maschi meinte am 5. Dez, 20:57:
Wer glaubt
dass die beiden Sätze - "Kinder sind von Natur aus gut, arbeiten gerne und wollen immer alles wissen und dazulernen"
und
- "Kinder sind gewöhnliche Menschen mit Fehlern und Problemen. Sie haben einmal keine Lust, sie trotzen und können auch stören."
einander widersprechen, hat nach meinem Gefühl schon ein eher grundsätzliches Problem mit seinem Menschenbild und schrammt für mich bereits sehr hart an dem vorbei, was ich in My teachers and me." vor ein paar Tagen als "sozial auffälligen" Lehrertypus beschrieben habe. Wenn ich lese, dass "Kinder sind Menschen" ein revolutionärer Ansatz für die universitäre Lehrerausbildung wäre, dann drehts mir als Vater zweier Menschen ehrlich gsagt den Magen um... rein gar nichts hat sich offenbar geändert!
teacher antwortete am 5. Dez, 21:14:
Es macht schon einen Riesenunterschied, ob Schulkinder als Menschen mit allen pos. u. neg. Seiten betrachtet werden oder als ideale Kinder, die bei richtiger Behandlung nur Gutes tun können.Entsprechend würden unsere zukünftigen Lehrer auf die Schul-Realität vorbereitet werden, was momentan nicht der Fall ist. DAs wäre die Revolution!
maschi antwortete am 5. Dez, 22:36:
OK.
Ein Punkt ist vielleicht, dass Menschen - glücklicherweise - keine Automaten sind, die sich bei ordnungsgemässer, lehr- und lernbarer "Behandlung" gemäß Beipackzettel so verhalten, wie man es sich gemäss beschriebener Wirkung und Nebenwirkung erwarten würde. Ist diese Erkenntnis eine Revolution im Rahmen unserer Lehrerausbildung?
Menschen sind kreativ, assoziativ, unberechenbar, aggressiv, innovativ... das liesse sich weiter fortsetzen und ist im Übrigen auch nicht in "gute" und "schlechte" Eigenschaften trennbar, weil vieles davon wie zwei Seiten einer Medaille zusammengehört. Menschen sind weiters auch sowas wie die Summe ihrer Erfahrungen mit allen Menschen, mit denen sie jemals Kontakt hatten - und das sind wohl nicht nur ihre Lehrer...
Ist diese Erkenntnis eine Revolution im Rahmen unserer Lehrerausbildung?
Das alles ändert nun für mich aber nichts daran, dass Menschen "von Natur aus" das "Gute" (im Sinn von sozial für alle "Vorteilhafte") wollen, dazu gehört ua auch, dass sie per se gerne arbeiten und dazulernen wollen. Diese angeborenen Eigenschaften müssen allerdings durch sozialen Kontakt "reifen" und dieser Prozess kann durch intensiven Kontakt mit Menschen, denen die Reife hinsichtlich dieser positiven Eigenschaften selbst noch fehlt, massiv erschwert werden. Allerdings sind das natürlich nicht nur Lehrer, das sei betont, vielmehr sind gerade Lehrer, die selbst positiv reifen durften, natürlich mit Kindern/Menschen konfrontiert, denen es in dieser Hinsicht bereits sehr schwer gemacht wurde...
Und diese Erkenntnis: eine Revolution im Rahmen unserer Lehrerausbildung?
Uhu (Gast) antwortete am 6. Dez, 22:24:
Ich stimme mit maschi überein. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Ich für meinen Teil habe kein Problem damit, Kinder als "von Natur aus Gut" zu begreifen und dennoch zu akzeptieren, dass meine Schülerschaft kein Blumenkranz bindender Nonnenzirkel ist. Natürlich kann man über die Begrifflichkeit des "Guten" an sich streiten, aber darum scheint es mir hier weniger zu gehen.Vielmehr ahne ich schon wieder eine Schimpfe auf alternative Unterrichtsformen, subtile Ängste und "backtotheroots"-Bekundigungen. Der Irrsinn beginnt da, wo Lehrer, Studenten, BILD-Leser glauben, man könne in eine weiterführende Klasse gehen und den Schülern nach 6 Jahren Frontalunterricht das "freie Lernen" von heute auf morgen aufbinden ... und wenn es dann nicht gleich nach einer Woche klappt, ist natürlich das ganze Menschenbild jeder Reformpädagogik schuld!
Interessant nur, dass die hier in Deutschland gewählten Gewinner des Deutschen Schulpreises allesamt ein sehr positives Menschenbild ausstrahlen und eben gerade dadurch ihre (mitunter sehr schwierigen) Schüler wieder zurück ins Lernboot holen können. Unterrichten ist "Schwerstarbeit" ... und gerade deshalb brauchen Lehrer ein Ideal, um das tagtäglich durchzustehen (die anderen haben irgendwann ihren Burnout).
Für interessierte am Deutschen Schulpreis empfehle ich folgende Infoseite mit Vorstellungen und Interviews:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/216504?inPopup=true
teacher antwortete am 7. Dez, 15:19:
Das positive Menschenbild reicht nicht aus, um in den Klassen zu bestehen und die jungen Lehrer bekommen in ihrer ausbildung keine Tools zur Verfügung gestellt, um mit den schwierigen Situationen der Schule umzugehen. (Sie verlangen verzweifelt danach!) Sie sehen dann Raufereien, hören Schimpfereien, erleben Mobbing ... und schreiten nicht ein, weil sie nicht wissen, wie sie vorgehen sollen. Wir überlassen die SchülerInnen ihrem Schicksal. Das kann z.T. unerträglich werden.
maschi antwortete am 7. Dez, 15:27:
Sicherlich, teacher.
Ein negatives Menschenbild wäre aber schon gar keine Grundlage, in den Klassen zu bestehen - es sollte vielmehr ein Kündigungsgrund sein.
teacher antwortete am 8. Dez, 09:33:
Einverstanden.
alexius antwortete am 10. Dez, 09:59:
Ich verstehe es einfach nicht
Sie schreiben: "... und schreiten nicht ein, weil sie nicht wissen, wie sie vorgehen sollen. "Genau hier ist das Problem. Mag sein, dass auch die Gesetze eine Rolle spielen. Aber wenn man nicht weiß, wie man bei einer Rauferei zwischen Jugednlichen sinnvoll einschreitet, was hat man dann überhaupt in einem Erziehungsberuf verloren?
Ich sags gleich dazu: Bitte die Härte der Formulierung zu entschuldigen. Ich bewundere Lehrer die Ihre Sache gut machen. (Je mehr ich selbst mit Kindern zju tun habe, umso mehr), aber ich habe leider nicht so viel Zeit zum politisch korrekten Formulieren.
teacher antwortete am 10. Dez, 11:44:
Einfach geantwortet: Wir werden als Lehrer ausgebildet (also zum Lehren) nicht als Erzieher. Das gilt vor allem für die Lehrer der Sekundarstufe 2 und aller Professoren, die sich primär als Fachexperten und Didaktiker verstehen, bestenfalls sekundär als Pädagogen. Ausserdem hat sich das Sozialverhalten (nicht nur der Kinder) massiv verändert - die Pädagogik viel weniger.
alexius antwortete am 10. Dez, 12:57:
versteh' ich, aber erschreckt mich...
...Ihre Antwort. Dann wird aber wohl kein Weg daran vorbeiführen, einen Lehrer-Eignungstest zu machen, in dem vor allem pädagogisches Verständnis (nicht Wissen, denn das soll ja noch gelernt werden) abgecheckt wird.
Wenn jemand nur Fachwissen vermitteln will, und dabei nur auf freiwillig Lernende bereits der Pubertät entwachsene Menschen treffen will, muss auf der Universität unterrichten. In einer Mittelschule hat der nichts verloren, abgesehen davon dass es sowieso traurig ist, dass man Pädagogik die nichts mit Wissensaufnahme zu tun hat, erwachsenen Menschen erst beibringen muss. Sowas sollte man im Gefühl haben, (sag' ich jetzt mal als Aussenstehender einfach so dahin)
Ein anderer Ansatz wäre eben die Eltern in die Pflicht zu nehmen, und zwar in der Form, dass extrem auffällige/störende Kinder einfach ohne viel Federlesens der Schule verwiesen werden können.
maschi antwortete am 10. Dez, 13:13:
@alexius
Die Fähigkeit, mit einer Bande Teenagern klug umzugehen kann man glaube ich nur bedingt lernen. Dh. genauer formuliert: man kann auf diesem Gebiet sicher eine Menge lernen, aber wenn die menschlichen Grundvoraussetzungen nicht passen, dann ist Hopfen und Malz verloren - und das in die pädogogische "Ausbildung" investierte Geld natürlich ebenso.Einmalige Eignungstests oder ähnliches reichen aber nicht, sondern im Endeffekt müssen auch die "Kunden" in Person von Schülern und Eltern mehr Einfluss darauf gewinnen, bei wem sie "kaufen" wollen. Die meiner Ansicht daher wichtigste Forderung: Extrem auffällige/störende Lehrer einfach ohne viel Federlesens der Schule verweisen zu können. Es gibt wahrlich genügend andere Jobs für Menschen, die sich mit ihrem Sozialverhalten schwertun.
Das wäre eine echte Revolution.
Vom Schulverweis für schulpflichtige Kinder halte ich demgegenüber gar nichts - wohin denn dann mit ihnen?
alexius antwortete am 10. Dez, 14:01:
Ja, aber... :-)
"Die Fähigkeit, mit einer Bande Teenagern klug umzugehen kann man glaube ich nur bedingt lernen. "Wahrscheinlich, und deswegen würde ich es gut finden, wenn auch Quereinsteiger in den Lehrberuf zugelassen würden. Keine Frage, das Prozedere und die zu absolvierende Ausbildung für diese Kandidaten muss man im Detail durchdenken, aber ein 35/40 jähriger wird wohl schon soviel Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen gesammelt haben, dass er beurteilen kann, ob er das sinnvoll "d'raufhat" oder nicht.
Wie soll das ein selbst-noch-jugendlicher Lehrer-Azubi wissen? Da ist dann halt Zufall ob sich herausstellt, dass er das kann oder auch nicht.
Die Kausalität nach der "humorigen" Forderung auffällige Lehrer von der SChule verweisen zu können ;-), und der freien Wahl der Kunden springt mir jetzt nicht unbedingt ins Auge. Was könnte das bedeuten? Mehr private Schulen? Freie Fahrt für freie Schüler? (wenn in der Umgebung keine akzeptablen Schulen vorhanden sind?) oder wie könnte man Ihre Forderung in der Praxis umsetzen?
Ihr Einwand bezüglich schulpflichtiger Kinder wiegt schwer, und wäre sicher in vielen Fällen nicht "Mittel der Wahl", aber die Eltern wären dann gezwungen, auch von Gesetzes wegen eben, sich mit Ihren Kindern intensiver auseinanderzusetzen.
teacher antwortete am 10. Dez, 14:03:
@alexius:1. Sollte es valide Eignungstests für zukünftige Pädagogen geben, bin ich sofort dafür. Aber wie erkenne ich einen Menschen, der ein guter Lehrer werden könnte, wenn ich nicht einmal weiß, wie ein guter Lehrer ausschaut (darüber herrscht keine Einigung!): Fragt einmal in einer Klasse, welcher ihrer Lehrer gut ist/war - da gehen die Meinungen sofort auseinander. Gut, die wirklich Schlechten findet man bald.
2. Pädagogik kann und muss man lernen. Wer glaubt, z.B. ein gute Mutter (die ja schon viel Erfahrung mit ihren Kindern gemacht hat), könne auch eine Klasse gut führen, der unterschätzt gruppendynamische Prozesse und Besonderheiten des Unterrichtens. Vor allem müssen wir immer häufiger unerzogene Kinder "gegenerziehen" (altes Verhalten aus dem Elternhaus oder den peer groups abschwächen, neues aufbauen - oft gegen Intentionen der unwilligen Eltern und gegen den Zeitgeist der Massenmedien).
Eigentlich ein unmöglicher Sisyphusjob!
@maschi:
Ich würde auch gerne unmögliche Lehrer abservieren (in irgendwelche Büros). Kinder von Schulen zu verweisen, das ist praktisch unmöglich (selbst wenn sie ihrern Mitschülern gefährlich werden!), auch nicht sinnvoll: Wohin? Aber was tun mit den Verwahrlosten? Fragt einmal bei Sozialarbeitern, welche Kaliber da heranwachsen!
alexius antwortete am 10. Dez, 15:25:
Zu Ihrem Punkt 2
Darum fordere ich, was ich schon in der Schule als "Problemschüler" gefordert habe.Ein strenges Auswahlverfahren für Lehrer, valide Eignungstests wird man ja hoffentlich erarbeiten können, halbjährliche "psychologische" Überprüfung der Lehrer, und dafür mehr Gehalt, hohe gesellschaftliche Anerkennung, und mehr Möglichkeiten zum Durchgreifen, also mehr Kompetenzen im pädagogisch-erzieherischem Bereich.
Die Situation, die Sie in Punkt 2 dargestellt haben, ist ja völlig untragbar, für beide Seiten, und muss raschest geändert werden.