steppenhund meinte am 3. Nov, 10:44:
Wo die Schule versagt
oder versagt hat: eine andere Erklärung finde ich nicht für das.Und ich werde langsam sauer bei Diskussionen über Prüfungen oder Tests.
Im Leben muss man sich andauernd bestimmten Tests stellen. Wenn ein Verkäufer etwas zu verkaufen versucht, wird der potentielle Einkäufer durch die Fragen das Produkt und damit auch gleichzeitig die Vorbereitung des Einkäufers für den Verkauf "testen".
Ich kann alles "über die Praxis" lernen, aber das dauert sehr, sehr lange und kostet wesentlich mehr schlechte Erfahrungen.
Wenn ich ein Job-Interview mache und herausfinde, dass die letzten zehn Jahre anscheinend spurlos (was Wissenszuwachs) an der interviewten Person vorbeigegangen sind, so bekommt sie oder er den Job nicht. In der IT bedeutet ein Jahr ohne Lernen, dass man bereits nur mehr etwas "Falsches", nicht Vollständiges weiss.
Wenn mir jemand erzählt, dass er programmieren kann, aber den Aufbau allgemeinster Programme nicht erklären kann, weil er ihn nicht kennt, dann erkenne ich, dass er in dem letzten Jahr nicht einmal ein Fachmagazin in der Hand gehabt hat.
Es ist lange genug erzählt worden, dass die "dummen" Jobs von Maschinen übernommen werden. Die Chance für den Menschen, speziell auch für den Österreicher, besteht darin, "intelligente" Arbeit verrichten zu können. Die setzt aber andauerndes Lernen voraus. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein Test kein Mirakel. Irgendwann sollte das Selbstvertrauen aus dem Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten entstammen und nicht von der Erkenntnis der eigenen Unfähigkeit unterminiert werden.
kittykoma antwortete am 3. Nov, 17:29:
yep, das sehe ich genau so. ich finde es katastophal, daß schüler und studenten kaum noch mündliche prüfungen haben. und wenn es dann ins erste bewerbungsgespräch geht, ist die hose randvoll. ich habe meine tochter unter anderem deshalb auf eine privatschule geschickt. dort gab es ab dem 6. schuljahr jährliche mündliche abschlußprüfungen.
Simon Columbus (Gast) antwortete am 3. Nov, 18:26:
@ Steppenhund:Eben, ANDAUERNDES Lernen ist gefragt. Was man mit Prüfungen nicht erreicht, sondern mit Herausforderungen.
Schule hat ein Motivationsproblem. Weil Lernen für etwas derart sinnentleertes wie einen Test nicht funktioniert. Besonders gut kann man das in China sehen: Ein Schulsystem, das vor allem auf Prüfungen basiert - und die höchste Selbstmordrate unter Schülern weltweit. Und ja: Das hängt zusammen. Zumal das chinesische Schulsystem trotz aller Prüfungen Menschen produziert, die für eigenverantwortliche Arbeiten kaum gerüstet sind.
Nachtblau antwortete am 3. Nov, 18:35:
Natürlich ist es schlecht, nur für Prüfungen zu lernen. Aber wenn man ehrlich ist, wer würde schon irgendetwas Trockenes wie Mathematik lernen, wenn er weiß, dass er nicht geprüft wird, und dass sein Nichtlernen keine wirklichen Konsequenzen hat. Ganz davon abgesehen, dass Test durchaus auch eine Rückmeldefunktion für den Schüler haben- wer sein Wissen nicht in Ernstfällen beweisen kann, weiß nicht, ob seine bisherigen Bemühungen und Anstrengungen reichen, um das Wissen wirklich zu beherrschen.
Stef (Gast) antwortete am 3. Nov, 20:10:
Es gibt ...
m.E. "Lernen" und "Stoff pauken".Ersteres geschieht in für den Lernenden "sinnhaften Bezügen", baut bestehende Wissensnetze aus, ist integrierbar, ist auch noch später abrufbar - aktives Wissen.
Letzteres geschieht eher sinnfrei (sieht man mal von Notendruck ab), wird bzw. kann nicht ins bestehende Wissensnetz integriert werden, ist daher eher angebaut/aufgefropft, bleibt daher nur kurze Zeit abrufbar - totes Wissen.
Deshalb @nachtblau:
1.) Wer nur der Prüfung wegen lernt, sich Stoff "reinzieht", lernt nicht wirklich - er sammelt sich im besten Fall nur kurzfristig abrufbare Wissensfetzen an. Ich erlebe das als Lehrer z.Z. täglich.
2.) Wenn du von der "trockenheit" der Mathematik sprichst, dann bestätigst du genau diesen Punkt. Für den Informatiker/Ingenieur/Versicherungsmathematiker/... ist die Mathematik wahrscheinlich deutlich "süffiger" als jede Deutschlektüre. Für den einen ist es sinnvoller/vergnügliches Wissen, für den anderen subjektiv lebensfrmendes Trockenfutter.
3.) Das sage ich als Lehrer: Tests sind nur bedingt eine Möglichkeit um aktives Wissen (wirklich gelerntes) von totem Wissen zu unterscheiden. Die Rückmeldefunktion ist also mit Vorsicht zu genießen.
4.) Wer sagt eigentlich, dass alle alles lernen müssen ?! Man sagt das so schön (Allgemeinwissen ... ...) und meint es dadurch zu gewährlisten zu können, dass man den 45min Zeiteinheiten einer Schule Fächernamen wie Deutsch, Mathe, Englisch, etc. gibt und gelegentlich die behandelten Themen überprüft. Wenn ich mich da mal an meine Tutorentätigkeit an der Uni erinnere und an die lieben StudentInnen (also mind. 13 Jahre Schule), dann wage ich einmal zu behaupten, dass ein Großteil höchstens den mathematische Lernstoff von Klasse 5/6 wirklich (aktiv!) beherrscht. Man frage mal 50 Lehramtsstudenten, was eigentlich ein Logarithmus, der Cosinus, etc. ist ... !? Bzw. welcher geschichtliche Epoche der Aufklärung, der Romantik etc. voranging (bzw. Stilelemente dieser) oder nach beliebigen Inhalten aus dem Physikunterricht der 6.Klasse.
Fazit: Schule ist ein großes Theaterstück, dessen Rollen manche mehr und manche weniger gut beherrschen. Über das wirkliche (echte) Lernen entscheidet aber dennoch jeder Schüler ganz eigenständig. Und dieses Lernen geht ganz einfach, weil es Spaß macht!
Nachtblau antwortete am 3. Nov, 21:10:
Muss man denn immer nur den Spaß und die Lust betonen? Das Leben besteht leider nicht nur aus den angenehmen Dingen, das muss leider jeder lernen, und je früher, desto eher findet man sich damit ab.Außerdem, woher soll man denn wissen, ob man an etwas Spaß hat, wenn man es gar nicht kennt? Wenn ein Kind von Zuhause hört, dass Mathematik doof ist, wird es diese Haltung wahrscheinlich erstmal übernehmen. Wenn es damit aber direkt konfrontiert wird, merkt es vielleicht, dass ihm Mathematik, aus welchen Gründen auch immer, Spaß macht, interessiert. Ohne einen gewissen Zwang ist soetwas aber wohl eher nicht zu erreichen.
Und ja, jeder sollte vielleicht nicht alles, aber zumindest möglichst Vieles lernen. Sonst sind wir da, wo wir schon einmal waren: die einen wollen und können nicht schreiben und lesen, andere können nur rechnen, wieder andere sind nur mit handwerklichen Methoden in Berührung gekommen. Gerade in unserer Welt wäre das ja wohl mehr als fatal.
Daniel (Gast) antwortete am 3. Nov, 22:42:
"Das Leben besteht leider nicht nur aus den angenehmen Dingen, das muss leider jeder lernen, und je früher, desto eher findet man sich damit ab."Aber warum soll ich mich mit Sachen (die ich nicht mag) abfinden, wenn ich es ändern kann?
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Da bin ich mir im Moment sehr sicher. Und wenn dann schon etwas zwingend tun muss, dann versuche ich es zumind. das auf eine möglichst angenehme Art und weise zu tun.
Sich immer mit vorgegebenem abzufinden finde ich ähnlich doof wie alles zu glauben oder gar für Richtig zu finden, was jemand sagt. Selber denken halte ich für angesagt. Auch in der Schule.
Vielleicht gar kein so dummer Gedanke, bewusst schlecht abzuschneiden um Besserung zu Erfahren...
Daniel (Gast) antwortete am 3. Nov, 22:47:
schlechtschreibfix
"Und wenn dann schon zwingend etwas getan werden muss, versuche ich zumind. das auf eine möglichst angenehme Art und Weise zu tun."muss das heißen..
Im übrigen: www.Freiheit-Statt-Angst.de
Nachtblau antwortete am 3. Nov, 23:10:
Selber denken und lernen schließt sich in keinem Fall aus.
steppenhund antwortete am 4. Nov, 01:32:
@StefDu hast natürlich vollkommen recht, dass Mathematik für bestimmte Berufsgruppen interessanter ist als für andere. Ich behaupte nun, dass der Mensch beides braucht, Mathematik und Deutsch. Ich beklage, dass Techniker viel zu wenig humanistisches Wissen besitzen, während Geisteswissenschaftler manchmal sogar stolz zu sein scheinen, wenn sie nichts von Mathematik verstehen. Ab und zu fängt man sie dann noch mit der Notwendigkeit der Statistik ein.
Die Geschichte mit Sinus und Cosinus verwende ich mittlerweile in einem anderen Zusammenhang. Ich finde es erschreckend, wie leicht Personen die Segnungen eines Navigationsgerätes hinnehmen, ohne nur im geringsten eine Ahnung zu haben, wie es funktioniert.
Eine Projektarbeit, die ich für die siebte Mittelschulklasse vorschlagen würde, wäre die Analyse der notwendigen Berechnungsverfahren, die für die Ortsbestimmung notwendig sind. Dabei dürfen auch die Beschleunigungswerte und Geschwindigkeitsdaten nicht fehlen, die notwendig sind, um einen Satelliten in eine geostationäre Umlaufbahn zu bringen.
1) Was heißt geostationär?
2) Wie sieht die Raketenbahn aus, welche einen Satelliten in eine geostationäre Bahn bringt?
3) Wieviel Satelliten benötigt man, um eine genaue Ortsbestimmung durchzuführen?
4) Wieviele werden wirklich zur Bestimmung herangezogen?
5) Was passiert in einem Navi-Gerät im Tunnel?
6) Wovon ist die Startzeit eines Navi-Gerätes abhängig?
7) kleiner Seitensprung in die Physik: wie groß sind die Strahlungswerte? Womit sind sie vergleichbar?
8) Nennen Sie drei literarische Werke, in denen Sterne eine wesentliche Rolle spielen.
9) Bei welchem Philosophen kommen Sterne in einem oft kolportierten Zitat vor.
Wie schon in einem früheren Projekt vorgeschlagen, in diesem Fall 4 Wochen Zeit, Gruppen zu 4 Personen, halbstündige Referate, Stichfragen zum Referat.
Das würde ich eine Prüfung nennen.
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@nachtblau (Gast) antwortete am 4. Nov, 18:17:
Dass Lernen Spass/Freude macht, ist nur eine nette Nebenerscheinung echten (selbstbestimmten) Lernens. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Lernen dadurch weniger anstrengend ist (im Gegenteil!). Anstrengung und Freude beim Lernen sind für mich kein Widerspruch, sondern fast schon eine Bedingung ...Und wie ich schon schreibe: die "Trichter-Lernstoff-rein-Methode" funktioniert nicht, auch nicht durch Tests und Druck.
teacher antwortete am 4. Nov, 20:11:
In einer guten Definition von "Lernen" steckt das Wort "Anstrengung" sogar drinnen. Wenn Schule nur mit Spaß verkauft wird, dann ist etwas faul dran!
Lisa Rosa antwortete am 5. Nov, 11:12:
Echt
Sinn muß es machen - und zwar für den, der lernen soll!, nicht für den Lehrer -, echte Probleme müssen gelöst werden - dann strengen sich die Schüler an und lernen begeistert. Aber wenn alles nur auf das "spätere Leben" vorbereiten oder trainieren soll, dann macht es eben heute keinen Sinn. Und dann ist "Lernen" nicht bloß nicht spaßig, sondern eben sinnlos und eine Qual.Die richtige Schülerantwort auf die Lehrerfrage, "Was ist der Unterschied zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler" (als Aufforderung zum Lernen) lautet darum: "Wissen Sie das nicht? Dann schauen Sie doch in Wikipedia nach und lassen uns in Ruhe damit."
teacher antwortete am 5. Nov, 20:29:
SINN ist wirklich gut. Leider macht manches erst "im späteren Leben" (z.B. beim Studium) Sinn. Ich habe erst vor kurzem ein Mail von der Wirtschaftsuni bekommen - eine Studentin war draufgekommen, dass mein Unterricht vor Jahren Sinn gemacht hat. Das freut dann echt!
teacher antwortete am 7. Nov, 20:09:
@ Daniel: Schade, dass man bei blogger.de zum Kommentieren restriert sein muss. Das ist ein zu große Barriere.
BIA (Gast) antwortete am 20. Nov, 21:17:
und wenn mich das nicht interessiert...
...dann versuche ich, trotz aller lehrerseitiger Bemühung, möglichst arbeitsunintensiv herunterzubiegen. Ich halte es für einen Irrtum, zu glauben, dass allen jedes interessieren muß. Das ist bei Erwachsenen nicht der Fall - und das sollten wir auch, wenn wir nicht ganz blauäugig sind, Kindern zugestehen.