Kellner Kurt kennt seine Kunden. Er legt neben die bestellte Melange die Zeitung des Tages: "Österreich". Auf der Titelseite prangt das blutverschmierte Gesicht des Lehrers des Tages.
Kellner Kurt raunt mir vertrauenselig zu:
"Sie müssen härter durchgreifen!"
Ein Turnlehrer wurde in Wien von einer "Türkenbande" (oder war es eine Jugendgruppe mit Migrationshintergrund?) zusammengeschlagen, weil er eine attackierte Kollegin und seine Schülerinnen verteidigt hat. Offene Straße, helllichter Tag, Schulgruppe auf dem Weg zum Eislaufplatz: Chicago in Wien, würden die freiheitlichen Freunde formulieren.
"Wir sind stramm gestanden, wenn ein Lehrer hereingekommen ist," berichtet Kellner Kurt nicht ohne Stolz.
So redselig kenne ich ihn gar nicht.
"Die hätten sie in eiskaltes Wasser gesteckt!", setzt er wacker fort.
Ich sehe mich als pädagogisierenden Schwächling entlarvt. Mit Melange und buntem Nachrichtenblatt.
Aber hier kommt Kurt:
"Die Lehrer sind selber schuld!"
Ich hätte gerne Solidarität verspürt. Und ich komme nicht dazu, dem alten Kurt zu erklären, wie das Deutsche Reich untergegangen ist.
Kellner Kurt raunt mir vertrauenselig zu:
"Sie müssen härter durchgreifen!"
Ein Turnlehrer wurde in Wien von einer "Türkenbande" (oder war es eine Jugendgruppe mit Migrationshintergrund?) zusammengeschlagen, weil er eine attackierte Kollegin und seine Schülerinnen verteidigt hat. Offene Straße, helllichter Tag, Schulgruppe auf dem Weg zum Eislaufplatz: Chicago in Wien, würden die freiheitlichen Freunde formulieren.
"Wir sind stramm gestanden, wenn ein Lehrer hereingekommen ist," berichtet Kellner Kurt nicht ohne Stolz.
So redselig kenne ich ihn gar nicht.
"Die hätten sie in eiskaltes Wasser gesteckt!", setzt er wacker fort.
Ich sehe mich als pädagogisierenden Schwächling entlarvt. Mit Melange und buntem Nachrichtenblatt.
Aber hier kommt Kurt:
"Die Lehrer sind selber schuld!"
Ich hätte gerne Solidarität verspürt. Und ich komme nicht dazu, dem alten Kurt zu erklären, wie das Deutsche Reich untergegangen ist.
teacher - am Mittwoch, 17. Dezember 2008, 20:23
Man in Metropolis (Gast) meinte am 18. Dez, 09:04:
Naja, letztlich denke ich, haben die Lehrkräfte sicher einen geringen Einfluss auf das, was im restlichen sozialen Umfeld verbockt worden ist.
teacher antwortete am 18. Dez, 15:33:
Trotzdem werden immer mehr Aufgaben in die Schule delegiert. Wir sollten klar und deutlich sagen: Wir können (in der Schule) nicht Drogen, Gewalt und Kriminalität in der Schule bekämpfen.
PeZwo meinte am 18. Dez, 11:32:
"Wir sind stramm gestanden, wenn ein Lehrer hereingekommen ist," berichtet Kellner Kurt nicht ohne Stolz.Das alte Phänomen... etliche Jahre später wird Autorität als positiv empfunden. Ich wette, dass der Kellner damals - als er als Schüler stramm stehen musste - dies noch anders gesehen hat ("... die deppatn Lehrer rennen herum wie die Halbgötter...." usw.)
teacher antwortete am 18. Dez, 15:34:
Ich glaube, dass er vor lauter Angst gar nicht zum Denken gekommen ist.
BIA (Gast) antwortete am 18. Dez, 16:34:
Im Prinzip gibt's, glaube ich, nur zwei Ansätze:Macht durch Terror - man macht den Schülern soviel Angst und Stress, bis sie "domestiziert" sind. Der klassische Ansatz halt. Stressig für die Lehrperson, aber ansonsten unaufwendig.
oder
Erfolg durch Eigenverantwortung. Das klingt jetzt so kuschelweich, ist aber knallhart gemeint: der Lerner entscheidet letztlich, was in seinem Hirn landet und was nicht. Dazu gehören aber viele, viiiele Parameter, für die weder Zeit, Geld noch Personal oder Konsens vorhanden sind, von stetem Training der Kompetenzen bis zum sorgfältigen Aufarbeiten des Unterrichtsstoffes. Extrem aufwendig, aber wahrscheinlich nachhaltiger?
Was meint Ihr?
Lisa Rosa antwortete am 18. Dez, 17:06:
Genau
Und wer durch die Domestikations-Schule gelaufen ist, wird wie Kurt, der Oberkellner. So zu werden, hat er nämlich auch entschieden als ehemaliger Lerner. Diese Entscheidung lag allerdings nahe.Wenn wir weniger Kurtis und mehr Demokraten mit Rückgrat und Eigenverantwortung in der Gesellschaft haben wollen, dann müssen wir den Kindern in der Schule die Entscheidung, so werden zu wollen nahe legen. Indem wir selbst so sind und sie heute schon so behandeln, wie wir von ihnen später behandelt werden wollen.
Es ist der einzige Weg. Dazu muß sich die Schule sehr verändern. Das kostet viel Geld. Aber viel weniger, als das, was es später kosten wird, wenn wir es heute nicht ausgeben wollen.
Es hilft ja nichts, zu sagen, die Eltern müssten, sollten usw. Sie tuns nicht, sie können es nicht. Schule (und Kindergarten) ist der einzige Ort, an dem die Gesellschaft organisierten Einfluss nehmen kann, was aus ihren Kindern wird. Also teacher: Lieber nicht die neuen Aufgaben zurückweisen, sondern lieber annehmen und dafür verlangen, dass die Bedingungen dafür geschaffen werden!
teacher antwortete am 18. Dez, 20:27:
Eigenverantwortung - das wäre ganz mein Ding. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass nicht einmal Studenten oder Lehrer (auf Fortbildung) damit umgehen können. Das dürfen wir nicht übersehen!
Lisa Rosa antwortete am 18. Dez, 21:31:
Eigenverantwortung
Na, das ist doch kein Wunder! Die Studenten werden ja ebenso bevormundet (bei uns mit den verschulten neuen Bachelorstudiengängen), wie die Lehrer selbst auch in vielen Fortbildungsveranstaltungen, wo sie quasi ihre 5. Einschulung erleben müssen. Da verhalten sie sich eben auch wie entmündigte Schüler: gickeln, lachen, stören, tun nur etwas auf dreimalige Aufforderung hin, vermeiden möglichst alle Anstrengung und wollen "gefüttert" werden. Ganz, wie sich eben Leute verhalten, deren Systemplatz an der Stelle ist, wo man Aufträge und Anweisungen empfängt, anstatt selbst zu denken, wo man fragt: "was soll ich tun?" anstatt "was möchte ich?" So ist das gesamte Bildungssystem gestrickt. Kein Platz für Eigenverantwortung.
BIA (Gast) antwortete am 19. Dez, 00:12:
Ooooh, ja, nichts ist widerlicher als eine Fortbildung für Lehrer halten.Und den Schülern? Denen bringen wir's nicht wirklich bei, die Selbstverantwortung.
teacher antwortete am 19. Dez, 08:25:
Stimmt ja alles - trotzdem muss ich vor naiver Romantik warnen. Sie funktioniert auch in den Betrieben, in der Wirtschaft, im Verkehr, beim Einkauf, beim Essen, in der Politik ... nirgends eigentlich, die Selbstverantwortung. Kurzfristige Lustbefriedigung wird - besonders in jugendlichen Gruppen - langfristiges Denken überdecken, das ist zutiefst menschlich. Wir dürfen die Kinder damit nicht überfordern, das bedeutet nämlich: sie alleine lassen.
P.S.: Trotzdem arbeite ich permanent daran, Selbstverantwortung bei meinen SchülerInnen aufzubauen.
Lisa Rosa antwortete am 19. Dez, 09:38:
Da hast Du Recht: Häufig wird Eigenverantwortung bzw. Selbstbestimmung mit Alleinelassen verwechselt. Nach dem Motto: Bitte, wenn du meinst, du kannst es alleine, wirst schon sehen, was du davon hast!" Das ist nur die Kehrseite der Medaille. Aber es gibt ja etwas Drittes anstatt der Dichotomie Alleinelassen oder Bevormunden. Maria Montessori hat es mal so ausgedrückt: Das Kind wünscht und braucht die richtige Antwort auf die Bitte "Hilf mir, es selbst zu tun!" Oder anders: Auch Kinder haben Autonomie, die nicht missachtet werden darf. Der einzige Unterschied zum Erwachsenen ist ja, dass sie noch nicht so lange auf der Welt sind und vieles noch nicht gelernt haben. Deswegen brauchen sie Hilfe und Unterstützung - aber keine Bevormundung.
BIA (Gast) antwortete am 19. Dez, 10:59:
Ich glaube, zum Thema "Jugendliche und Selbstverantwortung" kann man nur ganz schwer in naive Romantik verfallen. Der äußere Rahmen muss sehr klar und darf auch ruhig streng gehalten sein -> irgendwann gibt's unangenehme Konsequenzen. Und sei es Handyentzug.Die Förderung und Begleitung der Schüler muss langfristig und intensiv sein. -> sie müssen genug Instrumente an die Hand bekommen, um selbständig arbeiten zu können. Sie müssen Ermutigung kriegen, wenn nötig.
Aber im Endeffekt muss klar sein: es hängt von ihnen ab, was und ob sie in ihrem kleinen Hirn endlagern. Und das betonen wir viel zu wenig.
undiszipliniert (Gast) antwortete am 19. Dez, 22:16:
ich sehe immer nur Negativ-Beispiele ... Selbstverantwortung klappt nicht ... natürlich klappt sowas nicht, wenn die Selbstverantwortung eine Gespielte ist, aber wenn wir wirklich die Kids in eine Verantwortung stellen, was viel zu wenig passiert, dann bin ich davon überzeugt, dass sie kein Problem haben werden.
Stefan (Gast) meinte am 18. Dez, 19:50:
Hart durchgreifen ?!?
*lol*Wie genau stellt sich Oberkellner Kurt denn das so vor?
Prügelstrafe geht ja nicht mehr. Aber was wäre mit einer Handykappung, als pädagogisches Erzihungsmittel. Also, dass der Lehrer per amtlichen Antrag an die NEtzbertreiber, die jeweilige GPS Nummer für XXX Tage sperren lassen kann bzw. gleich das ganze Handy per Bluetooth still legt. Das wär doch mal hart!
Oder eine Woche werden die privaten Sender vom heimischen Fernsehen gekappt - nur noch öffentlich Rechtliches!
Ihr merkt schon, wir Lehrer müssen langsam stärkere Geschütze auffahren ... Schulverweis und pädagogische Konferenzen sind doch von gestern ;-)
teacher antwortete am 18. Dez, 20:24:
Lustig, aber überlegenswert. Fernseh- und Handyeinschränkung - ein Verbot, das sehr viel Sinn machen würde. Nicht verbieten, aber gezielt einschränken, damit wieder sinnvoll damit umgegangen wird.
Lisa Rosa antwortete am 18. Dez, 21:39:
Ich als Lehrerfortbildnerin verbiete Dir als Lehrer jetzt mal einfach alle Medien, in denen Dinge postuliert werden, von denen ich nichts halte, und die Dich verdummen. Damit Du mal wieder lernst, was Sinn macht! Ich schicke Dir dann nach einer Woche Abstinenz den Lektürekanon, von dem ich meine, dass er für Dich das Richtige ist. ;-) Glaubst Du, dass Du dann endlich meiner Meinung sein wirst und meine Werte übernimmst? ;-) Und glaubst Du wirklich immer noch, dass sich genau so, nämlich durch Vebote und Bevormundung, das gegenteilige Lernziel - Eigenverantwortung bei Schülern - erziehen lässt? Wirklich?
teacher antwortete am 19. Dez, 08:28:
Ich bin ja ein bissi erwachsener, habe Medienkompetenz aufgebaut und erliege nicht jeder Versuchung der schrillen Medienlandschaft. Bitte Kinder nicht wie Erwachsene behandeln - und umgekehrt, beide wollen das nicht. Da gibt es doch Unterschiede.
BIA (Gast) antwortete am 19. Dez, 11:01:
Es geht hier ja nicht um höhere pädagogische Werte - es geht um ein einfaches "so geht's nicht, junger Mann." (oder junge Frau.) Und das gelingt blöderweise ganz eindrucksvoll durch Handyentzug oder Freitag-nachmittag-Altpapier-in-der-Aula-Aufklauben.
Stefan (Gast) antwortete am 19. Dez, 23:41:
@lisa:
Ich hatte das Handyverbot auch nicht in die Ecke "Medienpädagogik" eingeordnet, sondern einfach als drastische Jugendstrafe vorgeschlagen :-) ! Oder wäre die Prügelstrafe doch humaner ?! Da kommen Zweifel auf ;-)
tonja (Gast) meinte am 19. Dez, 00:14:
zur "Österreich"
fällt mir nur eines ein:"Lass die Leute reden und lächle einfach mild
die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild
und die besteht nun mal - wer wüsste das nicht
aus Angst, Gass, Titten und dem Wetterbericht"
teacher antwortete am 19. Dez, 08:30:
Passt perfekt.Aber: Dieses Blatt hat die Luftherrschaft über unsere Stammtische erobert. So denkt das "österreichische" Fußvolk - und damit muss ich leben.
lilula (Gast) antwortete am 19. Dez, 13:30:
In der "Heute" Zeitung hat der Lehrer ein Pflaster übern Aug picken ghabt, mit a bissal Bluat, für die "Österreich" ham´s das gleiche Bild ohne Pflaster gzeigt nur war das Pflaster wegretuschiert und mit no mehr Bluat.