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cotopaxi

 
Andre (Gast) meinte am 14. Mai, 10:59:
Das klingt fast wie Schule. 
teacher antwortete am 14. Mai, 15:38:
Ich bin überrascht - das stimmt in zu vielen Punkten! 
Andre (Gast) antwortete am 14. Mai, 17:18:
Da fällt mir unter anderem auch das hier ein:

"Lernen unter dem Diktat der Note" [PDF, 8 Seiten]
http://www.uni-flensburg.de/asta/download/2006-01-11%20-%20Noten%20Lernen.pdf

Wenn ich es noch recht in Erinnung habe, kommen dort auch einige erwähnte Punkte vor, z.B. der künstliche Zeitdruck unter dem Leistungsunterschiede enstehen und sich verfestigen (Lernen unter (Zeitdruck)), wobei die Benotung Leistungsabstände misst (keine qual. Beurteilung darstellt) und die Kiddies in eine Rangordnung verweist für die Verteilung auf die Hierarchie der Berufe... AFAIK auch noch was über Leistungsideologie und das Verinnerlichen von Gewinner-Verlierer-Logik und so weiter.... Evtl. auch noch etwas über das Verhalten einiger Lehrer gegenüber ihren Schülen, wenn Sie verkennen, dass die Logik des Konkurrenzprinzips Verlierer verlangt... Naja, was Schule sonst noch anrichtet, ich denke, das weißt du selbst.... (Dressur und Therapie ;-)... 
Andre (Gast) antwortete am 14. Mai, 17:29:
Die Schule erzeugt also selbst genug Verliererkinder. Da die Kinder die Zusammenhänge nicht sehen, betrachten Sie Noten als pers. Verdienst oder Versagen oder auch Zeugnisse als Ausdruck des Begabungsprofils. Manche Verliererkinder versuchen schulisches Versagen wenigstens übers Private zu kompensieren, wenigstens dort "Gewinner" zu sein.... Wie wichtig das ist, wird Ihnen ja ständig vorgemacht.... 
teacher antwortete am 14. Mai, 20:30:
Was mich wundert:
Der Schuldruck hat doch in den letzten Jahren ständig abgenommen - der Drogenkonsum nimmt zu.
Ich glaube nicht, dass die Schule hier als großer Verursacher auszumachen wäre. Im Gegenteil, sie federt eher ab, nimmt durch ihre Ruhe und Geborgenheit (viele schwierigen Kinder sehen das so!) Druck heraus. 
Andre (Gast) antwortete am 15. Mai, 13:37:
Schule ist als funktionale Kategorie in einem gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang eingebettet. Sie existiert nicht isoliert, als dass sie als Alleinschuldiger oder Hauptverursacher auszumachen wäre - ebensowenig wie die Familien, wie es dein Blog-Eintrag nahelegt. Die Schule haben sich nicht aus humanistischen Gründen oder zur ernsthaften Fähigkeitsentwicklung dem Pöbel geöffnet, sondern aus rein ökonomischen Gründen: Die Arbeitsinhalte verschoben und verschieben sich von der simplen Muskelkraft zur Kopfarbeit. Es gibt kaum noch einen Beruf, in dem die elementaren Kulturtechniken wegzudenken wären: Lesen oder Schreiben etwa. Die Zeiten gab's aber mal...

Schule exekutiert in dieser Gesellschaft ein Prinzip an den Kindern: Konkurriert mit unterschiedlichen Voraussetzungen, unter fremdbestimmten Leistungsbedingungen und gleichen Chancen (ungleich und gleich ergibt was?) und erweist euch dabei als Gewinner (oder zwangsläufig teilweise als Verlierer) - allerdings im Sinne der Schule nicht gegen die Schule. Dein Ort der Ruhe und Geborgenheit lässt zuweilen Kinder Amok laufen, wenn deren Selbstbewusstsein beschädigt und Anerkennung im Zuge des ständig Sich-Beweisen-Müssens versagt wird. Das müssen sie natürlich nicht nur in der Schule. Aber das hat m.E. auch keiner geschrieben.

Lernen braucht keinen Zeitdruck, den braucht die Schule zum Sortieren. Wissen legt nicht fest, in welcher Zeit es verstanden werden will...

Schule ist mehr ein Bestehen als ein Lernen. 3 Monate aus der Schule heraus und die Jugendlichen wissen halt nur noch das, was sie aus Gewohnheit verinnerlichten (Schreiben, Grundrechenarten, ...).

Dein "abnehmender Druck <-> ansteigender Drogenkonsum" ist etwas schief, da selektiv herausgegriffen und dann einfach direkt gegenübergestellt. Genauso hätte man schreiben können: "wegen dem ansteigendem Drogenkonsum versucht man den Druck zu verringern. Oder ein dritter und vierter Umstand (z.B. Bildung der Eltern oder ein Ausdruck des Arbeitsdruck auf die Eltern, ...), reflektiert am Schuldruck... und erhöht die Frustration der Kiddies...

Allerdings ist 'Drogen'konsum nicht zwangsläufig Ausdruck negativer Umstände. Neugierde kann es sein und/oder Ritualbildungen in der Gruppe oder oder oder. Ich kenne genug Menschen, die z.B. kiffen ohne dass ihnen zuvor etwas geschadet hätte... Das gleiche mit dem Rauchen oder Trinken... Der Missbrauch ist eher Ausdruck solcher Umstände, der "normale" Verbrauch weniger. Da spielt eher Konvention eine Rolle (Kiffen vs. Trinken). 
teacher antwortete am 15. Mai, 15:28:
Ich sehe schon: Das Leben ist kompliziert.
Mein Job ist es, das Komplexe auf das Wesentliche zu reduzieren - daher rührt meine Neigung zur Vereinfachung.
Ich will EINFACH festhalten, dass die Schule nicht kriminalisiert werden kann - sie ist für die Gewalt, für die Drogen, für den Stress der Jugendlichen am wenigsten verantwortlich, sie muss nur damit umgehen können. Vielleicht sogar an der Lösung dieser Probleme mitarbeiten. 
Andre (Gast) antwortete am 15. Mai, 16:31:
Ja. Wer die Schule kriminalisieren will, muss sicherlich das gesamte System kriminalisieren, in dem sie ihre Funktion trägt (die nicht Bildung ist, sondern Qualifikation, nicht Mündigkeit ist, sondern Anpassung, nicht...). Man weiß ja: jene, die Bidlung besonders nötig hätten, fliegen besonders schnell von der Schule. Dabei wird der Weg zur Bildung kategorisch behindert (Zugangsbedingungen zu höherer Bildung usw.).
Das Qualifizieren und Vorsortieren des Marktwertes des Nachwuchses für den Arbeitsmarkt ist die primäre Funktion einer modernen Schule. Das man dabei als Lehrer gut über das denken will, das man machen muss, ist verständlich.

Als Lehrer habt ihr sicherlich einen schweren Stand: Einerseits steht ihr selbst in Zwängen und Konkurrenz (wenn auch eine andere als die Schüler), andereseits müsst ihr den Nachwuchs für ihr erfolgreiches Behaupten in dieser Gesellschaft dressieren, die - soweit es dem Lehrer bewusst ist - ziemlich fragwürdige Werte, Normen und Verhaltensweisen hervorbrachte und einfordert.
Ein Staat, bei dem das Interesse der Wirtschaft das primäre sein muss, weil er alles Wesentliche auf sie ausrichtet, braucht nützliche Idioten... 
teacher antwortete am 15. Mai, 18:17:
Ich kann diese profunde Systemkritik verstehen, sehe aber keine praktische Konsequenz darin. Was tun? Wie umbauen? Wo anfangen?
Als bezahlter Teil des Systems will ich es nicht gleich sprengen! 
walküre antwortete am 15. Mai, 18:40:
"Die Schule haben sich nicht aus humanistischen Gründen oder zur ernsthaften Fähigkeitsentwicklung dem Pöbel geöffnet, sondern aus rein ökonomischen Gründen: Die Arbeitsinhalte verschoben und verschieben sich von der simplen Muskelkraft zur Kopfarbeit."

Dies ist nicht richtig, zumindest was die Einführung der allgemeinen Schulpflicht für Österreich anbelangt, denn 1774 konnte noch keine Rede von einer Verschiebung hin zur Kopfarbeit sein. Menschen, die wirkliche Reformen im Schulsystem initiierten und neue Impulse einbrachten, waren schon von jeher Humanisten, denen es ein Bedürfnis war, den Geist des Menschen zu fördern. Und um Schule für das neue Jahrtausend zu definieren, braucht es keine elfenbeinbetürmten Denkfabriken, sondern Pädagogen mit Herz und Verstand, die nur ein einziges Anliegen haben: das Wohl der Kinder. 
Andre (Gast) antwortete am 16. Mai, 12:01:
Du verzerrst meine Aussage. Wenn ich von einer Entwicklung schreibe, dann steht nicht der Endzustand bereits am Anfang... Wenn ich einen Acker pflügen will, fange ich nicht mit einem gepflügten Acker an: "denn 1774 konnte noch keine Rede von einer Verschiebung hin zur Kopfarbeit sein."...

Die allgemeine Schulfpflicht erfolgte hier in D mit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, deren Methoden von den Kiddies ein Mindestmaß an Wissen für das spätere Arbeitsleben in den Kleinbetriebe verlangten. Das staatlich zu organisieren war notwendig, weil die kärgliche Bildung innerhalb der feudalen Leibeigenschaft dafür nicht zweckmäßig war... Die Kinderarbeit drängte man zurück, weil die hohe Kinderarmut und -sterblichkeit sich auf Dauer dysfunktional für die Arbeiterschaftreproduktion erwies.
Schulen dressierten die Kiddies im Weiteren auch für das Fabriksystem, Militär und und und und....

Ich will das aber nicht so einseitig stehen lassen. Natürlich hatte es nützliche Effekte im Weiteren (Kinderarbeit verringert, öffentliches Bildungssystem, also Herkunft war weniger wichtig für den Zugang zur Bildung...), aber die Notwendigkeit war keine humanistische Geschichte. 
Andre (Gast) antwortete am 16. Mai, 12:24:
"Ich kann diese profunde Systemkritik verstehen, sehe aber keine praktische Konsequenz darin. Was tun? Wie umbauen? Wo anfangen?
Als bezahlter Teil des Systems will ich es nicht gleich sprengen!"

Warum? Weil du bei einem gesprengten System, deinen Job verlieren könntest? Na also bitte...

- der Staat setzt eine private Eigentumsordnung mit seinem Gewaltmonopol durch
- d.h. er trennt dich gewaltsam von den Produkten, die in Masse um dich herumstehen
- er verpflichtet dich zu einer geistigen Praxis, einer Konvention:
- der Preis trennt den Verbraucher von den Gütern... Angucken vielleicht, mitnehmen nur gegen Zugangsmittel...
- Geld ist das Zugangsmittel
- dein Auskommen hängt vom Einkommen ab (Geld also)
- gehörst du zu der Mehrheit dieser Gesellschaft, hängt dein Einkommen von Erwerbsarbeit ab (nur Eigentum an der eigenen Arbeitskraft. Das einzige das du verkaufen kannst.)
=> Für dein Auskommen brauchst du hier Erwerbsarbeit
=> du drehst es um: du brauchst Erwerbsarbeit für dein Auskommen... keine Erwerbsarbeit, kein Auskommen...
- Wer Erwerbsarbeiten "darf", bestimmt die Rechnungsweise eines Arbeitsplatzgebers
- du musst dich rechnen (dein Lohn + Lohn"neben"kosten + Gewinn für den Arbeitsplatzgeber => Mehrwertfähig)
- statt 10 Stunden in der Woche, arbeitest du 8 stunden am Tag, beinahe die ganze Woche, den ganzen Monat lang, bis du mit 70 überflüssig wirst... naja eigentlich sehr viel früher...
- es geht nicht um die Bedürfnisse des Menschen, sondern um Wertverwertung, Kapitalakkumulation, Wachstum...
- des braucht es halt, damit Arbeit geschaffen wird
- der Zweck ist relativ frei vom materiellen Nutzen
-> die Leute schreien nach mehr Arbeit, statt nach weniger, weil sie in diesem System von Arbeit abhängig sind...
-> nach mehr Arbeit schreien ist irre
- Rationalisierung, das Reduzieren menschlicher Arbeit ist sinnvoll, was gutes... nur in diesem System nicht (in dem sich eine Menge verdreht: z.B. jeder geheilte Patient ist ein verlorener Kunde, g)

"Als bezahlter Teil des Systems will ich es nicht gleich sprengen!" 
Andre (Gast) antwortete am 16. Mai, 12:42:
kleine Ergänzung:
"- es geht nicht um die Bedürfnisse des Menschen, sondern um Wertverwertung, Kapitalakkumulation, Wachstum...
- des braucht es halt, damit Arbeit geschaffen wird"

bitte nicht so verstehen, dass Arbeitschaffen der Zweck der Wertverwertung wäre... das ist nur Mittel für die Wertverwertung. Wenn sich andere Mittel finden, sind die genauso gut (z.B. Finanzderivate, die keine Waren handeln, sondern Wetten auf Kapitaleinsatz)

- der Lohnanspruch der menschlichen Arbeitskraft steht im Widerspruch zur Gewinnmaximierung.
- Löhne minimieren ist wichtig, den Bedarf an menschlicher Arbeitskraft reduzieren ist wichtig (zumindest solange sie mehr kosten als Alternativen)... Sind Maschinen teurer (Gedanken, keine materielle Notwendigkeit) als Menschen, werden Menschen weiterhin genutzt....
- Unternehmen müssen Gewinn realisieren
- jeder Unternehmer hat selbst Systemzwänge: insb. die Konkurrenz
- Gewinne muss er oft ins Unternehmen stecken
- würden Manager auch nur 30.000 im Jahr verdienen, könnten sie nicht anders handeln...
- und so weiter.... 

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