Zurück von der Alpenexkursion begrüßt mich der Direktor mit einer unliebsamen Einladung: "Um 10 Uhr ist Besprechung wegen eines Einspruchs."
Eine Mutter hat Berufung gegen eine Note eingelegt.
Ich suche hektisch alle Aufzeichnungen des vergangenen Jahres zusammen, um schlüssig begründen zu können, warum Schüler X ein "Genügend", kein Nicht genügend und auch kein Befriedigend, bekommen hat. Und ich muss zudem in die Benotung "Genügend" hineininterpretieren, ob dieses gut abgesichert ist oder eher die Prognose nahe legt, dass Schüler X in der Zukunft Lernprobleme haben könnte. Ein gewagter, ein unmöglicher Drahtseilakt:
Ist der Vierer ein guter Vierer, dann darf der Schüler - trotz einer negativen Beurteilung in einem zweiten Gegenstand - in die nächste Schulstufe aufsteigen. Wir sagen: "Er kriegt die Klausel." Ist der Vierer ein schwacher Vierer, dann muss er eine Wiederholungsprüfung machen und darf vorerst nicht aufsteigen: "Keine Klausel." Die Entscheidung fiel zwar in der Klassenkonferenz, aber meine Beurteilung gab den Ausschlag.
Diese psychische Belastung holt mich aus dem Schlaf: "Das kostet ihm ein Jahr, ein Lebensjahr. Vielleicht verlässt er sogar die Schule - wegen mir. Er wird aus dem Klassenverband herausgerissen, verliert seine Freunde und ich bin Schuld. Natürlich gibt es Reibereien in der Familie, ich könnte sie mit einem Federstrich beseitigen. Warum bin ich so blöd? Ich brauche doch nur ein Wort sagen: abgesichert."
Am nächsten Tag erkläre ich dem Klassenvorstand: "Von mir aus kann der Schüler die Klausel haben." Ich bin zum Nachgeben bereit, weil ich die Relativität von Noten kenne und weil ich weiß, wie viel Arbeit die schriftliche Dokumentation des ganzen Schuljahres machen wird.
Aber fünf Minuten später, in der Direktion, höre ich mich ganz andere Worte sagen: "Mein Urteil ist gut überlegt. Ich darf dem Schüler und seinen Eltern nicht den Eindruck vermitteln, dass ein Aufstieg problemlos verlaufen wird, das wäre unverantwortlich."
Ich fühle, dass ich zu meiner Entscheidung stehen und den Konferenzbeschluss verteidigen muss. Später wird mir klar, dass Berufungen zu spät einsetzen, erst nach einem psychologischen point of no return, dass Mediation bereits vor Konferenzbeschlüssen stattfinden müsste.
Reden statt berufen.
Eine Mutter hat Berufung gegen eine Note eingelegt.
Ich suche hektisch alle Aufzeichnungen des vergangenen Jahres zusammen, um schlüssig begründen zu können, warum Schüler X ein "Genügend", kein Nicht genügend und auch kein Befriedigend, bekommen hat. Und ich muss zudem in die Benotung "Genügend" hineininterpretieren, ob dieses gut abgesichert ist oder eher die Prognose nahe legt, dass Schüler X in der Zukunft Lernprobleme haben könnte. Ein gewagter, ein unmöglicher Drahtseilakt:
Ist der Vierer ein guter Vierer, dann darf der Schüler - trotz einer negativen Beurteilung in einem zweiten Gegenstand - in die nächste Schulstufe aufsteigen. Wir sagen: "Er kriegt die Klausel." Ist der Vierer ein schwacher Vierer, dann muss er eine Wiederholungsprüfung machen und darf vorerst nicht aufsteigen: "Keine Klausel." Die Entscheidung fiel zwar in der Klassenkonferenz, aber meine Beurteilung gab den Ausschlag.
Diese psychische Belastung holt mich aus dem Schlaf: "Das kostet ihm ein Jahr, ein Lebensjahr. Vielleicht verlässt er sogar die Schule - wegen mir. Er wird aus dem Klassenverband herausgerissen, verliert seine Freunde und ich bin Schuld. Natürlich gibt es Reibereien in der Familie, ich könnte sie mit einem Federstrich beseitigen. Warum bin ich so blöd? Ich brauche doch nur ein Wort sagen: abgesichert."
Am nächsten Tag erkläre ich dem Klassenvorstand: "Von mir aus kann der Schüler die Klausel haben." Ich bin zum Nachgeben bereit, weil ich die Relativität von Noten kenne und weil ich weiß, wie viel Arbeit die schriftliche Dokumentation des ganzen Schuljahres machen wird.
Aber fünf Minuten später, in der Direktion, höre ich mich ganz andere Worte sagen: "Mein Urteil ist gut überlegt. Ich darf dem Schüler und seinen Eltern nicht den Eindruck vermitteln, dass ein Aufstieg problemlos verlaufen wird, das wäre unverantwortlich."
Ich fühle, dass ich zu meiner Entscheidung stehen und den Konferenzbeschluss verteidigen muss. Später wird mir klar, dass Berufungen zu spät einsetzen, erst nach einem psychologischen point of no return, dass Mediation bereits vor Konferenzbeschlüssen stattfinden müsste.
Reden statt berufen.
teacher - am Freitag, 3. Juli 2009, 08:14
testsiegerin meinte am 3. Jul, 15:02:
Ehrlich gesagt, ich finde das Sitzenbleiben sowieso blöd und - wie man an anderen Ländern wie z.b Finnland sieht - unnötig. Meine Tochter hat auch zwei Wiederholungsprüfungen, und ich hoffe, sie schafft sie auch. Ich kann und will es nicht verstehen, warum man Kinder/Jugendliche aus einem Klassenverband herausreißt, sie dazu zwingt, zehn Fächer, in denen sie zum Teil gut waren, zu wiederholen, nur weil sie in einem oder zwei Fächern Probleme haben.
Ich kann mir Nachhilfestunden nicht leisten, und ich weiß, dass es nicht an mangelnder Intelligenz liegt, sondern zum Teil auch daran, dass sie Tourette hat und manchmal ihre ganze Energie braucht, um ihre Tics so gut wie möglich zu unterdrücken. Diese Energie fehlt ihr dann für die Konzentration in der Schule und bei Schularbeiten.
Das sehen die LehrerInenn aber nur teilweise.
Warum wird sie nicht einfach in diesen Fächern von der Schule gefördert? Warum unterrichten viele LehrerInnen nicht so, dass sie das Wissen den Kindern vermitteln können?
Es gibt leider ganz wenige von deiner Sorte, die sich selbst hinterfragen und selbstkritisch sind. Meistens sind in ihren Augen die Kinder zu blöd oder die Eltern schuld.
ich bin ziemlich froh, wenn wir das Schulsystem endlich hinter uns haben.
ich (Gast) antwortete am 3. Jul, 15:15:
Ist Deine Tochter an einer Regel- oder an einer Förderschule? In der Regelschule sollte Sie auch die Regelleistungen bringen. Klar, aufgrund ihrer Krankheit kann sie das nicht immer -- aber dann ist zu überlegen, ob die Schulform die richtige ist (und zumindest die Entscheidungen des Lehrers, dass eine bestimmte Leistung nicht gebracht wurde, zu akzeptieren). Das hat mit Intelligenz nichts, aber auch gar nichts zu tun. Du kannst unser Schulsystem (leider!) nicht dem dem von Finnland vergleichen. Dort ist die Aufgabe des Lehrers das unterrichten. Punkt. Alle weiteren Förderungen werden dort von Fachkäften (Sozialarbeitern usw) übernommen, die das auch gelernt haben. Damit ist eine individuelle Förderung und Konfliktlösung möglich, bei uns leider nicht.
Aber: Die Lehrer in Finnland werden extrem schlecht bezahlt, und haben auch nicht so viel Urlaub wie unsere Lehrer.
Zurück zum Punkt mit Deiner Tochter: Auf welche Art sollen denn die Lehrer Dein Kind fördern? In welcher Zeit? Was machen in der Zeit die anderen?
testsiegerin antwortete am 3. Jul, 15:30:
ich halte nichts von regel- oder förderschulen. ich will EINE schule, in der jedes kind so gefördert und gefordert wird, wie es für ihn/sie passt. meine tochter braucht auch keine sozialarbeiterin (so eine hat sie nämlich zur mutter ;-)- oder eine seperate psychosoziale betreuung - sie bräuchte einfach lehrerInnen, denen das unterrichten spaß macht, die die kinder gern haben, die sich passende methoden überlegen und rücksichten auf die stärken und schwächen der kinder nehmen.
wie sie das leisten soll, die schule? wüsste ich das, wäre ich unterrichtsministerin geworden, nicht sachwalterin.
aber um meine tochter gehts eh nicht. sondern um das system des "sitzenbleibens", das meiner meinung nach ins vorige jahrtausend gehört.
mario (Gast) antwortete am 3. Jul, 18:58:
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen daß auch Sitzenbleiben sinnvoll sein kann. (Bei mir wars seinerzeit Latein im 3. Gymnasium - und dieses eine Jahr hat mir aus heutiger Sicht unendlich viel gebracht.)Ja, ich bin auch für gute Lehrer, ich bin auch für individuelle Förderung - aber ich bin dagegen alle in einen Topf zu werfen und junge Menschen trotz mangelnder Leistung (aus welchen Gründen auch immer) in die nächste Schulstufe zu stecken, in der sie dann erst recht wieder überfordert sind.
Lieben Grüße,
mario
teacher antwortete am 3. Jul, 22:02:
Wiederholen ist in vielen Fällen kontraproduktiv, in einigen sinnvoll, manchmal ohne Wirkung - ich kenne auch keine ideale Alternative. Momentan muss ich mich an die geltenden Gesetze halten und bin dabei mit der "Berufung" gegen Noten sehr unzufrieden. Da muss viel früher Mediation passieren, bevor die Juristen eingreifen.
emu (Gast) antwortete am 4. Jul, 02:24:
Bei aller Liebe, aber Noten müssen gemäß der Leistungsbeurteilungsverordnung vergeben werden, die in Österreich die wenigsten Lehrerinnen und Lehrer wirklich gelesen haben. Einsprüche sind keine Gängeleien der Eltern, sondern ein legitimes Rechtsmittel, auch wenn zugegeben die meisten Beschwerden ohnehin aussichtslose Fälle betreffen. Ich bin auch gegen Sitzenbleiben und für Information und überhaupt soll es allen besser gehen, aber Eltern generell als Querulanten darzustellen, halte ich für fahrlässig. (Ich habe keine Kinder und bin im Dunstkreis der LehrerInnenbildung tätig.)
teacher antwortete am 5. Jul, 11:44:
Klar. Mich wundert nur, dass in vielen Rechtsfällen (Eherecht, Privatrecht ...) Mediation viele Rechtsstreitigkeiten ersetzt, es in der Schule (wo Juristen möglichst nichts zu suchen haben) nicht Platz greift.
ich (Gast) antwortete am 6. Jul, 09:27:
Oh, Du willst keine Sozialarbeiterin, die sich um Deine Tochter kümmert, führst das finnische Schulsystem aber als Beispiel an? Ich empfehle Dir, Dich zu informieren.
scheppler (Gast) meinte am 4. Jul, 10:38:
Warnnoten?
Erst reden, dann widersprechen - das wäre tatsächlich sinnvoller.Bei uns gibt es so genannte Warnnoten. Das heißt, mit einem gewissen Vorlauf werden die Lehrer gebeten, gefährdete Schüler mit einer solchen Bilanz-/Perspektivnote vorzuwarnen, was auch schriftlich an die Eltern geht.
Wurde eine solche Warnnote nicht ausgesprochen, ist auch die Nichtversetzung durch dieses Fach nicht möglich). Das gibt beiden Seiten genug Zeit, aufeinander zuzugeben - was aber in der Praxis dennoch nicht immer geschieht.
Gibt es sowas bei Euch nicht?
walküre antwortete am 4. Jul, 13:27:
Es gibt hierzulande die sogenannte Frühwarnung, die schriftlich an die Eltern ergeht, also kommt eine Fünf nicht aus heiterem Himmel.Bei meiner Tochter fällt mir auf, dass sie extreme Unterschiede bei den Zeugnisnoten hat und; es ist natürlich schon auch so, dass manche Lehrkräfte zwar viel Leistung verlangen, es aber verstehen, ihre Schüler/innen maximal zu motivieren (was sich bei den positiven Noten niederschlägt), andere hingegen sich bemühen, aber mit wenig Erfolg.
teacher antwortete am 5. Jul, 11:58:
Die Frühwarnung wird immer weniger ernst genommen - die Eltern werden dabei zu einer Besprechung vorgeladen, aber sie kommen nicht. Warnnoten wären effizienter, glaube ich.
testsiegerin antwortete am 5. Jul, 12:18:
ich weiß auch nicht so genau, was es bei einer sechzehnjährigen helfen soll, wenn ich in die schule gehe und mit den lehrern diskutiere. wenn ich ihnen erkläre, dass die konzentration aufgrund der krankheit manchmal nachlässt etc. da hör ich doch immer die gleichen floskeln von wegen sie können nur die leistung beurteilen, die sie sehen und so weiter. und dass mein kind nachhilfe nehmen soll. nun kann ich mir eine nachhilfe aber nicht leisten (ja, auch das gibt's) und bin immer noch überzeugt davon, dass es aufgabe der schule und nicht der nachhilfelehrer ist, meinen kindern so beizubringen, dass es bei ihnen ankommt. wie gesagt, an mangelnder intelligenz liegt es bei meinem kind ja nicht.lehrer sind - und ich weiß, dass sie, teacher eine rühmliche ausnahme sind - gegen selbstkritik mit einer teflonschicht überzogen.
stichi antwortete am 5. Jul, 13:19:
Manche Eltern ebenso!!!!Wenn jemand etwas nicht begreift, kann es doch auch an dem liegen, der es begreifen soll, nicht nur an dem, der es begreiflich machen soll, oder?
testsiegerin antwortete am 5. Jul, 13:35:
bei jeder form der kommunikation geht es immer um sender und empfänger.
Revo (Gast) antwortete am 5. Jul, 13:55:
Ebensolche Eltern...
...wie die Testsiegerin sind einer der schwerwiegenderen Hader-Punkte hinsichtlich der Frage, ob der (derzeit angestrebte) Beruf des Lehrers für mich was ist.Denn immer wieder kriege ich mit (aus diverslichem Bekanntenkreis), dass meckernde Eltern jeweils für sich (bzw. das eigene Kind) immer dutzend gute Gründe und Entschuldigungen haben, warum nun gerade die schlechten Noten ihres Kindes auf ganz bestimmten Ursachen beruhen, für welche dann eine Extraportion Rücksichtnahme gefordert wird.
Wenn's danach ginge, hat wohl jedes Kind Anspruch drauf mit Hutzidutzidu und Samthandschuhen gute Noten auf nem Silbertablett serviert zu bekommen, denn die armen Hascherln können schließlich nichts dafür, dass's Leben so schwer ist.
(Den stellenweisen Sarkasmus möge man mir nachsehen)
Da wird mir Angst und Bange.
:-|
testsiegerin antwortete am 5. Jul, 14:00:
ja, schon blöd, dass die kinder, die in die schule kommen, auch eltern haben. manchmal sogar welche, die auf seiten ihrer kinder stehen und diese nicht für böd und faul halten.
wenn sie angst vor eltern haben, dann sollten sie vielleicht tatsächlich einen anderen beruf ergreifen. einen, in dem sie nicht mit lebendigen menschen zu tun haben.
im übrigen geht es mir nicht um schlechte noten für mein kind, sondern darum, dass ich den wert der noten und die tatsache des sitzenbleibens generell anzweifle.
wer lesen kann ist klar im vorteil.
Revo (Gast) antwortete am 5. Jul, 14:10:
Da haben Sie mich falsch verstanden: ANGST habe ich da sicherlich keine. ;)Und sicherlich auch keine Vorbehalte gegenüber Eltern, die sich für ihre Kinder einsetzen. Das begrüße ich.
Nur: auch Eltern sollten da irgendwo noch klar genug denken können um zu sehen, was für Lehrer machbar ist und was nicht.
So manche Eltern verfallen in ein Systems des Forderns, Verlangens und Forderns.
Und wie es bereits jemand, ganz zu Recht, anmerkte: wenn da ein Kind an einer belastenden Krankheit leidet (mir ist das Tourette-Syndrom durchaus bekannt, mein aufrichtiges Beileid ans Kind), welche es unmöglich macht, die Konzentration an den Tag zu legen, welche notwendig ist - dann ist das Kind an einer Regelschule nicht gut aufgehoben.
Lehrer jedenfalls können schlecht neben dem Lehren noch für Nachhilfe und (quasi Kranken-)Pflege zuständig sein.
Nachhilfe muss doch übrigens nicht teuer sein. Mal in der Klasse rumgefragt? In der Nachbarschaft?
Ein klein wenig Eigeninitiative vermisse ich da und lese stattdessen nur dutzend Rechtfertigungen, Ausflüchte, Mitleidsgeheische und das Verlangen, sich auf diesen einen besonderen Fall einzustellen. (Dummerweise gibt's eben nicht nur diesen einen besonderen Fall, sondern derer Dutzende. Frage ich mich wirklich, wie ein Lehrer das bewerkstelligen soll... - leider fragen sich Eltern das wohl seltenst, wie es scheint.)
Da brauchen Sie mir auch gar keine Angst vor lebendigen Menschen zu unterstellen. Vor lebendigen Menschen habe ich keine Angst. Aber vor solchen, die Eigenverantwortung von sich schieben, auf andere abwälzen aufgrund "ach so schwerer Lebensumstände". (Für die kann der Lehrer nämlich genauso wenig wie sie und Hilfe - wie bereits gesagt - ist da nur in Grenzen möglich).
Testverlierer (Gast) antwortete am 5. Jul, 16:28:
Ich sehe das auch mit gemischten Gefühlen.Einerseits fordert alle Welt zentral gestellte Klausuren. Bei uns in NRW gibt es mittlerweile sogar schon zentrale schriftliche Prüfungen zum Realschulabschluss.
Andererseits soll man als Lehrer nicht nur auf jeden Schüler eingehen, nein, auch all seine Probleme irgendwie lösen und gleichzeitig ihm das verlangte Wissen beibringen und zwar -jetzt kommt das beste- sogar ohne jeglichen Willen oder Zutun des Schülers.
Was einige Eltern nicht verstehen, dazu gehören auch sie Testsiegerin, ist, dass die Regelschule kein System ist wo man durch erreichen eines speziellen (Dienst)Alters einen speziellen Abschluss erlangt, sondern wo man nach dem Erbringen jeweiliger Leistungen einen jeweiligen Abschluss erlangt. Wenn Lehrer eben jene Tatsache ihnen gegenüber anbringen, dann sind das keine Ausreden sondern Tatsachen und Gesetze an die sich Lehrer gefälligst zu halten haben.
Übrigens - und damit komme ich wieder zurück zu meinem ursprünglichen Punkt - ist ansonsten spätestens bei zentral gestellten und zentral korrigierten Klausren sowieso Schluss. Mit Recht.
teacher antwortete am 5. Jul, 17:06:
Die Ärzte haben es verstanden mitzuteilen, dass die Menschen für ihre Gesundheit selbst verantwortlich sind - sie selbst können nur helfen und unterstützen. Den Lehrern traut man zu, dass sie für Bildung und Erziehung zuständig sind - dabei können sie auch nur helfen und anbieten.Es ist ein kleines Wunder, dass jedes Jahr 95 % unserer SchülerInnen die Lernziele erreichen (dabei wird schon sehr viel gemogelt!) - dass jedes Jahr ALLE Kinder ALLE Ziele erreichen, das ist schlicht unrealistisch.
testsiegerin antwortete am 5. Jul, 18:02:
Ich brauche kein Mitleid und schon gar kein Beileid. Meine Tochter ist nämlich nicht gestorben, sondern sehr lebendig. Nachdem sie nun seit zehn Jahren (bislang ohne größere Schwierigkeiten) im Regelschulwesen unterrichtet wurde, gehe ich tatsächlich davon aus, dass sie auch die letzten zwei Jahre bis zur Matura runterbiegen wird. JedeR, der/die gelegentilch mein Blog liest, weiß, dass ich keine Mutter bin, die ihre Kinder maßlos überschätzt und sie in einer Schulform haben will, die für sie nicht passt.
Aber noch einmal. Es geht hier nicht um mich und mein Kind, sondern um ein System, das ständig "aussieben" will, das sich nicht anpsast an Realitäten oder die Kinder, sondern Anpassung verlangt.Wer nicht ins System passt, fliegt.
So sehen dann auch die erwachsenen Menschen aus. Angepasst, ohne Rückgrat, ohne eigenen Lebensstil und manchmal sogar ohne eigene Meinungen.
Sogar hier ist es ja so, dass die meisten sich nur "anonym" ihre Meinung zu sagen trauen.
Revo (Gast) antwortete am 5. Jul, 20:07:
Mein Beileid galt auch gewiss nicht Ihnen, sondern Ihrer Tochter, da mir durchaus bewusst ist, dass ein Leben mit Tourette nicht einfach ist.Natürlich geht's hier nicht um Sie und/oder Ihre Tochter, allerdings haben doch Sie das Beispiel herangezogen und sich über zu wenig Rücksichtnahme auf die Belange und Schwierigkeiten Ihrer Tochter beklagt und fordern mal eben im Rundumschlag von den Lehrern die perfekte Anpassung an Ihr Kind und im Grunde genommen an jedes Kind.
Wie das allerdings machbar sein soll, da fehlt jegliche Idee.
Ihren Blog lese ich btw nicht, insofern verzeihen Sie mir da entsprechendes Hintergrundwissen (interessiert mich jetzt allerdings auch gar nicht). Ich kann hier also nur nach dem urteilen, was Sie hier von sich geben.
Systeme, die aussieben, begrüße ich ebensowenig wie Sie, glauben Sie mir. Dennoch muss man sich fragen, wie es denn anders machbar sein soll, will man nicht auf Dauer das eigentliche Ziel (z.B. Lernziel) aus den Augen verlieren.
Und kann nicht auch ein Kind durchaus schon mal lernen, dass man im Leben nicht überall auf Rücksichtnahme hoffen darf? (Hart, ich weiß, aber leider notwendig. Und wir sind - ebenfalls leider - noch weit davon entfernt in einer Welt zu leben, in der jede noch so geringe Leistung mit Akzeptanz und Lob bedacht wird).
Ihren vorletzten Passus halte ich allerdings für trauriges Stammtisch-Gepauke. (Schade eigentlich)
Menschen entwickeln Rückgrat durch ihr familiäres Umfeld; und das halte ich für eine Aufgabe der Eltern (!), einem Kind Rückgrat mit zu geben.
Eventuell auftretende Rückgratlosigkeit nun unseren Schulsystemen anzulasten - imho harter Tobak.
.
.
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Was die von Ihnen bemängelte Anonymität angeht:
andere mögen es anders halten, ich hingegen hausiere im Internet grundsätzlich nicht mit meinem Namen. Reiner Selbstschutz, da zumindest ich durch meinen Monitor NICHT sehen kann, welcher Psychopath sich evtl. am anderen Ende der Leitung aufhält (Und nein, der Psycho ist gewiss NICHT auf SIE bezogen, nur um Missverständnissen vorzubeugen).
Ab davon will sich mir auch nicht erschließen, welche Änderung es nun an meinen Worten mit sich gebracht hätte, hätte ich ins Namensfeld z.B. ein "Lieschen Müller aus Hintertupfingen" gesetzt - den Wahrheitsgehalt kann hier eh niemand prüfen, insofern bleibt die Anonymität. Damit muss man sich im Internet nunmal abfinden oder es anderenfalls bei realen Diskussionsrunden bei der örtlich ansässigen VHS und anderen Institutionen belassen.
;)
Für mich ist die Diskussion hiermit beendet (und der Teacher hat nach wie vor meine Hochachtung).
Beste Grüße,
Revo
BIA (Gast) antwortete am 5. Jul, 20:46:
@testsiegerin
Binnendifferenzierung ist bei den momentanen Arbeitsbedingungen an Schulen für Schüler und Lehrer kaum zu leisten - das sag ich jetzt mal so, nicht, weil ich Binnendifferenzierung ablehnen, im Gegenteil; aber weil ich nicht sehe, wie das bei 33 Kindern pro Klasse funktionieren soll, OHNE dass ein gehöriger Reformschub durch's ganze Schulsystem geht. Danach schaut'smomentan aber nicht gerade aus.Und Schüler und Lehrer haben gleichermaßen Pech...Schüler, weil sie nicht optimale Förderung bekommen und Lehrer, weil sie nicht die eierlegende Wollmilchsau sein können, die man sich so wünscht; und die auch viele Lehrer gerne wären.
testsiegerin antwortete am 5. Jul, 22:02:
das glaub ich ihnen aufs wort. ich wünsche mir ja, dass ein gehöriger reformschub durchs schulsystem geht.
ohne visionen hat sich noch nie etwas geändert in der geschichte der menschheit.
teacher antwortete am 5. Jul, 22:30:
Diese Diskussion zeigt mir wieder, wie hoch die Ansprüche an das System Schule geschraubt wurden - so hoch, dass wir sie niemals erfüllen können. Wir sind zum Scheitern verurteilt und wir scheitern.Wir müssen einmal klar sagen, was möglich ist und was nicht. Die Versprechen, die von manchen Politikern und Polemikern getätigt werden (Schule macht Spaß, Schule wirkt integrativ, Schule löst Gewalt-, Drogen- u.v.a Probleme, Schule holt alle dort ab, wo sie sind und bringt alle zum Abitur ...) sind einfach weit überzogen und verlogen. Erwartet nicht das Unmögliche!
urselchen (Gast) antwortete am 5. Jul, 23:05:
@testsiegerin
Liebe testsiegerin, Ihre Aggressivität und quasi pauschale Verurteilung der Lehrer heizt die Stimmung vollkommen unnötig auf.Maximale Erwartungen an die Schule ohne eine Ahnung von der Durchführbarkeit bringen uns auch nicht weiter.
Ich frage mich wie ein System sich an bis zu 34 verschiedene Kinder anpassen soll --
BIA (Gast) antwortete am 5. Jul, 23:13:
@testsiegerin
Die Visionen sind ja da. Aber ich persönlich werde mich nicht (mehr) ins Burnout arbeiten, während mir mein Arbeitgeber nichts als Steine in den Weg legt. Ich denke, damit bin ich nicht allein. Wir können nicht mit individueller Anstrengungen das kompensieren, was die Schnupsis im Ministerium verbockt haben. Not gonna happen.
ich (Gast) antwortete am 6. Jul, 09:30:
@testsiegerin
Ja, Lehrer sollen und müssen die Leistung beurteilen. Nichts weiter. Keine "mildernden Umstände". Sorry, dass ich das so hart schreibe -- Du willst, Dass Deine Tochter eine Regelschule besucht, dann akzeptiere bitte auch die Regeln. Das hat nichts mit Intelligenz, Förderung usw. zu tun.
testsiegerin antwortete am 6. Jul, 09:52:
regeln, regeln, regeln... deshalb heißt also die regelschule regelschule? ;-)es geht nicht um mildernde umstände für meine tochter, aber ich wiederhole mich. (ich hab auch nicht gegen die noten berufen, sondern meiner tochter klargemacht, dass das die konsequenzen sind und sie halt jetzt im sommer lernen muss) und ja, es geht mir tatsächlich um eine schule, die nicht nur wissen vermittelt, sondern in der soziales lernen eine rolle spielt, eine schule, die lehrern und kindern spaß macht (das versteh ich nämlich schon, dass die lehrerInen auch "scheißdrauf" sind), die die kinder lehrt, wie sie lernen können, die neugierig macht aufs leben und wissen und zusammenhänge.
im übrigen verurteile ich lehrer nicht pauschal. ich kenne einige, die ihren beruf noch immer mit leidenschaft und engagement ausüben. mir ging es nicht um einzelne schülerInnen oder lehrerInnen, sondern um das system an sich.
derbaron antwortete am 6. Jul, 11:18:
@Testsiegerin
Ich glaube es ist einer der grossen Irrtümer, dass das Schulsystem lauter gleich ausgebildetete und gleich fähige Menschen hervorbringen muss. Ich denke, dass man akzeptieren muss, dass Menschen eben nicht gleich sind und dass sich der Eine fast alles merkt ohne viel zu lernen und der Andere fast nix merkt obwohl er ständig lernt. Diese Feststellung ist doch nicht wertend.Ich glaube nicht, dass eine "Regelschule" dazu da ist, jedes unterschiedliche Kind derart inidividuell zu fördern, dass am Schluss alle gleich ausgebildet sind. Im Unterschied zur heute gängigen Mainstream-Meinung pro Gesamtschule bin ich dafür, Kinder so zu unterrichten, wie es ihren Möglichkeiten am ehesten entspricht. Warum nicht sogar ein viel differenzierteres Schulangebot machen als es derzeit etwa Hauptschule und Gymnasium anbieten? Genau mit einer auf die Individualität eines Kindes abgestimmten Schulform kann man sein Kind doch am besten fördern.
Wenn ein Kind aufgrund einer Krankheit mit der "Regelschule" Probleme hat, dann ist es erstens eine Überforderung und eine Frustuation des Kindes, es unbedingt durch die AHS durchboxen zu wollen, andererseits sind Lehrer mit den Ansprüchen der Eltern überfordert und schlussendlich sind auch noch die Eltern vom System frustriert, dabei hätte das "System" doch auch völlig andere Lösungswege parat. Dieses System unterschiedlicher Ausbildungsformen muss nur ausreichend durchlässig sein, um dann im Fall des Falles doch noch eine andere Ausbildungsform zu ermöglichen.
Ich weiss nicht wie sehr das Tourettesyndrom das Kind beim Lernen einschränkt und ob es ihm ermöglicht, die Regelschule zu absolvieren. Ich kann nur einen viel eindeutigeren Fall aus meiner Gross-Familie erwähnen: Ein Mädchen mit Down-Syndrom. Natürlich ist sie nicht in der Lage, den Anforderungen der Regelschule zu genügen, aber das muss sie ja auch nicht. Auch dieses Mädchen ist furchtbar lieb, einzigartig und wertvoll als Mensch. Aber sie wird nie die intellektuellen Fähigkeiten anderer Menschen erlangen. Na und? Sie ist in einer speziell betreuten Schule, wo sie IHREN Möglichkeiten entsprechend individuell gefördert und gefordert wird. Das tut ihr gut, sie lernt das was sie lernen kann und sie ist glücklich damit. Und das ist ja wohl das wichtigste.
Ich weiss, dass Eltern es gerne sehen, dass ihre Kinder die Matura und womöglich ein Studium absolvieren, denn natürlich stellt das auch eine Art "Statussymbol" dar (auch wenn das offiziell natürlich keiner zugeben will), die Frage ist nur: Tut man damit dem Kind etwas Gutes, es einem ständigen Stress auszusetzen? Gezielte Förderung heisst für mich nicht, möglichst viel Energie in ein Kind zu investieren damit es am Ende "gleich gut" wie alle anderen ist, sondern es heisst für mich, Kinder entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten zu fördern, damit sie das für sie bestmögliche Werkzeug erhalten, um damit später ihr Leben zu meistern, egal ob das die Arbeit in einer geschützten Werkstatt, als Mechaniker, Friseur, Arzt oder Manager ist.
Aja: Ich bin eines von mehreren Kindern - bei uns haben ein paar Kinder die AHS plus Studium und ein paar die Hauptschule besucht, danach mit Lehre, teilweise Meisterprüfung. Einer meiner Brüder, der die Hauptschule besucht hat, war zuerst in der AHS, und war dort todunglücklich, weil er trotz Förderunterricht der Schlechteste war. Erst in der Hauptschule konnte er "mitschwimmen" und sein Selbstbewusstsein und seine Motivation wuchsen. Er hat dann eine Lehre gemacht, Meisterprüfung, Matura nachgeholt und dann sogar noch ein Studium. Hätten meine Eltern ihn damals durch die AHS getrieben, wäre er heute sicher kein glücklicherer und erfolgreicherer Mensch, hätte umgekehrt aber einen viel schmerzhafteren Leidensweg durchmachen müssen.
@ich (Gast) antwortete am 6. Jul, 19:05:
Lehrer haben viel mehr Jobs als nur Leistungsbeurteilung.Und sie können etliche dieser Aufgaben nicht besonders gut bewältigen - nicht aus eigenem Verschulden, sondern aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen.
Ich wünsche niemandem einen Lehrer, der seinen Job nur als "Leistungsbeurteiler" versteht!
ich (Gast) antwortete am 7. Jul, 18:57:
"und ich weiß, dass es nicht an mangelnder Intelligenz liegt, sondern zum Teil auch daran, dass sie Tourette hat und manchmal ihre ganze Energie braucht, um ihre Tics so gut wie möglich zu unterdrücken. Diese Energie fehlt ihr dann für die Konzentration in der Schule und bei Schularbeiten.Das sehen die LehrerInenn aber nur teilweise.
Warum wird sie nicht einfach in diesen Fächern von der Schule gefördert? "
Was ist das anders als mildernde Umstände?
BIA (Gast) antwortete am 7. Jul, 22:09:
Arbeiten wir Lehrer eigentlich für die Kinder, oder arbeiten wir für die vielen kleinen Zettelchen, die wir rot verzieren und mit Ziffern versehen?Ich weiß, man verliert's gelegentlich aus den Augen - aber im Endeffekt sind's wohl die Kinder und nicht die Zettelchen...und zwar die Kinder mit ihren Stärken, Schwächen, liebenswerten Eigenheiten, weniger liebenswerten Eigenheiten und Ticks.
Bernd (Gast) antwortete am 28. Jul, 09:57:
@BIA @allvöllig korrekte Ansicht, "die Herrschaften Lehrer" arbeiten und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes für die Kinder !!!!
Und hier gilt "eine gute Mannschaft" zu coachen kann jeder, aber eine mittel gute Mannschaft zu Höchstleistungen zu bringen, das ist Kunst.
So wie ich die Dinge sehe ist es den Herrschaften in den Schulen einfach viel Aufwand sich um schwächere Mitglieder zu kümmern und teilweise (ich erlebe das gerade) werden Schüler die nicht in Standardbild passen "abgeschossen". Ich kann nur sagen "armes Land" mit diesen Lehrern !!!!
BIA (Gast) antwortete am 6. Aug, 23:41:
@Bernd
In der Sache hast Du recht, aber so unwidersprochen möchte ich's doch nicht stehen lassen.Ja, Schüler, die nicht ins Standardbild werden zum Teil "abgeschossen" (Standardsatz: "Der gehört nicht hierher.")
Nein, Lehrer tun das nicht, weil es ihnen "zu viel Aufwand" ist, schwächere Schüler zu fördern. Sie haben ein Ziel zu erreichen - möglichst viele Schüler zum Klassenziel zu bringen. Sie haben NICHT DIE RESSOURCEN, ALLE SChüler so zu fördern, dass die das Klassenziel erreichen. Da opfern sie einige, um die Mehrheit halbwegs gut durchzubringen - im Prinzip auch eine kleine Verzweiflungstat und Indiz dafür, wie marode das System ist.
Muschiol (Gast) meinte am 9. Aug, 22:19:
"...mich aus dem Schlaf: "Das kostet ihm ein Jahr, ein Lebensjahr..." oh Mann - rettet dem Dativ. Muss man heute als Lehrer wirklich die Grammatik nicht mehr kennen?
hase (Gast) antwortete am 26. Aug, 15:14:
na ja
hätte ich meinen sohn in einer öffentlichen schule gelassen, wäre er laut der lehrerin in vereinigung mit der direktorin in der sonderschule gelandet. ich habe ihn nach dieser aussage in eine privatschule geschickt und er hat die matura gut abgeschlossen und das doktorat mit auszeichnung geschafft, soviel zu den lehrern, die manche kinder nicht mögen...