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cotopaxi

 
Ich sitze im morgendlichen Halbdunkel des Computersaals und eine (ganz) junge Kollegin schneit zum Mail-Holen herein. Bleibt gleich am ersten Gerät bei der Türe hängen.
Hat sie Angst vor mir? Vor einem Gespräch? Vor dem Kennenlernen? Oder bloß keine Zeit, kein Interesse.
Es liegt an mir, das Eis zu brechen, schließlich bin ich der Ältere und sie die Frau.

"Wie geht's dem Theaterprojekt?"
Immerhin, sie geht auf meine Frage ein, lässt ihre mails in der Eingangsbox.
"Das dauert noch, da muss ich mit der Kollegin noch vieles klären ... und dann die Bühne organisieren."
"Schreibst Du auch andere Texte?"
Sie schaut, als ob ich in ihr Privatleben vorstieße. Dann greift sie zum USB-Stick und druckt ohne Worte zwei Seiten aus:
" ... das sind so Mädchentexte."

Ich lese von einer großstädtischen Entliebungsszene, einer Frau, die fühlt, dass den Geliebten das Vibrieren der Begehrlichkeit verlässt. Auch auf dem zweiten Blatt liegen weibliche Gefühle blank, es fehlt die raue Schale erfolgreicher Hollywoodstreifen.
"Ich bin ein Mädchen ... also was die Texte betrifft", behaupte ich nach der Lektüre schmeichelnd.
Ein Anflug eines Lächelns zieht über ihre Lippen.
"Schreibst Du einen Blog? ... Also, um Rückmeldungen zu bekommen", setze ich fort.
"Mich interessiert mehr die Bühne, das optische Umsetzen literarischer Gedanken. Blogs? Das ist doch für die Mädchen."

Hmm, Mädchentexte. Da sitze ich jetzt.
herraermel meinte am 17. Jun, 20:45:
in dem zusammenhang kannst du ruhig stolz sein, ein mädchen zu sein. ;)

da hat wohl jeder seine eigene vorstellung von literarischem oder künstlerischem ausdruck. ich glaube, du bist auf deine weise hier gut aufgehoben. weiter!! 
teacher antwortete am 17. Jun, 20:50:
Aber es stimmt wohl. Mädchen lesen mehr und schreiben mehr und bloggen mehr.
Das ist halt meine Mädchenseite. 
walküre antwortete am 17. Jun, 21:32:
Ein ehrliches Hoch
auf alle Männer, die zu ihrer Mädchenseite stehen ! 
teacher antwortete am 17. Jun, 22:12:
Ich kokettiere doch nur damit :-) 
amadea (Gast) meinte am 17. Jun, 23:30:
teacherman
Kennt niemand dein Blog, teacher? Niemand in your real life? Irgendwann wird sie singen, die junge Kollegin - The only blog that could ever reach me...was the blog of the teacherman. 
alexius antwortete am 18. Jun, 09:13:
*lol*
"The blog of the teacherman" Haha, herrliche Textadaption. 
teacher antwortete am 18. Jun, 10:14:
@amadea: IRL ist mein Blog unbekannt, ich überlege aber zwecks kompetenter Rückmeldung ein paar SchülerInnen u/o. Lehrerinnen einzuweihen.
P.S. Der "son of the teacherman" kennt den Blog und ich summe schon vor mich hin ... 
Markenschwein meinte am 18. Jun, 13:28:
Die typische Frage einer Frau: "Reichen Dir etwa unsere Postings nicht? Haben Sie etwa zu wenig Kompetenz?" Aber Blödsinn beiseite:

Ich würde es an Deiner Stelle so wenig Leuten wie möglich erzählen. Das verbreitet sich wie ein Lauffeuer und irgendwann kommt es zu dem Punkt, an dem Du es schließen musst, bzw freiwillig tust, weil Du immer weißt, dass gewisse Leute mitlesen und dadurch nicht mehr so frei schreiben kannst.
Ich hab mein altes Blog deswegen geschlossen, weil sowohl meine Chefin als auch Familienmitglieder davon Wind bekommen haben. Das Gefühl, dass die aktiv immer dabei sind hat mir die Freude genommen.
Deine kleine Lehrerin kommt sicher auch von selber drauf, was ja viel spannender ist, oder?

Ich schreib das alles deshalb, weil Du so ein tolles Blog hast. 
sully (Gast) antwortete am 18. Jun, 13:55:
ging mir ähnlich.
ich hatte auf meinr allerersten homepage für schüler ein gästebuch. das war noch vor blog-zeiten. irgendwann habens alle mitgekriegt und jeder unbeteiligte hat seinen senf abgegeben. und das war dann nicht mehr schön. seitdem isses zu. ich hab jetzt nur noch ne homepage für den LK mit forum mit zulassungskontrolle.
grüße 
teacher antwortete am 18. Jun, 15:25:
Verstehe.
Deshalb habe ich auch bisher kein Wort IRL über den Blog verloren.
Aber der Reiz ist da, mit den Betroffenen (= vor allem mit den EHEMALIGEN SchülerInnen) über meine Bewertungen der Lage zu sprechen. Und Rückmeldungen zu hören.
Vielleicht ist aber auch die pure Eitelkeit - das muss ich erst mit mir klären.

Ergänzung: Feedback von Leuten, die in den Geschichten life vorkommen, brächte dann noch eine neue Dimension ins Spiel.
Nebenbei bemerkt, gehört das zur perfekten "action research" und ergäbe fast eine 360°-Bewertung. 
Justina (Gast) antwortete am 18. Jun, 22:30:
Tolles Blog, hat sich schon weiter herum gesprochen. Siehe
http://lehrerrundmail.de/wordpress/index.php/2007/06/13/niemehrschule/
Und ich denke auch, du schreibst freier, wenn du nicht dauernd an mögliche MitleserInnen denkst... Und ich glaube, ein "Interner" kann das Geschriebene nie so unbedarft genießen, wie ein "Externer"... ganz davon abgesehen ist es fraglich, wie hier erwähnte Personen darauf reagieren würden. Und als "Externe" würden mich die internen Bemerkungen nur bedingt interessieren, vielleicht auch irritieren. Blogs leben doch gerade auch davon, dass wir Leser(innen) sie ein wenig wie eine Fiktion lesen... und uns eher hin und wieder in Erinnerung rufen, dass sie einen realen Hintergrund haben... 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 18. Jun, 23:05:
"ich denke auch, du schreibst freier, wenn du nicht dauernd an mögliche MitleserInnen denkst"

Da muss ich Justina zustimmen - allein schon der Gedanke an die möglichen Reaktionen beschränkt einen doch in der Sicht. Noch dazu dürften einige die Geschichten über sie ganz anders deuten oder einfach nicht verstehen. Solange dein Blog "geheim" bleibt, ersparst du dir mit Sicherheit einigen Ärger. Irgendwer hat immer was zu meckern.

(Mein Blog ist in gewisser Weise auch Schularbeit, wird von Lehrern und Mitschülern gelesen - sich da ganz frei zu äußern fällt schwer.) 
teacher antwortete am 19. Jun, 09:56:
@ Simon C.: Das hätte ich nicht verMUTet! Ich habe viel Engagement in deinem Blog gespürt - das lässt nicht auf "Schularbeit" schließen.

@Justina: Danke für die Rosen, den Link und den Tipp.

Was mich jetzt besonders freut: "Lehrerrundmail" betont auch die Qualität der Kommentare - also EURE. 
 

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