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cotopaxi

 
Nathaneal meinte am 19. Feb, 21:14:
Also, ich weiß nicht ... übertreiben Sie nicht alle ein wenig?
Ich besuche eine öffentliche Schule, wir haben auch nur Beamer in den naturwissenschaftl. Lehrsälen, der Computerraum ist eine einzige Antiquitätensammlung, manche Lehrer taugen auch nichts. Und doch hat unserer Schule eine eigene Philosophie, eine eigene Identität, klare Prioritäten und Anforderungen an die Schüler. Ich gehe sehr gerne in diese Schule, alle lernen dort viel für ihr Leben - wie viel, das hängt letztendlich vom Lehrer ab, und da gibt es nun einfach bessere und schlechtere.

Privatisierung der Schulen - wie das ausgehen kann, können Sie wohl besser beurteilen als ich. Aber ich denke, dass der Schritt in Richtung Kommerzialisierung der Schule auch ein Schritt weg von der Chancengleichheit ist. Was sie da alles planen - Gutscheine, "Freijahre", etc. - ist ja ganz nett, aber das Prinzip bleibt dasselbe: Angebot, Nachfrage, MARKT! Markt gleich Wettbewerb gleich Auslese. Und die Auslese widerspricht dem prinzipiellen Gedanken der Chancengleichheit. Denn keine Schule - pardon, kein schulisches Unternehmen - wird die Schüler unterrichten, die ausgelesen wurden und nicht den Anforderungen entsprechen. Oder aber es bilden sich Billig Discounter-Schulen: geringe Qualität/Bildung zu kleinen Preisen. Beide Vorstellungen sind doch grotesk. Wo wird das enden? Bilden sich dann große Schulkonzerne? Wird die Konkurrenz ausgestochen? Gibt es dann auch ein Kartellamt für die Schulen? Kümmert sich in Zukunft das Bundeswirtschafts- und nicht das Kultusministerium um den Lehrplan?

Alle Probleme, die in der Schule entstehen, sind - das ist zumindest meine Beobachtung - eigentlich immer auf Demotivation von Schülern und Lehrern zurückzuführen. Auch mit einer Tafel, einem Stück Kreide und einem Schulbuch kann man guten Unterricht machen. 
BIA (Gast) antwortete am 19. Feb, 23:32:
Auch mit Kreide, Tafel...kann man guten Unterricht machen.
Man kann, ja.
Hab heute meine Schüler nach der Evaluation gefragt, wieviel Prozent ihres Unterrichts aus Frontalunterricht besteht. Die meisten Hände gingen bei "60 bis 70%" hoch.
Das ist ein bisschen viel Fokus auf Unterricht mit Kreide und Tafel - egal, ob der besonders gut ist oder eher mittel (was ich eher annehme).
Ich beginne mich jedenfalls in Meetings zu langweilen, die länger als 3 Stunden dauern. Und die Schüler arbeiten an die 4 Schulstunden pro Tag nach dem Prinzip "Klappe halten und zuhören". Kein Wunder, wenn sie irgendwann aus dem Fenster schauen und die Schotten dicht machen. *seufz 
steppenhund antwortete am 19. Feb, 23:44:
Meetings, die drei Stunden dauern, zeigen schon von sehr schlechtem Management. Entweder man macht ein Workshop oder Seminar, das auch einen Tag dauern kann, oder ein Meeting, dass auf alle Fälle weniger als 90 Minuten dauern soll. Alles darüber hinaus ist enorme Zeit- und Kostenverschwendung.
Da sind Schüler noch wesentlich aufnahmefähiger als Erwachsene, die erfahrungsgemäß nach einer Stunde abzuschnallen beginnen. 
BIA (Gast) antwortete am 19. Feb, 23:54:
Nein, die Schüler sind in einer "Frontalunterrichtssituation" überhaupt nicht so viel aufnahmefähiger als Erwachsene. Wer das glaubt, hat noch nie ne fünfte oder sechste Stunde unterrichtet. Auch die Schüler beginnen, abzuschalten; der erschöpfte Lehrer nimmt bloß ihr dumpfes Vor-sich-hinstarren-und-hoffen-dass-es-bald-Läutet für sprachloses Interesse, wenn er naiv ist, oder ist froh, wenn sie ruhig sind, egal, ob sie was mitkriegen oder nicht. 
steppenhund antwortete am 20. Feb, 08:48:
Von 5. und 6. Stunde spreche ich nicht. Da geht allenfalls Mathematik:)
Aber 3-4 Stunden würden gehen, während bei Erwachsenen nach einer Stunden aus ist. 
teacher antwortete am 20. Feb, 11:11:
Auch die Kinder schaffen es nicht, 3 - 4 Stunden zuzuhören. Konzentriert schaffen sie es höchstens 10 Minuten. 
steppenhund antwortete am 20. Feb, 14:06:
10 Minuten ist ein bisschen zu eng gesetzt;)
Ich frage mich, ob die Geschichte mit der Entstehung der Waldorf-Pädagogik bekannt ist. Steiner hat ursprünglich bei einem Privatschüler reüssiert, bei dem er erkannt hatte, dass er nach einer bestimmten Zeit überfordert war. Alles was nachher noch auf ihn einprasselte, war kontraproduktiv und nahm bereits Erfasstes wieder weg. Durch die ordentliche Planung von Pausen konnte das als behindert geltende Kind unterrichtet werden und wurde später Rechtsanwalt.
Manchmal frage ich mich aber, wie weit die Welten wirklich auseinander sind. Unter meinen Bekannten gibt es kaum Leute, die sich über schulische Überlastung beschwert hätte. Und wir wurden alle 5-6 Stunden am Tag unterrichtet. 
BIA (Gast) antwortete am 20. Feb, 15:57:
Das ist ja genau die Crux: wie gut geht das denn, bitte, für 30 Leute individuell "ordentlich" Pausen zu planen?
Effekt: Schüler sitzt so'n bisschen in der Schule, hört halt'n Weilchen zu (25' konzentriert, dann ist Schluß), irgendwann beamt er/sie sich weg und geht relativ frisch-fröhlich in den Nachmittag.
Lerneffekt: viel, viel, viel zu gering.
(Dass Schule als doof gilt und Wissen als uncool hilft auch nicht wirklich.)

Die Schüler müssen viel mehr die Möglichkeit und auch die Pflicht haben, selbst zu arbeiten - selbst tätig zu sein.
Bloß: die vorgesehene Stoffmenge ist so groß, dass für intensives Auseinandersetzen mit dem Stoff kaum Zeit bleibt.

Gottistdasallesdeprimierend. 
steppenhund antwortete am 20. Feb, 16:38:
@BIA
Individuelle Pausen spielt es natürlich nicht. Ich glaube 45 Minuten sind schon verkraftbar. Aber da haben Sie möglicherweise bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Dann halt 30 Minuten.
Aber das mit der Stoffmenge ist ein Witz und auch eine große Täuschung.
Den Stoff der Oberstufe von Chemie oder Physik musste man früher beim Medizinstudium als eine der fünf Prüfungen fürs erste Rigorosum absolvieren. Da hat man als Student vielleicht 1 maximal 2 Monatel Zeit dafür. Neben den mitlaufenden Vorlesungen und Sezierübungen.
Heute hat sich der Studienplan ein bisschen geändert, aber ingesamt hält der Vergleich noch immer.
Ich habe mich von unserem Physiklehrer durch den flehentlichen Blick erweichen lassen und mich bei der Matura zu Physik bekannt. (Schöner Blödsinn - In Mathematik wäre ich mit null Aufwand ausgekommen.) Ich habe mir von meinem Schwager den Gerthsen ausgeborgt und Physik gelernt - und geflucht, weil ich so dumm war, mir so ein großes Fach auszusuchen. Die Lernstunden habe ich notiert. Es waren 60. Wenn ich das jetzt auf 4 Jahre Oberstufe verteile, kommt noch nicht einmal eine Physikstunde pro Jahr heraus. Mit Wiederholungen nehmen wir 2 h an. Da sollte man den Stoff bequemst bewältigen können.
Was aber zählt, ist das "Lernen"- Können. Da war ich natürlich privilegiert - als Austauschstudent in Amerika. Fachlich habe ich dort nicht soviel gelernt, aber plötzlich ist mir der Sinn einer Bibliothek für das Lernen aufgegangen. Plötzlich musste man Projekte durchführen. Plötzlich musste man "performen", präsentieren. Wenn ich sage, dass ich fachlich nicht so viel gelernt habe, stimmt das nicht ganz. Vom Zehnfingersystem auf der Schreibmaschine zehre ich noch heute, Autofahren mit 16 lernen war total super. POD, problems of democracy, lassen mich noch heute einige Dinge besser verstehen, selbst wenn der Unterricht stark amerikanisch-nationalistisch geprägt war. In Mathematik war der Stoff der vom ersten Semester Uni, aber das war halt ein Speziallehrgang. Ich war damals und bin es heute noch stolz auf unseren Lehrplan in Österreich. Wenn jemand die Maturaklasse in allen Fächern mit mindestens drei besser zwei abschließen kann, besitzt er so etwas wie Bildung. Buchführung etc. kann man leicht dazu lernen. Wirtschaftliches Verständnis detto. Und dann gehört auch Deutsch mit Literatur dazu. Und das schreibe ich als Techniker. Und wenn es bedeutet, dass die Kinder in einer Woche einmal mindestens einen Roman durchgelesen haben sollten.
Komischerweise war das in meiner Klasse damals überhaupt kein Problem, die meisten hatten kein Problem damit. Es war eine allgemeine öffentliche AHS. 
BIA (Gast) antwortete am 20. Feb, 18:14:
Klar ist der Stoff zu schaffen - kein Problem, wenn einer will, motiviert ist, interessiert ist oder genug Druck kriegt.
Das klappt in der Oberstufe in der Regel ganz gut (und wenn man ganz viel Glück hat, so wie ich, sagen die Schüler sowas wie: "Viele von uns möchten in den Leistungskurs, also können Sie bitte mit uns mindestens zwei Bücher lesen." *g)
In der "pubertären Jahren" ist das erfahrungsgemäß viel schwieriger. Da macht Unterricht,in dem die Schüler das tun, was steppenhund "performen" nennt, sehr viel Sinn; da lernen sie, indem sie selbst handeln. Aber wenn ihnen 60-70% der Zeit jemand von der Welt erzählt, bleibt ungemein wenig hängen. Eben, weil's an der Motivation, dem Interesse und dem Druck fehlt. Und weil sie nicht mehr so aufwachsen, dass sie lernen, Geduld zu haben, sich zurückzunehmen, einem komplexen Thema zu folgen.

Aber das weicht vom Thema teachers, dem Akzeptanzmanagement unter Kollegen, ab, fürchte ich. 

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