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cotopaxi

 
"Die Kinder halten uns jung", lautet ein allgemein akzeptierter Gemeinplatz in Lehrerkreisen. Eltern und Großeltern nicken und fühlen sich auch gleich geglättet.
"Und auch dumm?" frage ich dann vorlaut wie ein Kind, beide Annahmen verbal bestätigend.

Natürlich passen sich erwachsene Lehrpersonen ihrem jugendlichen Publikum an; jeder passt sich seinem Kontext an, das steigert Kommunikation zu Empathie.

Bei uns geht die Anpassung immer nach unten, wir verblöden beim Unterricht!

Wenn ich aus einer ersten Klasse herauskomme und meine Anweisungen, wie Hefte bunt und übersichtlich gestaltet werden, in die achte Klasse mitnehme, dann erklärt man mich zu Recht unzurechnungsfähig. Ein Scherz, der unter Pubertierenden Lachkrämpfe erzeugt, wird zwei Jahre später zum Rohrkrepierer. Ein lockeres "Geh, Schatzi" wird in der ersten und der achten akzeptiert, dazwischen aber heftig zurückgewiesen.

"Nur nicht in die falsche Lade greifen, die falschen Register ziehen!" Viele soziale Zwänge regieren.

Nicht nur sprachlich, auch beim intellektuellen Anspruch kommen wir ständig den Zuhörern entgegen, mehrmals pro Tag. Wenn ich von der 1 G in die 1 E wechsle, lasse ich mein Repertoire an Bildlichkeit im Lehrerzimmer.
"Kannst Du ihm einmal unter die Arme greifen?" führt hier zu Hilfe, dort zu Handgreiflichkeiten. (Klassen wachsen unheimlich schnell zu eigenständigen Lebensgemeinschaften zusammen: Streichelzoo oder Haifischbecken.)

Eine 45-jährige Englisch-Kollegin geht für ein Jahr nach Neuseeland, weil sie ihre Sprachkenntnisse aufbügeln will: "Ich spreche schon wie ein Vierzehnjähriger, langsam, überzeichnet, armes Schulenglisch. Ich muss raus da."

Sie hat sich angepasst, nach unten. Und flüchtet vor der schulischen Verblödung.
Nachtblau meinte am 6. Jan, 19:45:
Danke, sehr aufbauend, soll das heißen dass ich irgendwann nicht mehr gescheit lesen, schreiben und rechnen kann, geschweige denn mich in der Pause mit den Kollegen lieber prügle anstatt sich nett zu unterhalten? 
teacher antwortete am 6. Jan, 20:22:
Keine Chance zu entkommen! *gg* 
Nachtblau antwortete am 6. Jan, 21:04:
;( 
kaltmamsell (Gast) meinte am 7. Jan, 12:01:
Oh ja, was der lehrende Mitbewohner teilweise an Wörtern mit heimbringt! Statt altersgemäß "super" sagt der Mann zum Beispiel immer häufiger "cool". Den kann man in seiner eigenen Generation bald nicht mehr vorzeigen.
(Flüchten in eigene Interessen halte ich für einen sehr guten Ausgleich.) 
teacher antwortete am 7. Jan, 15:42:
Ich muss auch ganz geil aufpassen.
@ Ausgleich: Diverse Lehrer-Marotten (z.B. Kanarienzüchtervereinspräsident, Lateinischer Tanz ...) habe ich früher für echte Flucht gehalten, ist aber eine heilsame Notwendigkeit. 
Lila Elefant meinte am 7. Jan, 12:12:
Na dann stellen Sie sich mal vor wie es erst den Schülern gehen muss! :P Schuleschwänzen dürfte doch ungeahnte Vorteile haben. 
teacher antwortete am 7. Jan, 15:57:
Den Schülern könnte es doch ein bisserl prächtiger gehen, sie könnten sich nach oben anpassen, also dazulernen - wenn sie nicht schwänzen! 
Lila Elefant antwortete am 8. Jan, 22:19:
nach oben? an wen denn? scheinbar sind sie ja selber alle dumm, ebenso wie die sich an ihnen orientierenden lehrer. da bleibt dann aber niemand mehr über.

jahrelanges nichtschwänzen hat mich davon überzeugt, dass man in der schule (meist) nichts lernt. manchmal frage ich mich ob ich beim mitschwänzen mit so manchem mitschüler womöglich mehr gelernt hätte 
teacher antwortete am 9. Jan, 08:03:
Witzig. Da beisst sich die Katze in den Schwanz, wenn sich die Schüler den sich langsam verblödenden Lehrern anpassen würden. Ein logisches Dilemma.
Schluss: Schule macht blöd, Schwänzen macht Sinn.
Da will ich noch ein bisserl was verbessern, bevor wir total resignieren. 
Frau K (Gast) meinte am 7. Jan, 23:14:
Wie wahr... ich brauche auch dringend Ausgleich, denn ich verbloede auch langsam (drei jahre nur 1. und 2. Klasse in Englisch nach 5 Jahren englischsprachigem Ausland. Das tut einfach nur weh. Auch, dass ich gezwungenermassen British English lehren muss (siehe Buch), was fuer mich echt wie eine Fremdsprache ist. 
 

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