emu (Gast) meinte am 20. Dez, 19:38:
Bei allem Respekt für die subjektiven Sicherheitsbedürfnisse der adoleszenten Welt, eine gewisse verzerrte Realitätswahrnehmung darf man ihr doch unterstellen. In meiner längst vergangenen Jugend (vor zwei bis drei Jahren) häuften sich grausliche Berichte über das Linzer Bermudadreieck; die Gefahr, als unbedarfter Besucher zum Handkuss zu kommen war aber nahe null, Gewalt fand fast ausschließlich in geschlossenen Kreisen statt.Jetzt wohne ich im gefürchteten 20. Bezirk, wo nach allgemeiner Auffassung Kulturkriege toben und Jugendgangs die Straßen terrorisieren. Ich kenne niemanden persönlich, der je auch nur belästigt worden wäre – und die Kriminalitätsstatistik widerspricht meiner Privatempirie auch nicht wirklich.
Lächerlich und durch einen gelegentlichen Besuch in den Landesgerichten leicht widerlegbar ist auch die Idee, dass die Polizei nicht einschreiten würde. Bei aller Kritik an der Exekutive, Untätigkeit auch bei kleineren Gewaltdelikten kann man ihr kaum vorwerfen.
teacher antwortete am 20. Dez, 20:18:
Die Jungen sagen mir, dass diese Gewalt nur unter den Jugendlichen stattfindet (absurd, weil das die gewaltfrei erzogene Jugend sein sollte). Ein verbürgtes Beispiel: Jacke mit Ipod wird in einem In-Lokal gestohlen, der Betroffene geht natürlich nicht zur Polizei: "Eh sinnlos!" So entsteht unsere schöne Statistik.
rinpotsche antwortete am 20. Dez, 20:26:
Manchmal habe ich das Gefühl, dass es sich mit der Gewalt unter Jugendlichen ähnlich verhält, wie auf dem Fußballplatz: wenn man nicht gefoult wird, ist man nichts wert.
emu (Gast) antwortete am 20. Dez, 20:45:
Diebstahl ist eine andere Baustelle, weil er in Österreich wie Versicherungsbetrug, Steuerhinterziehung und Korruption zu den Kavalierdelikten zählt und wohl eine Mehrheit der Bevölkerung ihr Eigentum zumindest gelegentlich auf diese Weise vermehrt. Der Unterschied ist vielleicht, dass Erwachsene eher Konzerne und den Staat bestehlen und trickreicher vorgehen.
teacher antwortete am 20. Dez, 21:13:
Das ist eine der typisch jugendlichen Haltungen zum Eigentum - das habe ich früher nicht gekannt und daran kann ich mich auch heute nicht gewöhnen.
teacher antwortete am 20. Dez, 21:14:
@rinpotsche: Viele würden gerne auf die Fouls verzichten!
rinpotsche antwortete am 20. Dez, 21:40:
Ich will jetzt nicht das abgedroschene Argument über mangelnde Werte postulieren, aber oft bleibt nur diese Art von Aufmerksamkeit und Anerkennung übrig. Ich glaube auch nicht, dass jeder Getretene das für die erste Wahl hält. Aber es ist eine immer gängigere Möglichkeit, zumindest kurzzeitig im Fokus zu stehen. Und abgesehen davon, sind die bevorzugt auf's jugendliche Klientel ausgelegten Medien voll von getoppten Brutalitäten. Es schaukelt sich gegenseitig hoch und wird nachgemacht, auch wenn's weh tut. Alles andere ist uncool.
emu (Gast) antwortete am 20. Dez, 23:04:
@teacher: Welche »typisch jugendlichen Haltungen zum Eigentum« meinst du?
teacher antwortete am 21. Dez, 12:57:
Ich erlebe, wie ein Buch, eine DVD oder ein USB-Stick eines Mitschülers einfach mitgenommen wird, wie bei Feten in den Vorratskammern der Gastgeber zugegriffen wird, wie fremdes Eigentum nicht respektiert wird: War früher "Diebstahl" (an Kameraden besonders schlimm!), ist heute "lustig". Das ist eindeutig eine Haltung von Jugendlichen, Erwachsene sind hier viel respektvoller.
campino (Gast) antwortete am 21. Dez, 22:48:
Wobei das auch von der "Schicht" abhängt. Auf meiner Schule passiert sowas so gut wie nie, die meisten Schüler stammen aus der Mittelschicht ohne Migrationshintergrund. Am Nachbargymnasium, das den Anspruch, Eliteschule zu sein durch mind. 1/3 Einserschnitte in jedem Abijahrgang hält (Gerüchten zufolge durch den Schulleiter verordnet), ist so etwas ganz normal. Die Klientel: Oberschicht, hier sind all die, für die die Eltern nur das "Elitegymnasium" für angebracht halten.
Im Kooperationsunterricht fallen diese Schüler dadurch auf, dass sie ununterbrochen labern und eigene Leistungen nur schlecht einschätzen können. Der Hinweis, das bei uns der Unterricht um 8 anfängt, nicht um 10 nach 8 musste erst durch konsequentes Abschließen des Raumes von Innen um genau 5 nach 8 untermauert werden, bevor er ankam.
virtualmono antwortete am 22. Dez, 01:03:
Ich sehe in dieser laxen Einstellung zu fremdem Eigentum ein gewaltiges Problem - allerdings zeigen uns gerade die Verursacher der globalen Finanzkrise, daß es eben auch die Erwachsenen mit jedweder Ethik nicht mehr so genau zu nehmen scheinen.
teacher antwortete am 22. Dez, 08:05:
Ja, aus den Medien kennen sie das schon, aber bei ihren Eltern haben sie das nicht gesehen.