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cotopaxi

 
Die Türe geht auf, Kollegin P. tritt ein. Ich arbeite gerade mit den Maturanten am letzten Feinschliff. Beantworte die letzten 500 Fragen, gebe zwei, drei Tipps.
Was drückt mir P. in die Hand?
Ihre Maturafragen.
"Bitte heb' sie gut auf. Ich werde Montag erst gegen halb acht kommen können."
Die Schüler bekommen große Augen. Da liegen ihre Fragen zur mündlichen Abschlussprüfung direkt vor ihnen, in Griffweite, aber uneinsehbar. So nahe, unendlich weit weg.
"Sie könnten uns das Leben sehr erleichtern!", meint bald eine vorlaute Stimme.
"Jaaa", antwortet ein Chor nervöser Kommilitonen.
"Leute, ich bin käuflich." ..... Dramatische Pause ..... "Aber der Preis ist zu hoch ... und zwar für uns alle."

Die Stimmung vor den heißen Abiturtagen schwankt ganz nach Klassenklima. Je braver und seriöser die Schüler bis zum glücklichen Ende gelernt haben, desto nervöser und hysterischer entwickelt sich der Haufen. Die coolen Klassen bleiben cool, sie haben bisher spekuliert und gewonnen, sie lassen sich nicht aus der Fassung bringen.
Sie haben in den vergangenen Jahren gelernt, die wirklich wichtigen Dinge herauszufiltern und das Unwesentliche generös zu streichen. Diese Fähigkeit hilft bei großen Prüfungen dramatisch.

Zum ersten Mal bereue ich, eine nette Klasse mit fleißigen und ehrgeizigen Kindern herangezogen zu haben. Sie versuchen alles zu lernen, nichts zu streichen. Sie leiden unter ihren Ansprüchen und meinen Erwartungen, aber wir können aus unserer Haut nicht heraus.

Hoffentlich zeigen sie nächste Woche, was in ihnen steckt.
"Reine Glücks- und Nervensache", schließt eine Schülerin apathisch.
sweets meinte am 16. Jun, 12:36:
zum glück habe ich es schon hinter mir, obwohl ich nicht weiß, ob das eher gut oder schlecht ist...

das werde ich dann aber montag sehen, wenn ich meine ergebnisse bekomme. 
teacher antwortete am 16. Jun, 15:26:
Das Zittern hat gerade Saison! 
dat_franzi (Gast) meinte am 16. Jun, 12:55:
boah...
wie gemein! Kann man die Schüler mehr quälen, als ihnen die Aufgaben in Sichtweite zu legen, von denen ihr weiteres Leben abhängt? *seufz* 
teacher antwortete am 16. Jun, 15:07:
War komisch, vermeiden wir sonst - aber die Kollegin musste weg und die Aufgaben in Sicherheit bringen.
Mir war auch mulmig zumute. 
dat_Franzi antwortete am 16. Jun, 15:31:
Na das wäre mir auch unangenehm gewesen. 
gulogulo meinte am 16. Jun, 12:55:
die matura ist doch in vielen fällen nur eine formsache.
schüler kennen die fragen sowieso bzw. haben z.b. 50 fragen bekommen, von denen eine bestimmt kommt ... 
teacher antwortete am 16. Jun, 15:33:
Gibt es bei uns nicht, sonst wird es wirklich ein peinliche, ungerechte Show.
Ich fordere wieder mal: Nehmt den Lehrern die Noten weg. Grechtigkeit gibt es nur bei anonymen, externen Prüfungen. Das hilft den guten Schülern und den guten Lehrern. Wer hat Angst davor? 
sillerbetrachter antwortete am 16. Jun, 15:59:
Dieser Auffassung schließe ich mich voll an. Meine Tochter hat heute ihr Abiturzeugnis überreicht bekommen. Eine Note fällt aus dem Rahmen: Englisch! Die Lehrerin mag mein Mädel nicht, weil sie unangepasst ist, zu sich selber steht, auch gerne mal das Wort für andere übernimmt, ohne despektierlich zu sein. So hat die Lehrerin ihr eine Antipathienote geben können. Würden Fremdprüfer Arbeiten und Leistungen beurteilen, ginge es um die Sache. Andererseits ist es in Deutschland zumindest bei der Bewerberauswahl im späteren Berufsleben öfter nicht mehr wichtig, welche Note auf einem Blatt Papier steht. Die so genannten Softskills werden immer relevanter. Da setzen sich dann soziale Kompetenzen und Verantwortungsgefühl beim "Wie verkaufe ich mich selbst" durch. 
teacher antwortete am 16. Jun, 16:16:
Ich kenne zig solcher Fälle ... und ich weiß, dass ich selbst nicht über den Dingen stehe. Obwohl ich mich bemühe.
Und ich geniere mich für Kollegen, die sogar damit protzen: "Der/dem zeige ich noch, wo der liebe Gott wohnt!" Sie schaden unserem Ruf, sie schaden der Sache, sie schaden den Kindern ... nehmt ihnen die Chance!
Auch wenn es letztlich nicht auf die Noten ankommt, es geht um Gerechtigkeit.
P.S.: Ich bin auch schon völlig unschuldig solchen Vorwürfen ausgesetzt gewesen. Und konnte mich nicht wehren. Das schmerzt auch. 
Nachtblau antwortete am 16. Jun, 17:58:
Externe Prüfer bringen auch nix, weil der Mensch an und für sich einfach zu ungenau und zu beeinflussbar ist (Halo- Reihungs-, und was weiß ich Fehler). 
sillerbetrachter antwortete am 16. Jun, 18:09:
teacher, in den fällen, in denen dir einer den ungerechten vorwurf macht, würde ich dir empfehlen, die anschuldigungen kommentarlos im raum stehen zu lassen! echt!! wer sich verteidigt, klagt sich irgednwie auch an. während meines studiums habe ich einen satz gelernt, den ich lebe: *nicht die suche nach dem schuldigen ist hilfreich, es geht darum, aus der bestehenden situation das beste zu machen!* lehrer sind doch immer wieder gerne an allem schuld. das ist so blöde wie unwirksam. das muss an dir abprallen! lass dir deinen idealismus nicht von "korinthenkackern" nehmen!die wären nämlich gerne richter geworden, haben aber weder die moralischen noch die intellektuellen fähigkeiten dazu erworben. und punkt :-)

nebenbei hat diese lehrerin meiner tochter durch diese eine note nicht die zukunft versaut. die note fällt so aus dem rahmen, dass es offensichtlich ist, zu welcher kategoerie sie gehört!

zu nachtblau möchte ich sagen: wenn von vornherein nach bestimmten kriterien eine überprüfbare leistung messbar gemacht wird, ist eine externe prüfung sicher nützlicher. natürlich bleiben menschliche kompetenzen. aber beurteilungen, die nach sympathie oder antipathie immer noch in schulen gemacht werden,weil eine lehrkraft im schulalltag einen menschen nach schubladendenken lobt oder verurteilt, die könnten der vergangenheit angehören. 
Nachtblau antwortete am 16. Jun, 18:20:
Naja, dann wird halt über die saubere (oder nicht saubere) Handschrift, die Formulierungen und die Rechtschreibung gesiebt. Wenn das alle glücklicher macht, bitte, aber dann nicht heulen wenns in der Englischprüfung eine schlechte Note wegen der schlimmen Handschrift gibt. 
teacher antwortete am 17. Jun, 18:24:
Leider stimmt es, dass auch externe Prüfungen ihre Macken haben, aber diese werden bei internen Prüfungen nicht vermieden!

@sillerbetrachter: "Schweigen ist Zustimmen" ... und frisst die Seele auf. Ich habe damals versucht mich zu verteidigen, die Fehler offen zu legen, zu erklären. Sinnlos! Weder die Schülerin, noch die Eltern wollten die korrigierte Arbeit auch nur ansehen. 
 

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