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cotopaxi

 
"Ich bin seit Jahren auf keine Maturafeier mehr gegangen", gesteht mir ein enttäuschter Kollege, "mein Bier trinke ich lieber mit Freunden."
Ich wollte der feierlichen Erosion Einhalt gebieten und habe mit meinen Absolventen gesprochen.
"Wann gelingt eine Feier?" stand fragend in ihren Gesichtern. Ich begann ganz vorne, weil es nötig war.
"Sucht einmal eine geeignete Location!"
"In der Schule?"
"Sicher nicht! Aber in der Umgebung. Damit wir alle gut hinkommen. Und achtet auf die Verkehrserschließung."
Sie machten sich auf die Suche. Ergebnis: Der kühle Kellerraum eines neu renovierten Gasthauses, reserviert für den speziellen Anlass, einladend und separiert.
"Gelungen!"
Schon kümmerten sich einige Ästheten um die Dekoration: Ein paar Blumen, ein paar Ballons, ein paar Fotos. Dezent und gemütlich.
"Exquisit!"
"Müssen wir einladen? Wir haben nur 300 Euro in der Klassenkasse."
"Erstens: Ausgefallene Einladungen entwerfen, schriftlich einladen, das ist Marketing! Zur heiklen Frage - Geld: Ich würde vorschlagen, dass ihr einen Teil der Kosten übernehmt, das ist bei uns so üblich."
Usancen tradieren.
"Zum Beispiel?"
"Bei der letzten gelungenen Feier haben die Schüler ein Buffet organisiert, die Hauptspeisen bestellt, die Nachspeisen selbst mitgebracht. Das gab der Sache was Persönliches!"
"Und die Getränke zahlt jeder selbst?!"
"Ja. So bleibt das Kampftrinken im Rahmen."
"OK, das machen wir auch."
"Vergesst das Wichtigste einer Feier nicht: Programm!"
"Essen, Trinken, Tratschen!"
"Nicht genug! Eine kleine Rede, ein kleines Spiel, ein paar kleine Erinnerungen, Späßchen ..."

Sie sind über sich hinausgewachsen. Sie haben Theater gespielt, herzlich und engagiert. Sie haben für jeden Gast ein kleines persönliches Souvenir im Stile einer Lotterie verschenkt, sie haben Musik ausgewählt, die keinen Altersunterschied erkennen ließ. Ich habe mit launigen Worten ihren Abschied versüßt und auf die geheimnisvolle Mitternachtseinlage gewartet.
Sie hatten ein Video gedreht und an die Leinwand gebeamt: Wir erinnerten uns an gemeinsame Erlebnisse, wir lachten über gewagte Scherze, wir bewunderten ihre Kreativität.

Heute war die Maturafeier zum Schulgespräch geworden: Sie haben sich übertroffen, sie haben neue Maßstäbe für Schulfeiern gesetzt. Wir triefen alle vor Stolz.
"Warum hast Du solches Glück mit Deiner Klasse?"
"Ich habe dem Glück ein bisschen nachgeholfen. Wir haben feiern gelernt."
Tanja (Gast) meinte am 27. Jun, 15:35:
Wunderschön.
Das sind die Lorbeeren für die Gruppenarbeiten und Exkursionen, die man gemacht hat. In der Berufsschule sehen sich die Lernenden nämlich gar nicht oft. Leider kriegt man diese Bestätigung nicht alle Jahre.

Und das Programm - das finde ich auch so wichtig. Ich "drille" die Lernenden entsprechend (auch: Zeit einhalten!), wurde aber bis jetzt von Kolleginnen und Kollegen eher belächelt deswegen.

Kurz: Das Triefen vor Stolz ist begründet. Gratulation. 
teacher antwortete am 27. Jun, 18:36:
Merci.
Ich wollte es ursprünglich auch nicht wahrhaben, wollte den reifen Schülern nicht vorschreiben, wie man eine gute Feier inszeniert.
Fakt ist, dass es für mich die x-te Feier, für sie die erste selbst organisierte war - da machen konkrete Tipps Sinn. 
morast meinte am 27. Jun, 18:41:
Ich kann mich unseres Abschlußprogramms gar nicht mehr entsinnen. Das lag aber vermutlich auch daran, daß ich Abschlußzeitungsmacherei statt Abschlußfeiervorbereitung beschäftigt war.
Meine Erinnerungen an jenen Abend beschränken sich auf unseren Direktor, der unseren Jahrgang niedermachte, auf Tiramisu, das ich erstmals probierte und gar nicht so besonders fand wie alle immer erzählten, auf Kleidungsstücke, in denen ich mich nicht wohlfühlte, und auf einen DJ, der es schaffte, wenn sich mal ein paar Wagemutige auf die Tanzfläche trauten, sie durch einen Musikstilwechsel wieder zu vertreiben.
Naja, immerhin war die Zeitung einigermaßen gut.

Ich freue mich also für Sie und Ihre Klasse. Wahrlich. 
teacher antwortete am 27. Jun, 18:51:
Tiramisu und DJ, das klingt auch recht aufwändig! Wir haben damals bloß gegessen und getrunken. Null Programm, fad.
@ Direktor: Bin ich zwar nicht, aber als Klassenvorstand habe ich den gleichen Fehler ein Mal gemacht: Kritik bei einer Feier! Nie wieder, dümmer geht's nicht. 
morast antwortete am 27. Jun, 19:48:
Leider ist Aufwand/Kosten nicht gleichbedeutend mit Qualität. Wenn ich mich zurückerinnere, hätte mir etwas Einfaches wohl besser gefallen.

Die Frage ist übrigens, ob Kritik bei einer Klasse, die gerade die Schule verläßt, wirksam und sinnvoll ist, selbst wenn sie Berechtigung hat... 
teacher antwortete am 28. Jun, 10:08:
Zwei Mal Zustimmung! 
Andy (Gast) meinte am 25. Aug, 17:04:
Abschluss
Alt aber gut:

http://www.box.net/public/t60l6cu07r 
teacher antwortete am 30. Aug, 09:41:
Danke, hab' ich nicht gekannt - dann gleich mehrmals angehört.
Musik und Text harmonieren so fein!
Zum leichteren Verständnis habe ich eine dt. Übersetzung aufgespürt:
http://muetze.net/misc/sunscreen-de.html

P.S.: Wäre was für die nächste Maturanten-Verabschiedung. 
 

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