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cotopaxi

 
"In die Schule musst du sie eh nicht anziehen!"

Das Wochenende beginnt trüb, schwarze Wolken hängen bis zu den Baumwipfeln und ich suche nach billigem Lesestoff. Am Land hat diese Jagd einen Namen: LIBRO.
Mit einem Sack voller "Mängelexemplare" schlendere ich durch die Einkaufspassage und freue mich, der sinnlosen Wochenend-Hektik entkommen zu können:
Kaufen, kaufen, kaufen.
Doch am Sportgeschäft komme ich nicht vorbei, am Elektronikmarkt auch nicht, und siehe da, ein neuer Billigshop!

"Ein Paar Schuhe solltest Du dir leisten!" höre ich plötzlich meine Frau im Hinterkopf.
"Ich hab doch schon Schuhe", sagt mir mein männliches Stammhirn, betrete aber folgsam den DEICHMANN. Neben mir zieht eine resolute Mutter ihren halbwüchsigen Sohn ins gleiche Geschäft, zwei unscheinbare braune Pantoffel in der Hand:
"In die Schule musst Du sie eh nicht anziehen."

Mit diesem Satz beamt mich die unbarmherzige Frau schlagartig an meinen Arbeitsplatz. Ich sehe geknechtete Kinder mit warmen Filzpantoffeln, in Reih und Glied, schreiend und heulend um ihre 150-Euro-Nike-Statussymbole. Während ich von Flüchtlingen in Darfur erzähle.

Ich lebe in einer der dümmsten Welten wo gibt. Und es regnet dazu.
Ausweg: Flucht in LIBROs Literatur.
Budenzauberin meinte am 24. Mär, 20:33:
*g*

Plädieren Sie für Schuluniformen? Ich persönlich halte da nur bedingt etwas von, was aber vielleicht auch nur daran liegt, daß ich bzw. meine Kinder nicht von diesem Markenwahn(sinn) betroffen sind. 
teacher antwortete am 26. Mär, 12:21:
Welch großes Glück.
Ja, eigentlich sind solche Uniformen nur vorteilhaft. Sehe keine Nachteile.
Der Satz "Du musst sie eh nicht in die Schule anziehen" zeigt doch die ganze Problematik. Für die Schule muss man teure Makrenware kaufen, zuhause können wir uns nur die billigen Schlapfen leisten. Das war sicher eine ärmere Familie, sonst hätte es die Diskussion nicht gegeben. Die kauft dann sinnlos teure Ware. Sonst schaut es mit der sozialen Integration schlecht aus. Bravo, liebe Gesellschaft. 
tyndra (Gast) meinte am 24. Mär, 20:52:
kinder und jugendliche ziehen sowieso nix an, was ihnen nicht gefällt. schon gar keine unscheinbaren braunen pantoffeln. da ist das tiefste sonderangebot nurnoch rausgeschmissenes geld :-)

und: libros literatur ist prinzipiell eine gute alternative zu allen pantoffeln, schülerInnen und statussymbolen. 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 25. Mär, 01:01:
Lieber Bücher als Pantoffeln (als so ziemlich alles...)!

Und wieder die Frage mit dem Markenwahn wie beim iPod, nur hier aus der anderen Perspektive. Lohnt es sich, da nochmal drüber nach zu denken? 
teacher antwortete am 26. Mär, 12:28:
Bei Kleidung besteht praktisch keine Unterschied zwischen Original und Fake, zwischen Marke und No-name. Selbst Experten können hier oft keine Unterschiede erkennen.
Nur ein blödes Logo verhundertfacht den Preis. Und alle machen mit. 
teacher antwortete am 26. Mär, 16:18:
@tyndra: Nicht alle Kinder können sich alles leisten.
Und: Literatur ist natürlich auch eine Flucht. Die ich liebe. 
gulogulo meinte am 25. Mär, 01:28:
namedropping ist der anglizismus zum beitrag. ;-)
hauspatschen können aus dem stand mit dem fuß einem kontrahenten wuchtiger entgegengeschleudert werden, auch auf eine größere entfernung. fest zugerschnürte turnschuhe haben demgegenüber im nahkampf vorteile. man kann mit ihnen besser treten und kommt beim wegrennen schneller ums nächste eck. ;-) 
teacher antwortete am 26. Mär, 12:11:
Ich danke für die stetige Erweiterung meiner Perspektiven! 
.peter meinte am 25. Mär, 04:26:
"Mutter" hab ich schon mit 12 Jahren gesagt "bitte keine Sonderangebote. Die sehen auch objektiv scheisse aus, halten nicht lange, und ich sehe damit schlimmer aus als die anderen Kinder aus Sozialhilfefamilien. Kauf mir lieber weniger, dafür besseres!" aber damit kam ich nie an.

Marken waren bei uns nie ein Problem, Qualität aber schon. Die Billig-Fitschi-Klamotten von der tchechischen Grenzen sehen ebend auch so aus, wo sie herkommen. Da ist der Second-Hand-Shop sogar eine bessere Wahl, insofern vorhanden.

Es gab in Dtl ein Schuluniformen-Projekt, durch Schüler eingeleitet, wobei das Tragend er Schuluniform höchst freiwillig war, und wo nach zwei Monaten beinahe jeder jeden Tag die Schuluniform getragen hat. Sie muss nur günstig sein, und leicht kombinierbar mit anderen Klamotten. Das ganze hat das Schulklima laut Aussage der Schüler um WElten verbessert. 
teacher antwortete am 26. Mär, 16:23:
He, das ist gut: Schuluniform von unten her.
Von mir aus: Alle in H&M, designed par Lagerfeld.
Weg mit den Klassenunterschieden aus Stoff und Leder, leistbarer Luxus für alle! 
.peter antwortete am 26. Mär, 16:51:
Prada für Alle!!! 
teacher antwortete am 26. Mär, 17:05:
... and chicks, äh ... chips for free. 
Alex (Gast) meinte am 26. Mär, 10:26:
Aha, Wochenend-Blues
Die Welt in der wir leben, ist eigentlich gar nicht so schlecht, nur die Organisation der menschlichen Gesellschaft, wie sie sich zur Zeit in den "westlichen Industriestaaten" präsentiert, ist dumm. Dumm, dümmer, am dümmsten.

In den Schulen, ist man halt ziemlich schmerzhaft mit den Auswirkungen dieser Verdummung konfrontiert, weil man an Kindern sieht, was möglich dem Menschen möglich wäre, und was er daraus macht.

Unsere Religion heißt Konsum, und unser Gott heißt Mammon....Leider...Aber vielleicht war das ja schon immer so, und die Sixtinische Kappelle, der Roman "Reise an's Ende der Nacht", oder ähnliche Kunstwerke, sind nur Irrtümer auf dem Weg der Menschheit in die kosmische Bedeutungslosigkeit.

Gerade darum finde ich es bewundernswert, dass Sie die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben, dass Sie Ihren Schülern vielleicht neben allem Sachwissen, auch tatsächlich etwas über das Leben, und das wofür es Wert ist zu leben, nahezubringen.

In diesem Sinne, Glück auf, und möge sich der Wochenend-Blues, in den Sonnenstrahlen des heutigen Tages, in die heitere Betrachtung des geschäftigen, und doch so hilflosen menschlichen Handelns, verwandeln. 
teacher antwortete am 26. Mär, 12:14:
"Kosmische Bedeutungslosigkeit" - wir brauchen sie nicht anstreben, wir erlangen sie bestimmt. Aber momentan sollten wir unsere kleine Welt in Ordnung halten/bringen. 
Alex (Gast) antwortete am 26. Mär, 12:55:
Aha, typisch Lehrer ;-)
Gleich ein *Sollen* eingebaut....

Wer sagt, dass die Menschen überleben sollen? 
teacher antwortete am 26. Mär, 16:20:
Jedenfalls ist es dem Kosmos völlig Wurscht, ob wir überleben.
Das beruhigt mich so ungemein: Wir können die Umwelt nicht zerstören - bloß uns selbst. Daran arbeiten wir aber eifrigst.

P.S.: Ich habe "sollten" gesagt, das lässt ein bisserl mehr Freiheit zu. Typische Lehrer, immer alles genau nehmen :-) 
 

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