El Loco meinte am 19. Okt, 08:12:
Ach so, ein didaktisches Waterloo wollte ich ja auch noch beitragen: wir hatten im Mathematik-Leistungskurs einen Lehrer, der ziemlich systematisch die Intelligenten mobbte - das war vermutlich seine Art, die Schwachen fördern zu wollen?
Die Krönung war allerdings seine - ebenso systematische - Art, neue Themenbereiche einzuführen:
"Wir machen jetzt dies und das." Vorführung an der Tafel, Beispielrechnung. Aufgaben zum Wiederholen.
Und in der folgenden Woche kam er dann auf die Idee, mal zu erklären, wozu man das benutzen kann, was wir gelernt hatten.
Der Forschungsdrang der Jugendlichen war für IHN garantiert kein didaktisches agens. Aber ebenso sicher kann man sagen, daß von diesen 24 Schülern kein einziger Mathematik studiert hat, trotz LK. Die Sache hätte interessant werden können, wenn er uns zunächst das Problem vorgestellt hätte und dann die Lösung. Aber er war wohl so von seiner Mathematik als Ideal aller Philosophien getränkt, daß ihm die Lösung ohne Frage normal vorkam...
Würde ich ihn Pädagoge nennen? Nur, wenn die zweite Hälfte des Wortes den gleichen Sinn trägt wie in dem Wort "Demagoge"...
teacher antwortete am 19. Okt, 15:41:
Am "Warum" wollen wir uns gerne vorbeischummeln - weil oft wissen wir wirklich nicht, welchen Sinn es hat, die Knorpel von Lurchen benennen zu können.
BIA (Gast) antwortete am 19. Okt, 16:38:
Für mich ist der Knackpunkt immer: "Ist das irgendwie nachhaltig, was ich hier mache?" Die Antwort in meinem 45-minuten-pro-Woche Fach Sozialkunde, in dem für den Themenkomplex "Afghanistan und sicher- und außenpolitische Herausforderungen" 90 min vorgesehen sind - ein klares NEIN. Zumindest, wenn ich die hehreren Ziele anstrebe, die über 1. Wo liegt Afghanistan und
2. Was macht die Bundeswehr dort und
3. Wie kam es dazu
hinausreichen.
Das wär ja alles wichtig - aber warum müssen wir überall im Schnellzugtempo durchbrausen?
teacher antwortete am 20. Okt, 17:10:
Nachhaltigkeit ist EIN Ziel, Aktualität ein ZWEITES. Und ich denke, dass wir den Kindern helfen können, aktuelle Themen, die medial präsent sind, zu verarbeiten und zu überdenken. Das hilft, auch wenn es in zwei Monaten passé ist.
BIA (Gast) antwortete am 20. Okt, 21:26:
Absolut, beides wichtig.Mich frustriert nur, dass so wenig hängenbleibt. Trotz Üben und Wiederholen und "Ertragssicherung"...frag sie drei Wochen später, und gemerkt haben sie sich ein völlig belangloses, aber dafür dramatisches Detail ("Volkssouveränität? Ja, das war wie sie den König geköpft haben und dann haben die echt gedacht, das mit dem Köpfen ist ein Fortschritt." -> Beruf wechseln?!?!?)
Schreiberling (Gast) antwortete am 21. Okt, 13:12:
Wo kein Interesse ist...
...da kann auch nix hängebleiben! Mach doch den Selbstversuch: Geh in ein Museum, das dich nicht interessiert, lass dir was erzählen und lass dich 3 Wochen später abfragen. Wieso soll es Jugendlichen anders gehen als dir?
Schreiberling (Gast) antwortete am 21. Okt, 13:20:
Schüler befinden sich...
...physiologisch im Tiefschlaf! Da kann man sich nix behalten. ;-)http://www.skolnet.de/forschung/erkenntnisse-der-neurowissenschaft/
unten die 2 Videos insbesondere das kürzere mit dem Interview
El Loco antwortete am 21. Okt, 19:16:
Die Knorpel der Lurche sind mir erspart geblieben, aber das ist ja auch schon wieder ein anderes Thema. Auch die verschiedenen Blütenformen fand ich bis zu einem gewissen Punkt interessant - sie in Schnittzeichnungen festzuhalten ging mir gegen den farbenblinden Strich. Beides ist aber Wissensvermittlung, die zu einem gewissen Grad auch Methodenvermittlung ist: wenn ich wissen will, wie eine Blüte oder ein Lurch von innen aussieht, schneide ich auf. (Mit Nachbars Katze sollte man das freilich unterlassen...) Der Mathematiklehrer hat Methode ohne Sinn und Zweck vermittelt. Das ist wie den König köpfen und nicht mal denken, es wäre für was gut...
(Was BIA da beschreibt, könnte übrigens auch der allgemeine Stand des französischen Volkes zur Revolution von 1789ff sein - und was dabei dann herauskommt, kann man aktuell erleben.)
teacher antwortete am 21. Okt, 19:27:
@Schrieberling:Interessen muss man erst wecken. Schule hat auch den Sinn, die Kinder zu neuen Futtertrögen zu führen - von alleine entdecken sie viele Dinge einfach nicht.
@teacher (Gast) antwortete am 21. Okt, 19:48:
Und genau deshalb...
...muss man doch nicht darüber "traurig" sein, wenn nix / wenig hängen bleibt. Ich wäre deshalb nicht so frustriert, wie es mir bei BIA erscheint. Man kann nun mal nicht bei allen Interessen wecken. Außerdem sind die meisten Schüler es doch ohnehin überdrüssig, dass der Lehrer ständig versucht, ihre Interessen zu wecken. Das geschieht doch jeden Tag, ohne dass der Schüler mal selbst gefragt wird bzw. viel zu selten. Die Schüler brauchen in der Regel doch nur faul rumsitzen, der Lehrer macht scho! Sie selbst dürfen, wenn überhaupt, nur so viel, wie der Lehrer erlaubt. Und wenn es mal einen Lehrer gibt, der auf derart verwöhnte Schüler trifft und ihnen mehr Raum bietet, wird er schräg angeguckt. (Ich spreche da nicht von mir, sondern von einer Kollegin an einem Berliner Gymnasium.) Ist aber auch verständlich, man schaltet als Schüler nicht von Jetzt auf Gleich um, wenn man jahrelang durch eine passive Arbeitshaltung wunderbar durch die Schule kommt. Remo Largo hat es in einem Bericht treffend geschrieben, als er davon berichtete, dass er als Professor regelmäßig auf Studenten mit Konsumhaltung und ohne eigene Meinung getroffen ist. Nur das man mich hier nicht falsch versteht: Desinteressierte Schüler sind nicht alleine ein Versäumnis der Schule!! Aber noch mehr Verantwortung für das eigene Lernen täte auch vielen Gymnasialschülern sehr gut. Wie sagt man in Deutschland: "Bei uns sind die Hauptschulen die methodisch fortschrittlichsten Schulen und die Gymnasien sind so modern wie Klosterschulen."
@teacher (Gast) antwortete am 21. Okt, 20:06:
Oder um es mit...
deinen Worten zu sagen: Schüler wollen nicht ständig an neue Futtertröge herangeführt werden, sondern auch mal selbst einen Futtertrog bauen, den sie mit Leben füllen. ;-)
BIA (Gast) antwortete am 21. Okt, 21:29:
Ich finde, das hast Du wunderbar gesagt.Die Verantwortung für das eigene Lernen - kann aber auch nur funktionieren, wenn man ehrlicherweise Freiräume für das eigene Lernen gibt, ansonsten bleibt's scheinheilig: Ich bestimme, was du wann lernen musst, aber Du sollst bitte selbst recht intensiv mitmachen. Also: eigenverantwortlich und mündig bist du bitte nur, solang du dich an unseren Rahmen hältst. Hmmm...klingt nicht ganz fair.
teacher antwortete am 22. Okt, 11:46:
Ich stimme auch zu.Bloß werden wir zunehmend von Standards gegängelt und von PISA&Co gemessen. Damit sind die Futtertröge bereits aufgestellt - da müssen wir hin.