zu umständlich: Auch keine Lösung.
"Ich geh jetzt mal ..."
"Super, Herr Professor!"
"Ich geh ... ins Lehrerzimmer ... fragen."
"Danke."
Dort gibt mir ein Mathematikkollege eine Einführungsvorlesung in Sachen reelle Zahlen und schreibt mir eine halbe Seite voll mit diversen Beispielen.
Zurück in der Klasse umringt mich sofort ein Dutzend neugieriger Schülerinnen. Ich erkläre stolz:
"2,64 ist eine rationale Zahl, weil die nicht sichtbare Null dahinter periodisch ist."
"Sag ich ja", ätzt Superschlau-Tanja.
"Und warum habt ihr ins Heft das Gegenteil geschrieben?"
Achselzucken.
Dedektivisch komme ich dem Rätsel auf die Spur:
Die Kinder mussten selbständig Wurzelrechnungen lösen und entscheiden, ob die Ergebnisse rational oder irrational sind. Bei Wurzel aus 6 waren zu viele Stellen hinter dem Komma, also haben sie auf 2,64 gerundet und dann entschieden: Rationale Zahl.
Falsch.
"Völlig verkehrter Ansatz, Leute. Gerade wenn hinter dem Komma so ein mathematischer Müllhaufen steht, dann handelt es sich um irrationale Zahlen."
"Mathematischer Müllhaufen? Das verstehe ich", jubeln die Zuhörer.
"Also, wenn keine Periodizität zu erkennen ist", will ich mich verbessern.
"Neee. Müllhaufen!"
teacher - am Montag, 9. November 2009, 20:10
Frau K (Gast) meinte am 9. Nov, 21:19:
Na Gott sei Dank, ich war jetzt schon neugierig, was an 2,64 NICHT rational sein soll...Aber mir haben unlaegst Zweitklassler erklaert, 107 sei eine Primzahl, weil die letzte Stelle eine 7 ist. Hmpf.
steppenhund antwortete am 9. Nov, 21:39:
Ist aber wirklich eine Primzahl.7 ist eine Primzahl.
1 wird nicht einmal zu den Primzahlen gerechnet, weil Sonderfall.
0 ist überhaupt keine Zahl zum Primfaktorenzerlegen.
also bleibt nur 7 übrig - eine Primzahl:)))
la-mamma antwortete am 9. Nov, 23:25:
steppenhund,
an dir ist auch ein detektiv verloren gegangen;-)
steppenhund meinte am 9. Nov, 21:48:
So aber jetzt ganz im Ernst:Selbstverständlich ist 2.64 eine reelle Zahl und im speziellen Fall auch eine rationale Zahl.
Die Menge der reellen Zahlen bestehen aus ganzen Zahlen, rationalen Zahlen und Irrationalen Zahlen. Bei den irrationalen Zahlen gibt es noch eine Unterscheidung in algebraische und transzendente Zahlen.
Wenn man sich die Zahlen auf der Zahlengeraden aneinander gereiht vorstellen möchte, sind alle diese Typen vorhanden.
Es kann also mit 2.64 die Zahl 264/100 gemeint sein, dann ist sie ganz eindeutig rational. Oder es handelt sich um eine Schlamperei und sollte 2.64... heißen. Dann ist es keine rationale Zahl. In beiden Fällen trifft zu, dass es sich um eine reelle Zahl handelt.
Wurzel aus 6 ist eine irrationale Zahl und jetzt darf noch die Zusatzaufgabe gelöst werden, ob sie algebraisch oder transzendent ist.
Lehrerfreund (Gast) antwortete am 9. Nov, 22:48:
pr-verwertung
Hallo teacher,kann ich diesen Beitrag als Werbung für dich auf Dem Lehrerfreund kopieren?
teacher antwortete am 10. Nov, 11:03:
@steppenhund: Mathe-Studium absolviert? Oder Technische Physik? Oder was?
Lehrerfreund (Gast) antwortete am 11. Nov, 09:27:
danke, Beitrag ist online
Werbung, ich habe mich beim Lesen des Beitrags schließlich totgelacht.
mathematica (Gast) meinte am 9. Nov, 23:42:
wolfram alpha
Falls wieder solche Fragen auftauchen...Wolfram Alpha kann das natürlich:
http://www.wolframalpha.com/input/?i=rationalize+2.64+rational
Man muss nur ein bisschen mit den englischen Begriffen herumexperimentieren, dann spuckt er schon das aus was man gerne hätte.
lg
Daniel (Gast) antwortete am 10. Nov, 13:08:
Natürlich so intressanter:rationalize sqrt(2) rational
(denn jede zahl die man direkt als Dezimalzahl hinschreiben kann ist rational)
teacher antwortete am 10. Nov, 20:49:
Wie gesagt: Wolframalpha gibt auf gute Fragen gute Antworten. Aber so gut bin ich nicht (in Mathe).
charlotte sometimes (Gast) meinte am 10. Nov, 13:58:
ich habe bei mathearbeiten gelitten wie ein hund beim tierarzt. bin ich froh dass das vorbei ist!
teacher antwortete am 10. Nov, 20:21:
Da bist du nicht alleine.Ich selbst habe Mathe ganz gerne gehabt - aber (fast) ALLES wieder vergessen.
sigi (Gast) antwortete am 26. Nov, 23:58:
gerade als Lehrer sollte man ein Leben lang lernen :-P
timanfaya meinte am 10. Nov, 14:22:
ich habe in der neunten und zehnten klasse alle mathearbeiten mit voller punktzahl geschrieben. und das niveau war hoch. aber ich stelle gerade fest: ich weiß von alledem absolut garnix mehr ... (o;p.s.: wenn ich heute meine biochemischen erläuterungen aus der abi zeit lese habe ich allerdings auch das gefühl einem nobelpreisträger zu lauschen.
teacher antwortete am 10. Nov, 20:24:
Ich habe auch Latein, Spanisch, Chemie usw. weitgehend vergessen. Bloß ein paar Grundeinsichten sind geblieben - nach 12 Jahren harter Arbeit. Das sollte uns doch zu denken geben!
stichi antwortete am 10. Nov, 22:57:
Tja, was sollen wir denn denken? Am besten lernen wir nichts, dass wir nichts vergessen?Man kann gar nicht genug lernen und manchmal ist es erstaunlich, was einem wieder einfällt, wenn man sich nach langer Zeit mit einem längst "vergessenen" Thema beschäftigt.
deprifrei-leben antwortete am 11. Nov, 17:18:
Robert Enke
Wer will kann ja seine Gedanken in meinem Blog niederschreiben.Sorry für meine Störung, aber das Thema ist mir wichtig.
teacher antwortete am 11. Nov, 19:58:
Wer weniger lernt, kann weniger vergessen: Wir wollen doch alle weniger vergessen.
Christopher (Gast) meinte am 11. Nov, 20:28:
...
ach ja...schön was zum schmunzeln :) Bei uns gabs in der Vertretungsstunde meistens Laterale...die fand ich gut und würde sie gegebenfalls wohl auch versuchen.
Christopher (Gast) antwortete am 11. Nov, 21:40:
Laterale sind Rätselgeschichten, die durch einfache Ja/Nein-Antworten gelöst werden. Beispiel:
- Cleopatra ist liegt tot in einem Scherbenhaufen. Caesar liegt
daneben und schläft. - Was ist passiert?
- daraufhin dürfen die Schüler Dir Fragen stellen, die Du entweder mit "ja" oder "nein" beantworten darfst. Bei uns war das
immer ein Riesenspaß, bei dem eigentlich alle mitgemacht haben
(sogar dann später im Seminar).
Ach ja die Lösung ist übrigens:
- Cleopatra ist ein Goldfisch, dessen Glas von Caesar (dem Kater) vom Tisch geschubst wurde. Durch den lauten Knall ist Caesar allerdings so erschreckt worden, dass er fluchtartig das Weite gesucht hat und dann in einer Ecke des Zimmers eingeschlafen ist.
- von dieser Sorte gibt es im Netz noch jede Menge andere
Gruß
itzivi (Gast) antwortete am 13. Nov, 19:09:
Meiner Erfahrung nach hast du da eigentlich alles richtig gemacht. Nämlich: 1) Zugegeben, dass du es selbst nicht wusstest statt irgendwas gesagt, was dann falsch ist. Damit hast du erstens nichts falsches beigebracht und zweitens ein Beispiel dafür gegeben, dass man Unwissenheit zugeben darf. Letztendlich arbeitest du damit an der Prüfungsangst- Problematik: Wenn selbst der Lehrer manchmal was nicht weiß, darf ich auch mal was nicht wissen. Darum muss ich mir keine Sorgen machen, sondern kann einfach mit der nächsten Aufgabe weitermachen.
2) Schwierige mathematische Begriffe auf ein verständliches Wort gebracht: "Irrational ist eine Zahl, wenn in den Nachkommastellen keine Periodizität erkennbar ist" verstehen die meisten Oberstufenschüler nicht, weil der Fachbegriff einfach unbekannt ist. Einen "mathematischen Müllhaufen" kann sich jeder vorstellen.
3) Unser Gehirn merkt sich Dinge besser, wenn es ein bisschen angeregt wird. Spass beim Lernen ist wichtig, weil er das Hirn anregt. Das funktioniert im Übrigen auch mit jedem anderen Gefühl. Selbst ein Witz, bei dem die Schüler nur die Augen verdrehen ist besser als gar keiner. Und an diese Stunde erinnern die Schüler sich mit Sicherheit.
Ich habe gerade in der Hausaufgabenbetreuung bei Lateinhausaufgaben geholfen. Mein letzter Lateinunterricht liegt zig Jahre zurück und endete mit ganz knapp bestanden. Trotzdem ging es irgendwie. Mit Wörterbuch.