Alex (Gast) meinte am 5. Apr, 10:20:
Ähem!
Habe jetzt die Diskussion interessiert mitverfolgt, und muss jetzt mal eine Lanze für die Lehrer brechen.Ich selbst hatte ja große Probleme mit meinen Lehrern in der Mittelschule (=Gymnasium), aber ich habe auch ein paar Lehrer getroffen, und ich hatte viele (3 Schulwechsel), die toll waren, und denen ich etwas verdanke.
Also: Zum Vorwurf der "Fäule" bei Lehrern: Das ist doch keine spezifische Eigenschaft von Lehrern. Das ist doch in jedem Beruf so. Ich kenne Ärzte, EDV-Techniker, Handwerker die enthusiastisch in Ihren Beruf gegangen sind, und mittlerweile völlig abgestellt haben.
Auch die zitierten Gründe für das Faulwerden, habe ich schon oft von anderen Berufsttätigen gehört. (...manchmal verwende ich solche Aussagen selbst, um meine Durchhänger im Büro zu rechtfertigen...)
Trotzdem ist es sehr interessant, was hier geschrieben wurde, und ich stimme inhaltlich damit überein, dass das Burn-Out, sowohl bei Lehrern, als auch in anderen Berufen, systemimmanent ist. Es mag sein, dass das bei Lehrern etwas problematischer ist, da diese ja als "Autoritäten" fungieren sollten, und man deswegen, gerade in den Schulen, die Situation schleunigst verbessern sollte.
Ein Teil dieser Verbesserung ist sicher eine höhere soziale und auch materielle Anerkennung für Lehrer, aber dafür auch eine strengere Überprüfung der Motivation, aber, und dass ist doch klar, ohne die Mithilfe der Eltern und Schüler wird sich gar nichts ändern. Und solange die Lehrer die Eltern, und die Eltern die Lehrer für die Missstände verantwortlich machen, wird sich gar nichts zum Besseren ändern.
Zwei Dinge möchte ich hier noch zur Diskussion stellen, (dann muss ich leider wieder was hakkeln ;-), und das ist zum Einen, die meiner Meinung nach hier angebrachte Frage des "cui bono", und zum Anderen der Hinweis darauf, dass es Schulen gibt, die einen mehrheitlich interessanten, abwechslungsreichen, auch individuell differenzierten Unterricht bieten, mit dem alle drei beteiligten Personengruppen (Eltern, Schüler, Lehrer) recht zufrieden sind.
Leider sind das nicht die öffentlichen Schulen, sondern z.B.. die American International School, draussen in Salmannsdorf, die im Monat glaub' ich, so um die 300 Euro Schulgeld kostet.
Tja, so schaut's aus.
teacher antwortete am 5. Apr, 11:09:
Stimmt schon, dass auch in anderen Berufen Faulheit einreisst, aber in der Schule ist sie systematisch vorprogrammiert, im Übrigen auch für die Schüler!
Alex (Gast) antwortete am 5. Apr, 11:20:
systematisch oder systemisch
Nur kurze Replik:Ich glaube der Unterschied, grob gesprochen, zu anderen Berufen, liegt darin, dass Faulheit in der Schule möglich ist, und zwar über einen langen Zeitraum, ohne direkte berufliche Konsequenzen.
Und weil Sie geschrieben haben "systematisch vorprogrammiert". Ich denke es ist "systemisch", also im System, dass man in der Arbeit faul wird, weil es schwer ist, sich für sinnentleerte Lohnarbeit zu begeistern.
Im pädagogischen Bereich ist es halt für die Beteiligten überraschend und schwer zu verkraften, dass auch der Lehrberuf, auf Grund des suboptimalen Umfelds, als sinnentleert empfunden werden kann. Noch dazu wo man vielleicht mit hehren Idealen gestartet ist.
teacher antwortete am 5. Apr, 11:32:
Ziemlich gut durchschaut!Die Sinnlosigkeit der Lehrtätigkeit erlebt man besonders beim Versuch, Stoff zu wiederholen, der länger zurück liegt. Reaktion: "Das haben wir nie gelernt!" D.h.: Ich beginne von vorne!
(Egal, ob das die Schüler nur vortäuschen oder nicht)
Alex (Gast) antwortete am 5. Apr, 15:01:
Warum lernt jemand überhaupt?
Wie funktioniert lernen überhaupt? Was motiviert mich zum Lernen?Ohne einschlägige Literatur studiert zu haben, bin ich mir trotzdem sicher, dass Lernen in jedem Alter eines Menschen anders funktioniert.
In ganz jungen Jahren, als Baby, lernt der Mensch ununterbrochen durch Nachahmung der ihn umgebenden Menschen, um seine Akzeptanz in der Gesellschaft und damit sein Überleben zu sichern. Dieses Lernen bedarf, glaube ich, keiner speziellen Motivation, trotzdem kann es gefördert oder behindert werden, und wird damit schon zum Wegweiser für noch Folgendes.
Mit dem Spracherwerb explodieren förmlich die Lernmöglichkeiten, und für mich gibt es nichts erhebenderes als den natürlichen Lern und Erforschungsdrang von Kindern zu beobachten und zu unterstützen. Ein "ich weiß das auch nicht" auf eine Kinderfrage, auch wenn man etwas zu wissen glaubt, kann überhaupt Wunder wirken, und die Denkfähigkeit eines Kindes sehr befördern.
Dann, die Volksschule. Zum ersten Mal mit Frontalunterricht in der Gruppe konfrontiert, beginnen die Lernprobleme. Hier hört man dann auch zum ersten Mal von Kindern ,dass sie etwas nicht lernen wollen. In dieser Phase ist es auch offensichtlich wie wichtig und prägend die Eltern, und deren Einstellung zum Lernen, für das Lernverhalten der Kinder sind. Die Elteren, die ja d i e natürlichen Autoritäten für jedes Kind sind, bekommen jetzt Konkurrenz durch eine außenstehende Person, den Lehrer/die Lehrerin. Viele Eltern empfinden das als Bedrohung und untergraben, vielleicht auch unbewußt, diese Autorität.
Ich sage nicht, dass es schlecht ist, Autoritäten zu hinterfragen, ich sage, dass es tödlich für die Lerneinstellung eines Menschen ist, die Autorität von Schullehrern prinzipiell in Zweifel zu stellen. Ich meine hier Aussagen von berufstätigen Eltern wie z.B.: "Die Soundso hat ja keine Ahnung. Die weiß ja nicht was es heißt zu arbeiten", u. ä.
Neben der Schule lernen die Kinder aber auch ununterbrochen. Man kann sie förmlich nicht daran hindern (obwohl man sich das manchmal wünschen würde). Von den Gleichaltrigen, vom Fernsehen, etc... Hier müssen v.a. die Eltern engagiert, korrigierend oder unterstützend eingreifen. Das ist anstrengend, und bedarf einiges an Fingerspitzengefühl und ist aber keinesfalls Aufgabe der Lehrer. Es ist zwar nett, wenn einige engagierte Lehrer hier mithelfen, aber verpflichtend ist das wohl nicht.
Naja, und dann kommt die Mittelschule. Humanistisches Bildungsideal aus dem vorigen Jahrhundert. Schön, aber als abstraktes Lernziel den Kindern unmöglich zu vermitteln.
Jetzt sind wir bei der Frage, woher denn die Motivation zu Lernen kommt. Ist es als Baby instinktiv, in der Volkschule noch nahezu unhinterfragt akzeptiert, dass man lernen muss, könnte jetzt vielleicht das Interesse für eine Sache den Kick zum Wissenserwerb geben.
Aber warum sollten 30 Kinder in einer Klasse dieselben Interessen haben? Vor allem, wer interessiert sich von sich aus für Deutsch, English, Geografie, Physik, Chemie, und, und, und, zugleich. Ich denke die meissten Eltern sind froh, wenn sich die Kinder in diesem Alter noch für irgendetwas mehr interessieren, als für KOnsum und Fun. Also stehen die Lehrer vor der Aufgabe einen Lehrstoff zu vermitteln, der vielleicht 25% der KInder an sich interessiert, den der Rest jedoch faaaaaaaaad findet.
Ich glaube das Geheimnis hier heißt "Autorität". Ein Schüler lernt etwas, was ihn nicht ursächlich interessiert, weil es ihm jemand, den er als Autorität akzeptiert, vorgibt. Sei es um zu beeindrucken und Lob zu bekommen, sei es, weil diese Autorität ihm gesagt hat, dass ihm dieses Wissen noch einmal etwas nützen wird. (Die andere Möglichkeit der Motivation wäre die Peer-Group, also die Gleichaltrigen bei denen man anerkannt sein will). Das heißt für mich, dass eine Reaktion wie von Ihnen geschildert, bei der Stoffwiederholung, dazu führen muss, dass die, die den Stoff nicht können die Blamierten sind, und dieser Stoff ohne Gnade bei der nächsten schriftlichen Prüfung abgefragt wird.
Der langen Rede kurzer Sinn: Lehrer müssen Autoritäten sein. Eltern und der Rest der Gesellschaft dürfen das nicht untergraben, und die Selektion der Lehrer muss verbessert werden.
teacher antwortete am 5. Apr, 19:28:
Viele, interessante Gedanken.Was mich besonders beeindruckt, ist deine Sicht des altersabhängigen Lernens: Ich glaube auch, dass Schulkinder best. Alterstufen, besonders während der sog. Pubertät, keine natürliche Neugier für Schulwissen zeigen können. Selbst wenn ich über sehr spannende Dinge der Wissenschaft oder der Wirtschaft berichte, gähnen sie fröhlich zum Nachbarn, der gerade ein "Bravo" unter der Bank anschaut. Selbst erarbeiten ist auch Illusion.
Ein überzeugter Lehrer mit Autorität kann sie trotzdem zur Arbeit aktivieren, aber vielen von uns ging sowohl die Überzeugung als auch die Autorität verloren.