steppenhund meinte am 4. Sep, 09:41:
Eigentlich hat das gar nichts mit den Schülern zu tun
Das Problem sehe ich wo anders. In unserer heutigen Zeit hat das Fitness-Studio die Rolle der Schule übernommen. Das körperliche Aussehen wird unter dem Vorwand der Gesundheit alsGradmesser des Erfolgs gesehen. Das führt dazu, dass sich Menschen im Fitness-Studio stundenlang quälen, was im Grunde genommen nichts anderes als Üben ist.Dort wird akzeptiert, dass nur regelmäßiges Training etwas bringt. Unsere Gesellschaft veranstaltet Marathonlaufevents, für die sich Zehntausende schon Monate vorher vorbereiten.
Das klingt ja gut: mens sana in corpore sano (sit). Das Problem ist allerdings, dass das Üben lediglich für den Corpus akzeptiert wird. Dass es so etwas wie ein geistiges Konditionstraining gibt, wird ignoriert. Lesen (und dazu gehört anspruchsvolles Lesen und nicht das Überfliegen eines Sprachschatzes von 1000 Worten in Kronenzeitung und Österreich) wird noch einigermaßen akzeptiert. Rechnen benötigen wir inzwischen nicht mehr, dafür gibt es Taschenrechner.
Dass beim Rechnen eine ganze Reihe von Nebenfähigkeiten trainiert werden, wird übersehen. Das lässt sich nun für Sprachen weiterführen und prinzipiell für jeden Stoff, der über das Auswendigbeherrschen hinausgeht. Und das ist praktisch jeder Stoff.
Lustig ist eigentlich, dass der Begriff Üben eine große Rolle in Peter Sloterdijks neuem Buch "Du musst dein Leben ändern" spielt.
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Zwei kleine Rätselaufgaben für den Selbsttest der LeserInnen:
1) Wieso kann ich 37 * 43 unmittelbar als 1591 hinschreiben, ohne da lang herumrechnen zu müssen?
2) Wieviel cm legt das Licht in einer Sekunde zurück?
Es geht nicht darum, dass diese Fragen die Welt entscheiden. Doch in dem einen Fall handelt es sich um die Vorstudie zu einer ähnlichen Reihe von Problemen, bei denen in manchen Fällen eine rasche Plausibilität eines Resultats überprüft werden kann. Im anderen Fall geht es eine bewusste Fragestellung, die das Merken einer Naturkonstanten leichter gestaltet, als wenn die Zahl im normalen SI-System angegeben werden muss.
Ja, und jetzt kommt der Hammer: Lehrer, die Deutsch, Englisch, Turnen und Geographie unterrichten sollten diese Fragen genauso locker und rasch beantworten können, wie die vermuteten Mathematik- und Physiklehrer.
Denn einer der Knackpunkte scheint mir zu sein, dass viele Lehrer "ihre" Fächer als die allein Seligmachenden ansehen. Um den Rest sollen sich andere kümmern.
Das muss nicht so sein. Falls es das aber ist, so ist es definitiv kontraproduktiv für den Lernfortschritt der Schüler.
ketzerkatz (Gast) antwortete am 4. Sep, 10:31:
Üben ... mal selbst gemacht
Zuvörderst: als alte Germanistin hab ich die Matheaufgaben natürlich nicht "im Handumdrehen" gelöst - man nenne es ruhig déformation professionelle ;-). Vielleicht bin ich ja damit entschuldigt, dass ich keine "übliche" Lehrerin bin *gg*.Sich selbst etwas aneignen und die Ausführung ein-üben - das hat allerdings was. Erstens erinnert es den erwachsenen Übenden ein wenig an die Anstrengung und Frustration, die das Üben auch beinhaltet, aber auch an die Freuden des Gelingens und der sich entwickelnden Beherrschung.
Sowas strahlt dann auch auf die SchülerInnen ab: jemand, der selbst mit einem Stoff ringt, hat besseres Verständnis im Sinne von Ein-Sicht in andere Ringende (nicht im Sinne von köpfchen-tätschelndem Laisser-faire gemeint), ist in Teilen geduldiger, in anderen Teilen fordernder als ein nicht selbst Ringender (=Übender).
Ganz davon abgesehen, welche Freude bis zu diebischem Spaß es SchülerInnen macht, wenn ein Lehrender sich mit etwas herumschlägt, was sie selbst bereits beherrschen und liebend gerne aus-üben (Gitarre spielen lernen wäre mein derzeitiges Beispiel, ich verzweifle nochmal dran). Das macht einerseits menschlich, andererseits erzeugt es Achtung. Und ein Geachteter kann besser fordern - Stichwort: persönliche Autorität.
Liebe Grüße an Teach und alle anderen, kommt gut wieder im Alltag an und bewahrt ein wenig die Freude an den Urlaubseindrücken
miaut
die Ketzerkatz
Gast (Gast) antwortete am 4. Sep, 18:59:
Mens sana in corpore sano.
Steppenhund, wie wärs als Abwechslung zum Hirnwichsen mit ein paar Stunden Qual im Fitnesscenter? Dann klappt's mit dem Sex vielleicht auch wieder besser.(Gilt auch für den Teacher.)
teacher antwortete am 4. Sep, 19:23:
1. Danke, lieber Gast. Es hat sich noch niemand beklagt.2. @steppenhund: Das Prinzip des Übens wird auch beim Spielen (WOW etc.) akzeptiert. Ingesamt ist heute das Aussehen wichtiger als das Wissen (mehr Schein als Sein) - das gilt nicht nur für die Jugend.
Eagel (Gast) antwortete am 6. Sep, 17:34:
Lieber Steppenhund,
auf deinen "Hammer" möchte ich gerne ein paar Sätze los werden. Nichts gegen Horizonterweiterung und eine gute Allgemeinbildung, ganz im Gegenteil. Aber Spezialisierung und und eine gewisse "Einseitigkeit" garantieren erst Pluralismus.Deswegen halte ich die Idee, solches sei kontraproduktiv für den Fortschritt der Schüler, für einen Fehlschluss.
virtualmono antwortete am 10. Sep, 03:22:
Zwei kleine Rätselaufgaben für den Selbsttest der LeserInnen:1) Wieso kann ich 37 * 43 unmittelbar als 1591 hinschreiben, ohne da lang herumrechnen zu müssen?
2) Wieviel cm legt das Licht in einer Sekunde zurück?
1) 40 * 40 - 3 * 3 (die Quadratzahlen hat man ja sowieso im Kopf...)
2) 30000000000 (30 Milliarden), wenn wir vereinfacht von den 300000 Kilometern pro Sekunde ausgehen
Ist doch alles kein Hexenwerk ;-) Und ich gehe völlig mit Dir konform, daß das eigentlich jeder (nicht nur jeder Lehrer) aus dem Hut wissen sollte - soviel Allgemeinbildung sollte man erwarten können, das ist schließlich nicht einmal Gymnasialstoff... und das hat nichts mit Spezialisierung zu tun, denn jeder sollte das eigentlich beides mal gelernt haben.
Nein, ich schreibe jetzt nicht wieder die Sache mit den 80%...