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cotopaxi

 
"Nelli! Kannst Du Dich jetzt endlich zur Tafel drehen?"
"Ich sitz' eh auf meinem Platz."

Nelli entwickelt eine schwierige Persönlichkeit und die Eltern haben aufgegeben:
"Sie geht dann in ihr Zimmer ... da dürfen wir nicht hinein."
Nelli ist elf Jahre alt und stählt ihren starker Charakter. Zuhause hat sie ihr Revier 100-prozentig abgesteckt. Zimmer rein - Türe zu - Musik an. Ihre Mutter darf nicht mehr in ihr Reich vordringen, außer Nelli gibt in bester Laune ihr Einverständnis dafür. Geschwister hat sie keine, der Vater ist ausgezogen.

In der Klasse sitzt Nelli mit 27 MitschülerInnen und muss sich anpassen:
Sie sollte z.B. ihre Bank mit einer Nachbarin teilen statt zu 80% belagern.
Sie sollte z.B. zur Karte schauen statt den Mitschülern Grimassen zu schneiden.
Sie sollte z.B. die Knie unter statt auf dem Tisch platzieren.
Sie sollte zuhören, mitschreiben, zusammenräumen ...

Sie sollte, aber sie will und tut nicht.

"Das sind alle Trotteln!" wiederholt sie die familiär geprägte Einstellung zu sozialisierten Mitbürgern. Diese wollen friedlich mit ihr umgehen und Auseinandersetzungen vermeiden.
Irgendwann werden sie aufgeben und sich abwenden. Sie meiden.
"Alles Trotteln."

Wir haben sie so aus der Volksschule bekommen, fix fertig geprägt, wir ahnen, wo sie in den kommenden Jahren versinken wird.
Wir sagen: "Ein ungezogenes Einzelkind, wohlstandsverwahrlost, egoistisch."
Aber wir sind ja Trotteln.
Hansi (Gast) meinte am 17. Apr, 21:18:
Was erwartet die Mutter eigentlich nun von der Institution Schule? Schadensbehebung oder wenigstens -begrenzung? Oder hat sie sich vollends in ihr Schicksal ergeben? Ich frage dies aus einem bestimmten Grund: Ich habe gerade als Lehramts-Student ein vierwöchiges Schulpraktikum hinter und zwei Klassen voller Nellis in dieser Zeit VOR mir. Dabei kamen die absurdesten Vorstellungen seitens der Eltern hoch, inklusiver einer Erwartungshaltung, die kaum zu erfüllen war. 
teacher antwortete am 17. Apr, 21:27:
Ich kann nur vermuten: Gute Zeugnisse... und täglich ein Wunder.
Sie sieht gar nicht, was sie alles versäumt hat für ihre Tochter zu tun. Jetzt sollen wir halt damit fertig werden - möglichst ohne Zoff zu machen. 
cheridwen meinte am 17. Apr, 22:26:
Schon ein kompliziertes Kind in der Klasse muss mehr als anstrengend sein, aber wahrscheinlich bleibt es ja normalerweise nicht bei einem. Und das 6 Stunden am Tag, 5 Tage in der Woche. Nein, ich beneide euch Lehrer wirklich nicht! 
teacher antwortete am 18. Apr, 16:33:
Ein Beispiel für die soziologisch erhobenen 15 % Erziehungsverweigerern.
Bleiben 85 % nette Kinder. Diese haben mehr Probleme mit Nelli als wir Lehrer. Wir sehen Nelli 2-3 Stunden pro Woche, die Klassenkameraden müssen mit ihr 35 Stunden zusammenleben.
Ich sehe das professionell als Behandlungsfall, nämlich mehr die Mutter als die Tochter. 
cheridwen antwortete am 18. Apr, 23:14:
Natürlich haben Nellis Klassenkameraden mehr Probleme mit ihr als ihr Lehrer. Aber die reagieren ja wieder auf ihre Art und Weise (Ausgrenzung etc.). Ist irgendwie ein Teufelskreis.

Aber ihr Lehrer wiederum geht dann in die nächste Klasse und müsst euch z.B. mit Typen wie Andy (der nicht schmiert) und John (der nichts gesehen hat) und anderen herumschlagen. Außerdem schätze ich, dass ein einzelnes Kind eine ganze Klasse bzw. eine ganze Unterrichtsstunde ganz schön durcheinander bringen kann. Dann bleibt dem Lehrer ja auch nichts anderes über als zu reagieren. Und Kinder wie Nellie fordern wohl übermäßig viel Aufmerksamkeit, die dann für die anderen fehlt.

Ich gebe dir auch vollkommen Recht, dass Nellies Mutter besser professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Aber so lange sie nicht einsieht, dass sie Hilfe benötigt, kann man nicht wirklich was machen. 
.peter meinte am 18. Apr, 01:06:
Solche Probleme kenne ich als angehender Lehrer auch nach 3 Praktika nicht.

Aber was nun deine Nelli angeht: Sie geht Enttäuschungen und Misserfolgen damit aus dem Weg. Eine Vereinsmitgliedschaft, ein Sport vielleicht, wäre bestimmt gut für ihre weitere Entwicklung. Denn sowas bringt positive soziale Erlebnisse und Erfolgserlebnisse im praktischen Sinne, was ihr vielleicht hilft sich zu öffnen.

Ferndiagnose-Ende 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 18. Apr, 01:18:
Muss ja nicht Sport sein... aber ein echtes Hobby, in dem sie Leistung zeigen kann, dürfte Wunder wirken. Leider muss man die Liebe dazu immer noch selber entdecken... 
teacher antwortete am 18. Apr, 16:36:
Ja ... wenn sich bloß irgendwer um sie kümmern würde.
P.S.: Ich werde mich nicht opfern, ich habe eigene Kinder. 
markus (Gast) meinte am 8. Jul, 17:33:
Hallo Teacher! Ich wühl mich gerade durch sämtliche Blogeinträge vom Anfang bis zum vorläufigen Ende ;-) Deswegen auch mein "verspäteter" Kommentar:

Wie gings eigentlich mit Nelli weiter? 
teacher antwortete am 10. Jul, 17:07:
Ich habe diese Klasse nicht mehr, ich habe Nelli aus den Augen verloren. Und, ganz ehrlich, ich hatte sie schon vergessen (vll. auch verdrängt) - ich habe ja 150 andere Kinder. Du hast mich jetzt wieder neugierig gemacht :-) 
markus (Gast) antwortete am 12. Jul, 01:15:
Gerne doch - hoffentlich "hilfts" ;-)

Gibts eigentlich auch noch Mail-Kontaktmöglichkeiten, oder wurde das mit/nach einem gewissen hans1962 abgestellt? (Ja, bin schon im Jahr 2010 - nach viel zu wenig Schlaf in den letzten Tagen, "dank" diesem Blog! ;-) 
 

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