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cotopaxi

 
Ein Mathematiklehrer hatte mich als Neuling in die Höhere Lehre von Zeit und Raum eingeweiht, bevor ich überhaupt zum Denken kam.
"Wenn du in jede Stunde fünf Minuten zu spät kommst, dann ersparst du dir fast drei Jahre Arbeit." Ich war an ihm vorbeigelaufen, zielstrebig in die Klasse geeilt, während er bedächtigen Schrittes die Stufen emporging.
"Wie jetzt?"
"Du unterrichtest rund 20 Stunden pro Woche mal 40 Wochen pro Jahr, macht 800 Unterrichtsstunden, das sind 4000 Minuten, die du pro Jahr ersparst ... also 66 Stunden! Über 40 Jahre gerechnet macht das mehr als drei Jahre Freizeit!"
Ich hatte zwar nicht mitgerechnet, aber im Kopf blieben drei Jahre Sonne hängen. Drei Jahre Urlaub, durch Verpätungen erkämpft.
Und dabei hunderte Schüler erfreut.

Meine Frau hat mich dann enttäuscht. Sie meinte, ihre Telefonate mit Freundinnen und ihre Kaffeepausen unter Kollegen würden locker das Doppelte ausmachen. "Und Raucher schinden noch mehr Freizeit heraus."

Kurz vor der Matura dreht sich plötzlich der Wind.
Zuerst fragen die Kandidaten, ob sie nicht freiwillig ein paar Stunden öfter kommen könnten.
"Sorry, aber das wäre unfair gegenüber anderen Klassen. Und unkollegial ausserdem."
"Jajaja ... weil sie es nicht bezahlt kriegen ...", werfen sie vorwurfsvoll ein.
Dann schauen sie auf die Uhr, wenn ich fünf Minuten zu spät komme. All die Jahre haben sie die Verspätungen geliebt, jetzt gieren sie nach jeder Vorbereitungsminute.
"Moment mal, die Christine hat mich mit ihrem Spezialgebiet aufgehalten, ich war nicht fünf Minuten auf Mallorca!", entschuldige ich mich.
"Muss ich zugeben," sagt Christine und möchte schnell mit der Arbeit beginnen.

Schüler (und Eltern) fordern Arbeit ein, wenn eine externe Prüfung droht. Ansonsten ist allen alles Wurscht.

P.S.: Nehmt den Lehrern die Noten weg!
Tanja (Gast) meinte am 7. Jun, 00:09:
Zum Wind, der sich dreht:
Azubis, die einen die Eingangstüre zugehalten haben, halten sie jetzt offen, selbst wenn man noch 10 Meter entfernt ist,

Azubis, die einen die Zigarettenstummel vor die Füsse gespickt haben, laufen nun Kilometer bis zum nächsten Aschenbecher,

Azubis, die sonst in einen hineinrennen, dass die Übungblätter nur so herumsegelen, helfen heute tragen.

Jawohl, genau so dreht sich der Wind vor den Abschlussprüfungen.

(Ich kann einfach nicht richtig gut arbeiten, wenn ich zu spät komme. Deshalb ist es für mich das Gegenteil von Erholung.) 
teacher antwortete am 7. Jun, 13:26:
Stimmt.
Ich habe noch ein weiteres Problem damit: Je länger eine Klasse unbeschäftigt und unbeobachtet bleibt, dest mehr schaukelt sich Unruhe und Ablenkung hoch. Das Zuspätkommen rächt sich. 
 

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